Von Licht und Schatten - Ein lebendiges Porträt einer zerrissenen Familie im Exil
MEINE MEINUNG
In „Wenn die Sonne untergeht“ ist es Florian Illies auf beeindruckende Weise gelungen, ein bemerkenswert vielschichtiges Panorama der ersten Monate des Exils der Familie Mann im Jahr 1933 ...
MEINE MEINUNG
In „Wenn die Sonne untergeht“ ist es Florian Illies auf beeindruckende Weise gelungen, ein bemerkenswert vielschichtiges Panorama der ersten Monate des Exils der Familie Mann im Jahr 1933 zu zeichnen, die zugleich eine der herausfordernsten Phasen ihres Lebens darstellten.
Beginnend mit 28. Hochzeitstag von Katia und Thomas Mann in München und ihrer geplanten Vortragsreise zu Richard Wagners 50. Todestag, begleiten wir die Familie auf ihrer unfreiwilligen Flucht ins Exil über einen Zeitraum von knapp drei Monaten. Nach Etappen in Amsterdam, Paris und der Schweiz finden sie über die Sommermonate in Sanary-sur-Mer an der französischen Côte d’Azur schließlich eine vorübergehende neue Heimat finden. Vor dem Hintergrund des sich durch die Nazis rasant radikalisierenden Deutschlands verwebt Illies eindrucksvoll nicht nur die persönlichen Schicksale und familiären Konflikte der Manns, sondern auch lebendige Alltagsskizzen und Begegnungen mit weiteren bekannten Künstlern im Exil wie Lion Feuchtwanger oder Stefan Zweig.
Basierend auf einer enormen Fülle an historischen Quellen, die Briefe, Tagebücher, Interviews und literarischen Werke der Familie Mann umfassen, gelingt es Illies mit seinem Collage-artigen Stil, diese in eine kunstvoll arrangierte, atmosphärisch dichte Chronik zu verwandeln. Die daraus entstandene, beeindruckend lebendige, fast filmisch anmutende Momentaufnahme erlaubt intime und sehr berührende Einblicke in die komplexen Familienverhältnisse. Aus unterschiedlichen Perspektiven erleben wir neben persönlichen Befindlichkeiten der so unterschiedlichen Familienmitglieder einen höchst labilen Familienverbund mit all den Enttäuschungen, Ängsten, Eitelkeiten und Hoffnungen.
Besonders eindrücklich ist die einfühlsame Auseinandersetzung mit den vielfältigen Auswirkungen, die das unfreiwillige Exil für die Manns mit sich bringt. Illies zeichnet Thomas Manns innere Zerrissenheit mit groem Feingefühl und in all ihren Facetten nach -seine schmerzhafte Trennung von der geliebten Heimat, sein beständiges Schwanken zwischen Entwurzelung, innerem Rückzug und einer vorsichtigen politischen und künstlerischen Haltung sowie dem Ringen um Zuversicht trotz ungewisser Zukunftsaussichten.
Der zarte, poetische und atmosphärisch dichte Schreibstil Illies’ steht in spannungsvollem Kontrast zur bedrückenden politischen Realität, die durch die aufkommende Naziherrschaft geprägt ist und die der Familie Mann zunehmend an zusetzt. Mit feiner Ironie und lakonischer Humor versteht es Illies zudem, gelungene Gegengewichte zur oft ernsten Grundstimmung zu setzen und immer wieder durch Momente verhaltener Lebensfreude und liebevoller Begebenheiten aufzulockern. Besonders überzeugend ist sein ausgeprägtes Gespür für atmosphärische Details und emotionale Zwischentöne.
So ist ihm eine faszinierende Verbindung aus sorgsam recherchierter historischer Betrachtung und berührender literarisch starker Erzählung gelungen, die stets eine ausgewogene Mischung aus persönlicher Nähe und historischer Distanz zu wahren versteht, und die vielschichtige Realität des Exils lebendig werden lässt.
Obwohl die Fülle an Details und der ständige Perspektivwechsel bisweilen herausfordernd sein knnen, bietet das Buch insgesamt aber eine fesselnde und sehr facettenreiche Darstellung von Thomas Manns Zeit im südfranzösischem Exil, und lädt zu weiterführenden Studien ein.
ZUM HÖRBUCH
Der Schauspieler Stephan Schad erweist sich als ideale Besetzung für die ungekürzte Hörbuchversion. Mit seiner angenehmen, einfühlsamen und markanten Stimme gelingt es ihm, die Hörer tief in die fesselnde Geschichte der Familie Mann zu ziehen und unterschiedlichste Schauplätze lebendig werden zu lassen. Durch feine Variationen in Tempo, Lautstärke und Dynamik fängt er die unterschiedlichen Stimmungen und emotionalen Nuancen gekonnt ein. Gekonnt macht er die melancholische, oft ironisch-humorvolle Grundstimmung spürbar ohne dabei die historische Dramatik zu schmälern. Schads souveräne Interpretation verleiht den Figuren individuelle Facetten, macht emotionale Zwischentöne hörbar und schafft so ein besonders intensives und bewegendes Hörerlebnis, das uns tief in die jene Zeit des Exils eintauchen lässt.
FAZIT
Eine hervorragend recherchierte und zugleich atmosphärisch dichte Erzählung über einen der schwierigsten Lebensabschnitte der Familie Mann – eindrucksvoll lebendig, facettenreich und authentisch dargestellt!
Eine fesselnde und bereichernde Lektüre zum Abschluss Thomas Mann-Gedenkjahres.