Cover-Bild Im Bauch der Königin
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: DuMont Buchverlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 250
  • Ersterscheinung: 29.04.2020
  • ISBN: 9783832183943
Karosh Taha

Im Bauch der Königin

Roman
Als junges Mädchen tut Amal etwas Unerhörtes: Sie verprügelt ihren Mitschüler Younes. Ihr Vater verteidigt ihr Verhalten und ermuntert sie, sich in der Welt zu behaupten. Trotzdem wird Amal fortan von allen gemieden. Und dann verlässt der Vater die Familie. Zuflucht findet Amal ausgerechnet bei Younes und seiner Mutter Shahira, die ebenfalls Außenseiter sind. Als sich die Situation Jahre später zuspitzt und der Streit mit der Clique um Raffiq eskaliert, flieht Amal nach Kurdistan und begibt sich auf die Suche nach ihrem Vater.

Raffiqs Freund Younes steht ungewollt im Zentrum der Aufmerksamkeit ihres Viertels. Der Grund ist seine Mutter Shahira, die durch ihre Freizügigkeit alle Regeln bricht. Auch Raffiqs Gedanken kreisen ständig um Shahira: Er ist gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen. Als Younes die Situation nicht mehr aushält, plant er abzuhauen. Für Raffiq, dessen Freundin Amal ebenfalls wegziehen möchte, bricht eine Welt zusammen. Er versucht, ihre Pläne zu sabotieren. Und es stellt sich die Frage, was er mit seinem Leben eigentlich anfangen will.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.06.2020

Der männliche und der weibliche Blick - Jugend im Kiez

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Sie wolle nicht unter dem Label Migrationsliteratur gesehen werden, sagte Karosh Taha in einem Interview. Denn als zwar im nordirakischen Kurdistan geborene, aber im Ruhrgebiet aufgewachsene Schriftstellerin ...

Sie wolle nicht unter dem Label Migrationsliteratur gesehen werden, sagte Karosh Taha in einem Interview. Denn als zwar im nordirakischen Kurdistan geborene, aber im Ruhrgebiet aufgewachsene Schriftstellerin schreibe sie auf Deutsch, spreche Deutsch weitaus besser als Kurdisch. Das hat sie mit ihrer Romanfigur Amal in "Im Bauch der Königin" gemeinsam.

Mit dem Leben zwischen zwei Kulturen, der Migrationserfahrung der Eltern hat aber auch die zweite Generation zu tun, aus deren Sicht das Aufwachsen in einem Kiez irgendwo im Ruhrgebiet geschildert wird. Da haben einige der Freunde und Nachbarn eben noch nicht den deutschen Pass, sondern nur die Duldung, leben mit der Ungewissheit. Da gibt es eben immer noch Werte, die die Community prägen und unterscheiden, Dinge, die der "Alman" in der Clique ungestraft sagen kann, die bei einem Türken oder Kurden tabu wären. Ähnlich wie die "neuen deutschen Medienmacher" gibt es eben auch die neuen deutschen Literaten, die mit ihren ganz unterschiedlichen Erfahren die heutige diverse Gesellschaft beschreiben.

Taha tut das aus einer interessanten Doppelperspektive, indem sie ihre Geschichte über die gleichen Protagonisten aus der weiblichen und aus der männlichen Perspektive erzählt, aus der Sicht von Amal und Raffiq. Amal ist ein Mädchen, das auffällt, das aneckt, wild und mitunter aggressiv. Tomboy, würde man anderswo sagen, ihre Lehrer und Mutter bezeichnen sie als "Mogli-Mädchen". Amal ist ein Vater-Mädchen, bei ihrem Vater fühlt sie sich verstanden. Um so schlimmer für sie, als der Vater die Familie verlässt, um nach Kurdistan zurückzukehren - obwohl seine Frau schwanger ist. Er, dessen Architekturstudium in Deutschland nicht anerkannt wurde, möchte wieder jemand sein.

Auch Raffiqs Vater ist Architekt, auch er will nach Kurdistan zurück, aber mit seiner Familie. Und hier ist es Raffiq, der Abiturient, der keinesfalls zurück in die fremde Heimat seiner Eltern will, deren Sprache er nur mangelhaft beherrscht. "Weil ich in Kurdistan das bin, was du in Deutschland bist!", schleudert er dem Vater bei einem Streit entgegen.

