Ein genialer Rationalist entdeckt die Zärtlichkeit der Welt
Jaap Hollander ist ein gefeierter Neurochirurg und Schürzenjäger alter Schule. Lange war keine Krankenschwester oder Assistenzärztin vor ihm sicher, bis er sich eher widerwillig aufgrund der Schwangerschaft ...
Jaap Hollander ist ein gefeierter Neurochirurg und Schürzenjäger alter Schule. Lange war keine Krankenschwester oder Assistenzärztin vor ihm sicher, bis er sich eher widerwillig aufgrund der Schwangerschaft seiner aktuellen Affäre Nicole, für ein Familienleben entschieden hat. Seinem kühlen, distanzierten Charakter tut jedoch auch dies keinen Abbruch. So genial er im OP ist, so unempathisch und rücksichtslos ist er in sozialen Beziehungen. Als seine Tochter Lea mit ihrem Freund auf einer Reise in Israel plötzlich verschwindet, nutzt Jaap die Werkzeuge, die ihm seine Vergangenheit mit auf den Weg gegeben hat und sich für ihn erprobt haben: emotionale Distanz und Rationalität. Nach 10 Jahren soll ihn dies jedoch an für ihn ungeahnte Grenzen bringen. Leas Verschwinden, eine mysteriöse OP-Anfrage, die ihn mitten in den Nahostkonflikt involviert, sein eher zwangsweiser Ruhestand von seinem geliebten Beruf, der ihm so viel Anerkennung gebracht hat - es sind viele Brüche mit denen sich Jaap konfrontiert sieht und sein bisheriges Leben auf den Prüfstand stellen. All dies an einem ganz besonderen Ort, der ihn wiederum auf vielfältigen Ebenen mit seiner Vergangenheit und Identität konfrontiert: Tel Aviv.
Geschickt verbindet De Winter medizinische Hintergründe, Weltpolitik und eine fein ausgearbeitete Charakterstudie eines kühlen Rationalisten, der vor dem Hintergrund seiner Erlebnisse auf der Suche nach seiner Tochter allmählich beginnt die Welt auf eine andere Weise zu betrachten. Der Roman ist durchweg sehr gut recherchiert und hält einige für mich unerwartete Wendungen bereit.
Mich hat De Winter sehr schnell in einen Bann gezogen. So fremd mir Jaap und seine Lebensrealität als Person ist, so sehr faszinierte er mich und so sehr wollte ich mehr über ihn erfahren. Dazu trägt auch die besondere Sprache bei, die für mich distanziert und berührend zugleich ist, da sie in all ihrer Distanz und Teilnahmslosigkeit den inneren Zustand des Protagonisten spiegelt.
Die Stadt der Hunde ist ein kluger, aufmerksamer Roman, der schnell in einen Bann zieht und zum Nachdenken anregt! Ganz klare Leseempfehlung!