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Veröffentlicht am 25.05.2020

Der zweite Fellinger

Sau am Brett
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Der Lebensmittelkontrolleur Berthold Fellinger, Anfang vierzig, wäre eben doch gerne Polizist geworden. Wenn nur das vermaledeite Knie nicht wäre. Beim Löffelmacher soll er heute kontrollieren und wenn ...

Der Lebensmittelkontrolleur Berthold Fellinger, Anfang vierzig, wäre eben doch gerne Polizist geworden. Wenn nur das vermaledeite Knie nicht wäre. Beim Löffelmacher soll er heute kontrollieren und wenn er fertig ist, darf es noch etwas Deftiges sein. Die Kontrolle läuft unproblematisch. Vor dem Braten vergeht dem Fellinger allerdings der Appetit. Ein anderer Gast sinkt über seiner Mahlzeit zusammen und man merkt schon an der Art des Sinkens, dass da nichts mehr zu machen sein wird. Die herbeigerufene Polizei verdächtigt dann auch noch den Fellinger. Seine Kontrolle kann so gründlich nicht gewesen sein.

Auch in seinem zweiten Fall muss der Fellinger bemerken, dass er nicht alles weiß, was in seinem Ort so vor sich geht. Zwar kommt bald die Erinnerung hoch, dass der Bruder des Wirtes bei einem eigentlichen Spaß ertrunken ist. Doch das kann wohl kaum der Grund dafür sein, dass ein Tourist aus dem fernen Hamburg sein Gesicht für die Ewigkeit in die Bratensauce getunkt hat. Fellingers Neugier ist geweckt und natürlich will er sich reinwaschen von dem Verdacht, er habe für eine laxe Kontrolle Geld genommen. Er, der Oberbeamte, der keine Freunde kennt.

Hat man sich den ersten Fellinger-Krimi als Hörbuch reingezogen, könnte bei der Lektüre des zweiten Bandes durchaus eine gewisse Sehnsucht entstehen. Ein wenig vermisst man die originelle Intonation, die man selbst als Preiß nicht so drauf hat. Dennoch stellt dieser Krimi einen vergnüglichen Ausflug aus dem Alltag dar, den man mit Freude genießt. Man kann sich so schön aufregen über den Fellinger und seine Kumpanen. Der Fellinger ist wie eine Katze, die das Mausen nicht lassen kann. Seine verpasste Karriere bei der Polizei macht im zu schaffen und da muss er den Dorfpolizisten einfach ins Handwerk pfuschen. Genau genommen pfuscht er nicht, mit Hartnäckigkeit und Gewieftheit erweist er sich bei seinen Nachforschungen als glücklicher als die Nicht-Kollegen. Da darf der nächste Fellinger gerne kommen.

Veröffentlicht am 24.05.2020

Vier Töchter

Der größte Spaß, den wir je hatten
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Ganz schön schön, wenn die Eltern so glücklich sind, aber auch nicht einfach. Die Eltern sind ein großes Vorbild für ihre vier Töchter Wendy, Violet, Liza und Grace. Doch machmal kommen ihnen die Fußstapfen, ...

Ganz schön schön, wenn die Eltern so glücklich sind, aber auch nicht einfach. Die Eltern sind ein großes Vorbild für ihre vier Töchter Wendy, Violet, Liza und Grace. Doch machmal kommen ihnen die Fußstapfen, in die sie treten möchten, doch zu groß vor. Wendy ist schon verwitwet, Violet hat den Erfolg im Beruf gegen eine Familie getauscht, Liza ist schwanger und Grace lügt was das Zeug hält. Und die Eltern wissen nichts von ihrem großen Glück. Auch bei ihnen gibt es aufs und abs. Doch sie fühlen sich schon privilegiert in ihrer langjährigen Ehe.

Das Buch ist mit über 700 Seiten recht umfangreich und so umfasst selbst das gekürzte Hörbuch über 400 Tracks. Da fällt es schon bei der schieren Länge nicht immer leicht am Ball zu bleiben. Dennoch ist die Geschichte der vier Töchter und ihrer Eltern durchaus interessant, nur in dieser Form nicht der größte Spaß. Die Probleme von Eltern und Kindern, die oftmals nicht richtig ausgesprochen werden, die Heimlichkeiten, die kleinen Katastrophen, aber auch die Glücksmomente, der bei aller Unterschiedlichkeit doch große Zusammenhalt der Familie. Das alles macht neugierig genug, um am Ball zu bleiben.

