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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.04.2021

Ein interessanter Einblick für Alice-Fans

Die Erfindung von Alice im Wunderland
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"Alice im Wunderland" dürfte wohl jedem ein Begriff sein. In diesem Sachbuch widmet sich Peter Hunt den Hintergründen und der Entstehungsgeschichte des beliebten Kinderbuchklassikers.

Dabei steht vor ...

"Alice im Wunderland" dürfte wohl jedem ein Begriff sein. In diesem Sachbuch widmet sich Peter Hunt den Hintergründen und der Entstehungsgeschichte des beliebten Kinderbuchklassikers.

Dabei steht vor allem die Freundschaft zwischen Charles Dodgson, der den meisten als "Lewis Carroll" bekannt ist, und der kleinen Alice Liddell im Vordergrund. Diese ist Vorbild der Alice-Figur und zugleich Adressatin der von Dogdson erfundenen Geschichten, welche überwiegend im Rahmen mehrerer gemeinsamer Bootsausflüge entstanden.

Das Buch bietet Einblicke in die Zeit, die Dogdson mit Alice und deren Schwestern verbracht hat, und weist auf die versteckte Genialität des Werkes mit seinen zahlreichen Anspielungen auf Personen und Gegebenheiten aus der Umgebung der Liddell-Schwestern hin. Es werden so einige interessante Fakten angesprochen und Vermutungen aufgestellt, und wer "Alice im Wunderland" gelesen hat, kann mit diesem Buch sicher eine Menge Spaß haben. Immer wieder werden kürzere Szenen zitiert, Vergleiche zu Liedern und Reimen herangezogen und großformatig abgedruckte Zeichnugen und Skizzen Tenniels, des Original-Illustrators der Alice-Bände, sowie von Dogdson angefertigte Fotographien eingestreut.

Veröffentlicht am 04.04.2021

Eine Reise voller Überraschungen

Reise mit zwei Unbekannten
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Maxine und Alex könnten unterschiedlicher nicht sein: Sie ist eine junggebliebene 95-Jährige, die das Leben bereits in vollen Zügen genossen hat und ihm nun ein Ende zu setzen, bevor es mit ihrer Gesundheit ...

Maxine und Alex könnten unterschiedlicher nicht sein: Sie ist eine junggebliebene 95-Jährige, die das Leben bereits in vollen Zügen genossen hat und ihm nun ein Ende zu setzen, bevor es mit ihrer Gesundheit bergab geht. Er ist Mitte 20, leidet an Depressionen und erhofft sich nicht mehr viel von seinem Leben. Ein Zufall will es, dass die beiden sich über eine Mitfahrer-Agentur finden und gemeinsam in Alex' Twingo den Weg nach Brüssel antreten, und nach anfänglichen Vorurteilen und Missverständnissen beginnt sich eine wahre Freundschaft zwischen ihnen zu entwickeln. Unpraktisch nur, dass Maxine zuvor niemanden offiziell von ihren Absichten in Kenntnis gesetzt hat und es nun für alle anderen so aussieht, als sei sie von Alex aus dem Altenheim entführt worden...

Der Einstieg ins Buch ist sehr humorvoll - denn weil sie jeweils mit jemand vollkommen anderem rechnen, verpassen sich die beiden Protagonisten ersteinmal fast. Nach anfänglichem Zögern - aufgrund seines übermüdet und etwas heruntergekommen wirkenden Erscheinungsbildes hält sie Alex nun icht mehr für eine junge Frau, sondern einen Drogensüchtigen - beschließt Maxine dennoch, in den Twingo einzusteigen und die Fahrtzeit darauf zu verwenden, Alex wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Es dauert eine Weile, bis sie einsieht, dass sie mit ihrer Vermutung nicht ganz richtig, aber auch nicht vollkommen falsch liegt - Alex braucht durchaus ein wenig Hilfe, um sein Leben wieder in die richtige Spur zu lenken.

