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Veröffentlicht am 02.10.2021

Das Hudson-Projekt

Das Rosie-Resultat
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Don Tillmans Sohn Hudson ist inzwischen elf Jahre alt. Grundsätzlich ist er ein aufgewecktes intelligentes Kind, doch in der Schule hat er es nicht ganz leicht. Hudson mag es lieber korrekt und so korrigiert ...

Don Tillmans Sohn Hudson ist inzwischen elf Jahre alt. Grundsätzlich ist er ein aufgewecktes intelligentes Kind, doch in der Schule hat er es nicht ganz leicht. Hudson mag es lieber korrekt und so korrigiert er auch Fehler, viele Schulfreunde hat er nicht und Sport ist nicht sein Lieblingsfach. Als Don und seine Frau Rosie zur Schuldirektorin zitiert werden, ahnt Don nichts Gutes. Das erinnert ihn doch sehr an seine eigene Kindheit und Jugend. Sein Sohn soll es besser haben, ihm muss also unbedingt geholfen werden. Dons eigene Probleme müssen erstmal hinten angestellt werden. Hudson soll eine schöne Schulzeit haben und Freunde.

Zum dritten Mal erfahren Leser und Hörer mehr von Don Tillman, der es trotz oder auch wegen des Asperger-Syndrom, mit dem er lebt, ein erfülltes Leben zu haben. Erfüllt heißt allerdings nicht einfach. Kommunikationsprobleme führen immer wieder zu Schwierigkeiten. Manchmal könnte der Eindruck entstehen, wie der Vater so der Sohn. Doch, um es positiv auszudrücken, sowohl Vater als auch Sohn erweisen sich als findige Problemlöser. Sie nehmen sich der Aufgaben an, die ihnen das Leben stellt. Rosie tut dabei ihr Übriges, um ihre Männer zu verteidigen aber auch zu erden.

In diesem Hörbuch versteht es Robert Stadlober hervorragend dem Leser Dons Gedanken und seinen Tonfall nahezubringen. In seinem Wunsch, seinem Sohn den Weg zu bereiten, hat Don mit etlichen Problemen zu kämpfen. Und mit seiner manchmal naiven, meist analytischen Direktheit wird er die meisten Leser und Hörer für sich einnehmen. Auch wenn sie Veränderungen nicht unbedingt mögen, so ist es doch klasse, wie Don und Hudson sich der Aufgaben annehmen, die ihnen das Leben stellt. In diesem positiven Roman mit seinen sympathischen Hauptpersonen entdeckt man vielleicht, dass die Welt besser wäre, hätte sie mehr Menschen wie die Tillmans. Auch sie haben Probleme und brauchen manchmal Hilfe, aber sie packen es an und machen sich selbst an eine Lösung, möglichst ohne dabei anderen zu Nahe zu treten. Ein Roman, der das Herz erwärmt.

Veröffentlicht am 30.09.2021

Außergewöhnliche Jugend

Die Experten
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Anfang der 1960er Jahre arbeitet Friedrich Hellberg als Ingenieur in Kairo. Seine Frau begleitet ihn nur widerwillig. Die 17jährige Tochter Rosa ist dagegen sehr angetan als sie auch nach Kairo darf. Obwohl ...

Anfang der 1960er Jahre arbeitet Friedrich Hellberg als Ingenieur in Kairo. Seine Frau begleitet ihn nur widerwillig. Die 17jährige Tochter Rosa ist dagegen sehr angetan als sie auch nach Kairo darf. Obwohl sie die Schule noch nicht abgeschlossen hat, bleibt sei auf Wunsch des Vaters im Land, ebenso ihre kleinere Schwester Petra. Rosa betritt eine für sie fremde Welt. Der Vater findet ein Haus, Bedienstete, es gibt exklusive Hotels und Restaurants. Doch die Mutter ist so antriebslos, dass Rosa einen großen Teil der Hausarbeit erledigen soll. Als sich die Gelegenheit bietet, nimmt Rosa eine Stelle als Sekretärin bei einem anderen deutschen Expertenteam an. Sie muss einfach aus dem Haus kommen.

Das ist wirklich eine außergewöhnliche Chance, die sich Rosa in so jungen Jahren bietet. Leben und arbeiten in warmen Gefilden, die Chefs renommierte Wissenschaftler. Doch die Freude ist nicht völlig ungetrübt. Ihre Mutter hat psychische Probleme und wäre lieber in Deutschland. Und Rosa fühlt sich verantwortlich für ihre kleine Schwester, die nicht so sehr unter ihrer speziellen Mutter leiden soll. Gleichzeitig möchte Rosa leben, Neues kennenlernen, mal auf eine Party gehen. Ihre für ihre Jugend recht verantwortungsvolle Arbeit füllt sie aus, wobei ihr erst nach und nach aufgeht, wo sie da eigentlich tätig ist.

