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Veröffentlicht am 18.05.2025

Ein arbeitsreiches Wiedersehen mit Anna und Hendrik

Nordweststurm
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Auch während eines heißen Sommers lässt für Ermittlerin Anna Wagner in St. Peter-Ording die Arbeit nicht nach. Statt entspannt am Strand heißt es bald Leiche im Industriegebiet. Im 5. Band der Reihe von ...

Auch während eines heißen Sommers lässt für Ermittlerin Anna Wagner in St. Peter-Ording die Arbeit nicht nach. Statt entspannt am Strand heißt es bald Leiche im Industriegebiet. Im 5. Band der Reihe von Svea Jensen gibt es noch einige wichtige Schauplätze rund um das Nordseedorf.

Annas Ex-Kollege Hendrik Norberg arbeitet nun im K4 in Itzehoe. Das Dezernat für Komplexermittlungen ermittelt zusammen mit der Mordkommission im Fall eines ermordeten Strichers. Mitten in diese Arbeit platzt die Nachricht, dass Hendriks Vater einen befreundeten Journalisten vermisst. Der Schwede hatte sich zuletzt in St. Peter-Ording aufgehalten.

Vermisste Personen zu finden, gehört zu Annas Spezialaufgaben und damit ist unser gewohntes Ermittlerduo - wenn auch nur temporär - wieder vereint. Nach und nach werden die Geheimnisse des Vermissten aufgedeckt und es scheint Verbindungen zu dem Fall aus Itzehoe zu geben.

Damit nicht genug: So beschaulich St. Peter-Ording auch wirkt, der Ort kämpft dennoch oft mit den selben Problemen wie größere Städte. Eine Einbrecherbande, bestehend aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen, ist im Ort unterwegs und bereitet Annas Kollegen zusätzlich Arbeit. Und dann finden sich Fingerabdrücke im Haus des Vermissten, die zu dieser Bande führen…

Anna und Hendrick müssen in "Nordweststurm" an vielen Ecken gleichzeitig ermitteln. Dazu kommen wie gewohnt auch private Episoden. Auch das Verhältnis der beiden zueinander ist ein Auf und Ab. Dabei lässt die Autorin die Charaktere vielleicht nicht immer 100% logisch, aber in jedem Fall meist sehr menschlich erscheinen. Niemand ist perfekt, auch (oder vor allem) jene, die beruflich sehr erfolgreich sind, dürfen manchmal Schwächen offenbaren.

"Nordweststurm" ist wie gewohnt spannende, solide Krimiunterhaltung. Dieses Mal mit ein bisschen weniger Lokalkolorit, was aber angesichts der vielen Ereignisse nicht so sehr auffällt.

Veröffentlicht am 27.04.2025

Wer braucht schon Sherlock Holmes?

Der Tote in der Crown Row
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Historische Krimis sind etwas Wunderbares. Man lernt bzw. bekommt ins Gedächtnis gerufen, wie manche Dinge zu früheren Zeiten erledigt wurden oder welche Werte gerade sehr hoch angesehen waren. Gleichzeitig ...

Historische Krimis sind etwas Wunderbares. Man lernt bzw. bekommt ins Gedächtnis gerufen, wie manche Dinge zu früheren Zeiten erledigt wurden oder welche Werte gerade sehr hoch angesehen waren. Gleichzeitig ist das Gefühl für die Charaktere aus heutiger Sicht oft eine Mischung aus Nachsicht und Hochachtung.

Ermittler hatten damals (in diesem Fall im London des Jahres 1901) noch nicht die Methoden zur Verfügung, die wir heute haben. Verbrecher aber natürlich auch. Zudem sind historische Erzählungen oder Krimis auch oft lehrreich, wenn sie sich abseits der Krimihandlung korrekt an der Geschichte orientieren.

Ich kannte vor “Der Tote in der Crown Row” weder die Autorin noch den Temple-Bezirk, der hier im Mittelpunkt steht. Sally Smith bringt dem Leser diese kleine Welt so unglaublich gut nahe, weil sie - wie die Hauptfigur Gabriel Ward - selbst Kronanwältin ist.

Sir Gabriel wird beauftragt, einen Mordfall “Temple-intern” zu lösen. Die Londoner Polizei hat nämlich keine Befugnisse und man ist auch nicht geneigt, ihr diese extra aufgrund des Todesfalls zu erteilen. Vielleicht auch gerade deshalb, weil nicht irgendjemand umgekommen ist, sondern eine honorige, überaus wichtige Person des Temple: der Lordoberrichter.

Damit nicht genug, hätte Gabriel doch eigentlich auch so genug zu tun und sollte seine Pflichten als Anwalt nicht vernachlässigen. Schließlich stehen Überlegungen zu Gesetzen und Vorbereitungen auf die Gerichtsverhandlung in einem großen Fall an. Der etwas kauzige, eigenbrötlerische Gabriel hat aber keine Wahl und entdeckt durch die Ermittlungen und seine Befragungen, dass es auch eine Welt außerhalb seines Temples gibt, die durchaus ihren Reiz hat.

