Ein Foto als Beweismittel
In „Der Tod der Schlangenfrau“ verbindet Ulrike Bliefert gekonnt historische Fakten mit einem ungewöhnlichen spannenden Kriminalfall, der zwar im Berlin Ende des 19. Jahrhunderts spielt, jedoch eng mit ...
In „Der Tod der Schlangenfrau“ verbindet Ulrike Bliefert gekonnt historische Fakten mit einem ungewöhnlichen spannenden Kriminalfall, der zwar im Berlin Ende des 19. Jahrhunderts spielt, jedoch eng mit den ostafrikanischen Kolonien des Deutschen Reichs zusammenhängt.
Kurz zum Inhalt:
Während die Fotografin Auguste Fuchs im Atelier Aufnahmen einer ägyptischen Szenerie macht, wird die Schlangenbeschwörerin ermordet. Obwohl sie genau diesen Moment festgehalten hat, anerkennt die Polizei das Foto nicht als Beweismittel und verdächtigt den Falschen. Doch der Kriminalassistent sieht den Fall klarer und unterstützt Auguste bei der Suche nach dem wahren Mörder.
Das Cover mit der Schlangenbeschwörerin, im Hintergrund Berliner Häuser, zudem der Titel in verschnörkelter Schrift, stimmt gut auf die Lektüre ein. Das Buch erschien 2020 im KBV Verlag. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, verfügen weder über Zeit- noch Ortsangaben. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Die Sprache ist, neben dem Berliner Dialekt, der das Lokalkolorit verdeutlicht, der Zeit ausgezeichnet angepasst, einerseits durch Verwendung altmodischer Ausdrücke, als auch von Begriffen, die der heutigen Political Correktness nicht mehr entsprechen, den damaligen Zeitgeist jedoch deutlich machen, ebenso wie Hinweise auf zeitgenössische Literatur, Zeitungsausschnitte, u.v.a.m. Sehr interessant ist auch das Nachwort, das ergänzende geschichtliche Fakten enthält. Sehr aufschlussreich und die Atmosphäre unterstreichend sind die detaillierten Informationen zu diesem Buch, die man unter www.augustekrimi.de findet.
Es handelt sich um eine fiktive Geschichte, die jedoch in reale Ereignisse eingebettet ist. Die „Erste Deutsche Kolonialausstellung“ fand tatsächlich 1896 im Treptower Park statt. Im Rahmen dieser diskriminierenden „Völkerschau“ wurden Menschen aus den deutschen Kolonien, darunter Namibia, Kamerun und Togo, vor einem Millionenpublikum zur Schau gestellt. Diese Kolonien dienten vorwiegend wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen des Deutschen Reiches, führten aber auch zu Konflikten und Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung.
Ich wurde ab den ersten Seiten voll in die Handlung hineingesogen. Sympathische Protagonistinnen, ein atmosphärisch beschriebenes Umfeld und versierte technische Informationen zum Stand der Fotografie in der damaligen Zeit. Die Mordermittlung verläuft schließlich mehr oder weniger parallel – einerseits die polizeilichen Befragungen, andererseits die Bestrebungen von Auguste und ihrer Familie, dem Beschuldigten zu helfen, der es aufgrund Augustes Beweisfoto definitiv nicht gewesen sein kann. Je mehr recherchiert wird, desto deutlicher wird, dass jemand dahinter steckt, der verhindert möchte, dass in Afrika begangene Untaten nicht ans Tageslicht kommen. Die stetigen Perspektivenwechsel gestalten die Handlung abwechslungsreich und steigern die Spannung. Man tappt bis zum dramatischen Finale im Dunkeln, bis die für die Morde verantwortliche Person gefasst wird.
Die Charaktere sind sympathisch, wirken authentisch und lebendig. Die Frauen entsprechen wohl nicht dem Durchschnitt der damaligen Zeit, sondern eher denjenigen, die fortschrittlicher, emanzipierter denken. Insbesondere Auguste verkörpert die neue Generation. Sie übt einen Beruf aus, fährt Rad und will nicht nur Frau und Mutter sein. Dennoch, der Liebe ist sie nicht abgeneigt. Dass auch etwas Romantik mit im Spiel ist, ist das Tüpfelchen auf dem i. Im Übrigen sind auch die Nebenfiguren gut vorstellbar.
Mich hat das Buch wirklich begeistert, weil es mich in eine Zeit entführt hat, von der ich bis dato wenig wusste, insbesondere was die deutsche Kolonialpolitik anbelangte bzw. den Umgang mit der afrikanischen Bevölkerung. Zudem ist auch der Kriminalfall gut aufgebaut und überraschte mit der Lösung. In diesem Sinne spreche ich eine unbedingte Leseempfehlung aus und vergebe 5 Sterne!