Der lockere, humorvolle Schreibstil wird das ganze Buch hindurch aufrechterhalten und immer wieder von ernsteren, leider aber meist etwas zu pathetisch und dadurch irgendwie zitiert wirkenden Weisheiten und Ratschlägen Maxines untermalt. Diesen teilweise konstruiert wirkenden Passagen mit durchaus tiefgründigem Kern stehen einige sehr überspitzt dargstellte Momente und Szenen gegenüber, die durch ihre Komik schon wieder unglaubwürdig erscheinen; allein das undurchdachte Vorgehen der Polizei, die über einen Tag lang vollkommen erfolglos versucht, die Spur der vermeintlich als Geisel genommenen älteren Dame aufzunehmen, und die all ihre Fortschritte sofort in Rundfunk und Fernsehen kundtut, kann nur als dilettantisch bezeichnet werden. Die Ermittlungsarbeiten als solche stehen zwar nicht im Fokus des Romans, tragen aber doch wesentlich dazu bei, dass das ganze in ihm geschilderte Ereignis Einiges an Überzeugungskraft verliert und dem Roman einen überspannt und wenig glaubhaft wirkenden Charakter verleiht. Stattdessen wird mehr auf Situatinskomik gesetzt, was ja auch vollkommen in Ordnung ist, mich in diesem Fall aber nicht ganz zufriedengestellt hat. Ich hätte mir neben der Komik noch einen tiefergehenden Blick auf die "dunkle" Seite und Alex' Depressionen gewünscht.

Insgesamt ein kurzweiliger Roman, der zweifellos unterhalten kann, dem es aber für meinen Geschmack eine Spur zu sehr an Ernstahftigkeit mangelt.

Veröffentlicht am 25.03.2021

Anfangs großartig, irgendwann (fast) nur noch anstrengend

Wie alles begann und wer dabei umkam
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Der namenlose Protagonist dieses Romans strebt bereits als Kind eine Karriere als Jurist an. Denn bereits in jungen Jahren verurteilt er in einer aufwändig inszenierten Gerichtsverhandlung kurzerhand die ...

Der namenlose Protagonist dieses Romans strebt bereits als Kind eine Karriere als Jurist an. Denn bereits in jungen Jahren verurteilt er in einer aufwändig inszenierten Gerichtsverhandlung kurzerhand die eigene Großmutter zum Tode, da sie tagein, tagaus die Familie, insbesondere jedoch die Mutter des Protagonisten terrorisiert. Später beginnt er tatsächlich ein Jura-Studium in Freiburg, muss jedoch schon bald feststellen, wie unzureichend er das in Deutschland geltende Strafrecht findet. Und so erarbeitet er eignständig ein alterntives System, das "Inoffizielle Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland", kurz IStdGB, welches viel härtere Stafen ermöglicht als sein Vorgänger. Schon zu Beginn des Buches erfährt man, dass der Protagonist am Ende im Gefängnis sitzt - wie es dazu kam schildert er ausführlich und beginnt dabei ganz von vorne.

Anfangs fand ich das Buch klasse. Der Humor des Autors und die anspruchsvoll, aber gut formulierten Sätze machen Spaß, die Idee hinter dem Buch ist ungewöhnlich. Durch die amüsant verfassten Schilderungen der Kindheit des Protagonisten und die Mischung aus Ernsthaftigkeit und Groteskem wird man gleich auf die Seite des Protagonisten gezogen, obwohl das, was er vorhat, eigentlich nicht vertretbar ist. Während der ersten 100 Seiten hat mich das Buch also völlig in seinen Bann gezogen und ich wollte unbedingt erfahren wie es weitergeht - bis hierher stimmte also alles.

