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Veröffentlicht am 05.06.2020

Das Radio

Stern 111
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Sehr kurz nach der Wende machen sich die Eheleute Bischoff auf in den Westen. Das Aufnahmelager schreckt sie nicht. Der Vater kann in ausgefallenen Computersprachen programmieren und hat gute Aussichten ...

Sehr kurz nach der Wende machen sich die Eheleute Bischoff auf in den Westen. Das Aufnahmelager schreckt sie nicht. Der Vater kann in ausgefallenen Computersprachen programmieren und hat gute Aussichten auf eine Arbeit. Ihr Sohn Carl soll sich nach Wunsch der Eltern um das Haus in Gera kümmern. Doch Carl möchte den Umbruch nutzen, um nach Berlin zu gehen. Dort hat er zunächst keine Wohnung findet aber Unterschlupf bei einer Gruppe junger Leute, die mit ihren Idealen die Welt verbessern wollen und gleichzeitig ein Lokal betreiben. Eigentlich möchte Carl Gedichte schreiben, doch zunächst steht er mal hinter der Theke.

Diesem Roman wurde der Preis der leider abgesagten Leipziger Buchmesse 2020 verliehen. Dadurch wird natürlich Interesse geweckt. Und auch die Thematik der Zeit nach der Wende aus Sicht eines jungen Mannes, der sich müht, mit seinen Eltern in Kontakt zu bleiben, obwohl sie quasi ohne Not in den Westen gegangen sind. Das Hörbuch hat der Autor selbst eingelesen und zur Verfügung gestellt wurde es freundlicherweise in der ARD App. Mit Interesse begibt man sich also ans Nachhören der täglich bereitgestellten Kapitel. Leider lässt Carl sich eher durch diese Zeit treiben als ihr aktiv zu begegnen. Von einer Freude des Aufbruchs ist wenig zu spüren. Und die Gründe, die seine Eltern Richtung Westen entführen bleiben lange im Unklaren und wenn sie dann bekannt werden, fragt man sich, was daran nun spektakulär sein soll.

Vielleicht trennt sich hier im Einzelfall des Hörers die Sicht des aus dem Westen stammenden von der des aus dem Osten Deutschlands kommenden. Was für die Eltern aus Gera ein echter Schritt gewesen sein muss, hätte man im Westen mal eben machen können. Und auch der phlegmatische Carl reißt einen nicht vom Hocker. Er landet zwar in einer gewissen Szene, tut sich aber nicht durch irgendein besonderes Engagement hervor. Eher geht es um seine Gedichte, die nie veröffentlicht werden und um seine Jugendfreundin Effi, wobei er sich unter der gemeinsamen Beziehung anscheinend mehr vorstellt als sie je beinhaltet hat. So bleibt am Schluss die Erkenntnis, dass ein preiswürdiger Roman nicht immer einer ist, der sich beim Lesen oder Hören einschmeichelt.

Veröffentlicht am 01.06.2020

Tüdelü

Mord in Sunset Hall
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Sunset Hall hieß früher anders. Doch nachdem Agnes Sharp mit einigen Mitstreitern eine Alten-WG gegründet hat, wurde das Haus umgetauft. Und nun liegt ihre Mitbewohnerin Lilith erschossen im Schuppen. ...

Sunset Hall hieß früher anders. Doch nachdem Agnes Sharp mit einigen Mitstreitern eine Alten-WG gegründet hat, wurde das Haus umgetauft. Und nun liegt ihre Mitbewohnerin Lilith erschossen im Schuppen. Was sollen sie denn nur machen? Als auch die alte Nachbarin ermordet wird, die schon lange dahinsiechte, sind die WG-Bewohner in heller Aufregung. Hat es jemand auf alte Menschen abgesehen? Alt sind sie, aber nicht doof, nur manchmal erscheinen ihre Gedankengänge anders. Das hält sie aber nicht davon ab, nach dem Mörder zu suchen. Sie haben schließlich eine Vergangenheit und Erfahrung.

Obwohl sie ein recht eigentümlicher Haufen sind, funktionieren sie zusammen doch recht gut. Was der eine nicht mehr so richtig kann, übernimmt der andere. Zwar versinkt Agnes manchmal in der Vergangenheit und ihre Hüfte will nicht mehr. Irgendwie hält sie den Laden aber zusammen. Und für Lilith ist schon Ersatz gefunden. Charlie hat Pfiff und einen Wolfshund. Der kann sich für Beatrice mal als Blindenhund betätigen oder Hettie, der Schildkröte Gesellschaft leisten. Tiere sind nicht verboten, Enkel schon. Und das örtliche Seniorenheim ist ein absolutes no-go. Sie sind zufrieden mit ihrem Dasein und leben in den Tag hinein. Doch nun gilt den Ort aufs Neue zu erkunden.

