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Veröffentlicht am 27.10.2022

Das Labyrinth dreier Geschichten

Der Klang von Licht
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Mehrere Figuren spielen eine Rolle in diesem Roman, aber zentral war für mich der junge Arzt Jean-Pierre, der nach einem unerwarteten Vorfall bei einer Behandlung in eine Krise gerät. Der bisher selbstherrliche, ...

Mehrere Figuren spielen eine Rolle in diesem Roman, aber zentral war für mich der junge Arzt Jean-Pierre, der nach einem unerwarteten Vorfall bei einer Behandlung in eine Krise gerät. Der bisher selbstherrliche, arrogante Chirurg stellt sich und sein Leben in Frage und beschließt es zu ändern. Zunächst ist er orientierungslos, da beschließt er, das Krankenhaus zu verlassen und in einer Kinderklinik neu anzufangen.

Weiterhin geht es auch viel um Herkunft und Verwandtschaft. Nicht wenige in diesem Buch sind da betroffen und manchmal ist es unklar.
Jean-Pierre zum Beispiel erfährt, dass sein väterlicher Freund Hermes, der ebenfalls Arzt im Krankenhaus ist, in Wirklichkeit sein leiblicher Vater ist und Hermes ihm das immer verschwiegen hat und auch was mit seiner leiblichen Mutter war. Ein weiterer Aspekt, der Jean-Pierre in Konfusion zurücklässt.

Ich gebe zu, dass ich ein wenig Probleme mit unsympathischen Figuren habe und manche Figuren dieses Romans waren mir teilweise unangenehm, selbst wenn es auch um Charakteränderung geht.
Eine Ausnahme davon war die sensible, verschlossene Elodie, die die Kinderklinik leitet und die Selbstmord machen wollte.
Juliette, die ebenfalls einen Suizidversuch unternahm, tut mir auch leid. Immerhin kümmert sich ihre resolute Großmutter Margaux um sie.
Es ist dann interessant zu sehen, wie Jean-Pierre sich entwickelt.

Die Auflösung der Zusammenhänge am Ende ist so erstaunlich wie pathetisch.

Der Klang von Licht ist ein spannendes Buch, dass den Leser mit seinen philosophischen Ansatz länger beschäftigt.

Veröffentlicht am 22.10.2022

Varkurs Schicksal

Die Legenden von Andor: Varkurs Erwachen
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Graphic Novels lese ich nicht oft, daher ist Die Legenden von Andor – Varkus Erwachen für mich etwas besonders.
Mich beeindrucken die gut gezeichneten Bilder und dabei besonders die Gesichter der Figuren, ...

Graphic Novels lese ich nicht oft, daher ist Die Legenden von Andor – Varkus Erwachen für mich etwas besonders.
Mich beeindrucken die gut gezeichneten Bilder und dabei besonders die Gesichter der Figuren, die Emotionen ausdrücken.
Auch die Umgebung ist teilweise imposant gezeichnet.

Der Grundplot an sich ist nicht ganz neu. Eine Frau findet einen verletzten Mann, der sein Gedächtnis verloren hat. Das gab es schon bei Joseph Conrad.
Aber das macht nicht. Die Bestandteile des Plots funktionieren einfach und der Geschichte zwischen Varkur und Ranja folgt man gerne.
Es bleibt zunächst Geheimnisvoll, doch Varkurs schlummernde Kräfte werden langsam spürbar, zunächst nur andeutend im Dorf und schließlich mächtig, als Ranja von einem Skral angegriffen wird.

Es gibt Ansätze, wo es etwas düster wird, aber sie bleiben im Ansatz. Das hätte ich mir auch noch stärker Dark ausgeprägt vorstellen können.
Dafür wird in Varkurs Erwachen eine geradlinige Story erzählt und dafür habe ich viel übrig.

Veröffentlicht am 19.10.2022

Deutsch-türkisches Zusammentreffen

Ein Alman feiert selten allein
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Aylin Atmaca schreibt in ihrem Roman „Ein Alman feiert selten allein“ auf leicht humorvolle Art über kulturelle Unterschiede zwischen Türken und Deutschen, vor allem im Zusammenhang mit Weihnachten, aber ...