Dieser Roman wird von der Autorin als dokumentarisch bezeichnet. Das ist wohl eine Form die nicht so häufig vorkommt und damit Neugier und Interesse weckt. Kaum noch bekannt ist heutzutage, dass in den 1960ern tatsächlich auch deutsche Wissenschaftler und Ingenieure in Nassers Rüstungsindustrie tätig waren. An den Erlebnissen der fiktionalisierten Familie Hellberg werden sowohl die Begebenheiten um die Experten als auch das private Leben der Hellbergs geschildert. Durch Beschreibungen von Bildern und Auszüge aus Geheimdienst- oder Zeitungsberichten wird die Authentizität der Ereignisse betont. Das macht den Roman zwar außergewöhnlich, aber mitunter auch nicht leicht zu lesen. Zur Auflockerung hätte man sich die Bilder zur Ansicht gewünscht und die Auszüge aus Dokumenten deutlicher abgegrenzt. Dennoch bleibt man am Ball, denn einige der Schilderungen wecken ungläubiges Staunen, was im Namen Deutschlands so relativ kurz nach dem Krieg schon wieder legitim erschien. Gerade durch die Zeitdokumente gewinnt der Roman. Es ist wichtig, dass die Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät und dafür wird hier auf fesselnde Weise gesorgt.

Veröffentlicht am 29.09.2021

Geliebtes Land

Der Tintenfischer
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Nach einer Weile in Venedig sehnt sich Commissario Morello immer noch nach Sizilien. Dort kann er jedoch vor der Mafia nie sicher sein. Dieser Tage patrouilliert er mit seiner Kollegin Anna durch Venedigs ...

Nach einer Weile in Venedig sehnt sich Commissario Morello immer noch nach Sizilien. Dort kann er jedoch vor der Mafia nie sicher sein. Dieser Tage patrouilliert er mit seiner Kollegin Anna durch Venedigs stille Straßen. Erst in der kommenden Woche soll der Lockdown aufgehoben werden. Die beiden Polizisten sind allerdings sehr erschrocken als sich ein junger Afrikaner von einer Brücke stürzt. Was treibt einen jungen Menschen nur zu solch einer Tat. Die beiden schaffen es, den jungen Mann zu bewegen, seine Geschichte zu erzählen. Morello erfährt einiges über die Fluchtrouten aus Afrika und inwieweit so mancher Neuankömmling in den Händen der Mafia landet.

Commissario Morello bekommt hier seinen zweiten Fall, der ihn sehr beschäftigt und dazu bringt, seine Jagd nach den Mafiosi nicht aufzugeben. Die Strukturen in Nigeria, dem Herkunftsland des jungen Geretteten, sind denen der italienischen Mafia nicht mal unähnlich und sie reichen auch in andere Länder, unter anderem auch Italien. Morello sieht sich aufgerufen wieder gegen die Mafia zu kämpfen. Dass er dazu in seine schöne, aber für ihn auch gefährliche Heimat reisen muss, sieht er eher als Auftrag. Doch wie soll er seinen Vorgesetzten in Venedig überreden, ihm den richtigen Auftrag zu erteilen?

Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit sind hier gepaart. Zum einen gibt das eine interessante und spannende Lektüre, zum anderen entsteht aber doch die Frage, ob es nicht auch gut wäre, sich zu entscheiden. Dennoch bilden Antonio Morello und Anna Klotze ein tolles Team, die gut aufeinander abgestimmt sind und das nötige gegenseitige Verständnis aufbringen. Dass die Realität in Form der Pandemie in diesem Roman Einzug gehalten hat, kann als echter Pluspunkt gesehen werden. Die Lebenswirklichkeit ist schließlich so. Ein wenig schaudert es einen, wenn man liest, wie tief die Mafia mit der Gesellschaft verstrickt ist. Wie soll man sich jemals daraus lösen? Der spannende Fall, ein mutiges Ermittler-Duo ergeben einen kurzweiligen, aber auch etwas nachdenklich stimmenden Zeitvertreib.

Veröffentlicht am 28.09.2021

Die junge Wilde

Ich bin hier bloß das Schaf
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Charlotte springt schon mal gerne über den Zaun. Manchmal wird sie von den anderen eine junge Wilde genannt. So wild ist sie garnicht, aber schlau, neugierig und schnell und ein Schaf. Und heute sind Charlotte ...

