Cover-Bild dreimeterdreißig
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24,00
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  • Verlag: Leykam
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 240
  • Ersterscheinung: 03.02.2025
  • ISBN: 9783701183357
Jaqueline Scheiber

dreimeterdreißig

Roman

Ein ungleiches Paar, eine Altbauwohnung und eine Nacht, die alles verändert. Ein schmerzhaftes und wunderschönes Buch über die Liebe, das Leben und was bleibt

Drei Meter dreißig, so hoch sind die Wände der Wiener Altbauwohnung, in der Klara und Balázs leben. Zwischen knarzendem Parkett und weit geöffneten Flügeltüren sind sie gerade dabei, sich ein gemeinsames Leben aufzubauen. Doch eines Nachts verändert sich alles, Balázs liegt reglos im gemeinsamen Bett und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Was bleibt von einer Liebe, wenn ein Leben endet? Wer ist man, wenn man seine Heimat verlassen hat und eine fremde Sprache spricht? Zählt die Geschichte – oder vielleicht nur eine Kaffeetasse im Spülbecken, ein letzter Blick in den Spiegel? Und wenn all das entgleitet, kann man die Zeit anhalten?

Ein intensives, bildreiches Kammerspiel, das tief in die existenziellen Fragen des Lebens eintaucht, von der Liebe erzählt und der Unfähigkeit, sie zu verlieren. Ein Buch, das erdet und zugleich schwerelos werden lässt.

»Ich hasse diesen Roman, weil er so wehtut. Und ich liebe ihn, weil er so zart, so brutal und so fein konstruiert ist.« Caroline Wahl

»Jaqueline Scheiber lässt uns alles fühlen. Dieses Debüt ist gewaltig!« Eva Reisinger

»Wenn Verletzlichkeit und Selbstbewusstsein miteinander tanzen. Dann sind wir mittendrin in Jaqueline Scheibers Kunst!« Manuel Rubey

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.08.2025

Wenn Zeit stillsteht

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Jaqueline Scheibers Roman „Drei meter dreißig“ ist ein intensives, emotionales Buch, welches mich von der ersten Seite an gefesselt hat. Im Zentrum steht das junge Paar Klara und Balazs. Balazs stammt ...

Jaqueline Scheibers Roman „Drei meter dreißig“ ist ein intensives, emotionales Buch, welches mich von der ersten Seite an gefesselt hat. Im Zentrum steht das junge Paar Klara und Balazs. Balazs stammt ursprünglich aus Ungarn, lebt aber mit Klara in Wien, wo sich die beiden auch kennengelernt haben. Schon auf den ersten Seiten konfrontiert uns die Autorin mit einer erschütternden Szene, in der Balazs tot im Bett liegt.
Von diesem Moment an begleiten wir Klara durch Schock, Erstarrung und Schmerz. Diese Gefühle werden so eindringlich geschildert, dass sie beim Lesen unmittelbar spürbar werden.
Was der Autorin besonders gelungen ist, ist, dass sie zeigt, wie der Tod zwar das persönliche Leben von Grund auf verändert, während die Welt im Außen unbeirrt weiterläuft. Klara erlebt dieses paradoxe Nebeneinander von innerer Starre und äußerer Normalität in einer Intensität, die mich mitgerissen hat. Ich konnte so gut nachempfinden, wie lähmend dieser Moment wirkt und wie schwierig es ist, inmitten des Verlustes überhaupt noch Entscheidungen zu treffen.
Nach und nach entfaltet sich in Rückblenden die gemeinsame Geschichte des jungen Pärchens. Dabei wird die Tiefe ihrer Beziehung erst richtig sichtbar, die so voller Liebe, Wärme, Zuneigung und gegenseitiger Ergänzung geprägt ist. Dennoch gibt es da auch Streit und unausgesprochene Gedanken - zumindest vonseiten Klaras, die immer wieder kleine Fehler an ihrem Partner sieht. Gerade diese Ambivalenz macht die Figuren authentisch. Während Klara privilegiert aufgewachsen ist, wuchs Balasz in ärmlicheren Verhältnissen in einer großen Familie in Ungarn auf. Bereits hier entsteht die Ambivalenz, die diese Beziehung so authentisch macht, denn Klara - obwohl sie vermeintlich alles hat - fehlt etwas und genau das konnte Balasz ihr mit seiner Lebensfreude und der Ausgeglichenheit und Wärme geben.
Besonders berührend ist, wie liebevoll Balazs beschrieben wird. Er ist ein empathischer, lebensfroher Mensch, der Klara auf eine einzigartige Weise ergänzt. Durch seine Biografie, seine Erfahrungen als Ungar und Migrant in Wien, kommt zudem eine politische Dimension hinzu, die dem Buch Tiefe verleiht. Man spürt, wie sehr er sich ein neues Leben aufgebaut hat und vor allem, wie groß wie groß die Lücke für Klara sein muss, die er mit seinem Tod hinterlässt.
Auch der Schreibstil hat mich überzeugen können. Die Rückblenden sind fein miteinander verwoben, die Sprache ist klar und poetisch zugleich. Ich konnte Klaras Gedanken und Gefühle jederzeit nachvollziehen, ihre Trauer, ihre Hilflosigkeit und ihre Erinnerungen an Balazs.
Jaqueline Scheiber knüpft mit dieser Handlung an ihren privaten Verlusterfahrungen an, diese persönliche Dimension spürt man durch jede Zeile. An dieser Stelle möchte ich daher auch ihr Projekt für junge Menschen, die ihre Partner:innen verloren haben, hervorheben - den „Young Widow:ers Dinner Club“.