Aylin Atmaca schreibt in ihrem Roman „Ein Alman feiert selten allein“ auf leicht humorvolle Art über kulturelle Unterschiede zwischen Türken und Deutschen, vor allem im Zusammenhang mit Weihnachten, aber auch andere Aspekte kommen zum tragen.
Zwar fand ich den Humor jetzt nicht brüllend komisch und den Schreibstil auch nicht besonders subtil, aber thematisch konnte es mich interessieren und die Autorin geht behutsam vor.
Das Konzept Weihnachten wird auf den Prüfstand gestellt.
Es wird deutlich, wie wunderlich den türkischen Einwanderer die westlichen Sitten vorkommen. Selbst aus der nächsten Generation der schon in Deutschland geborenen.
Aber auch deutsche Klischeevorstellungen über türkisches werden blossgelegt, zum Beispiel die Unsitte andere in Schubladen zu stecken.

Davon abgesehen erscheint mir der Roman dann doch als Positivbeispiel des Zusammenlebens. Das zeigt sich in vielen kleinen Episoden, die das gemischte Familienleben ausmachen.
Überwiegend ist es ein entspannter, amüsanter Roman.

Veröffentlicht am 19.10.2022

Vielfältige Texte

Die weißen Jahre
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Die weißen Jahre ist eine Sammlung von Texten von Wolf Wondratschek, die unter Reportagen und Stories laufen. Ich lese sie aber eher als Anekdoten. Sie sind amüsant, aber betont subjektiv. Den Objektivitätsanspruch ...

Die weißen Jahre ist eine Sammlung von Texten von Wolf Wondratschek, die unter Reportagen und Stories laufen. Ich lese sie aber eher als Anekdoten. Sie sind amüsant, aber betont subjektiv. Den Objektivitätsanspruch einer Reportage findet man hier nicht, zum Glück muss man sagen.

Manchmal sind die Texte auch Porträts, aber weniger von den betreffenen Stars selbst als die Wirkung, die sie auf die Menschen haben. Das gilt von Elvis bis Martina Navratilova bis hin zu Rainer Werner Fassbinder. Auch für Charles Bukowski und erst Recht für Glenn Gould.

Natürlich erreichen mich nicht alle Texte, aber manche sind schon sehr gut. Besonders die, die über die Gefühlslage des Verfassers viel aussagen, und die möglicherweise auch die des Lesers ist. Das muss nicht zwangsläufig so sein, aber Wondratschek ermöglicht es, über die Themen in einen Dialog zu treten. Diese Form schätze ich sehr.

Manche Texte sind überraschend detailliert, z.B. Malcolm Lowry in Mexiko. Dazu passend dann der bewundernde Bericht über den Drehort und die Verfilmung von Unter dem Vulkan.
Orte sind Wondratschek ähnlich wichtig wie die Menschen.

Ansonsten bietet Wondratschek das, was von ihm zu erwarten ist. Launig, großspurig und fast immer originell. Das muss man natürlich mögen. Dann wird es überwiegend zum Lesevergnügen.

Veröffentlicht am 16.10.2022

Sprachlich stark und mit einem poetischen Ton

Matrix
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Die amerikanische Schriftstellerin Lauren Groff ist eine Autorin, die nicht in erste Linie historische Romane schreibt, obwohl die Handlung von Matrix im 12.Jahrhundert angesiedelt ist. Doch die Autorin ...

Die amerikanische Schriftstellerin Lauren Groff ist eine Autorin, die nicht in erste Linie historische Romane schreibt, obwohl die Handlung von Matrix im 12.Jahrhundert angesiedelt ist. Doch die Autorin will mehr zeigen als nur eine historische Kulisse. Es geht um Entwicklung und Selbstbestimmung.

Es gibt einen Bezug zu Eleonore von Aquitanien, aber Protagonistin ist Marie de France, die offenbar auch eine historische Persönlichkeit ist. Viel ist von ihr anscheinend nicht bekannt. Lauren Groff macht aus ihr eine beeindruckende und außergewöhnliche Figur!
Es wird ein längerer Zeitraum betrachtet. Das verleiht dem Buch eine entsprechende Dimension.

Lauren Groff ist stark bei Detailbeschreibungen insbesondere auch dabei, wie alles auf Marie wirkt, zum Beispiel der Eintritt ins Kloster. Ihre Emotionen werden nachvollziehbar. Und man lernt eine Klostergemeinschaft gut kennen, die Marie als Äbtissin weiterentwickeln wird.

Lauren Groffs sprachliche Mittel sind wirkungsvoll.
Wenn sie z.B. schreibt

„Eine daumendicke Schicht aus feinem, glänzendem Eis überzieht die Welt. Der Wind weht eisige Messerklingen herein.“

dann spürt man diese Eiseskälte.

Insgesamt kann man bei Matrix von einem überzeugenden Roman sprechen, wie er einen nicht oft begegnet.