Das Hörbuch wird dabei mit frischer Stimme vorgetragen von Wiebke Puls. sie macht einem das Zuhören leicht und man schaltet immer wieder gerne ein. Die Handlung des Buches ist in verschiedene Zeitabschnitte gegliedert und irgendwie ist man froh, je näher man der Gegenwart kommt. Die Wogen der Jugend glätten sich so langsam und die vier Töchter kommen zur Ruhe. Vielleicht werden sie niemals so wie ihre Eltern, aber das kann doch durchaus auch ein Gewinn sein. Man kann schließlich auch auf seine eigene Art glücklich werden.

Veröffentlicht am 23.05.2020

Boystown

Die Optimisten
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Im Chicago Mitte der 1980er leben Yale und seine Freunde in einer eingeschworenen Community. Das Leben könnte so schön sein, gäbe es da nicht diese unheimliche Krankheit, die Lücken in ihre Reihen reißt. ...

Im Chicago Mitte der 1980er leben Yale und seine Freunde in einer eingeschworenen Community. Das Leben könnte so schön sein, gäbe es da nicht diese unheimliche Krankheit, die Lücken in ihre Reihen reißt. Fiona ist eine der wenigen jungen Frauen, die als Nicos Schwester ein festes Mitglied der Gemeinschaft ist. Und Nico ist einer der ersten aus ihren Reihen, der der Krankheit erliegt. Was soll dieses Virus? Sie wollten sich doch gerade ihren Platz in der Gesellschaft erobern, sie wollten feiern, sie wollten Spaß. Keiner wollte so jung sterben.

Auf zwei Zeitebenen ist dieser Roman angesiedelt. Zum einen wie erwähnt in den 80ern des letzten Jahrhunderts - wie weit weg das klingt - und zum anderen im Jahr 2015 als Fiona nach Paris reist, um nach ihrer Tochter zu suchen. Überraschend trifft sie in der Stadt der Liebe ein paar der alten Bekannten wieder und damit erstehen auch die alten Zeiten vor ihrem inneren Auge wieder.

Die Autorin zieht einen selbst in die Erinnerung an die eigene Jugend. Auch wenn man wegen der dörflichen Herkunft im direkten Umfeld nicht allzu viel mitbekam, so war die Krankheit und das Virus allgegenwärtig. Die Lust am Feiern wurde jäh ausgebremst, auf einmal war Vorsicht geboten. Und der Gedanke, mich betrifft es nicht, bot keine Erleichterung. Es konnte jeden treffen. Wie schlimm muss es da erst unter denen gewesen sein, die eigentlich nur ihr Leben leben wollten, beruflich durchstarten und ihre Liebe genießen? Plötzlich wurden Freunde, Kollegen und Liebste von ihrer Seite gerissen und doch steckten sie manchmal den Kopf in den Sand. Und Fiona mitten drin, häufig der letzte Halt für ihre Freunde.

Mit dem von ihr gewählten Thema berührt die Autorin, besonders wenn man eine Erinnerung an die aufkommende Bedrohung hat. Gerade heutzutage wo es auch gilt gegen eine bedrohliche Krankheit, gegen die es kein Mittel gibt, anzukämpfen, bekommt das Buch eine zusätzliche Aktualität. Allerdings schafft die Autorin es nicht, einem die handelnden Personen wirklich nahe zu bringen. Vielleicht ist die Handlung etwas zu episodenhaft erzählt. Dennoch regt das Buch zum Nachdenken an und einige Szenen sind wirklich herzzerreißend.

Veröffentlicht am 22.05.2020

Der goldene Löffel

Einer gibt den Löffel ab
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Loretta Luchs - mit so einem klingenden Namen muss man einfach ein ungewöhnliches Leben führen. Momentan ist Loretta aber eher froh, dass ihr Leben ruhig verläuft. Sie macht ihren Job. Nach der Trennung ...

Loretta Luchs - mit so einem klingenden Namen muss man einfach ein ungewöhnliches Leben führen. Momentan ist Loretta aber eher froh, dass ihr Leben ruhig verläuft. Sie macht ihren Job. Nach der Trennung von ihrem Freund, ist sie mit ihrer Freundin Diana zusammengezogen. Als Abwechslung macht ein Casting für eine Kochshow mit. Sie ist ein Fan der Sendung und freut sich riesig als sie die Chance bekommt, ihr Menü zu präsentieren. Mit dabei sind vier weitere Teilnehmer. Loretta ist sehr neugierig und freut sich auf die neuen Menschen und das ganze Drumherum.