„Drei meter dreißig“ ist ein Roman, der zeigt, wie Liebe und Verlust untrennbar miteinander verbunden sein können. Es ist eine berührende, authentische Geschichte, die voller Schmerz und gleichzeitig Wärme ist. Für mich ist dieses Buch eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 24.05.2025

Liebe in luftiger Höhe – Wenn eine Nacht das Leben zerreißt

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dreimeterdreißig ist ein absolut beeindruckendes Debüt – ein Roman, der tief ins Herz trifft und uns, die Leserschaft, nicht mehr loslässt. Jaqueline Scheiber erzählt hier von einem ungleichen Paar, Klara ...

dreimeterdreißig ist ein absolut beeindruckendes Debüt – ein Roman, der tief ins Herz trifft und uns, die Leserschaft, nicht mehr loslässt. Jaqueline Scheiber erzählt hier von einem ungleichen Paar, Klara und Balázs, das gerade dabei ist, sich in einer Wiener Altbauwohnung mit den hohen, fast majestätischen drei Meter dreißig hohen Wänden ein gemeinsames Leben aufzubauen. Doch was folgt, ist eine einzige Nacht, die alles verändert – eine Nacht, die mit einem Schlag das Leben zum Stillstand bringt und Klara vor die existenziellen Fragen von Liebe, Verlust und Erinnerung stellt.
Dieses Buch ist mehr als nur eine Geschichte über Liebe – es ist ein schmerzhaft schönes, poetisches Kammerspiel, das zwischen Vergangenheit und Gegenwart wechselt und so die innersten Gefühlswelten der Figuren erschließt. Scheiber zeigt uns, wie zerbrechlich und doch unendlich kraftvoll Liebe sein kann. Ihre Sprache ist dabei zart, brutal und gleichzeitig meisterhaft konstruiert – jede Seite pulsiert vor emotionaler Tiefe.
Was dreimeterdreißig so besonders macht, ist der intensive Blick auf zwei so unterschiedliche Lebensgeschichten: Klara, die aus einem wohlhabenden, behüteten Umfeld kommt, und Balázs, der mit einer ganz anderen, geprägt von Erinnerungen an Ungarn und den Nachwirkungen der kommunistischen Vergangenheit aufwächst. Durch diese Kontraste entsteht eine feinsinnige Erzählung, die auch subtil Gesellschaftliches und Klassismus beleuchtet, ohne dabei jemals belehrend zu wirken.
Die Autorin nimmt uns mit auf eine Reise durch das Zusammenspiel von Erinnerung und Gegenwart, von Glücksmomenten und Schmerz, die das Ende einer Liebe unvermeidlich machen. Man spürt förmlich das knarzende Parkett, die offenen Flügeltüren und das leise Ticken der Uhr, während Klara verzweifelt versucht, die Zeit anzuhalten oder zumindest das Unvermeidliche zu verstehen.
Ein weiteres besonderes Highlight ist der wunderschöne, kunstvoll gestaltete Farbschnitt des Buches, der nicht nur optisch überzeugt, sondern auch die emotionale Atmosphäre des Romans unterstreicht – eine perfekte Symbiose von Inhalt und Design, die zeigt, wie viel Liebe zum Detail hier steckt. Dass dieses außergewöhnliche Werk beim renommierten, kleinen österreichischen Leykam Verlag erschienen ist, unterstreicht deren exzellentes Gespür für literarische Perlen, die man nicht verpassen darf.
