Cover-Bild Dunkelgrün fast schwarz
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14,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Penguin
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 480
  • Ersterscheinung: 12.08.2019
  • ISBN: 9783328104841
Mareike Fallwickl

Dunkelgrün fast schwarz

Roman
Drei Freunde, eine zerstörerische Abhängigkeit und eine folgenschwere Liebe

Moritz und Raffael waren schon als Dreijährige beste Freunde. Doch dann taucht eines Tages eine Neue in der Schule auf: Johanna. Vom ersten Augenblick an sind beide von ihr fasziniert. Eigentlich ist klar, wer die Zuneigung des Mädchens gewinnen wird. Schon immer war Raffael der Selbstbewusste, der mit dem entwaffnenden Lächeln, und Moritz nur der Mitläufer. Doch Johanna spielt ihr eigenes Spiel – bis die Freundschaft der beiden Jungen zerbricht. Jetzt, 16 Jahre später, steht Raffael plötzlich vor Moritz‘ Tür. Und auf einmal scheint die Vergangenheit wieder da zu sein, die Erinnerung an ihre Jugend und an all das, was zwischen ihnen kaputtgegangen ist – und an Johanna, die immer noch zwischen ihnen steht.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.10.2019

Eine poetische Geschichte, die eine toxische Freundschaft absolut gelungen darstellt

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Das Buch handelt von einer toxischen Freundschaft, die hier meiner Meinung nach sehr gelungen dargestellt wird. Das macht das Buch auf keinen Fall zu einer leichten Lektüre, denn diese Abhängigkeit zu ...

Das Buch handelt von einer toxischen Freundschaft, die hier meiner Meinung nach sehr gelungen dargestellt wird. Das macht das Buch auf keinen Fall zu einer leichten Lektüre, denn diese Abhängigkeit zu verfolgen kann unangenehm sein, verzweifelt stimmen, Hass wecken und es manchmal schwer machen, weiterzulesen - und doch hing ich an den Seiten. Und doch zog mich die Geschichte in ihren ganz eigenen Bann.

Es gibt keinen wirklichen Spannungsbogen, stattdessen stellt dieses Buch vielmehr eine Collage aus Erinnerungen dar. Erinnerungen aus drei Sichten - der von Moritz, der von seiner Mutter Marie und der von Jo, der Freundin von Raf. Vor jeder Erinnerung steht zur Einordnung die Jahreszahl, dennoch erzählen alle im Präsens, was einem als LeserIn das Gefühl gibt, direkt dabei zu sein.
Zusammen ergeben sie nach und nach ein Bild der Freundschaft und der Ereignisse danach, und auch wenn einige Punkte erst am Ende enthüllt werden, besteht die Spannung eher darin, dass ich selbst in eine gewisse Abhängigkeit geriet und einen Blick auf diese toxische Freundschaft zu verschiedenen Zeiten hatte - mit der immer offenen Frage, ob Moritz sich in der Gegenwart endlich daraus lösen kann.

Rafs Sicht ist dabei nicht vertreten, aber ich persönlich finde, dass dies die Chemie dieses Buch ein stückweit kaputtgemacht hätte. Alle ProtagonistInnen scheitern in gewisser Weise daran, ihn zu verstehen, hinter seine Fassade zu blicken. Sie verklären ihn mal, sie hassen ihn, sie unterliegen seinem Bann - und als LeserIn weiß man ebenso wenig, was Rafs Intentionen sind, was diese Magie, die er auf andere ausübt, wirklicher werden lässt.

Und oh, ich habe Raf gehasst. Und gleichzeitig war ich unglaublich fasziniert von ihm.
Raffael ist schon als Kind gewalttätig und manipulativ. Gleichzeitig zieht er alle in einen Charme. Er kommt aus einem reichen Elternhaus, und in gewisser Weise erkennt man sein Verhalten in seinen Eltern wieder, vor allem in seinem gutaussehenden, charmanten und reichen Vater, ganz so, wie er es später auch ist. Denen die weiblichen Herzen zufliegen, die alles bekommen, was sie wollen und sich dessen vollends bewusst sind. Arrogant, selbstbewusst und vor allem auch selbstsicher.
Die ganze Zeit über strahlt Raf Überlegenheit aus, die nie wirklich gebrochen wird. Er scheint die ganze Zeit mit einem amüsierten Lächeln auf die Welt zu blicken, als würde er sich über sie lustig machen.

