Cover-Bild Drei Kameradinnen
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13,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 352
  • Ersterscheinung: 08.09.2022
  • ISBN: 9783462003543
Shida Bazyar

Drei Kameradinnen

Roman

Shida Bazyar erzählt voller Wucht und Furor von den Spannungen und Ungeheuerlichkeiten der Gegenwart – und von drei jungen Frauen, die zusammenstehen, egal was kommt. Erstmals im KiWi-Taschenbuch.

Seit ihrer gemeinsamen Jugend in der Siedlung verbindet Hani, Kasih und Saya eine tiefe Freundschaft. Nach Jahren treffen die drei sich wieder, um ein paar Tage lang an die alten Zeiten anzuknüpfen. Doch egal ob über den Dächern der Stadt, auf der Bank vor dem Späti oder bei einer Hausbesetzerparty, immer wird deutlich, dass sie nicht abschütteln können, was jetzt so oft ihren Alltag bestimmt: die Blicke, die Sprüche, Hass und rechter Terror. Ihre Freundschaft aber gibt ihnen Halt. Bis eine dramatische Nacht alles ins Wanken bringt.

»Drei Kameradinnen« ist ein aufwühlender, kompromissloser und berührender Roman über das außergewöhnliche Bündnis dreier junger Frauen – und über das einzige, das ein selbstbestimmtes Leben möglich macht in einer Gesellschaft, die keine Andersartigkeit duldet: bedingungslose Freundschaft.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.02.2024

Ein Spiel mit dem Feuer.

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„Du hattest ja recht mit allem, Saya. Deswegen wird man trotzdem nicht zum lebenden Brandbeschleuniger, oder? Deswegen zettelt man trotzdem keinen Krieg an. Damals nicht und auch heute nicht.“ (Kasih, ...

„Du hattest ja recht mit allem, Saya. Deswegen wird man trotzdem nicht zum lebenden Brandbeschleuniger, oder? Deswegen zettelt man trotzdem keinen Krieg an. Damals nicht und auch heute nicht.“ (Kasih, S. 171)

Ein Zeitungsartikel. Drei Freundinnen. Eine Hochzeit. Ein Brand. Nazis vor Gericht. Wie hängt das alles zusammen? Kasih erzählt es uns. Sie erzählt die Geschichte einer Freundschaft und sie erzählt die Geschichte einer Radikalisierung.

Die drei jungen Frauen Kasih, Saya und Hani kennen sich seit ihrer Kindheit und Jugend in der Siedlung am Rand einer deutschen Kleinstadt. Schon früh müssen sie erleben, was es bedeutet, aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Namen und ihres Aussehens als „fremd“ und „nicht von hier“ eingestuft und in Schubladen gesteckt zu werden. Die geteilten Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen haben ein starkes Band zwischen den Freundinnen geknüpft, auch wenn jede auf ihre Weise mit ihnen umgeht. Während Hani die Augen vor solchen Schwierigkeiten verschließt und sich anzupassen versucht, möchte Saya diese Ungerechtigkeiten nicht länger hinnehmen; sie sucht die Konfrontation, ist laut und kämpferisch. Kasih befindet sich zwischen diesen Extremen, versucht zu vermitteln und sehnt sich nach „Normalität“. Die Drei stehen mitten im Leben und dennoch am Rand der Gesellschaft.

Zur Hochzeit einer gemeinsamen Bekannten treffen sie sich nach vielen Jahren wieder, sitzen auf der Dachterasse und feiern das Leben und ihre Freundschaft. Doch mit Saya stimmt etwas nicht, sie ist geladen und angriffslustig. Der Prozess gegen eine rechtsextreme Terrorgruppe lässt ihr keine Ruhe und wirkt wie ein Katalysator für die nachfolgenden Ereignisse. Als es in der Nacht der Hochzeitsfeier zu einem verheerenden Brand in einem Mehrfamilienhaus kommt, wird Saya als Tatverdächtige verhaftet. Um der Presse und dem Internet zuvorzukommen, beginnt Kasih in dieser Nacht die Geschichte der „drei Kameradinnen“ aufzuschreiben …

Kasih lässt sich dabei stark von ihren Erinnerungen, Assoziationen und Anekdoten leiten. Sie schweift ab, berichtet in großen Klammern und geht erzählerische Umwege. Es ist nicht immer einfach ihr zu folgen, aber gerade das macht sie authentisch: Wie sie da am Küchentisch sitzt, wartet, wütend und verwirrt ist und schreibend versucht zu verstehen. Kasih nimmt kein Blatt vor den Mund, ihre Kommentare sind ironisch und schonungslos ehrlich. Frech nimmt sie Vorbehalte und Vorurteile vorweg und wirft ihrem Publikum Informationsbrocken vor die Füße, die sie im nächsten Moment revidiert. Dabei spricht sie die Leser:innen direkt an und konfrontiert sie auf diese Weise mit ihren eingefahren, alltagsrassistischen Denkmustern. Ein geschicktes Spiel mit dem Feuer.

Kasih ist keine Sympathieträgerin. Sie ist vielmehr eine Symptomträgerin, ein wandelndes Ausrufezeichen. Ihre Wutrede ist genau genommen kein Angriff, sondern eine Re-Aktion auf ihr Umfeld; auf den Hass, die Anfeindungen und Diskriminierungen, die den drei Freundinnen tagtäglich entgegenschlagen.