Für alle, die sich auf eine tiefgründige, literarisch kunstvolle Reise einlassen wollen, ist dreimeterdreißig ein absolutes Muss. Ein Buch, das erdet und gleichzeitig schwerelos macht, das mit jeder Seite mehr berührt und mit seinem vielschichtigen Psychogramm von Klara und Balázs nachhallt.
Mein Fazit: dreimeterdreißig ist ein kraftvolles, berührendes und sprachlich meisterhaftes Romandebüt, das von einer Liebe erzählt, die nicht endet, auch wenn das Leben es tut. Ein wunderschön gestaltetes Buch, das man am liebsten mit der Hand auf dem Herzen liest – und das einen lange begleitet. Absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 04.02.2025

Lesehighlight

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"Es war alles in Ordnung, bevor du kamst. Und jetzt weiß ich nicht, ob ich atmen kann, wenn du nicht da bist. Wie bescheuert ist das?" (Pos. 2127)

"Dreimeterdreißig" ist ein kraftvolles, bewegendes und ...

"Es war alles in Ordnung, bevor du kamst. Und jetzt weiß ich nicht, ob ich atmen kann, wenn du nicht da bist. Wie bescheuert ist das?" (Pos. 2127)

"Dreimeterdreißig" ist ein kraftvolles, bewegendes und intensives Buch – absolute Leseempfehlung!

Klara und Baláz sind ein ungleiches Paar. Ihre Liebe begann schnell, ist stürmisch, aber auch tief. Jetzt liegt Baláz tot in seinem Bett, und Klara durchstreift ihre Altbauwohnung, um sich mit den existenziellen Fragen des Lebens und des Verlustes auseinanderzusetzen.

Jaqueline Schreiber erzählt in ihrem Romandebüt die Geschichte einer Liebe vom Ende her. Sie berichtet von Verlust und Trauer. Anfangs brauchte ich etwas Zeit, um mich in das Buch einzufinden, aber das legte sich schnell, und ich war vollkommen gefesselt. Schreibers Sprache ist poetisch und intensiv. Die Perspektive wechselt nach jedem Kapitel zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Die Vergangenheit ist eine schöne, wohltuende Geschichte, während die Gegenwart in der Altbauwohnung leicht surreal, aber emotional berührend ist. Es gibt so viel in diesem Buch zu entdecken, dass ich es bereut habe, es als Ebook gelesen zu haben. Gerne hätte ich Stellen angestrichen und meine Gedanken daneben geschrieben.
Die Kapitelüberschriften ergeben ein Gedicht von Lydia Daher, das am Ende des Buches abgedruckt ist.

Fazit: Ein meisterhaft konstruiertes Buch, das emotional berührt und in dem man viel entdecken und mitnehmen kann.

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Veröffentlicht am 06.03.2025

Verlusterfahrungen auf eindrückliche Weise verarbeitet

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Er saß reglos im Bett, mit einem Blick, den sie nie bei ihm gesehen hatte, den sie ihm nicht zugetraut hatte. Mit dem Oberkörper an das Kopfende gelehnt, die Arme schlaff neben sich. Sie schließt die Schlafzimmertür ...