Kurdistan ist sowohl Sehnsuchtsort als auch Kontrapunkt. Amals Mutter, eine Frau, die nie etwas mit Religion am Hut hatte, beginnt das Kopftuch zu tragen und sich konservativ zu kleiden, als ihr Mann ausgezogen ist. Nicht aus Überzeugung, sondern um Begehrlichkeiten abzuwehren, sie könne als alleinstehende Frau nun leicht zu haben sein. Ironischerweise fangen nun die Frauen der Nachbarschaft an, sie um Rat in religiösen Fragen zu fragen, so dass sie tatsächlich beginnt, sich mit dem Koran auseinander zu setzen. Sie wollte ihrer Tochter ersparen, die Einschränkungen zu erfahren, die für eine junge Frau in der alten Heimat gelten - Einschränkungen, die Amal erlebt, als sie als Abiturientin nach Kurdistan reist, um den Vater und seine neue Familie kennenzulernen.

Sowohl Amal als auch Raffiq kreisen in ihren Erzählungen um Younes und seine alleinerziehende Mutter Shahira, die wegen ihres freizügigen Lebensstils und ihrer kurzen Röcke als "Hure" verschrieen ist. Gleichzeitig ist sie der Typ Löwnmutter, der die Nachbarn zur Rede stellt, wenn deren Kinder - auch Amal - Younes verprügelt haben. Das war allerdings, bevor Younes ein kräftiger junger Mann wird, der beste im Boxclub.

"Im Bauch der Königin" ist Coming of Age-Roman, schildert Fremdheits- und Diasporaerfahrung, auch wenn das Beziehungsgeflecht der jungen Protagonisten auch abgelöst von ihrem kurdischen Hintergrund etwas Universelles hat. Im Vergleich bleibt die "männliche" Sicht allerdings deutlich blasser, es sind Amal und Shahira, die dem Leser besonders prägnant vor Augen stehen und die die klarsten Konturen haben. Amal und Raffiq schildern wiederholt die gleichen Ereignisse, das aber ganz unterschiedlich. Dieser geteilte Blick auf eine Jugend im Kiez macht nur einen der Reize in Tahas Buch aus. "Im Bauch der Königin" besticht durch klare Beobachtungsgabe, durch Witz und Wärme und ist zugleich eine glaubwürdige Charakterstudie junger Menschen.

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Veröffentlicht am 28.05.2020

Coming-of-Age-Geschichten Jugendlicher mit kurdischen Wurzeln

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Beim Roman „Im Bauch der Königin“ von Karosh Taha fällt beim Betrachten des Buchs sofort ins Auge, dass der Umschlag vorne wie hinten gleich gestaltet ist. Wendet und dreht man es, ist nicht direkt ersichtlich, ...

Beim Roman „Im Bauch der Königin“ von Karosh Taha fällt beim Betrachten des Buchs sofort ins Auge, dass der Umschlag vorne wie hinten gleich gestaltet ist. Wendet und dreht man es, ist nicht direkt ersichtlich, welche Seite man für den Beginn aufschlagen soll. Einen kleinen Hinweis darauf gibt nur das Leseband. So ungewöhnlich wie die Aufmachung sind auch die beiden beinhalteten Geschichten, bei denen die Protagonisten gleich sind. Sie sind aus der Sicht von Heranwachsenden erzählt, bei denen einerseits die Schilderung der Geschehnisse die junge Amal übernimmt, andererseits ihr Klassenkamerad Raffiq, dessen Eltern genauso wie Amals aus dem irakischen Kurdistan stammen. Ähnlichkeiten der Geschichten sind gewollt und dennoch fließen sie in ihre je eigene Richtung.

Der Titel nimmt Bezug auf die Beziehung einer Mutter zu ihrem Kind, bei der sie ihren Nachwuchs mit ihrem Körper und Geist behütet und beschützt. Erst wenn der Adoleszente nicht nur körperlich, sondern auch sozial gereift ist, wird er bereit für seinen Weg in der Welt sein. In dieser Phase befinden sich die Hauptfiguren. Younes, ein Freund von Amal und Raffiq hat eine angespannte Beziehung zu seiner Mutter Shahira Shafiq, die ebenfalls Kurdin ist. Sie ist alleinerziehend, kleidet sich aufreizend und ist um einen Flirt nicht verlegen, aus dem gelegentlich mehr wird. Kurz gesagt, entspricht sie nicht dem allgemeinen Bild der Frau in einer kurdischen Gemeinschaft in der sie, wie die oben genannten auch, in einer deutschen Stadt lebt.