Sie will gar keine Hobby-Detektivin sein und nach den vorigen Erlebnissen hat Loretta eigentlich auch genug davon. Da kommt die Kochgelegenheit doch wie gerufen. Schnell beginnt sie nach Rezepten zu suchen und sich vorzubereiten. Die Fragen ihrer Psychologin erfreuen sie nicht so sehr. Aber sie muss ja nicht antworten. Nachdenken vielleicht schon. Doch ihre Freunde unterstützen sie. Ihre Loretta kommt ins Fernsehen. Eine freudige Überraschung erlebt Loretta schon als sie ihre Mitstreiter kennenlernt. Dennoch ist sie nervös, sie darf den ersten Abend gestalten. Zwar hat sie es dann hinter sich, aber es ist bekannt, dass die Teilnehmer sich mit Lob zurückhalten.

Um das Buch richtig genießen zu können, mag es schon von Vorteil sein, wenn man sich mit solchen Sendungen etwas auskennt. Davon abgesehen hat sympathische Mitwirkende, die natürlich auf das ein oder andere Ekelpaket treffen. Manchmal kann man auch Ziegengemecker vernehmen. Und man wünscht, dass Loretta ihr Kochabenteuer gut übersteht und ihr Gaumen einige Freuden erlebt. Interessant ist es, mitzuerleben, welche Unterschiede zwischen dem Auftreten vor der Kamera und dem Verhalten, wenn die Kamera aus ist, bestehen. Lustig wird es allerdings, wenn dies von den Teilnehmern nicht mehr so genau unterschieden wird. Das ist es, was die TV-Zuschauer wollen. Eine gute Mischung aus hervorragendem Essen und guten Gesprächen. Oder auch aus genau dem Gegenteil.

Loretta Luchs überzeugt vielleicht nicht so sehr vor der Kamera, aber dafür umso mehr als Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht.

Veröffentlicht am 21.05.2020

Drei Kontinente

Der Zopf
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Smita lebt in Indien. Zwar sollte die Zugehörigkeit zu einer Kaste an Bedeutung verloren haben, doch Smita als Angehörige der Dalit, das ist die Kaste der Unberührbaren, hat keine Chance dem System zu ...

Smita lebt in Indien. Zwar sollte die Zugehörigkeit zu einer Kaste an Bedeutung verloren haben, doch Smita als Angehörige der Dalit, das ist die Kaste der Unberührbaren, hat keine Chance dem System zu entkommen. Lalita, ihre Tochter, solle es einmal besser haben. Die Sizilianerin Giulia als Tochter eines Fabrikanten muss nach einem tragischen Unglück ihr Leben neu aufstellen. Und Sara, eine Anwältin aus Montreal, muss sich der Realität ihrer Erkrankung stellen. Unterschiedlicher könnten die Frauen kaum sein. Ihre Geschichten finden ihren Zusammenhang, durch die Bedeutung, die die Haare für sie haben.

Kaum vorstellbar, dass Frauen es in ihrer Welt immer noch schwer haben. Die bewundernswerte Smita in ihrer nur schwer erträglichen Lebenssituation macht auch anderen Mut, sich aufzulehnen. Für ihre Tochter sucht sie nach einem besseren Leben. Auch Giulia zeigt großen Mut und Verantwortung für die Arbeitnehmerinnen ihres Vaters. Dessen kleine Fabrik steht vor einem Umbruch, der ihr Angst machen könnte. In Montreal glaubte Sarah, sie habe es in der Kanzlei geschafft. Partnerin auf dem Weg zur Geschäftsführerin. In einer solchen Position ist eine Erkrankung nicht vorgesehen und auch nicht erlaubt. Alles, was sie erreicht hatte, steht plötzlich auf dem Spiel.

Man wünschte sich zu wissen, was nach zum Beispiel fünf Jahren aus den Frauen geworden ist. Oder ist es besser, dass man es sich selbst ausmalen und ihnen die Erfüllung ihrer Träume andichten kann. Die drei Frauen stehen an einem Scheideweg und sie nehmen die Herausforderung des Lebens an. Schon das macht beim Lesen ein gutes Gefühl. Vielleicht schafft man nicht alles, aber man kann es versuchen. So unterschiedlich Smita, Giulia und Sarah sind, so viel Kraft haben sie, die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Das Leben ist nicht immer leicht, aber wenn man es annimmt, bekommt man irgendwie etwas zurück. Der Roman wirkt wie ein lichtdurchflutetes Zimmer, an dessen offenen Fenster man einen schönen Ausblick hat.