Er saß reglos im Bett, mit einem Blick, den sie nie bei ihm gesehen hatte, den sie ihm nicht zugetraut hatte. Mit dem Oberkörper an das Kopfende gelehnt, die Arme schlaff neben sich. Sie schließt die Schlafzimmertür hinter sich, läuft über die knarzenden Dielen im Flur bis in die Küche. Ihre Arme stützen ihren nach vorne gebeugten Oberkörper über der Spüle. Seine Tasse vom Frühstück fällt hinunter, der schwarze Inhalt verteilt sich auf dem Küchenboden. Ihre Gedanken krallen sich daran fest, wie ungewöhnlich das ist, denn Balázs zelebrierte Ordnung. Er war so ordnungsliebend, dass er es nicht ertragen konnte, dass ein Raum den Anschein erweckte, bewohnt zu sein. Wie oft Klaras Chaos ihn zur Weißglut gebracht hatte.

Er war Bühnentechniker. Sie hatten sich nach einer Feier auf dem Trottoir vor der Haustür getroffen. Sie lief fast in ihn hinein und sie kamen ins Gespräch. Nein, sie redete, während er einsilbig antwortete. Sie gingen ein Stück des Weges zusammen und als sie sich trennten, gab Klara ihm ihre Telefonnummer. Er war froh drüber, wusste, dass er sie nie gefragt hätte, denn er war zu schüchtern.

Balázs kam aus Ungarn. In den 1990ern breitete sich der Populismus aus, um den Kommunismus abzulösen. Russland marschierte in Ungarn ein, zerschlug die Revolution und hungerte das Land aus. Seit 2010 ist Victor Orban an der Macht. Als die Grenzen fielen, fing Balázs in einem Gasthof in Österreich an, in dem schon seine Großmutter gearbeitet hatte. Das spaltete ihn von seiner Familie, die im eigenen Land bleiben wollte und als Balázs nach Wien zog, verlor sich der Kontakt fast ganz.

Klara hat anfangs Schwierigkeiten, sich auf Balázs einzulassen. Es liegt nicht an ihm, weil er ein grundanständiger Kerl ist. Sie hat bisher immer die Flucht ergriffen, wenn Beziehungen zu eng wurden. Sie fürchtet sich vor der Verschmelzung und dem Gefühlschaos, vor der Abhängigkeit der Tagesform eines anderen. Ihre Therapeutin attestierte ihr innere Härte. Klara attestierte der Therapeutin eine lebhafte Fantasie.

Fazit: Jaqueline Scheiber verarbeitet in ihrem Debüt eigene Verlusterfahrungen auf sehr eindringliche Weise. Ihre Protagonistin lernt einen fleißigen, gütigen Mann kennen, dessen Heimatland Ungarn ist. Sie führt mich in die Anfänge ihrer Beziehung und zeigt mir zwei Menschen, die sehr zusammenzupassen scheinen. Beide haben in der Vergangenheit eindrückliche Erfahrungen gemacht, die aus ihm einen unsicheren Mann machen, der sich fürchtet, gesellschaftlichen Konventionen nicht zu genügen und aus ihr eine selbstbewusste Frau, die vor tiefen Bindungen zurückschreckt und Intimität vermeidet. Beide schaffen es, sich miteinander zu arrangieren und Vertrauen zu finden, doch dann passiert das Unvorstellbare. Klara verliert den Mann, dem sie sich zu zeigen traute, in dem Moment größter Abhängigkeit. Die Autorin zeichnet ihre Geschichte von dem Augenblick, als Klara neben ihm erwacht rückblickend, führt mich durch beider Leben und zeigt, was sie ausmacht, wie sehr sie zusammenwachsen. Die Aufarbeitung der politischen Situation in Ungarn und die Mentalität der Menschen dort fand ich spannend. Ich weiß nicht genau, was mich daran gehindert hat, mich emotional auf die Erzählung einzulassen. Sicher mein Unverständnis über Klaras anfängliche augenscheinliche Unfähigkeit zu handeln und stattdessen das Bad zu putzen. Zum Ende leuchten jedoch blitzlichtartig Episoden auf, wie Balázs Leben endete und ihre Wiederbelebungsversuche. Für mich eine Handlung, die mich irritiert und meinen Lesegenuss gestört hat. Seis drum, ich habe viele ganz wunderbare Besprechungen von anderen Rezensent*innen gelesen und damit kann ich leben. Meine Empfehlung für dieses Debüt.

