Zwischen Bullerbü-Kindheit und menschlichen Abgründen
Vergiss michAlex Schulman gibt in “Vergiss mich” so viel von seinem Privatleben preis wie nie zuvor. Es ist ein autobiografisches Buch über das Aufwachsen mit seiner alkoholkranken Mutter. Das Buch ist im schwedischen ...
Alex Schulman gibt in “Vergiss mich” so viel von seinem Privatleben preis wie nie zuvor. Es ist ein autobiografisches Buch über das Aufwachsen mit seiner alkoholkranken Mutter. Das Buch ist im schwedischen Original schon 2016 erschienen und wurde nun von Hanna Granz ins Deutsche übersetzt.
Die Erzählung startet und endet mit der Gegenwart, dazwischen zeigen szenenhafte Rückblicke Bilder von Schulmans Kindheit. Sie sind nicht chronologisch sortiert, sondern nach der Art der Gefühle, die sie in ihm ausgelöst haben: Warme Erinnerungen, die voller Liebe und Geborgenheit sind. Aber auch solche, in denen seine Mutter tagelang nicht ihr Schlafzimmer verlässt, ihre Söhne anschreit, aus dem Nichts die Kontrolle verliert.
Wie kam es zu diesem harten Gefälle? Und was macht es mit einem Sohn, seine Mutter an die Alkoholsucht zu verlieren? Diese Fragen versucht der Autor mithilfe des Buches zu beantworten.
Zugegebenermaßen habe ich ab und an den Überblick verloren und hätte mir mehr zeitliche Einordnungen gewünscht. Andererseits macht es für die Dringlichkeit der Aussagen auch keinen Unterschied, wann gewisse Szenen sich zugetragen haben.
Was mich sehr berührt hat, war der Grad der eigenen Verletzlichkeit, den Schulman hier offenbart. Er schreibt über seine eigenen Zusammenbrüche, Panikattacken, seine Hilflosigkeit. Oft bekommt man sehr intime Einblicke in sein Gefühlsleben und gerade das macht einen beim Lesen sehr betroffen. Diese menschliche Darstellung seiner selbst hat mich sehr gerührt, an keiner Stelle hat man das Gefühl, Schulman wolle sich inszenieren oder in ein gutes Licht rücken.
Aber der Ton ist nicht nur negativ, die Grundstimmung ist hoffnungsvoll und das Ende lässt einen vielleicht nicht glücklich, aber doch mit einem versöhnlichen Gefühl hinausgehen.
Für Leser*innen seiner Romane könnten auch die erkennbaren Parallelen zu “Die Überlebenden” besonders sein sowie weitere Anekdoten an seinen Großvater Sven Stolpe, den wir bereits aus “Verbrenn all meine Briefe” kennen.
“Vergiss mich” ist eine Biografie, die sich liest wie ein Roman. Sie vermittelt unendlich viel Schmerz, aber noch mehr Liebe, und jongliert mit den glücklichen Erinnerungen an eine Bullerbü-Kindheit und den schrecklichen Abgründen des Alkoholismus. ⭐️4,5/5⭐️