Durch die Wahl der Ich-Perspektive ließ mich die Autorin an den Gedanken ihrer Erzähler teilnehmen, einmal aus einer weiblichen, das andere Mal aus einer männlichen Sicht, jedoch mit unterschiedlichem Inhalt mit mehreren Überkreuzungen. Insgesamt wirken beide Geschichten als je eigene Auseinandersetzung über die Kultur in der die Jugendlichen leben und der Probleme ihrer Eltern, die die Migration nach Deutschland mit sich gebracht hat. Sowohl für Amal wie auch für Raffiq bedeutet es aber auch, dass sie sich mit den eigenen Möglichkeiten beschäftigen müssen, welche Vor- und Nachteile ein Lebensmittelpunkt in dem einen wie dem anderen Land bieten würde.

Dadurch, dass Karosch Tahas Familien von Amal und Raffiq einigen Klischees entsprechen, werden die kulturellen Unterschiede über die Erwartungen an Männer und Frauen in den beiden Ländern umso deutlicher. Die Figur von Shahira zeigt, welche Folgen es für den Ruf haben kann, sich in einer Gesellschaft gegen die Erwartungen zu verhalten. Ebenso spiegelt Karosh Taha die Rolle der Väter wider durch ihre beruflichen Möglichkeiten hier wie dort und die Bedeutung von Sprache, um sich in einer Gemeinschaft zurechtzufinden. Für Younes und seine Freunde ist es ein schwieriger Prozess, daraus für sich die nötigen Rückschlüsse zu ziehen. Entscheidungen für die Zukunft zu treffen sind schwerwiegend für das ganze Leben.

„Im Bauch der Königin“ von Karosch Taha ist ein Coming-of-Age Roman dreier Jugendlicher, die neben üblichen altersbedingten Rangeleien um ihr Ansehen unter Gleichaltrigen sich mit den kulturellen Bedingungen zweier Staaten und der Suche nach geeigneten Vorbildern auseinandersetzen müssen. Verbunden mit der Findung der eigenen Identität sind Freundschaft, Liebe, Hass und Kummer. Das Buch ist ein bewegender Roman mit dynamischen Figuren, der auch nach dem Lesen noch nachhallt. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 28.12.2020

Interessante Einblicke in Form eines Spiegelbuchs

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In „Im Bauch der Königin“ von Karosh Taha wächst Younes ohne seinen Vater auf. Seine Mutter ist den anderen kurdischen Frauen ein Dorn im Auge, weil sie sich freizügig kleidet, grell schminkt und mit verschiedenen ...

In „Im Bauch der Königin“ von Karosh Taha wächst Younes ohne seinen Vater auf. Seine Mutter ist den anderen kurdischen Frauen ein Dorn im Auge, weil sie sich freizügig kleidet, grell schminkt und mit verschiedenen Männern schläft. Seit er zu einem Berg herangewachsen ist traut sich allerdings niemand mehr, ihn deshalb zu beschimpfen oder zu schlagen.

Raffiq ist Younes bester Freund. Bald hat er sein Abitur, doch er weiß nicht, was er danach machen soll, ganz im Gegensatz zu seiner Freundin Amal, die große Pläne ohne ihn schmiedet. Sein Vater würde gerne mit seiner ganzen Familie in den Iran zurückkehren, um dort als Architekt zu arbeiten, aber dorthin will Raffiq nicht, das weiß er sicher.

Amal ist Yournes beste Freundin. Von dem gemeinen Raffiq und seiner Gruppe halten die beiden sich fern. Ihr Vater hat die Familie verlassen, um im Iran wieder als Architekt zu arbeiten. Sie vermisst ihn und fragt sich, wie ihr Leben im Iran wohl aussehen würde.

Die Autorin hat gemeinsam mit dem Verlag ein Wendebuch gestaltet, das zwei ähnliche und doch unterschiedliche Geschichten erzählt. Der Dreh- und Angelpunkt ist Younes, dessen Mutter Shahira wechselnde „Onkel“ in ihr Heim und Bett holt und dessen Vater in Frankfurt lebt. In der einen Geschichte ist Raffiq sein engster Freund, in der anderen Amal. Sowohl auf Raffiq als auch auf Amal übt die Andersartigkeit von Shahira, die von den anderen kurdischen Frauen verachtet wird, eine seltsame Art der Faszination aus.

Ich fand es interessant, die Überlegungen der Charaktere zu verfolgen, wo in der Welt ein Platz für sie ist. Vor allem im Hinblick auf ein mögliches Leben im Iran unterscheiden sich die Erfahrungen und Standpunkte von Raffiq und Amal in den beiden Geschichten. Raffiq schließt ein Leben dort kategorisch aus, während Amal sich Gedanken macht, wie es ihr dort wohl ergehen würde.

Als Leser wird man jeweils mitten in die Geschichten hineingeworfen und ich brauchte einige Zeit, um mich zu orientieren. Belohnt wurde ich mit vielfältigen Einblicken in die Welt der Charaktere. Ein Buch über Familie und Freundschaft, Erwachsenwerden und Heimat, das ich gerne weiterempfehle.