Was ist dann passiert? Vor allem wurde mir der Stil irgendwann zu anstrengend. Beinahe jeder zweite Satz ist gespickt mit bitterbösem Humor, und auf Dauer war das leider einfach zu viel. Wäre der Roman nur halb so lang, hätte mir das vermutlich nicht so viel ausgemacht, aber so konnte ich nur etwa das erste Drittel wirklich genießen, bevor ich anfangen musste, mich durchzukämpfen. Hinzu kommen einige Längen, insbesondere im zweiten Teil des Buches, der etwa in der Mitte beginnt und den der Protagonist nicht mehr in Freiburg, sondern in Asien verbringt, um auch außerhalb der Grenzen Deutschlands geltendes Recht in sein Projekt miteinzubeziehen. Irgendwann habe ich mich immer häufiger dabei erwischt, kurze Passagen zu überspringen, weil ich eigentlich nur noch wissen wollte, was genau ihn denn nun ins Gefängnis gebracht hat - alles andere hat sich viel zu sehr gezogen.

So gut mir das Buch zu Beginn gefallen hat, so froh war ich am Ende auch, als die letzten Seiten hinter mir lagen. Ich vergebe 2,5 Sterne für die originelle Idee, den eloquenten Schreibstil und auch den Humor, der mich in all seiner Exzentrik und Bosheit auf den ersten Seiten sehr angesprochen hat. Dass es am Ende keine bessere Bewertung gibt, ist wohl dem geschuldet, dass mir all das letztendlich viel zu anstrengend wurde und dass es doch eine Menge Längen gab, die dem Leser Einiges abverlangen.

Veröffentlicht am 24.03.2021

Ein Leben im Exil

In einer Nacht ein ganzes Leben
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Nachdem soeben ihre Großmutter verstorben ist, findet eine junge Frau in der Kommode, die schon seit ihrer Kindheit große Faszination auf sie ausgeübt hat, mehrere von der Großmutter an sie verfasste Briefe. ...

Nachdem soeben ihre Großmutter verstorben ist, findet eine junge Frau in der Kommode, die schon seit ihrer Kindheit große Faszination auf sie ausgeübt hat, mehrere von der Großmutter an sie verfasste Briefe. Darin berichtet Rita von ihrer Kindheit, die von der Flucht vor der Diktatur Francos nach Narbonne in Südfrankreich geprägt ist. Dort wächst sie mit ihren Schwestern in einem Haus voller Flüchtlinge im Exil auf. In der Teenagerzeit findet sie ihre große Liebe, die jedoch ein tragisches Ende nimmt.

Das Buch lässt sich leicht lesen, bietet gleichzeitig jedoch auch einen Einblick in den harten Alltag derer, die sich zu jener Zeit ein neues Leben in einem fremden Land aufbauen mussten. Die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Zugehörigkeit einerseits und dem Bestreben, an der Heimat festzuhalten andererseits macht viele Menschen rastlos. Diese innere Zerissenheit spürt auch Rita; während sie in jungen Jahren alles daran setzt, dass man ihr ihre Herkunft nicht anmerkt, spürt sie mit der Zeit immer mehr, was ihr dabei verlorengeht.

Zwischenzeitlich hat der Roman ein paar Längen und driftet mir etwas zu sehr ins Belanglose ab, davon abgesehen bietet er aber eine schöne und angenehm zu lesende Unterhaltung für zwischendurch.

Veröffentlicht am 21.03.2021

Erschreckend ehrlich

Die Schlachthaus-Tagebücher
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Lina Gustafsson ist Tierärztin. Um die Bedingungen für Schlachttiere zu verbessern, nimmt sie für einige Monate einen Job auf einem schwedischen Schlachthof an. Ihre Aufgabe ist es unter anderem, die neu ...

Lina Gustafsson ist Tierärztin. Um die Bedingungen für Schlachttiere zu verbessern, nimmt sie für einige Monate einen Job auf einem schwedischen Schlachthof an. Ihre Aufgabe ist es unter anderem, die neu ankommenden Tiere zu begutachten und darauf zu achten, ob einzelne Tiere Verletzungen haben, sodass sie bei der Schlachtung vorgezogen werden können. Außerdem überprüft sie mit anderen Tierärzten gemeinsam den Umgang des Stallpersonals mit den Schweinen und nimmt an Kontrollen zur Lebensmittelsicherheit teil.

