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Veröffentlicht am 09.06.2025

Japanische Stille

Kokoro
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Kokoro ist kein klassischer Ratgeber, es ist eher ein sehr persönliches Tagebuch, das zwischen Trauerverarbeitung, Kulturbegegnung und philosophischer Sinnsuche pendelt. Beth Kempton, Japanologin und Autorin, ...

Kokoro ist kein klassischer Ratgeber, es ist eher ein sehr persönliches Tagebuch, das zwischen Trauerverarbeitung, Kulturbegegnung und philosophischer Sinnsuche pendelt. Beth Kempton, Japanologin und Autorin, begibt sich nach einer persönlichen Krise auf eine Pilgerreise durch Japan und nimmt die Leser mit auf ihren Weg. Dabei stehen nicht To-do-Listen für ein besseres Leben im Vordergrund, sondern Beobachtungen, Begegnungen und Reflexionen, oft leise, manchmal poetisch, manchmal auch etwas ausufernd.

Was das Buch stark macht, sind die atmosphärischen Beschreibungen des ländlichen Japans. Man spürt Kemptons Liebe zur Sprache, zur Landschaft, zur kulturellen Tiefe des Landes. Ihre Kenntnisse über japanische Begriffe, Schriftzeichen und spirituelle Konzepte wie eben „kokoro“ – ein Wort, das sowohl Herz als auch Geist bedeuten kann – eröffnen neue Perspektiven, auch wenn sie nicht immer leicht zugänglich sind.

Inhaltlich kreist vieles um Verlust, Abschied und den Umgang mit dem Tod. Die Autorin spricht offen über ihre Trauer um ihre Mutter und eine enge Freundin und genau darin liegt die emotionale Wucht des Buches. Wer eher praktische Lebenshilfen oder konkrete Alltagstipps erwartet, wird enttäuscht sein. Dafür bietet Kokoro eher einen meditativen Blick auf das Leben und lädt dazu ein, sich auf die eigenen inneren Fragen einzulassen, auch wenn es dafür keine einfachen Antworten gibt.

Allerdings muss man sich auf die ruhige Erzählweise einlassen können. Nicht jedes Kapitel zieht sofort in den Bann, manche Wiederholungen schleichen sich ein. Und wer mit japanischer Kultur bisher wenig Berührung hatte, wird sich stellenweise vielleicht etwas verloren fühlen, nicht nur wegen der vielen Begriffe und Anspielungen, sondern auch wegen des insgesamt sehr introspektiven Tons.

Kokoro ist ein stilles Buch. Kein lautes Lebenshilfe-Versprechen, sondern eine Einladung zur Selbstreflexion, mit all den offenen Enden, die das Leben mit sich bringt. Für einige mag das genau das Richtige sein. Für andere bleibt es vielleicht zu vage.

Veröffentlicht am 11.05.2025

Ein leiser Roman, der wenig erzählt

Perlen
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Siân Hughes’ Perlen beginnt mit einer starken Prämisse: Ein achtjähriges Mädchen wird Zeugin des plötzlichen Verschwindens ihrer Mutter, ein Verlust, der wie ein Echo durch ihr gesamtes weiteres Leben ...

Siân Hughes’ Perlen beginnt mit einer starken Prämisse: Ein achtjähriges Mädchen wird Zeugin des plötzlichen Verschwindens ihrer Mutter, ein Verlust, der wie ein Echo durch ihr gesamtes weiteres Leben hallt. Marianne bleibt mit ihrem kleinen Bruder und dem emotional überforderten Vater zurück. Was folgt, ist eine Erzählung über Erinnerung, Trauer und die Sehnsucht nach Antworten – und doch verliert sich der Roman streckenweise in der eigenen Zartheit.

Hughes schreibt leise, mit Bedacht, fast meditativ – und genau darin liegt sowohl die Stärke als auch die Schwäche des Buchs. Die Sprache ist klar und poetisch, viele Passagen haben eine beinahe lyrische Qualität. Besonders gelungen ist, wie Marianne sich die Welt über Gerüche, Märchen und kleine Details der Vergangenheit erschließt. Dabei funktioniert die Erzählung weniger über Handlung als über Stimmung. Doch diese Entscheidung führt auch dazu, dass der Roman stellenweise fast stehen bleibt. Die Erinnerungsfragmente wirken manchmal repetitiv, der Erzählfluss stockt – und die eigentliche Frage, warum die Mutter gegangen ist, verliert an Schärfe.