Raf kontrolliert, er manipuliert, und Moritz fügt sich. Moritz ist unheimlich passiv, lässt sich mitziehen, macht alles mit, und genau hier zeigt sich das Toxische, wenn er sich nicht daraus lösen kann. Und als Leserin verspürte ich Verzweiflung angesichts dieser Unentrinnbarkeit.
Moritz ist zurückhaltend, ruhig, man merkt, dass er ein gutes Herz hat, und umso mehr frustriert es, dass es auch in der Gegenwart so wirkt, als würde er sich wieder protestlos in Rafs Fänge geben und zusehen, wie Raf sein Leben zerstört.

Aber auch Marie habe ich als relativ passiv wahrgenommen und mich oft gefragt, inwieweit sie etwas hätte tun können, diese Abhängigkeit verhindern können. Sie trifft Entscheidungen, die sie nicht unbedingt sympathisch machen, und doch wirkt sie vor allem verloren.
Sie zieht nach Hallein bei Salzburg, wo der Großteil der Handlung spielt, einem Ort, aus dem auch die Autorin kommt, was sich in einigen österreichischen Ausdrücken bemerkbar macht, die dem Buch einen authentischen Charme geben.
Nachdem sie unerwartet schwanger wird, macht Marie nichts aus ihrem Studium, sondern heiratet den Vater und zieht in den ländlichen Ort, den sie nicht kennt, um die Kinder großzuziehen. Und somit ist sie selbst erst Mitte 20, plötzlich mit Verantwortungen konfrontiert, die sie nicht erwartet hatte, gefangen in einem Leben, das ihr die ungewollte Schwangerschaft aufgezwungen hat. Somit empfand ich immer wieder doch auch Mitleid für sie. Gleichzeitig bietet sie eine Außenperspektive auf die Freundschaft während der Kindheit und ihre eigene Machtlosigkeit.

"Dunkelgrün fast schwarz" zeichnet sich dabei auch durch den herausragenden Schreibstil aus, der sehr poetisch ist, was ich persönlich sehr gerne mochte. Hinzu kommt, dass Moritz Synästhetiker ist und Farben sieht, was seiner Erzählweise eine zusätzliche Ebene verleiht.
Doch neben der Poesie mutet das Buch oft auch derb an. Die Erwachsenen haben oft Sex, selten zärtlich. Im Kontrast dazu steht die doch sehr liebevolle Beziehung zwischen Kristin und Moritz, oder die partnerschaftliche zwischen Alexander und Marie.
Auch Jo ist ein sehr ambivalenter Charakter. Sie leidet unter Essstörungen, ist zynisch, verbittert und gleichzeitig ebenfalls absolut abhängig von Raf.

Das Buch überraschte mich mit einem runden Abschluss, nach dem man mit bitterem Nachgeschmack und einer Vielzahl an Gefühlen zurückbleibt. Vor allem aber werden diese toxische Freundschaft und Rafs Manipulation so nachvollziehbar und ausweichlich dargestellt, dass man als LeserIn die Abhängigkeit intensiv spürt, sie verabscheut, einen Ausweg wünscht und doch selbst irgendwie davon gefangen wird.

Fazit: Unheimlich gut geschriebene Geschichte einer toxischen Freundschaft, die die Abhängigkeit nachvollziehbar werden lässt. Verschiedene Sichten bilden eine Collage aus den verschiedenen Momenten und konstruieren so ein Bild dieser Freundschaft zwischen dem charmanten, immer kontrollierenden und manipulativen Raf und dem von ihm abhängigen Moritz. Der poetische Schreibstil trägt seinen Teil dazu bei, den/die LeserIn in den Bann zu ziehen, von dieser oft düsteren und manchmal derben Geschichte, die einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt.

