Cover-Bild Kremulator
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25,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 256
  • Ersterscheinung: 22.02.2023
  • ISBN: 9783257072396
Sasha Filipenko

Kremulator

Ruth Altenhofer (Übersetzer)

Pjotr Nesterenko ist mit dem Tod auf vertrautem Fuß. Als Direktor des Moskauer Krematoriums in der Stalin-Zeit hat er sie alle eingeäschert: die Abweichler, die angeblichen Spione und die einstigen Revolutionshelden, die den Säuberungen zum Opfer fallen. Er jedoch, davon ist er überzeugt, kann gar nicht sterben. So oft ist er dem Tod schon knapp entronnen. Bis der Tag seiner eigenen Verhaftung kommt. Wird er auch diesmal den Hals aus der Schlinge ziehen?

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.05.2023

Gegen das Vergessen

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Mitten im Zweiten Weltkrieg wird in Moskau Pjotr Nesterenko, der Direktor des Moskauer Krematoriums verhaftet. Nun steht ihm bevor, was ihn auf der Arbeit schon ständig begleitet. Denn er war dafür zuständig, ...

Mitten im Zweiten Weltkrieg wird in Moskau Pjotr Nesterenko, der Direktor des Moskauer Krematoriums verhaftet. Nun steht ihm bevor, was ihn auf der Arbeit schon ständig begleitet. Denn er war dafür zuständig, dass all diejenigen Menschen, die der Sowjetregiering unangenehm wurden, nach deren Exekution spurlos in Rauch und Asche verschwinden. Doch Nesterenko hält sich für unsterblich. Denn es gab in seinem Leben bereits zu viele Situationen, in denen er eigentlich hätte sterben müssen und so scheint für ihn der Tod eine Frage der Einstellung zu sein.

Wie immer bei Filipenko dreht sich die Geschichte um ein bewegendes Einzelschicksal aus der Zeit der Sowjetunion, dass sich mit der Gegenwart Russlands bzw. eines seiner Nachfolgestaaten verknüpfen lässt. Und so ist in diesem Werk der Tonus eindeutig die Kreierung falscher Beweise bzw. Anschuldigungen, um sich Gegnern des regierenden Regimes entledigen zu können. der Hauptbestandteil des Buches besteht in diesem Fall aus dem Verhör Nesterenkos, dass von einem jungen und übereifrigen Kommisar des Geheimdienstes durchgeführt wird. Dabei wird in dessen Lebensgeschichte gestöbert, welche Verbrechen gegen den russischen Arbeiter- und Bauernstaat dabei von Nesterenko verübt wurden. Recht schnell merkt die Leserschaft dabei, dass der Verhören sich erst noch zusammenbasteln muss, woraus man dem armen Nesterenko nun letztendlich den Strick drehen kann. So heißt es immer wieder, dass der Verhaftete bitte selbst erzählen solle, warum er nun hier im Verhör sitze. Und hier findet sich auch eindeutig eine Verbindung zur heutigen politischen Situation in Russland, kein Wunder, wenn man bedenkt, dass das Original des Buches im Jahr 2022 erschienen ist.

Pjotr Nesterenko ist dabei für mich kein typischer Sympathie-Charakter. Von seinem Verhalten her und dem, was man aus seiner vergangenheit erfährt wirkt er insgesamt recht überheblich und manipulativ. Dennoch wird anhand dessen, wie er behandelt wird aufgezeigt, wie problematisch der Umgang autoritärer Systeme mit dessen Bürger:innen ist. So stellt sich auch im Buch die Frage, ob das auf Dauer so weiter gehen kann, dass beständig Leute ermordet werden, unter fadenscheinigen Begründungen wie Verrat oder Spionage für den Feind. Gleichzeitig wird angeprangert, wie es dazu kommen kann, dass es im Jahr 2022 noch immer zu ähnlichen Zuständen kommen kann, obwohl die Gesellschaft versuch hat, die vor über 60 Jahren Geschehnisse zu revidieren und ein kollektives Bewusstsein für die menschlichen Schäden, die durch radikale Ignoranz entstanden sind, zu schaffen. Eine Frage, ob nicht mehr getan werden hätte sollen, einerseits um diese fadenscheinigen Prozesse aufzuarbeiten, und andererseits zur Schaffung von Präventivmaßnahmen.

Ein Buch, dass besonders nachhallt und einen heutige und gestrige Gesellschaften reflektieren lässt. Uneingeschränkte Leseempfehlung und meiner Meinung nach auch besser, als Rote Kreuze und Der ehemalige Sohn.

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Veröffentlicht am 25.03.2023

Nichts bleibt - außer Kugeln und Asche

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Pjotr Nesterenko ist Direktor des Moskauer Krematoriums. Tagsüber äschert er die regulär verstorbenen ein, nachts die anderen Toten. Es ist ein seltsamer Beruf, am Ofen zu stehen und quasi im Akkord Leichen ...