Einige der literarischen Bezüge, insbesondere zur mittelalterlichen Dichtung („Pearl“), geben dem Roman Tiefe, aber sie bleiben für viele Leserinnen eher schwer zugänglich. Wer diese Kontexte nicht kennt, wird möglicherweise einige symbolische Ebenen übersehen. Auch Mariannes psychische Entwicklung wird nur angedeutet – ihre Selbstverletzung, das Schwänzen der Schule, ihre Isolation – vieles davon wird beschrieben, ohne dass es wirklich greifbar wird. Als Leser fühlt man sich dadurch manchmal außen vor, als würde man an einer verschlossenen Tür lauschen.

Spannend ist hingegen, wie sich die Erzählung verschiebt, als Marianne selbst Mutter wird. Erst dann beginnt eine zaghafte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Das mag realistisch sein – denn nicht jeder Verlust lässt sich erklären –, aber es hinterlässt auch eine gewisse Unzufriedenheit. Besonders da der Roman sich emotional viel zumutet, aber narrativ eher zurückhaltend bleibt.

Perlen ist ein sensibles, literarisch feinfühliges Debüt, das in seiner Melancholie berührt – aber auch Geduld erfordert. Für Leser, die klare Auflösungen oder eine treibende Handlung erwarten, dürfte der Roman trotz seines zarten Tons eher frustrierend wirken.

Veröffentlicht am 05.05.2025

Jagd nach der Wahrheit

Killer Potential
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Killer Potential beginnt mit einem echten Knalleffekt: Evie, eigentlich nur zum Nachhilfegeben in Beverly Hills unterwegs, stolpert in ein echtes Albtraumszenario – tote Eltern, eine gefesselte Frau im ...

Killer Potential beginnt mit einem echten Knalleffekt: Evie, eigentlich nur zum Nachhilfegeben in Beverly Hills unterwegs, stolpert in ein echtes Albtraumszenario – tote Eltern, eine gefesselte Frau im Haus, Panik, ein Schlag, und plötzlich ist sie nicht mehr bloß Zeugin, sondern mutmaßliche Täterin auf der Flucht. Der Einstieg sitzt: schnell, dramatisch, voller Fragen.

Was als spannungsgeladener Thriller beginnt, entwickelt sich dann aber zunehmend in eine andere Richtung – nämlich zu einem Roadmovie, das mitunter etwas auf der Stelle tritt. Die Flucht dominiert den Mittelteil des Romans, samt gestohlenen Autos, billigen Snacks und zufälligen Begegnungen, während die eigentliche Frage – wer hat die Victors getötet und warum? – eher in den Hintergrund rückt.

Evie, die zu Beginn noch klug, bissig und relativ sympathisch wirkt, verliert zunehmend an Schärfe. Ihre Entscheidungen wirken manchmal schwer nachvollziehbar, ihre Gedanken drehen sich im Kreis. Auch ihre mysteriöse Begleiterin bleibt über weite Strecken eine leere Projektionsfläche. Zwar bekommt sie später mehr Profil, doch das, was man über sie erfährt, bleibt eher durchschnittlich und reiht sich nicht wirklich überzeugend in die Handlung ein.

Was der Geschichte jedoch gelingt, ist die medienkritische Ebene: Wie schnell jemand in der Öffentlichkeit zur Heldin oder zur Monsterfigur gemacht werden kann, wird klug angedeutet. Auch die Frage, wie wir mit Wahrheit und Schuld umgehen – besonders in Zeiten von Social Media – gibt dem Roman eine interessante Dimension, die man sich stärker ausgearbeitet gewünscht hätte.

Am Ende ist Killer Potential ein Buch mit guten Ansätzen, das aber viel von seinem anfänglichen Schwung verliert. Der Thriller ist durchaus unterhaltsam, aber verschenkt zu viel Potenzial, um wirklich lange im Kopf zu bleiben.

Veröffentlicht am 05.05.2025

Astroglanz ohne Substanz

Stars
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„Stars“ von Katja Kullmann beginnt mit einer guten Idee: Carla Mittmann, einst Philosophiestudentin mit großen Plänen, steckt seit Jahren im Kundenservice einer Möbelfirma fest. Nebenbei schreibt sie Horoskope ...

„Stars“ von Katja Kullmann beginnt mit einer guten Idee: Carla Mittmann, einst Philosophiestudentin mit großen Plänen, steckt seit Jahren im Kundenservice einer Möbelfirma fest. Nebenbei schreibt sie Horoskope – ohne echten Glauben daran, eher aus Pragmatismus. Als plötzlich ein Umschlag mit zehntausend Dollar vor ihrer Tür liegt, nutzt sie die Gelegenheit und wagt den Sprung ins Astrobusiness. Was als Flucht beginnt, entwickelt sich zu einem beruflichen Erfolg – doch bald stellt sich die Frage, wer hier eigentlich wen lenkt: Carla die Sterne, oder umgekehrt?