Veröffentlicht am 07.09.2019

Unbequemer Roman über eine ungesunde Freundschaft, der eine Faszination erzeugt und mit Sogwirkung geschrieben ist

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Moritz und Raffael sind in einem Dorf in der Nähe Salzburgs aufgewachsen und haben sich im Kindergartenalter angefreundet. Als Kinder und Jugendliche sind sie unzertrennlich, auch wenn Moritz' Mutter Marie ...

Moritz und Raffael sind in einem Dorf in der Nähe Salzburgs aufgewachsen und haben sich im Kindergartenalter angefreundet. Als Kinder und Jugendliche sind sie unzertrennlich, auch wenn Moritz' Mutter Marie die Freundschaft missbilligt. In ihren Augen ist Raffael ein "Arschlochkind", das ihrem Sohn nicht gut tut. Als Johanna als Neue in die Klasse der beiden kommt, wird aus der Jungenfreundschaft ein Dreiergespann und Moritz spürt das Ungleichgewicht in der Freundschaft noch deutlicher.
16 Jahre später sucht Raffael Moritz überraschend auf und nistet sich regelrecht in der Wohnung von ihm und seiner Freundin ein. Als dann auch noch Johanna vor der Tür steht, wird die Vergangenheit noch einmal aufgerollt und Moritz in seinem Glauben an die Freundschaft erschüttert.

Der Roman wird aus der Sicht von drei Charakteren geschildert: Kindheit und Jugend der Freunde in den 1980er- und 1990er-Jahren aus den Perspektiven von Marie und Moritz sowie in der Gegenwart aus den Perspektiven von Johanna und Moritz. Die Perspektiven wechseln dabei nicht zu häufig, so dass man sich gut auf einen Charakter einlassen kann, auch wenn die Autorin in den Zeiten sprunghaft hervorgeht. Dies trägt jedoch zur Spannung bei, da somit immer wieder kleine Cliffhanger entstehen.

Es ist eine Geschichte über eine ungleiche Freundschaft, in der nur einer das Sagen hat: Raffael. Er ist von Kleinauf geschickt darin, andere Menschen für sich einzunehmen und zu manipulieren. Dabei schreckt er auch vor Gewalt und Erpressung nicht zurück. Eltern und Lehrer sind machtlos dagegen und auch Moritz kommt nicht von ihm los, selbst als er erkennt, dass Raffaels Freundschaft eher fragwürdig ist.
Moritz ist ein sensibler Mensch, ein Kind, das Farben sieht und später Künstler werden möchte und braucht die Freundschaft, um nicht einsam zu sein.
Marie war ungewollt mit Moritz schwanger, hat früh geheiratet und musste notgedrungen von Wien aufs Land ziehen. Dort findet sie kaum Anschluss, nur zu Raffaels Mutter Sabrina hat sie Kontakt, fühlt sich von deren Ehemann angezogen.
Johanna hat ihre Eltern verloren, ist eine Waise, die voller Wut steckt und sich untertänig an Raffael klammert.

"Dunkelgrün fast Schwarz" ist in unbequemer Roman, der von einer ungesunden Freundschaft und den Folgen erzählt. Während Raffaels Einfluss als Kind vergleichsweise harmlos, steigert sich sein Verhalten mit dem Heranwachsen, was aber erst am Ende des Romans in Gänze deutlich wird. Hier tun sich Abgründe auf, vor allem als auch noch Johannas Rolle zutage tritt, jahrelange Lügen aufgedeckt werden und Moritz sein bisheriges Leben in Frage stellen muss.

Der Roman ist spannend und unvorhersehbar geschrieben, und auch wenn ich vor allem die Abschnitte aus Johannas Sicht ungern gelesen habe, weil mir nicht vorstellen wollte, wie sich eine junge Frau so erniedrigen kann, entwickelte der Roman vor allem auch durch die Wortgewalt der Autorin eine unheimliche Faszination und Sogwirkung.

"Ich hätte Raffael abbrechen müssen wie einen faulenden Ast, an dem der gesamte Baum krankt. Nun taumeln wir alle durch dieses Labyrinth aus Fäden und bluten aus unsichtbaren Wunden."