Pjotr Nesterenko ist Direktor des Moskauer Krematoriums. Tagsüber äschert er die regulär verstorbenen ein, nachts die anderen Toten. Es ist ein seltsamer Beruf, am Ofen zu stehen und quasi im Akkord Leichen dem Feuer zuzuführen, ein kaum zu ertragendes Geschäft. Gleichzeitig ist man Herr über die Moskauer Friedhöfe, entscheidet über die Vergabe der besten Liegeplätze, genießt ein gewisses Ansehen. Ein Beruf, den ich niemals ertragen könnte, den Pjotr Nesterenko mangels Alternativen in konzentriertem Gleichmut tagtäglich bis zu seiner Verhaftung ausübt.

Als Offizier der Weißen Armee und ehemaliger Flüchtling durch halb Europa weiß Nesterenko sofort, was ihm blüht. Es beginnt eine Zeit der Verhöre, die in Nesterenkos unausweichlichen Schicksal mündet. Sasha Filipenko kreiert ein Zwei-Personen-Stück mit Pjotr Nesterenko als Angeklagtem und dem jungen Leutnant der Staatssicherheit Perepeliza als Ermittler. Beide umschleichen sich gegenseitig wie Katz und Maus, um im richtigen Moment entweder zuzuschlagen oder zu entkommen. Dabei verbleibt Nesterenko in seiner unerschütterlichen Ruhe, gönnt sich die ein oder andere Provokation seines Gegenübers.

Das gesamte Szenario ist geprägt von einer kalten Atmosphäre des Misstrauens. Daran ändern auch manch bittersüße Gedanken Nesterenkos an seine erste und einzige Liebe Vera nichts. Obwohl die Handlung im Kontext der stalinistischen Säuberungen erzählt wird, hatte ich überwiegend das Gefühl im Heute unterwegs zu sein. Im Ergebnis drängt sich mir die gruselige Erkenntnis, dass Rehabilitation nach einer einzelnen politischen Fehlentscheidung nicht möglich ist, auf. Es bleibt ein Gefühl von Angst, Terror und Unterdrückung zurück.

Umso mehr Respekt hege ich dem Autor gegenüber für diesen Text. Da mich der Inhalt kalt erwischt und maximal schockiert, kann ich den Roman nicht unbedingt als mein Lieblingsbuch von Sasha Filipenko bezeichnen. Nichtsdestotrotz nehme ich eine literarische Steigerung im Vergleich zu seinen letzten beiden Romanen wahr. Allein schon das Wortspiel des Titels begeistert mich. Den Mut dahinter muss ich einfach anerkennen.

Ich bin ein stückweit atemlos aus dem Roman entkommen. Die gewonnenen Eindrücke sind eindringlich und sehr glaubwürdig. Ich kann die Lektüre nur empfehlen.

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Veröffentlicht am 11.03.2023

Der verlängerte Arm des Teufels

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Klappentext:

„Pjotr Nesterenko ist mit dem Tod auf vertrautem Fuß. Als Direktor des Moskauer Krematoriums in der Stalin-Zeit hat er sie alle eingeäschert: die Abweichler, die angeblichen Spione und die ...

Klappentext:

„Pjotr Nesterenko ist mit dem Tod auf vertrautem Fuß. Als Direktor des Moskauer Krematoriums in der Stalin-Zeit hat er sie alle eingeäschert: die Abweichler, die angeblichen Spione und die einstigen Revolutionshelden, die den Säuberungen zum Opfer fallen. Er jedoch, davon ist er überzeugt, kann gar nicht sterben. So oft ist er dem Tod schon knapp entronnen. Bis der Tag seiner eigenen Verhaftung kommt. Wird er auch diesmal den Hals aus der Schlinge ziehen?“



Wenn man Sasha Filipenko liest, liest man nicht einfach so eine Geschichte sondern man liest Zeitgeschichte kritisch, ehrlich und vor allem mit der nötigen Würze Zynismus und Sarkasmus beleuchtet. Wer seine Vorgänger-Bücher bereits kennt, wird sich hier den gehobenen Stil (die Zeitenwechsel sind äußerst rasch, man muss der Geschichte gut folgen und vor allem offen für die Geschichte Russlands sein) sehr gut und schnell erlesen haben. „Kremulator“ - was für ein grausamer Name aber zu Pjotr passt er perfekt. Er ist der Herrscher über das Feuer welches alles vernichtet, er ist der lange Arm des Teufels. „Säuberungen“ ist ebenfalls ein grässliches Wort und auch diese gab und gibt es bereits seit unzähligen Zeiten im Land Mütterchen Russlands. Sie merken schon, Filipenko lässt wieder kein grausames politisches Thema aus um es in seiner aktuellen Geschichte zu verpacken und was soll ich sagen? Sie könnte, wie bei Filipenko bekannt, nicht aktueller sein. Wer sich mal etwas tiefer mit der russischen Geschichte und ihrer politischen Entwicklung befasst, wird erschreckendes (mit dem heutigen und aktuellen Wissen) feststellen. Ihr Ruf kommt nicht von ungefähr aber ist Pjotr nur ein verlängerter politischer Arm der eben nur ausführt? Auch er hat ein Leben neben seinem Beruf und er hat sogar ein Herz welches er sogar an jemanden verloren hat - Vera. Aber als Direktor des 1. Moskauer Krematoriums prahlt man nicht unbedingt mit seinem Beruf herum.