Selten hat mich ein Roman mit so ambivalenten Gefühlen zurückgelassen. Ich habe das Buch zugeklappt und war im ersten Moment wütend auf diese zornige Erzählerin. Steckte sie mich als weiße Leserin doch durchweg in Schubladen und verachtete gleichzeitig genau diese vorurteilsbehafteten Denkmuster. Das passte für mich absolut nicht zusammen. Ich fühlte mich angegriffen, denn auch ich hatte dank eines ausländischen Geburtsortes einige der beschriebenen Erfahrungen durchgemacht. Ich kenne die feinen Nuancen des Unwohlseins, wenn man etwas „Unbekanntes“ zum Buffet des Schulfestes beisteuerte oder die ungeschriebenen Gesetze einer Abschlussfeier nicht kannte. Da halfen mir auch meine weiße Hautfarbe und mein deutscher Name nicht.

Einige Tage, gelesene Rezensionen und ein gestreamtes Interview mit der Autorin später begriff ich jedoch, dass es hier nicht um meine persönlichen Befindlichkeiten geht, sondern um das Aufzeigen eines strukturellen Problems, das unsere Gesellschaft durchzieht. Wir sind weit von Inklusion und Gleichberechtigung entfernt, solange weiterhin vorwiegend weiße Menschen in Talkshows zum Thema Rassismus eingeladen werden, um nur ein Beispiel zu nennen. Alltagsrassismus durchzieht alle Bereiche unseres Lebens, doch wer ihn nicht spüren muss, bemerkt ihn meistens auch nicht.

Das neue Buch von Shida Bazyar ist kein Wohlfühlroman. Es hat Stacheln und scharfe Kanten, an denen man sich schneiden kann. Die Autorin leistet meiner Meinung nach Übersetzungsarbeit für Kopf und Herz: Wie fühlt es sich an, auf Schritt und Tritt verdächtigt zu werden und in einer vermeintlich toleranten Gesellschaft ständig auf der „anderen Seite“ zu stehen? Natürlich, das könnte auch „netter“ funktionieren. Doch manchmal müssen Worte eben brennen, um etwas zu bewirken. Shida Bazyar hat viel zu sagen – und wir sollten zuhören.

„Man gibt uns das Wort? Was soll denn das? Merkst du nicht, was das heißt? Wir haben das Wort sowieso, wir sollten es haben, wir sollten nicht darauf angewiesen sein, dass irgendwer, der das kann, es uns gibt. Wir sollten aufhören, so zu reden wie Menschen zweiter Klasse, dann hört man auch auf uns wie welche zu behandeln. Dann hört man vielleicht auch auf, uns einfach umzubringen.“ (Saya, S. 114)

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Veröffentlicht am 15.03.2023

Gelungene Gesellschaftskritik

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Shida Bazyars Roman beginnt mit einem Zeitungsartikel, aus dem hervorgeht, dass Saya, eine der drei Protagonistinnen, einen Brand gelegt hat, bei dem mehrere Menschen ums Leben gekommen sind. Dass die ...

Shida Bazyars Roman beginnt mit einem Zeitungsartikel, aus dem hervorgeht, dass Saya, eine der drei Protagonistinnen, einen Brand gelegt hat, bei dem mehrere Menschen ums Leben gekommen sind. Dass die Perspektive des Artikels sehr einseitig ist, fällt auf, obwohl man den Rest der Geschichte noch nicht kennt.
Diese wird rückblickend von Kasih erzählt. Sie gehört zu einem Trio von Freundinnen, die sich seit ihrer Kindheit kennen und zusammen in einer Siedlung am Rande der Stadt aufgewachsen sind, nachdem die Familien nach Deutschland geflohen sind. Im Laufe des Romans beschreibt Kasih den Alltag dieser drei Frauen, der von Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Vorurteilen und von Rassismus geprägt ist. Sie erfahren eine doppelte Marginalisierung, da sie als Mädchen bzw. als Frauen täglich Sexismus ausgesetzt sind, sich mehr anstrengen müssen als die Männer und weil ihr Migrationshintergrund ihnen ein ums andere Mal Türen verschließt, die für andere offen stehen.

Ihnen wird ein Platz in der Mitte der Gesellschaft verwehrt. Das drückt sich beispielsweise darin aus, dass in der Schule die Bestnoten den Kindern ohne Migrationshintergrund vorbehalten sind oder dass Kasih trotz eines sehr guten Studienabschlusses keinen Job findet. Kasih fasst es folgendermaßen zusammen: “Dass man sie nach Maßstäben bewertet hatte, die sich von den allgemeinen Maßstäben zu unterscheiden schienen”. Das wohl stärkste Symbol dieser Marginalisierung ist die Buslinie, die die Siedlung, in der die Mädchen aufwachsen, mit der Stadt verbindet. Eines Tages wird diese einfach gestrichen. Die Verdrängung hat ihren Höhepunkt erreicht. Rassismus, und das zeigt der Roman, ist ein institutionelles, ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Die Sprache und der Stil des Romans wirken fließend, authentisch und direkt. Kasihs Stimme lenkt die Wahrnehmung des Lesers. Sie spricht ihn direkt an und ist teilweise provozierend, vielleicht sogar anmaßend, aber gerade dadurch gewinnt das Erzählte an Eindringlichkeit. Denn dem Leser wird vor Augen geführt, dass er Teil der Gesellschaft ist, in der die beschriebenen Probleme so tief verankert sind. Er kann sich von der Geschichte nicht loslösen, sich nicht getrennt von ihr betrachten, sondern wird in sie hineingezogen. Dadurch entsteht ein engerer und stärkerer Bezug zur Wirklichkeit.

Man könnte vielleicht behaupten, dass der Roman manchmal zu viele Themen gleichzeitig anzusprechen versucht, doch ich hatte nie das Gefühl, dass dabei der Fokus verloren geht und deshalb hat es mich nicht gestört. Der Roman ist meiner Meinung nach eine gelungene Gesellschaftskritik, der mit seiner Erzählerin eine Stimme gefunden hat, die es verdient hat, gehört zu werden.

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