Veröffentlicht am 21.03.2024

Das Licht und die Dunkelheit

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Klappentext: "Moritz und Raffael waren schon als Dreijährige beste Freunde. Doch dann taucht eines Tages eine Neue in der Schule auf: Johanna. Vom ersten Augenblick an sind beide von ihr fasziniert. Eigentlich ...

Klappentext: "Moritz und Raffael waren schon als Dreijährige beste Freunde. Doch dann taucht eines Tages eine Neue in der Schule auf: Johanna. Vom ersten Augenblick an sind beide von ihr fasziniert. Eigentlich ist klar, wer die Zuneigung des Mädchens gewinnen wird. Schon immer war Raffael der Selbstbewusste, der mit dem entwaffnenden Lächeln, und Moritz nur der Mitläufer. Doch Johanna spielt ihr eigenes Spiel – bis die Freundschaft der beiden Jungen zerbricht. Jetzt, 16 Jahre später, steht Raffael plötzlich vor Moritz‘ Tür. Und auf einmal scheint die Vergangenheit wieder da zu sein, die Erinnerung an ihre Jugend und an all das, was zwischen ihnen kaputtgegangen ist – und an Johanna, die immer noch zwischen ihnen steht."

Dieses Buch habe ich wegen einer Leserrunde gelesen, zu der ich es dann leider nicht mehr geschafft habe. Meine Motivation war groß. Ich habe somit nicht nach dem Cover Ausschau gehalten. Es ist sehr passend, drei Freunde erfreuen sich am Leben, vor und unter ihnen der Abgrund ohne Ende. Der Name des Buches verwirrt ein bisschen, aber wenn man sich eingelesen hat, versteht man ihn auch.

Die Hauptcharaktere sind sehr lebhaft beschrieben, ihr Verhalten, ihre Denkweise. Wobei sich der Leser die Denkweise in nur drei von denen hineinlesen kann. Marie, die liebevolle Mutter mit all ihren Ängsten und Sorgen. Moritz, das liebevolle Kind in dem Talente schlummern. Das Kind, das das Leben in Farben sieht. Nicht nur das Leben, sondern auch die Gefühle und Geschehnisse. Und Johanna, die nicht ganz dunkel ist, die aber das Licht in ihr durch das tragisch Erlebte begraben möchte. In die Gefühle und Gedanken von Rafael, kann der Leser nicht hineinsehen und somit bleibt die Dunkelheit mysteriös und zum Teil unbegründet.

Das Buch ist in einer sehr gepflegten angenehmen Sprache geschrieben. Durch den ständigen Sichtwechsel zwischen den Protagonisten und den Zeitzonen ist das Lesen eine Art Abenteuer. Allerdings ein Abenteuer ohne Hoch- und Tiefpunkte, bzw. ohne jegliche Spannung. Hin und wieder sieht sich der Leser in manchen Gedanken oder Gefühlen, es berührt ihn und bringt ihn zum Nachdenken über sich selbst und über das Leben. Dunkelgrün fast schwarz zeigt uns teilweise die Abgründe der menschlichen Seelen und Hilfslosigkeit denen zu entkommen. Es ist ein Buch über die Dunkelheit und das Licht. Die Dunkelheit, hungrig nach Licht, möchte es in sich aufnehmen und zerstört es dadurch.

Es ist absolut keine leichte Lektüre und ich würde es nicht denjenigen empfehlen, die einen lustigen, spannenden Roman lesen wollen.

Aber es ist immer noch eine Art "Ode an das Leben".

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Veröffentlicht am 03.02.2024

False Friends

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Schon als sie drei Jahre alt waren haben sie gemeinsam auf dem Spielplatz getobt. Moritz und Raffael. Die Eltern von Moritz sind in des Vaters Heimatdorf gezogen. Seine Mutter fühlt sich fremd, denn ihr ...

Schon als sie drei Jahre alt waren haben sie gemeinsam auf dem Spielplatz getobt. Moritz und Raffael. Die Eltern von Moritz sind in des Vaters Heimatdorf gezogen. Seine Mutter fühlt sich fremd, denn ihr Mann fährt zum Studium nach Wien. Und die Mutter von Raffael ist eine der wenigen, die nett zu sein scheint. Und so sind Motz und Raf zu Freunden geworden. Raf ist derjenige, der vorneweg geht. Doch irgendwann trennen sich ihre Wege, spätestens nach der Schulzeit. Jahre später lebt Moritz glücklich in einer Beziehung. Und völlig aus dem Nichts steht eines Tages Raffael vor der Tür.