So vielversprechend diese Ausgangslage klingt, so ernüchternd empfand ich die Umsetzung. Der Roman braucht lange, um in Fahrt zu kommen. Über weite Strecken bleibt die Handlung vage, Ereignisse plätschern dahin, zentrale Fragen – etwa nach dem Ursprung des Geldes oder Carlas innerem Wandel – bleiben eher blass. Die titelgebende Astrologie spielt zwar eine Rolle, aber mehr als Kulisse denn als tragendes Thema. Tiefergehende Einblicke, sei es in die Szene oder in Carlas eigene Überzeugungen, habe ich vermisst.

Kullmann schreibt durchaus reflektiert, streut kluge Beobachtungen und gesellschaftliche Bezüge ein. Doch diese Elemente verlieren sich oft in der allgemeinen Orientierungslosigkeit der Hauptfigur. Carla ist eine Frau, die zwischen Resignation und Aufbruch schwankt – ein realistisches Bild vielleicht, aber literarisch nicht sonderlich mitreißend erzählt.

Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass der Roman zu viel andeutet, ohne etwas wirklich auszuerzählen. Es fehlt ein roter Faden, der Carla und die Leser gleichermaßen durch die Geschichte trägt. Wer sich für leise Bücher interessiert, die eher Stimmungen als Handlung transportieren, könnte hier fündig werden. Für mich persönlich blieb „Stars“ jedoch hinter seinem Potenzial zurück – atmosphärisch interessant, aber ohne bleibenden Eindruck.

Veröffentlicht am 14.04.2025

Von Föhr nach Manhattan

Das Licht in den Wellen
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Eine Überfahrt über den Atlantik, zwei Frauen, ein Jahrhundert. In Das Licht in den Wellen erzählt Janne Mommsen die Geschichte von Inge Martensen, die mit fast hundert Jahren ein letztes Mal aufbricht. ...

Eine Überfahrt über den Atlantik, zwei Frauen, ein Jahrhundert. In Das Licht in den Wellen erzählt Janne Mommsen die Geschichte von Inge Martensen, die mit fast hundert Jahren ein letztes Mal aufbricht. Begleitet von ihrer Urenkelin Swantje geht es per Schiff zurück nach New York, dorthin, wo Inges bewegtes Leben einst eine radikale Wendung nahm – und wo vielleicht auch für Swantje ein Neuanfang liegt.

Im Zentrum des Romans steht eine leise, eindringliche Lebensgeschichte: Inge, aufgewachsen als Bauerntochter auf Föhr, emigriert nach einem nicht näher benannten Einschnitt in jungen Jahren in die USA. Aus der Nordseetochter wird in Manhattan eine ambitionierte, humorvolle und kluge Frau, die mit Kartoffelsalat Herzen und Türen öffnet – bis hin zur Bewirtung prominenter Persönlichkeiten. Doch der Weg dorthin ist alles andere als einfach. Mommsen schildert ein Leben zwischen Anpassung und Selbstbestimmung, zwischen Heimweh und Neugier, zwischen Pflichtgefühl und Freiheitsdrang.

Was das Buch besonders macht, ist nicht allein der historische Stoff, sondern die Art, wie er erzählt wird: warm, klar, mit viel Gespür für Zwischentöne. Der Ton ist durchweg gefühlvoll, ohne ins Sentimentale abzurutschen. Dass der Roman sich über mehrere Zeitebenen entfaltet – Vergangenheit und Gegenwart, Erinnerungen und Erzählungen – funktioniert dank der Charaktere ausgesprochen gut. Besonders Inge ist eine Protagonistin, die man nicht mehr vergisst: lebensklug, widersprüchlich, mutig. Auch Swantje, die mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen hat, wird mit Sorgfalt gezeichnet – ihr inneres Ringen um Orientierung wirkt nie aufgesetzt, sondern glaubwürdig und berührend.

Das Licht in den Wellen ist ein Roman über Abschiede und Aufbrüche, über das Weitergeben von Erfahrungen und die Kraft, die aus der eigenen Geschichte erwachsen kann. Ein Buch, das Mut macht – nicht, weil es einfache Lösungen bietet, sondern weil es zeigt, wie viel in einem Leben steckt. Und wie befreiend es sein kann, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen – egal, ob mit 20 oder mit 99.