Profilbild von walli007

walli007

Lesejury Star
offline

walli007 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit walli007 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.07.2021

Flüchtige Erinnerung

Das unsichtbare Leben der Addie LaRue
0

Im Jahr 1714 soll Adeline LaRue heiraten, sie soll in ihrem kleinen französischen Dorf bleiben, Kinder haben und relativ früh ausgezehrt sterben. Nein, das ist nicht ihr Weg. Obwohl ihre mütterliche Freundin ...

Im Jahr 1714 soll Adeline LaRue heiraten, sie soll in ihrem kleinen französischen Dorf bleiben, Kinder haben und relativ früh ausgezehrt sterben. Nein, das ist nicht ihr Weg. Obwohl ihre mütterliche Freundin Estele sie warnt, sich an die Geister zu wenden, die nur in der Dunkelheit hervorkommen, schließt Adeline mit eben einem solchen einen Pakt. Sie darf frei sein, doch die Freiheit hat einen hohen Preis. Addie gewinnt Jugend und möglicherweise ewiges Leben, doch sie schwebt durch die Zeit wie ein Geist, niemand erinnert sich an sie. Bis eines Tages alles anders ist.

Welch ungewöhnliches Schicksal erlebt Adeline LaRue, die viel lieber Addie ist. Wie ein flüchtiger Schatten reist sie durch die Jahre und Jahrzehnte. Menschen, die sie treffen, vergessen sie sobald sie ihr den Rücken kehren. Das gibt ihr große Freiheit, aber sie ist dadurch auch heimatlos und ohne Bezugsperson. Falls sie doch einen Bezug gewinnt, so merkt nur Addie dies, der andere vergisst immer wieder. Allerdings kann sie sich nehmen was sie braucht, selbst wenn sie mal was klaut oder in eine Wohnung eindringt, ist es sofort vergessen. Der, der ihr gab, will auch nehmen, doch Addie findet auch nach Jahrhunderten immer noch Dinge, die sie entdecken kann, sie gibt nicht auf.

Mit fast sechshundert Seiten ist dieser Roman mit phantastischen Einflüssen ein echter Brocken. Gerade zu Beginn stellt dies doch ein kleines Hindernis dar, denn die Handlung entwickelt sich recht langsam und zumindest eine gewisse Gefahr besteht, dass man aufgibt. Doch setzt man eine Weile ab und liest dann weiter, erschließt sich auf einmal der Reiz dieses ungewöhnlichen Werkes. Plötzlich gelingt es, sich in Addie hineinzuversetzen. Ihr langes Leben durch mehrere Jahrhunderte. Ihre Einsamkeit, selbst ihre Eltern können sich nicht mehr an sie erinnern. Die Schwierigkeiten sich mit dem Einfachsten zu versorgen. Doch auch ihre Freude an Neuem, sei es neue Sprachen, neue Länder oder neues Essen. Nur mit den neuen Menschen ist es schwierig, denn die erinnern sich ja nicht. Wird sie irgendwann ihre Seele aufgeben? Nach kleinen Anfangsschwierigkeiten bannt einen Addie LaRue vor die Seiten.

Veröffentlicht am 03.07.2021

Licht über der See

Die Stille des Meeres
0

In Syrien kommt der Arzt Farouk zu dem Schluss, dass es das Beste ist, mit seiner Frau und seiner Tochter das Land zu verlassen. Es wird einfach zu gefährlich, denn seine Frau, die manche westliche Einstellungen ...

In Syrien kommt der Arzt Farouk zu dem Schluss, dass es das Beste ist, mit seiner Frau und seiner Tochter das Land zu verlassen. Es wird einfach zu gefährlich, denn seine Frau, die manche westliche Einstellungen pflegt, wird argwöhnisch beäugt. Die beschwerliche Reise soll sie über den Seeweg nach Europa führen. In Irland vermisst Lawrence einen Vater. Seine Mutter hat nie etwas erzählt und sein Großvater, der sich gut um ihn gekümmert hat, ist eben nicht der Vater. Auch sonst kommt sich Lawrence abgehängt vor. Schließlich ist da John, der weiß, dass er im Leben nicht viel Gutes vollbracht hat.

Drei Geschichten, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Und doch geht es um drei Männer, deren Schicksal ihnen schwere Momente auferlegt hat. Farouks Flucht verläuft dramatisch und tragisch. Lawrence hat es zu nicht so viel gebracht, hat ihm der Wille gefehlt oder doch ein Vater. Konnte ihm der gutmütige Großvater nicht genug sein. Es sind die Gelegenheiten, die er selbst nicht wahrgenommen hat, denen er nachtrauert. Und John sinniert über sein Leben, das gezeichnet ist durch den frühen plötzlichen Tod seines Bruders. Und die Unfähigkeit Johns wie sein Bruder zu sein oder gerade wie ein anderer.