Charlotte springt schon mal gerne über den Zaun. Manchmal wird sie von den anderen eine junge Wilde genannt. So wild ist sie garnicht, aber schlau, neugierig und schnell und ein Schaf. Und heute sind Charlotte und die anderen Tiere auf dem Hof sehr aufgeregt, denn eines der Lämmer ist verschwunden. Hat es sich verlaufen? Wurde es entführt? Charlotte wird sich der Sache annehmen und bestimmt wird sie Klärchen finden. Zum Glück wissen die Menschen nicht, dass die Tiere sich untereinander verstehen und auch wissen, was die Menschen reden. Aber auch die Kinder wollen das verlorene Schaf finden.

Wenn man in der Onleihe mal ausprobieren möchte, ob und wie es mit den Hörbüchern funktioniert, weil sich das Hörbuchangebot bei irgendeinem Anbieter verdünnisiert hat, eignet sich diese kleine Vertonung eines Kinderbuches, dass auch Erwachsenen gute Laune bereiten kann, gerade gut. Die gewiefte Charlotte wirkt naseweis und freundlich. Und sie nimmt die Dinge in die Hand. Dabei stürmt sie ins Abenteuer, springt über Zäune und bewältigt auch die Denkarbeit mit Bravour. Auch die anderen Hoftiere, wie die Katze Rosie oder der Hund Charlie, tragen das ihrige zur Lösung der Sache bei.

Experiment geglückt, auch über die Onleihe kann man bestens Hörbücher hören, wenn es nicht unbedingt das Allerneueste sein muss. Auch Charlotte, das junge Schaf, unterhält gut und wird kurzweilig interpretiert von Laura Maire. Zwar wäre man etwas neugierig gewesen auf die Illustrationen im Buch, doch diese werden möglicherweise ersetzt durch die Musikeinspielungen, die sehr schön auflockern. Ein gewinnendes Hörbuch für Kinder, das auch gut gestimmte Erwachsene sehr gut unterhält.

Veröffentlicht am 25.09.2021

Sprachwitz

Es ist immer so schön mit dir
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Ein gescheiterter Musiker hat es sich als selbständiger Toningenieur eigentlich ganz bequem eingerichtet. Mit seiner Freundin könnte er zufrieden sein, obwohl sie eher ruhig nebeneinanderher leben. Wäre ...

Ein gescheiterter Musiker hat es sich als selbständiger Toningenieur eigentlich ganz bequem eingerichtet. Mit seiner Freundin könnte er zufrieden sein, obwohl sie eher ruhig nebeneinanderher leben. Wäre da nicht die Langeweile und diese Ödnis. Dann lernt er die jüngere Vanessa kennen und sie schlägt ein wie eine Bombe. Er ist auf der Pirsch und wieder lebendig. Ohne Rücksicht trennt er sich von seiner Freundin und biedert sich so lange bei Vanessa an bis sie so eine Art Beziehung aufgebaut haben. Schnell merkt er allerdings, dass auch eine neue Beziehung nicht immer in die Glückseligkeit führt.

Das Buch steht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2021. Im Büchlein mit den Longlist Leseproben ist ein durchaus interessanter Ausschnitt aus dem Buch als Probe gewählt, der sich durch schönen Sprachwitz auszeichnet, in dem man sich gleich heimisch fühlt. Das kann dazu führen, dass man das ganze Buch lesen möchte, gerade auch, wenn man von dem Autor noch nichts kennt. Ob es so gesehen als Erstversuch die beste Wahl ist, kann wegen des Erstversuchs nicht beurteilt werden. Die handelnden Figuren vermögen jedoch nicht, einen für sie einzunehmen. Da ist allenfalls die verlassene Freundin, von der man hofft, sie ist befreit und ihr Nachkarten geschieht zurecht. Oder Frieder, die Stimme der Vernunft.

Mit diesem Buch kann man sich möglicherweise etwas schwertun. Die Charaktere wirken unsympathisch und verströmen die Ödnis, die sie wahrscheinlich selbst empfinden. Die handelnden Personen wirken sexbesessen und doch lust- und freudlos. Man muss sich halt fragen, ob man sich runterziehen lassen möchte. Allerdings ist der Roman witzig geschrieben. Und man möchte sich an diesem Funken Witz und Humor festklammern und der Hoffnung, dass es noch werden wird. Wie auch im echten Leben wird es aber nicht. Wünscht man sich so etwas von einem Roman, ist er gerade richtig.