Filipenko zerpflückt seine Geschichte in verschiedene Äste. Einerseits haben wir Pjotrs Geschichte, erlesen aber auch viele geschichtliche Parts die es zu verstehen gilt um den gesamten roten Faden zu folgen. Wie ich bereits sagte, ist diese Geschichte anspruchsvoll und bedarf hierbei schon etwas Wissen rund um Russland. Unser Kremulator ist eine äußerst interessante Person, der sich mit dem Tod jeden Tag auseinandersetzt und dadurch abstumpft. So wirkt es zumindest für uns Leser. Pjotr erzählt uns Geschichten immer mit einer nötigen Prise Zynismus und Sarkasmus. Auch das muss man verstehen können! Und man muss verstehen, dass hinter der Figur „Pjotr Nesterenko“ eigentlich ein ganzes Land mit seiner gesamten politischen Entwicklung als Metapher verwendet wird - auch Russland ist stumpf geworden was den Tod angeht (das war schon immer so wenn man eben die entsprechende politische Geschichte kennt!), selbst Menschen, die eigenen Bürger des Landes sind lebende Munition und werden verheizt egal was es kostet. Russland, Pjotr Nesterenko sind stumpf geworden und haben in gewisser Weise ihre Seele an den Teufel verkauft. Autor Sasha Filipenko hat hier in meinen Augen wieder ein äußerst gewaltiges Werk geschaffen welches definitiv Vorwissen bedarf um es zu verstehen, deshalb auch meine 4 sehr guten Sterne. Sprachlich und auch den Ausdruck betreffend hat sich Filipenko hier mal wieder ein eigenes Denkmal gesetzt. Er schreibt so ehrlich und rein wie das Wasser des Baikalsees in Sibirien, und auch ebenso kalt und unverfroren wie es eben nur er kann.

Veröffentlicht am 15.06.2023

Düster und beklemmend

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Im zweiten Weltkrieg befindet sich neben dem Dritten Reich, auch die Sowjetunion fest in diktatorischer Hand. Unter Stalin sterben die Menschen nicht nur an der Kriegsfront, es finden zudem immer wieder ...

Im zweiten Weltkrieg befindet sich neben dem Dritten Reich, auch die Sowjetunion fest in diktatorischer Hand. Unter Stalin sterben die Menschen nicht nur an der Kriegsfront, es finden zudem immer wieder brutale Säuberungsktionen statt, die das Land von Revolutionären, Spionen und sonstigen potentiellen Feinden des Regimes befreien sollen. Lieber einen Unschuldigen zu viel, als einen Schuldigen zu wenig, scheint das Motto dabei zu sein. Die Leichen der Hingerichteten muss der Direktor des Moskauer Krematoriums nachts in den Brennofen beseitigen. Eines Tages wird auch der Direktor selbst verhaftet und findet sich im Verhörgefängnis wieder, wo ihm Spionage vorgeworfen wird.
Sein bewegtes Leben in zahlreichen Ländern und die spätere Rückkehr in seine russische Heimat werden ihm dabei zum Verhängnis.
Anfangs scheint er noch davon überzeugt zu sein, glimpflich aus dieser Situation herauszukommen, bis er erkennt, dass sein Urteil schon längst feststeht.

Sasha Filipenko bedient sich mit Pjotr Nesterenko einem eher ungewöhnlichen Protagonisten, der tatsächlich real existiert hat. Dabei stützt er seinen Roman vor allem auf die aufgezeichneten Verhörprotokolle aus der Zeit seiner Gefangenschaft, die dabei bedrückende Einblicke in die brutale Willkürherrschaft des damaligen Staatsapparats geben. Das allein erzeugt eine bedrückende, düstere Atmosphäre, die mich trotz der erschütternden Thematik emotional auf Distanz hält und damit auch die Abgeklärtheit Nesterenkos’ und seine Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod widerspiegelt. In den sechs Verhören antwortet er auf die Fragen des Verhöroffiziers oftmals mit blankem Zynismus, was überraschenderweise selten Konsequenzen hat. Bis zum Ende bleibt mir sein Charakter undurchsichtig und suspekt. Der deutliche Hakenschlag, die Verbindung zu den heutigen Machtverhältnissen in Russland, die sich bis heute nicht von der Vergangenheit abgekoppelt haben, fehlt mir allerdings etwas, obwohl immer wieder Parallelen erkennbar sind.
Da ich vorab nur den Klappentext gelesen habe, hatte ich eine etwas andere Erwartung an die Geschichte, weshalb ich nur dazu raten kann, vorab die Leseprobe zu lesen.
Es ist ein lesenswertes Buch, aber eben nicht für jedermann.

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