Dass ihre Arbeit nichts für schwache Mägen ist, ist wohl jedem klar - in ihren ersten Tagen wird Lina herumgeführt, sieht die verschiedenen Stationen, die die Schweine durchlaufen: von der Ankunft über das Treiben und Vergasen bis hin zum Entbluten und Ausweiden wird alles recht detailliert beschrieben. Immer wieder fallen Lina dabei Misstände und Tierquälereien auf. Schon beim Ausladen aus den Transportern werden die Tiere, die nach der oft stundenlangen Fahrt entkräftet und gestresst sind, mit Plastikpaddeln geschlagen, damit sie sich möglichst schnell in die Buchten treiben lassen, wo sie auf ihre Tötung warten. Viele lahmen oder haben Bisswunden. In den Buchten angekommen gibt es kaum Futter, und diejenigen, die über Nacht dortbleiben, stehen auf einer winzigen Fläche mit vielen anderen zusammen oft zentimetertief im Wasser. Beim Gang in die Gaskammer, in der sie unter Schmerzen mit Kohlendioxid getötet werden, kommen wieder die Plastikpaddel zum Einsatz.

Obwohl Lina diese Punkte immer wieder anspricht, reagieren viele Mitarbeiter nur gereizt und genervt, und ändern tut sich kaum etwas. Die Aussichtslosigkeit dieser Situation und Linas schwindende Hoffnung werden ebenso greifbar wie das Leid der Tiere. Der erschreckende Teil des Buches ist nichteinmal der, in dem die Körper der Schlachttiere aufgeschnitten und die Organe entnommen werden (Achtung, auch das wird mehrmals ausführlich beschrieben), sondern alles, was davor geschieht. Und dennoch entspricht der Umgang mit den Tieren ganz offiziell den Richtlinien, sodass Lina zwar Berichte über das ruppige Verhalten der Mitarbeiter an die Aufsichtsbehörden schicken und diese auch selbst immer wieder um einen sanfteren Umgang mit den ohnehin verängstigten Tieren bitten kann, das aber dann auch schon alles ist.

Linas anfängliche Empörung weicht bald dem Verdruss des Alltags - obwohl jeder Tag ein wenig anders abläuft und immer mal wieder etwas Unvorhergesehenes geschieht, sind sie am Ende doch alle gleich. Jeden Tag werden etwa 3.100 Schweine alleine auf diesem einen Hof geschlachtet, jeden Tag kommen dort völlig gestresste, verängstigte Tiere an, jeden Tag werden sie in ihrer Panik noch weiter mit den Plastikpaddeln getrieben. Und alles, was Lina tun kann, ist diejenigen zur Schlachtung vorziehen zu lassen, die offensichtlich große Schmerzen haben.

Die Sprache, in der Lina ihren Arbeitsalltag auf dem Hof schildert, ist nüchtern und sachlich, und lässt die Bilder für sich sprechen. Die einzelnen Kapitel sind kurz, denn jedes entspricht einer Art Tagebucheintrag. Das Buch ist nicht fiktiv, Lina Gustafsson hat, wie sie am Ende des Buches wiederholt betont, alles Beschriebene tatsächlich beobachtet und erlebt. Schlachtungen sind ein Thema, das die meisten Menschen lieber vermeiden, einfach weil sich niemand besonders gerne Gedanken darüber macht - und nicht ohne Grund ist es uns unangenehm, wie dieses Buch zeigt. Im Detail von den schlechten Bedingungen zu lesen, in denen die Tiere die letzten Stunden vor ihrem Tod verbringen, ist erschreckend. Noch erschreckender ist es jedoch, dass dies alles vom Gesetz als vollkommen in Ordnung eingestuft wird.

"Die Schlachthaus-Tagebücher" ist in seiner Ehrlichkeit und Ungeschöntheit nicht einfach zu lesen, und ich habe das Buch währenddessen immer wieder für eine Weile beiseite legen müssen. Dennoch bin ich am Ende sehr froh um den tiefen Einblick, den es dem Leser eröffnet.