Sehr humorvoll sind die alten Leutchen geschildert, doch manchmal bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Die Leiden und Zipperlein der Pensionäre können einen schon bedenklich stimmen. Und das Seniorenheim scheint auch eher ein Ort der beruhigten Gleichmut und somit kein erstrebenswertes Domizil. Doch es ist noch Leben in Agnes und ihren Freunden. Bei allen Einschränkungen, die in Richtung fürs Alter braucht man Mut gehen, sind sie doch gewieft und haben nicht alles verlernt. Ob das so lebensecht ist, muss jeder, der mit alten Menschen Umgang pflegt, selbst entscheiden. Vielleicht sind die Protagonisten auch einfach viel älter als man annehmen würde. Ein wenig mehr über den Hintergrund der anderen Bewohner hätte man gerne erfahren. Doch mit ungewöhnlichen Methoden und viel Humor unterhält die außergewöhnliche Alten-WG mit Haustieren. Sie sind alle auf ihre Art sympathisch und ihre kleinen Unzulänglichkeiten fallen nicht so sehr ins Gewicht. Vielleicht in Teilbereichen eine Blaupause fürs wahre Leben, doch nicht jeder Bewerber wird genommen.

Veröffentlicht am 31.05.2020

Die Schlacht

Children of Virtue and Vengeance
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Zélie und Amari konnten die Magie befreien. Doch so wie es manchmal ist mit den Geistern, die man ruft. Sie bekamen mehr als sie erfragt haben. Die Magie kam auch zu Amaris Mutter. Auch Amaris Bruder Inan ...

Zélie und Amari konnten die Magie befreien. Doch so wie es manchmal ist mit den Geistern, die man ruft. Sie bekamen mehr als sie erfragt haben. Die Magie kam auch zu Amaris Mutter. Auch Amaris Bruder Inan kann Magie wirken. So einfach wird es nicht werden, zu einem friedlichen Leben zu finden. Ein erster Schritt soll sein, dass Amari den Thron besteigen will, um ihr Volk zu überzeugen, dass eine Co-Existenz mit den Maden durchaus erstrebenswert sein kann. Doch die Orisha wollen Rache. Auch Zélie und Amari sind nicht immer einig wie sie ihr gemeinsames Ziel erreichen sollen.

Bei diesem Roman handelt es sich um den zweiten Band der Children of Blood and Bone Trilogie. Nach dem hoffnungsvollen Ende des vorherigen Bandes finden die Heldinnen Zélie und Amari hier ungeahnte Schwierigkeiten. Anstelle eines friedlichen Miteinanders erleben sie die neue Wehrhaftigkeit der Orisha. Ihre Pläne werden zunächst durchkreuzt. Sie müssen sich neu aufstellen und überlegen, wie sie das Ziel eines geeinten Volkes erreichen dennoch erreichen können. Dabei ist ihnen ihre unterschiedliche Herkunft deutlich anzumerken. Die beiden jungen Frauen gehen schweren Herzens auf Schlachten zu, die ihnen viel abverlangen werden.

In diesem zweiten Band wird dem Leser einiges an Kriegs- und Kampfhandlungen zugemutet. Es geht brutal zu. Die Schilderungen gehen zur Sache, es fließt Blut. Und nicht nur das der Feinde. Auch unter Freunden sind Verluste zu beklagen und Opfer zu bringen. Zum Glück rundet sich die Geschichte, so dass Vieles schließlich eine Sinnhaftigkeit erhält, an die man kaum noch geglaubt hat. Auch wenn die Brutalitäten doch etwas mannigfaltig sind, ist der Roman doch spannend und die verschlungene Geschichte der Magie fesselt. Wie bei einem zweiten Teil nicht anders zu erwarten, ist das Ende offen. Der Autorin ist damit ein Knall gelungen, der tatsächlich große Neugier weckt auf das, was von dem dritten Teil zu erwarten ist.

Veröffentlicht am 30.05.2020

Rebell von Emmerich

Das schwarze Band
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Der ehemalige Polizeichef Schober wird Bundeskanzler. Auf einem Empfang ihm zu Ehren benimmt sich Kriminalinspektor August Emmerich mal wieder daneben. Im Jahr 1921 ist es heiß in Wien und das Geld ist ...

Der ehemalige Polizeichef Schober wird Bundeskanzler. Auf einem Empfang ihm zu Ehren benimmt sich Kriminalinspektor August Emmerich mal wieder daneben. Im Jahr 1921 ist es heiß in Wien und das Geld ist knapp. Da können einem dreifachen alleinerziehenden Vater schon mal die Nerven durchgehen. Aber Strafe muss sein und Emmerich wird zu einem polizeilichen Benimmkurs abgeordnet, die Teilnahme ist Pflicht. Und das wo er und sein Assistent Winter gerade die Morde an zwei jungen Frauen hereinbekommen haben. Das ist doch wohl wichtiger als geschliffene Manieren. Obwohl die beiden Tänzerinnen sich gewehrt haben, sie hatten keine Chance.