Zwei Freunde, die unzertrennlich scheinen. Raffael und Moritz sind seit Kindertagen Freunde, bis in die Schulzeit wirken wie aus einem Guss. Doch als eine neue Schülerin in die Klasse kommt, verschiebt sich das Gleichgewicht. Motz ist mit Johanna zusammen. Raffaels wahres Gesicht wird von Maria, der Mutter von Moritz, gesehen, doch was soll sie tun. Er ist der einzige Freund ihres Sohnes. Vielleicht wird die Zeit es bringen. Mit Raffaels Auftauchen konnte nicht gerechnet werden. Wird er wieder seine alten Muster anwenden? Wird Moritz wieder auf die glatte Fassade hereinfallen? Es geht um seine Zukunft.

Es ist ein Buch, das von Freundschaft schreibt, glaubt man jedenfalls. Eine Jugendfreundschaft, etwas, was man aus eigener Erfahrung eher positiv in Erinnerung hat. Doch beim Lesen entdeckt man, dass man sich da doch schwer getäuscht hat. Raffael ist ein Psychopath, der am besten in irgendeinem Orkus verschwunden wäre. Wenn man in diesem Roman nach sympathischen Menschen sucht, kann man lange suchen. Finja in ihrer Unschuld ist liebenswert. Man möchte sich nicht in epischer Breite darüber auslassen, wieso die einzelnen Personen so abstoßend wirken. Das kann jeder selbst entdecken. Schwierig ist es über diesen Roman eine Bewertung zu finden. Die Worte sind wohlgewählt, die Geschichte fesselnd, man möchte nur nichts von diesen Menschen wissen. Doch auch wenn man Widerwillen empfindet, so löst das Buch etwas aus.

Veröffentlicht am 04.09.2020

Ein sehr aufregendes Leseerlebnis

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Puh, was für ein Ritt. Ich habe viele Reviews gelesen, die die Sogwirkung dieses Buches in den Vordergrund stellen und muss sagen: Ja, das stimmt. Auch ich konnte mich der Erzählung kaum entziehen, zu ...

Puh, was für ein Ritt. Ich habe viele Reviews gelesen, die die Sogwirkung dieses Buches in den Vordergrund stellen und muss sagen: Ja, das stimmt. Auch ich konnte mich der Erzählung kaum entziehen, zu vielfältig und abwechslungsreich waren die einzelnen Plotstränge - vom Aufbau her genau mein Beuteschema.

Im Mittelpunkt stehen toxische Beziehungen, allen voran die der besten Freunde Moritz und Raffael. Klassische Aufteilung: Raffael, ein narzistischer, persönlichkeitsgestörter Meistermanipulator von Kindesbeinen an vs. Moritz, eher zurückhaltend und schüchtern und durch seine (für ihn als Kind unerklärliche) Synästhesie (er sieht Menschen auch farblich) verunsichert. Als junge Erwachsene trennen sich die beiden - die Gründe dafür bilden quasi das mysteriöse Grundgerüst des Romans (wie auch die Frage, warum die beiden überhaupt so lange als unzetrennlich galten). Bekannt ist nur: Es hat mit Johanna zu tun, die erst spät dazustoß und aus dem Duo ein Trio machte.

Vom Aufbau und der Struktur her ist das hier ein Buch wie für mich geschrieben. Wir hören drei Erzählstimmen aus verschiedenen Zeiten, die Handlung umfasst rund 35 Jahre. Erzähler 1 ist Moritz, der in der Gegenwart nach 16 Jahren plötzlich wieder Raffael gegenübersteht steht. Moritz nimmt den alten Kumpel bei sich und seiner hochschwangeren Freundin auf. Dieser Strang lotet aus, wie die Manipulationen von Raffael auf den erwachsenen (und ihm entwachsenen?) Moritz wirken. Parallel dazu erinnert sich Moritz an prägende Momente aus der gemeinsamen Kinder- und Jugendzeit. Moritz ist ein extrem passiver Charakter, der viel will, aber wenig kann. Man fragt sich beim Lesen: Ist das alles nur Raffaels Schuld? Oder die anderer Bezugspersonen? Oder ist Moritz einfach grundsätzlich "schwach"?