Veröffentlicht am 08.06.2020

Zwei Erzählungen über Migration, Frau-Sein, Identitätsfindung und abwesende Väter innerhalb einer kurdischen Community

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Hier liegen zwei Erzählungen vor. Mit welcher man beginnt, ist egal. Ich begann mit der Geschichte um Amal.
Amal ist eine junge Frau, die sich schon früh nicht in die „Mädchenrolle“ fügen wollte und ihren ...

Hier liegen zwei Erzählungen vor. Mit welcher man beginnt, ist egal. Ich begann mit der Geschichte um Amal.
Amal ist eine junge Frau, die sich schon früh nicht in die „Mädchenrolle“ fügen wollte und ihren eigenen „wilden“ Weg geht. Kurze Haare, schnell mal eine Prügelei, „wie ein Bursche, völlig außer Kontrolle“. Viele Freundschaften hat sie nicht, nur Younas. Sie lebt mit ihrer Mutter und ihrem jüngsten Bruder Baran allein, irgendwo im Ruhrpott. Ihr Vater, der sie immer unterstützt hatte, zog, als sie 9 Jahre alt war, nach Kurdistan zurück. Dort konnte er wieder als Architekt tätig sein, während er in Deutschland nur ein Lagerarbeiter mit unzureichenden Deutschkenntnissen war.
Amal vermisst ihren Vater jeden Tag. Nach dem Abi fliegt sie zu ihm, nach Zaxo in das autonome Kurdistan im Nordirak.

Die zweite Erzählung dreht sich um Raffik. Hier tauchen wieder Amal, Younas und vor allem Shahira, die Mutter von Younas auf. Raffik steht ebenfalls kurz vor dem Abi. Seine Freundin, die er liebt oder auch nicht, möchte danach in die USA. Sein Vater möchte wieder zurück nach Kurdistan, aus den gleichen Gründen wie Amals Vater. Raffiq soll jedoch mitkommen...

Amals Geschichte ist als innerer Monolog konzipiert, gleich eines Bewusstseinsstroms. Die Sätze, poetisch gar, sind oft recht lang. Ich war ihr sehr nah und wurde sehr berührt, so kamen mir mehrfach die Tränen.
Die Erzählung um Raffiq ist ebenfalls in der Ich-Perspektive geschrieben. Der Schreibstil ist hier dennoch etwas anders, so sind die Sätze etwas kürzer und nüchterner. Ich blieb distanzierter und da Raffiq als Hauptfigur etwas blass blieb, fragte ich mich anfangs, wer oder was steht hier eigentlich im Mittelpunkt und worum genau geht es eigentlich? Zudem war ich anfangs etwas verwirrt, weil ich dachte, hier werde eine andere Perspektive der gleichen Geschehnisse dargestellt. Es war aber tatsächlich eine ganz eigenständige Geschichte. Zwar trifft man die gleichen Figuren, die auch etliche Gleichheiten aufweisen, sie befinden sich jedoch teils in anderen Konstellationen und haben teilweise andere Persönlichkeiten. Es dauerte daher ein wenig, bis ich mich einlas und mich diese Geschichte ebenfalls gefangen nahm.

Beide Geschichten ergänzen sich sehr gut, da sie gleiche Thematiken beinhalten und im selben Milieu angesiedelt sind. Sie spielen in einer kurdischen Community einer westdeutschen Stadt sowie teils auch im autonomen kurdischen Gebiet in Nordirak.
Sehr berührend wird hier über Identitätsfindung von jungen aber auch älteren Migranten gesprochen. Die Rolle der Frau wird eindrücklich und nahbar reflektiert. Es geht aber auch um die Erwartungen der Anderen, um Familiendynamiken und die Beziehung zu den Eltern, besonders zu den oft nicht greifbaren bzw. abwesenden Vätern.
Sicherlich nicht neu, für mich aber immer wieder wichtig zu lesen, ist die hier beschriebene Situation von Migranten. Die spezifischen Schwierigkeiten der ersten Generation (innerhalb der Geschichten geht es um den gebildeten Mittelstand) sowie die Situation ihrer Kinder wird überzeugend beleuchtet. Gleichzeitig erhält man auch einen Einblick in die kurdische Kultur, ihre Normen, Werte und Moral, was mir sehr gut gefiel.
Ebenfalls gut gefiel mir die Bezugnahme auf Sheherazade sowie die merkliche Lust am Geschichtenerzählen.