Auch wenn sie sich immer treu bleibt, macht die Hauptfigur über die fast 400 Seiten eine erstaunliche Wandlung durch und wird zu einem Charakter, den man bald sehr schätzt und am Ende liebgewonnen hat. Und den man nur zu gerne wieder treffen würde. Ja, ich hoffe auf eine - und gerne viele - Fortsetzung(en).

Veröffentlicht am 27.04.2025

Fakten und Fiktion meisterhaft verwoben

Die Erfindung des Lächelns
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Tom Hillenbrand kennt man als Kulinarik-Krimiautor (Xavier Kieffer) oder Schöpfer von dystopischer Science Fiction (Hologrammatica). Der vielseitige Autor widmet sich aber auch realen (historischen) Begebenheiten ...

Tom Hillenbrand kennt man als Kulinarik-Krimiautor (Xavier Kieffer) oder Schöpfer von dystopischer Science Fiction (Hologrammatica). Der vielseitige Autor widmet sich aber auch realen (historischen) Begebenheiten und verpackt diese in sehr stimmige und unterhaltsame Romane.

So auch hier. 1911 wird die Mona Lisa aus dem Louvre gestohlen. Es ist eine Zeit, in der fast jegliche Kunst hoch geschätzt wird (auf jeden Fall wird alles ausprobiert). Der erste Weltkrieg wirft seine Schatten noch nicht so sehr voraus und in Paris werden das Leben und die Liebe gefeiert.

Doch gleichzeitig gibt es auch genügend gescheiterte Existenzen und jene, die mit dem Lauf der Welt und den Werten der Gesellschaft unzufrieden sind. Dieses Konfliktpotenzial alleine könnte (und hat auch) viele Bücher füllen. In diese Wirren fällt einer der größten und bisher nicht komplett gelösten Kunstraube aller Zeiten.

Tom Hillenbrand lässt sich Zeit. Er nutzt mehr als 500 Seiten, um für jeden wichtigen Charakter, erfunden oder nicht, genug Raum zu haben. Er lässt den Leser ausgiebig in das Paris von damals eintauchen und findet gekonnt das Gleichgewicht zwischen Geschichte, Action und Humor.

“Die Erfindung des Lächelns” ist aufgrund großer Faktentreue eines dieser Bücher, wo man am Ende davon überzeugt ist, dass es so gewesen sein könnte. Solche animieren mich immer zu anschließender eigener Recherche über die damaligen Umstände, reale Personen oder Informationen zu wahren Verbrechen.

Aber auch wenn man das nicht macht, ist dieser Roman eine gelungene “Welt zwischen den Buchdeckeln”, in die man eintauchen und dabei den Alltag oder die aktuelle Lage vergessen kann.

Veröffentlicht am 27.04.2025

Den vollen Genuss gibt’s nur chronologisch

Thanatopia
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Ich lese eher wenig Sci-Fi oder verwandte Genres, dennoch werde ich bei Tom Hillenbrand öfter schwach. Ich weiß schon vor der ersten Seite, dass mich diese ganz eigene Form des Realismus innerhalb fiktiver ...

Ich lese eher wenig Sci-Fi oder verwandte Genres, dennoch werde ich bei Tom Hillenbrand öfter schwach. Ich weiß schon vor der ersten Seite, dass mich diese ganz eigene Form des Realismus innerhalb fiktiver Begebenheiten in der (näheren wie weiteren) Zukunft in ihren Bann ziehen wird. Dazu gibt es noch spannende Erzählstränge und interessante Charaktere.

Auch wenn man die Bücher einzeln lesen könnte, empfehle ich für die Hologrammatica-Reihe wärmstens, alles chronologisch zu lesen. Es gibt zwar Glossare am Ende des Buches, aber die Geschichten sind eng verknüpft und vieles Grundlegende wird meines Gefühls nach in Band 1 am besten erklärt bzw. überhaupt genauer angesprochen.

Ist man mit dem Vokabular vertraut, findet man in “Thanatopia” viele alte Bekannte wieder. Namen, Begebenheiten und Schauplätze tauchen wieder auf. Einerseits birgt die Geschichte dadurch viel Vertrautes, man erfährt aber auch Dinge, die frühere Geschehnisse erst so richtig verständlich machen. Das klingt furchtbar kryptisch, aber würde ich an dieser Stelle auf alles eingehen, wäre das nicht weniger verwirrend.

In “Thanatopia” treffen wir (wieder) auf Galahad, diesmal erfahren wir etwas über seine Kindheit und die Erfahrungen, die ihn zu dem Mann machten, der uns in “Hologrammatica” begegnet und im Nachfolger “Qube” zum Weltretter wird.