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Veröffentlicht am 08.02.2025

Emotionaler Wiener Roman! Eine ungleiche Liebe, die abrupt ihr Ende findet - grandios erzählt! 🤩

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Ein ungleiches Paar findet sich, verliebt sich, und am Ende ist einer tot. Jaqueline Scheiber erzählt mit ihrem ersten Roman die Geschichte einer aufkeimenden Liebe in Wien und wie sie abrupt endet. Sie ...

Ein ungleiches Paar findet sich, verliebt sich, und am Ende ist einer tot. Jaqueline Scheiber erzählt mit ihrem ersten Roman die Geschichte einer aufkeimenden Liebe in Wien und wie sie abrupt endet. Sie wechselt die Perspektiven zwischen der Österreicherin Klara und dem Ungarn Balázs (wobei die Haupterzählerin Klara ist) und lässt eine tackende Uhr ablaufen, hin zu dem Zeitpunkt, an dem der Tod der Liebe Einhalt gebietet (das ist kein Spoiler, denn man erfährt in Kapitel 1 davon). Dabei springt die Autorin auch zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Doch erstmal von vorne. Unterschiedlicher hätte ihre Kindheit nicht verlaufen können - Balázs ist einem Umfeld aufgewachsen, in dem es keinerlei Anerkennung für Statussymbole gab, dafür wirkte die Prägung durch die ehemalige kommunistische Staatsführung in seiner Familie zu stark nach. Es zählte mehr die Funktionalität der Dinge - gekauft wurde, wenn etwas kaputt, oder nicht mehr reparabel war. Klara hingegen wuchs in einer wohlhabenden Familie auf - derlei begründete Sparsamkeit und Existenzängste waren und sind ihr fremd. Jaqueline Scheiber führt uns so unterschwellig (oder doch eher vordergründig?!) den auch heute noch vorherrschenden Klassismus vor Augen.

Als ältester von drei Geschwistern (denen er nicht sehr nahe stand), war Balázs auch der erste, der Tritte, Ohrfeigen und Schläge durch seinen Vater einstecken musste - was erst weniger wurde, als seine Großmutter (Grüße vom Matriarchat) die Misshandlungsmarken entdeckte und dem Vater eine solch bedrohliche Ansage machte, dass er nun nur noch seinem Ärger Luft machte, ohne Spuren zu hinterlassen.
Klara hingegen wuchs wohlbehütet auf - keiner legte Hand an sie und sie verband eine tiefe Geschwisterliebe zu ihrem Bruder Frederik. Auch ihr soziales Umfeld war und ist ein Auffangbecken für sie und vor allem ihre Freundin Jasmin steht ihr sehr nah:
„Sie waren die gegenüberliegenden Extreme eines Spektrums, alle anderen dazwischen waren durchdeklinierte Formen ihrer Selbst.“
„Jasmin war eine dankbare Zuhörerin, denn sie begeisterte sich für die Geschichten anderer in einem Ausmaß, als wäre es ihr dadurch möglich, das Geschilderte selbst zu erleben. Ihre Freundschaft fußte auf der aufrichtigen beidseitigen Neugier.“