Der Roman beginnt mit den Geschichten der drei Männer und führt zu einem mitreißenden Finale, welches die Fragen beantwortet, die sich während der Lektüre der anderen Abschnitte aufbauen. Äußerst stark ist der Beginn dieses Romans. Mit ungläubigen Schrecken erfährt man von einer fremden Welt, aus der für gemäßigte Kräfte tatsächlich die Flucht der einzige sich bietende Ausweg scheint. Die perfiden Machenschaften der Schleuser lassen einen sprachlos vor Entsetzen zurück und auch der weitere Verlauf lässt einen Schlucken. Dagegen wirken die beiden mittleren Kapitel etwas zurückgenommen, obwohl auch sie folgerichtig auf den abschließenden Teil hinführen. Dieser ist sehr gelungen, so zwingend, als hätten die vorherigen Berichte nur zu diesem Schluß führen können. Das ist klasse gemacht.

Veröffentlicht am 01.07.2021

Submarine

Miracle Creek
0

Ihre Tochter sollte in Amerika zur Schule gehen und studieren. Deshalb ging Youg mit ihrer Mary in die USA. Pak, ihr Mann, blieb in Korea. Um das Ganze finanzieren zu können, nahm Young einen Aushilfsjob ...

Ihre Tochter sollte in Amerika zur Schule gehen und studieren. Deshalb ging Youg mit ihrer Mary in die USA. Pak, ihr Mann, blieb in Korea. Um das Ganze finanzieren zu können, nahm Young einen Aushilfsjob bei einer anderen koreanischen Auswandererfamilie an. Allerdings erwies sich die Stelle als ein mehr als Vollzeitjob, so dass für Mary kaum Zeit blieb. Jahre später haben sie es aber geschafft, glauben sie. Pak ist nachgekommen und gemeinsam haben sie sich mit einer Überdruckkammer selbstständig gemacht, in der sie ihren Patienten Hilfe anbieten. Doch schon bald geschieht ein tragischer Unfall mit zwei Todesfällen.

Im Prozess ein Jahr später ist die Mutter eines der Opfer angeklagt. Während weniger Gerichtstage berichtet die Autorin aus der Angeklagten un der Zeugen von dem tragischen Geschehen und wie es möglicherweise zu dem Unfall kam. Immer neue Details kommen ans Licht, die der vermeintlichen Wahrheit neue Aspekte verleihen. Da wurde viel verschwiegen, anders erzählt oder anders gedeutet. Und es geht auch um die Patienten und ihre Angehörigen. So soll die Behandlung körperlich, geistig oder seelisch schwer eingeschränkten Kindern Erleichterung bringen. Ob das gelingt, ist nicht das vorherrschende Thema. Eher geht es darum, wie sich vornehmlich die Mütter aufopfern, um ihren Kindern das bestmögliche Leben zu geben und wie schwer sie mitunter daran tragen, dass es nicht immer die erhofften Fortschritte gibt.

Dieser ruhige Spannungsroman packt durch seine Vielschichtigkeit. Immer wieder werden neue Lagen enthüllt, die eine andere Sicht auf das Geschehen eröffnen. Schon vom Beginn, dem Tag des Unfalls, bis zum Start des Prozesses werden die vorgefassten Meinungen durcheinander gewirbelt. Und je tiefer man durch die Aussagen und Gedanken der Berichtenden ins Geschehen eintaucht, desto mehr und andere Facetten ergeben sich. Man stellt fest, dass sich Einschätzungen zwangsläufig ändern und damit ändern sich auch Sympathien. Es ist der Autor sehr gut gelungen zu fesseln und zu überraschen.

Veröffentlicht am 30.06.2021

Nordbek

Hundstage für Beck
0

Am Rand Hamburgs gibt es Gegenden, die fast schon ländlich sind. Und genau hier arbeitet der Polizist Nick Beck. Bei einem Einsatz, den er nicht überwinden kann, ist seine Partnerin ums Leben gekommen ...

Am Rand Hamburgs gibt es Gegenden, die fast schon ländlich sind. Und genau hier arbeitet der Polizist Nick Beck. Bei einem Einsatz, den er nicht überwinden kann, ist seine Partnerin ums Leben gekommen und Beck zieht es seitdem vor als Dorfpolizist seine Ruhe zu haben. Die ersehnte Ruhe ist ihm allerdings nicht lange vergönnt, es gibt eine weibliche Leiche in seinem Revier. Gemeinsam mit Cleo Torner vom LKA soll Beck die Ermittlungen vor Ort übernehmen. Zunächst fällt ihnen die Aufgabe zu, die Identität der Toten herauszufinden. Die Zusammenarbeit von Torner und Beck gestaltet sich zunächst als nicht ganz einfach.