Abgesehen von diesem “Rückblick” spielt “Thanatopia” aber ein paar Jahre nach “Qube”. Soweit so verständlich. Der Umweltaspekt und warum die Menschheit überhaupt jene Super-KI erschaffen hat, die nun Probleme macht, stehen in diesem Band weniger im Mittelpunkt. Der Fokus liegt hier mehr auf den Thanatonauten. Diese Individuen erforschen (teilweise illegal) die Grenze zwischen Leben und Tod. Wie das geht, ist in der Welt der Hologrammatica leicht erklärt, würde hier aber den Rahmen sprengen.

“Thanatopia” ist ein weiterer faszinierender Thriller in dieser Reihe. Wird es eine Fortsetzung geben? Falls ja, werde ich sehr wahrscheinlich wieder in die Welt der Cogits, Braincrashes und Schwammköpfe eintauchen.

Veröffentlicht am 17.03.2025

Spannend und nachdenklich machend

Verlassen
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Dieser 350 Seiten lange Island-Krimi bietet neben gewohnt guter Spannung auch jede Menge Themen zum anschließenden Diskutieren oder Sinnieren. Eva Björg Ægisdóttir stellt die fiktive steinreiche Familie ...

Dieser 350 Seiten lange Island-Krimi bietet neben gewohnt guter Spannung auch jede Menge Themen zum anschließenden Diskutieren oder Sinnieren. Eva Björg Ægisdóttir stellt die fiktive steinreiche Familie Snæberg in den Mittelpunkt dieses Buches.

Ein Familientreffen zahlreicher illustrer und berühmter Charaktere läuft naturgemäß etwas anders ab als andere - sie mieten sich beispielsweise für mehrere Tage ein ganzes Hotel für sich alleine. Dennoch könnte man als Leser das eine oder andere Detail, das dabei ans Licht kommt, von eigenen Feiern wiedererkennen. Nur die harmloseren natürlich.

Alles fängt sehr vergnüglich an, wie lernen die ersten Hauptpersonen bei ihrer Anreise kennen. Vorne im Buch ist ein Stammbaum zu finden, was das Lesen im Verlauf sehr erleichtert. Die Erzählabschnitte wechseln zwischen einigen der anwesenden Personen, die dann jeweils andere Familienmitglieder beim Namen nennen. Dank des Stammbaums kann man sich gerade zu Beginn immer wieder schnell ansehen, wer das nun genau ist und in welcher Beziehung er zur gerade erzählenden Figur oder auch zu anderen erwähnten Personen steht.

Womit haben wir es denn zu tun? Es gibt einen tatterigen Patriarchen, seine drei Kinder samt Anhang sowie sechs Enkel (teilweise mit Partnern) und vier Urenkel. Die Ereignisse nehmen ihren Lauf, doch nicht alles davon ist von der Familie geplant… Ein Jahrzehnte altes Geheimnis kommt ans Licht und führt letztendlich zum Fund einer Leiche.

Hier kommen unsere schon bekannten Ermittler ins Spiel. Hörður und Sævar aus Akranes treffen wir wieder, die schon in den ersten drei Bänden Elmas Kollegen sind. Sævars Erzählungen zu den Ermittlungen rund und im Hotel unterbrechen die Abschnitte der Familienmitglieder immer wieder. Durch genaue Angaben, wann ein Abschnitt stattfindet und wer ihn erzählt, behält man aber gut den Überblick.

Das Besondere diesmal: Elma ist gar nicht dabei - das Buch ist eine Art Vorgeschichte zu den bisherigen Bänden. Da der Fokus aber weniger auf der Polizeiarbeit und mehr auf den Vorkommnissen rund um die Familie liegt, “stört” es nicht, dass dieser Krimi zwar vorher spielt, aber erst später geschrieben wurde.

Zu den eingangs angesprochenen Themen: Da hier so viele Generationen auf engem Raum beisammen sind, kann man gut die Unterschiede und Missverständnisse beobachten und auf das eigene Leben umlegen. Auch Kritik am sorglosen Umgang vieler Menschen mit Social Media und wie einfach es ist, jemanden damit zu hintergehen, wird aufgezeigt. Ebenso werden ein sorgloser Lebensstil und eine gewisse Selbstüberhöhung gut betuchter Menschen hinterfragt.

Auf der anderen Seite wird angedeutet, dass bei Berühmtheiten nicht notwendigerweise alles besser ist. Viele Vorurteile könnten sich als falsch herausstellen. Wir - als Gesellschaft - sind es gewohnt, schnell zu urteilen und rücken dann nicht mehr von unserer vorgefassten Meinung ab. Wer gerne Gewohnheiten oder Taten anderer hinterfragt, könnte das ein wenig öfter auch bei sich selbst tun.

Kleiner Kritikpunkt: Für mich hat sich am Ende der Prolog dann nicht mehr so ganz in die Geschichte eingefügt.