Doch auch in Klaras scheinbar heiliger Familienwelt war nicht alles eitler Sonnenschein:
„Lange Zeit gab es nur sie, die Mutter und den Vater. Eine glückliche Kleinfamilie, untermauert durch alle gängigen Klischees. Ein abwesendes Familienoberhaupt, eine Frau neben ihm, die zumindest anfangs nicht viel hinterfragte und der es wichtiger war, wie sich die Tochter nach außen zeigte, als wie sie im Inneren fühlte, und die vierteljährlichen Ausflüge in die Kirche, um als anständige Bürger zu gelten.“
Als Architekt war ihr Vater viel unterwegs und lebte für seine Projekte - wenn ein solches kurz vor der Fertigstellung stand, blieb er völlig ungreifbar für sie. Sie arrangierte sich mit ihrer Mutter in vertrauter Zweisamkeit und „trotz aller Kompromisse und abgesteckten Wirkungsräume erschlaffte das Konstrukt der kleinbürgerlichen Familie und die Eltern gaben zu Klaras Überraschung nach zwölf Jahren Ehe die Scheidung bekannt. Den Auszug des Vaters bemerkte sie nur an fehlenden Barthaaren im Waschbecken und der stagnierenden Sammlung an Schlüsselanhängern und Plüschbären.“

Es dauerte nicht lange , bis ihre Mutter neue heiratete und ihr Bruder Frederik auf dem Weg war. Klaras Rebellion, wie auch ihre Gefühle, blieben, wie auch später im Leben mit Balázs, eher nach innen gerichtet. Frederik schloss sie schnell ins Herz - weigerte sich aber, den neuen Mann zu akzeptieren.
Man kann einen Menschen und seine heutigen Verhaltensweisen nur vollends verstehen, wenn man weiß, wie er zu diesem Menschen geworden ist - demzufolge auch meine ausführliche Erläuterungen zum unterschiedlichen Aufwachsen und der Kindheiten von Balázs und Klara.

„Klara war an diesem Abend geduldig neben ihm gesessen und hatte seinen Ausführungen gelauscht, sie war neidisch, mit welcher Herzlichkeit und Liebe er Momente seines Aufwachsens beschreiben konnte. Trotz allem. Neben den offensichtlichen Versäumnissen erahnte Klara eine zwischenmenschliche Tiefe, die sie stets vermisst hatte. Balázs‘ ungarische Identität hatte Farbe, Geschmack, eine Gewohnheit, Melodie und Lautstärke. Klaras Aufwachsen war eine eindimensionale Schablone, ein austauschbares Klischee.“

Klara ist beruflich erfolgreich als Architektin, eiferte ihrem Vater nach, doch struggelt in Liebesangelegenheiten und auch zunächst damit, sich ihrer Beziehung zu Balázs komplett hinzugeben, doch schließlich verliebte sie sich (er war da schneller) und alles nahm seinen Lauf: erste gemeinsame Momente, erste gemeinsame Wohnung und co - bis zum Tag X.

„Dreimeterdreissig“ ist eine Reise, eine Reise hin zu einer aufblühenden Liebe und sie endet wie alle Reisen irgendwann enden, doch diese endet mit einem Knall und für immer. Ich habe die Reise, zu der mich Jaqueline Scheiber eingeladen hat, geliebt - mit all ihren Stationen, Bergen und Tälern, die wir sinnbildlich zusammen erklommen haben, mit ihren Ausflügen in die Gefühlswelten von Balázs und Klara, den lauen Sommerabenden, die wir zusammen genossen haben und dem Ende der Reise, das schmerzlicher nicht hätte sein können. Seid ihr bereit die Reise anzutreten?! Ich verspreche: Es lohnt sich!

Ein gelungener erster Roman von Jaqueline Scheiber - den ich sehr gerne gelesen habe, von dem ich mir nur an der einen oder anderen Stelle etwas mehr psychologische Tiefe gewünscht hätte, bzw. ein Psychogramm von Klara und Balázs, denn ich wäre gerne noch mehr in ihre Köpfe und damit Gefühlswelten eingedrungen.
Weiter so, Jaqueline Scheiber - ich bin gespannt, was als Nächstes kommt und eins ist sicher: Ich werde es auf alle Fälle lesen!

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