Leider konnte mich, die mehr oder weniger auch im Mittelpunkt stehende Figur Shahira irgendwie nicht so ganz überzeugen. Sie schien mir unnahbar, etwas unverständlich und auch recht widersprüchlich in ihren Handlungen. Das Großartige, dass sie darstellen sollte, kam bei mir nicht an. Für mich machte es mehr Sinn, sie vielleicht eher als Symbol für die weibliche Sinnlichkeit an sich zu sehen, wenngleich es so wahrscheinlich nicht intendiert war.

Insgesamt sollte man die beiden Geschichten langsam oder zweimal lesen, um Feinheiten nicht zu übersehen und Andeutungen nicht zu überlesen. Beide Geschichten konnten mich fesseln und berühren. Sie beschäftigten mich, reizten zu Diskussionen, Nachfragen und Nachforschungen. So soll es sein!

Veröffentlicht am 07.04.2020

Karosh Taha - Im Bauch der Königin

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Eine Stadt irgendwo im Westen der Republik. Amal ist nicht das Mädchen, wie man es von ihr erwartet; von klein auf verbringt sie mehr Zeit mit den Jungs, kleidet sich wie sie und schneidet sich radikal ...

Eine Stadt irgendwo im Westen der Republik. Amal ist nicht das Mädchen, wie man es von ihr erwartet; von klein auf verbringt sie mehr Zeit mit den Jungs, kleidet sich wie sie und schneidet sich radikal die Haare ab. Immer wieder kommt es zu Konflikten, die sie gerne auch mit Gewalt löst. Ihr Vater steht trotzdem zu ihr, bis er eines Tages nach Kurdistan verschwindet und die Mutter mit den beiden Kindern allein zurücklässt. Das Verhältnis zwischen Amal und ihr wird schwieriger, die Mutter zieht sich ob der Schmach des Verlassenwerdens zurück und versteckt sich unter dem Kopftuch, während Amal fasziniert von Shahira, der Mutter ihres Freundes Younus, ist. Doch im Viertel zerreißt man sich das Maul über die Frau, die sich in kurzen Röcken und figurbetont kleidet. Auch Raffiq fühlt sich von ihr angezogen, auch wenn er als Jugendlicher eigentlich Amals Freund ist. Alle drei Heranwachsende, Amal, Younus und Raffiq teilen noch etwas anderes: das Aufwachsen in einem Land, das die Eltern zum Teil enttäuscht hat, in dem sie nicht angekommen sind, wo das Leben wie von der Stopptaste angehalten verläuft. Für ihre Kinder sehen sie die Zukunft in der Heimat, Kurdistan, doch diese haben andere Pläne.

In ihrem zweiten Roman fängt Karosh Taha die Lebenswelt vieler Migranten lebhaft und vielschichtig ein. Die Identitäten, die geradezu gespalten scheinen zwischen dem kurdischen und deutschen Ich; die Sitten und Kulturen der beiden Länder, die sich oftmals diametral entgegengesetzt stehen; die Familien, die alle verschieden sind und doch die gleichen Sorgen und Rückschläge teilen; Vorurteile, die es nicht nur von den Mitgliedern der anderen Kultur, sondern ganz stark auch innerhalb der eigenen Community gibt.

Trotz des spannenden und komplexen Themas konnte mich das Buch nicht wirklich packen. Im ersten Teil erzählt Amal aus ihrer Sicht, im zweiten wird sie von Raffiq abgelöst, aber so richtig wollen sie nicht ineinandergreifen. Hin und wieder erscheint der Text auch als regelrechter Stream of Consciousness, mit unzähligen Schleifen und Wiederholungen, was jedoch mehr zu einer hohen Redundanz denn zu einem Erkenntnisgewinn führt und bisweilen fast langatmig wird. Amal kommt als Figur noch differenzierter daher, wie sie kämpft um die Aufmerksamkeit des Vaters, mit der Rollenerwartung an sie als Mädchen hadert, die beiden Rollenmodelle Mutter und Shahira immer wieder abwägt und letztlich bei einem Besuch in Kurdistan, doch auch nur erkennt, wer sie nicht ist, aber nicht, wer sie ist. Raffiq ist mir in seiner Schwärmerei für Shahira und der tatsächlich doch oberflächlich geführten Auseinandersetzung mit den Eltern thematisch zu eng. Younus hätte sicher auch eine interessante Perspektive und Einblicke geboten, wird jedoch nur in der Außensicht durch die anderen präsentiert.

Ein schwer zu greifender Text, der mich leider emotional nicht berührt hat, obwohl gerade Protagonistin das Potenzial gehabt hätte, ihre spezifische Situation begreifbar zu machen.