In seinem nunmehr vierten Auftritt bekommt Kriminalinspektor August Emmerich eine ganz besondere Aufgabe zugeteilt. Er, der unangepasste Freund deutlicher Worte, soll Diplomatie und gute Manieren lernen. Da ist wohl von vornherein Hopfen und Malz verloren. Oder steckt etwa mehr dahinter? Emmerich will an diesem Kurs nicht teilnehmen, doch es geht um seinen Job und das Wohlergehen seiner Kinder. Schweren Herzens muss er seinem Assistenten Ferdinand Winter die Ermittlungen in den Mordfällen überlassen. Der Junge ist doch eher ein Feingeist aus dem ehemaligen Adel. Kaum vorstellbar, dass er sich in der rauen Wirklichkeit ohne seinen Mentor zurechtfindet.

Nach seinen vorherigen Fällen hätte man beinahe annehmen können, für August Emmerich könne nicht mehr viel kommen. Welch köstliche Überraschung bereitet da sein vierter Auftritt. Hier soll er tatsächlich seine Ecken und Kanten geglättet bekommen. Dieses schier aussichtslose Unterfangen lässt den Leser im Chor mit Emmerich ins Zähneknirschen verfallen. Und der kleine Winter übt sich im Tun des Gegenteils, was er üblicherweise tun würde. Erstaunlich, zu welchen Ergebnissen das führt. Auch wenn er manchmal doch einer hilfreichen Hand bedarf. Winter beginnt sich frei zu schwimmen. Ausgesprochen packend ist dabei mitzuerleben, wie sich aus den Ereignissen schließlich wenigstens zwei Fälle herauskristallisieren, die an Brisanz kaum zu überbieten sind. Die mit großem Verständnis für die politischen Rahmenbedingungen beschriebene Hintergrundgeschichte ist zudem sehr interessant und spannend. Dieser Roman ist ein Höhepunkt der Reihe, der keine Wünsche offen lässt.

Veröffentlicht am 29.05.2020

Hulda geradlinig

DUNKEL
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Wie konnte nur plötzlich ihr 65. Geburtstag herannahen? Hulda weiß, dass sie bald pensioniert wird. Vorbereitet ist sie nicht. Und so trifft es sie hart, dass ihr Chef schon Monate vor dem gefürchteten ...

Wie konnte nur plötzlich ihr 65. Geburtstag herannahen? Hulda weiß, dass sie bald pensioniert wird. Vorbereitet ist sie nicht. Und so trifft es sie hart, dass ihr Chef schon Monate vor dem gefürchteten Datum sagt, dass sie ihren Schreibtisch zu räumen hat, weil bereits ein Nachfolger wurde. Doch einen letzten Fall trotzt sie ihrem ungeliebten Vorgesetzten ab. Sie darf sich einen der ungelösten Fälle vornehmen. Vor gut einem Jahr wurde eine junge russische Asylbewerberin tot in einer Bucht aufgefunden. Es hieß schließlich, sie habe Selbstmord begangen. Doch welchen Grund soll sie gehabt haben?

Als Beginn einer Trilogie ist dieser Band schon sehr ungewöhnlich, wieso stellt man im Lauf der Lektüre fest. Die Überraschung gelingt dem Autor ausgesprochen gut. Seine Heldin Hulda passt nicht so richtig in das Bild, das man sich vielleicht von einer Heldin macht. Dennoch ist sie in ihrer verschrobenen Art sehr sympathisch. Hartnäckig versucht sie herauszufinden, was hinter dem Tod der jungen Russin stecken könnte. Sie folgt der ursprünglichen Ermittlung und findet Ansätze, die ihrer Meinung nach eine andere Deutung erlauben. Und ihre Zeit wird immer knapper, denn ihr Chef sitzt ihr im Nacken, sie soll endlich gehen.

Das kann doch nicht sein, denkt man mehr als einmal beim Lesen. Warum wird Hulda am Ende ihrer Laufbahn beinahe genötigt, früher zu gehen? Kann man sie nicht einfach für die paar Monate ihre Arbeit machen lassen? Aber man denkt auch, wieso hat sie sich nicht vorbereitet? Im weiteren Verlauf erfährt man mehr über Hulda, die dann doch nicht die stromlinienförmige einfache Beamtin war. Ihr Leben war ungewöhnlich und tragisch. Man kann es nur schätzen, wahrscheinlich ist sie Ende der 1940er oder Anfang der 1950er geboren und obwohl ihre Mutter sich viel Mühe gegeben hat, hat Hulda keine enge Verbindung zu ihr gefunden. Vermutlich hat das ihr ganzes Leben geprägt, nicht nur im Privaten, sondern auch wie sie an die Fälle herangeht. Am Ende des Buches meint man, alle Geheimnisse Huldas zu kennen. Gerade das macht einen umso neugieriger, was der Autor noch über Hulda zu erzählen hat.

Ein sehr spannender und ungewöhnlicher Thriller mit einer bemerkenswerten Ermittlerin, die tiefe Einblicke in ihr Leben gewährt.

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