Zweite Erzählstimme ist Johanna, die über all die Jahre "dazwischen" über eine ziemlich spezielle, nicht minder verkorkste Beziehung mit Raffael berichtet, auch hier wieder in Form von Erinnerungen und ihrer gegenwärtigen Probleme. Johannas Kapitel sind besonders düster, sie wird von starken Selbstzweifeln (Selbsthass?) gequält, die sich durch physische und psychische Selbstschädigung manifestieren und durch extrem ablehnende Coolness verdeckt werden. Die Frage, inwiefern Raffael am Gemütszustand dieser traurigen Gestalt verantwortlich ist, wird ziemlich schnell beantwortet: Johanna wirkt wie ein verzweifelter Junkie, auf der Suche nach dem nächsten Schuss Raffael.

Dritte Erzählstimme, und das war für mich das Highlight des Buches, ist Marie, die Mutter von Moritz. Ihre Berichte spielen ausschließlich in der Vergangenheit und reichen bis in ihre eigene Jugend zurück. Ihre Aufgabe ist es, die Frage "Aber warum hat die Mutter/haben die Eltern denn nichts unternommen?" zu beantworten. Und das macht die Autorin wirklich richtig toll: Ganz tief reingehen in die Geschichte, alle alten Schichten abkratzen und zurückgehen bis zu dem Punkt, an dem die (vermeintlich?) erste falsche Abzweigung genommen wurde. Auch Marie ist eher passiv und "schwach": Eine etwas weltfremde junge Frau, die mit zwei kleinen Kindern in ein abgelegenes Bergdorf zieht (der Mann ist aus beruflichen Gründen anfangs kaum anwesend) und nirgendwo richtig dazugehört - ich konnte kaum aufhören, vor allem ihre Seiten zu lesen.

Es geht hier also nicht nur um toxische Beziehungen an sich - wie sie entstehen, was sie am Leben hält - sondern auch darum, wie sie verhindert oder unterbunden werden könnten (müssten?) - und warum das manchmal einfach nicht möglich ist, weil das nicht jede*r aus eigener Kraft kann. Alles das bis hierhin aufgezählte hat mich beim Lesen stark angezogen, ich konnte es kaum erwarten, noch eine Schicht (v.a. aus der Vergangenheit) aufzudecken - nicht nur, um dem Geheimnis des Zerwürfnisses auf die Schliche zu kommen, sondern auch, um noch mehr zu vestehen, wie es überhaupt alles soweit kommen konnte.

Ein sehr aufregendes Leseerlebnis und tolles Debüt also, und dennoch mit Luft nach oben. Das Ende war mir persönlich zu wenig, auch die Andeutung der möglichen Zukunft der Charaktere hat mich eher gewundert als befriedigt. Inhaltlich war das Buch an einigen Stellen zu repetitiv, das hätte noch gestrafft werden können. Etwas mehr gehadert, vor allem am Anfang, habe ich mit der Sprache, die mein erträgliches Level an blumiger Umschreibung und hemmungloser, teils auch schiefer Übermetaphorisierung an seine Grenzen gebracht hat. Ich habe mir das ein bisschen mit Moritz' Synästhesie schön geredet, hat aber nicht immer gut geklappt. A propos: Die Synästhesie an sich hätte vielleicht noch mehr "genutzt" werden können. So erklärt sie eigentlich nur einen Großteil der (farbenfrohen) Sprache und, wenn man es so sagen will, verdeutlicht den Umstand, dass der, der eigentlich am meisten sehen kann (Moritz), der Blindeste von allen ist (in Bezug auf Raffael).

Trotzdem dieser stilistischen Anmerkungen, die nicht so ganz meinen persönlichen Geschmack trafen, gibt's hier vier Sterne, denn in so einen Lesesog bin ich schon lange nicht mehr geraten.