In diesem ersten Band einer Reihe müssen Cleo Torner und Nick Beck sich erstmal zusammenraufen. Cleo, die nicht gerade zufrieden ist, dass sie in den Innendienst versetzt wurde, nutzt die Gelegenheit rauszukommen. Dagegen muss Nick sich zusammenreißen, damit er nicht ganz und gar im Sumpf seiner Erinnerungen versinkt. Während der Untersuchung gibt er nicht jede Information weiter und immer befürchtet er, Cleo könne ihm auf die Schliche kommen. Sie ist nämlich richtig gut. Nach und nach klappt es mit der Zusammenarbeit und das Team kommt einer Sache auf die Spur, mit der sie wahrlich nicht rechnen konnten.

Mit Nick Beck, der nach dem dramatischen Einsatz etwas abgestürzt ist, tut man sich möglicherweise am Anfang eher schwer. Nach und nach gewinnt man jedoch den Eindruck, dass Beck wieder auf die Füße kommen will, schließlich ist der alte Fall noch nicht gelöst. Doch zunächst geht es um die verstorbene junge Frau und deren Tod ist sehr rätselhaft. Für den Leser wird es im Laufe der Ermittlung schnell spannend. Im Leben der Verstorbenen lag einiges im Verborgenen und die Beamten müssen ganz schön hartnäckig sein, um an die Lösung zu kommen. Langsam wachsen Torner und Beck als Team zusammen und dem Leser ans Herz. Dazu der fesselnde Fall, von einem Kriminalroman kann man sich kaum mehr wünschen.

Veröffentlicht am 21.06.2021

Dunkle Mühle

Das Labyrinth des Fauns
0

Gemeinsam mit ihrer Mutter zieht Ofelia in die dunkle Mühle. Es ist gegen Ende des zweiten Weltkrieges in Spanien. Nachdem ihr Vater starb hat Ofelias Mutter wieder geheiratet und nun bekommt sie ein Kind ...

Gemeinsam mit ihrer Mutter zieht Ofelia in die dunkle Mühle. Es ist gegen Ende des zweiten Weltkrieges in Spanien. Nachdem ihr Vater starb hat Ofelias Mutter wieder geheiratet und nun bekommt sie ein Kind von Capitán Vidal, der sich bisher nicht als freundlicher Mensch erwiesen hat. Mit der Gesundheit von Ofelias Mutter steht es zudem nicht zum Besten. Einen gewissen Trost findet Ofelia in einem Labyrinth, welches ihr eine andere Welt offenbart. Hier trifft sie auf einen Faun, der ihr erzählt, sie sei eine Prinzessin aus dem unterirdischen Königreich. Und nur wenn sie drei Aufgaben löse, könne sie dorthin zurückkehren.

Nach dem Film „Pans Labyrinth“ wurde dieser phantasievolle Roman verfasst. Häufiger folgt ja der Film dem Buch und so ist allein die Tatsache der Umkehrung schon etwas, das neugierig macht. Auch stellt sich die Frage, welcher Adaption man sich zuerst widmen sollte. Als Vielleser bevorzugt man da vielleicht den Roman, um sich erstmal eigene Vorstellungen zu bilden. Doch auch anders herum kann es ein Genuss sein, wenn man beurteilen kann, wie sich die Autorin dem Film genähert hat. Egal wie, auf jeden Fall wird man gefangen genommen, von den düsteren Erzählungen um die alte Mühle und dem Labyrinth. Zwar gibt es viel Leid und Schwermut, doch auch immer wieder erlebt man Momente der Hoffnung, Zugewandheit und Liebe. Ofelia scheint so allein und doch hofft sie auf das unterirdische Königreich.

Ein besonderes Highlight bietet zusätzlich die Vertonung des Romans insbesondere, falls man sie über Kopfhörer genießt. Wenn man nicht weiß, was auf einen zukommt, erlebt man dann ein um die andere Überraschung. So manches Mal kann man dem Wind lauschen, dem Knarren und Knarzen der Bäume, dem Zirpen der Fee. Zudem kommen die Stimmen aus unterschiedlichen Richtungen. Das Ganze ist genau in der richtigen Mischung, so dass es bei einer vertonten Lesung mit besonderen Akzenten bleibt. Toll ist auch der Wechsel zwischen dem Erzähler Tom Vogt und den Passagen, die die Autorin selbst vorträgt.

Zum Schluss bleibt die Überlegung, ob man nun auch den Film sehen möchte.