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Veröffentlicht am 19.09.2019

Mehr Wissenschaft als Mensch

Hawking
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Allgemein:
Stephen Hawking war einer der populärsten Wissenschaftler der Welt. Er beschäftigte sich sein Leben lang mit der theoretischen Physik und versuchte den Fragen des Universums auf den Grund zu ...

Allgemein:
Stephen Hawking war einer der populärsten Wissenschaftler der Welt. Er beschäftigte sich sein Leben lang mit der theoretischen Physik und versuchte den Fragen des Universums auf den Grund zu gehen. Zudem versuchte Hawking sein Wissen so einfach wie möglich weiterzugeben. Sein Bestseller "Eine kurze Geschichte der Zeit" spricht jedenfalls dafür. Nun erschien Hawkings Biographie erstmals als Graphic Novel im Rowohlt-Verlag. Der Autor Jim Ottaviani und der Illustrator Leland Myrick erschufen mit "Hawking" einen anderen Blickwinkel auf den Wissenschaftler.

Mein Bild:
Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich Stephen Hawking bereits als Kind in den Nachrichten sah. Ich fand es verblüffend, wie er Bücher schreiben konnte trotz seines riesigen körperlichen Handicaps. Zudem verstand ich damals nicht wirklich, mit was sich der gute Mann beschäftigte. Vor 2 Jahren sah ich dann den Film "Die Entdeckung der Unendlichkeit". Diese Darstellung von Hawkings Lebensgeschichte traf mich wirklich emotional. Nicht nur er war der Kämpfer, auch alle anderen Menschen, die mit ihm zu tun hatten. Allerdings konnte ich mich nie dazu durchringen, seine Bücher zu lesen.

Zumindest bis dieses gut duftende Hardcover aus dem Rowohlt-Verlag vor mir lag. Das Lesebändchen in die 300 Seiten geklemmt, blätterte ich durch die zahlreichen Panels des Buches, die mit Stephen Hawkings Zustimmung entstanden sind. Ja, richtig, er wusste davon! Leider verstarb er 2018, so dass er die Graphic Novel nie zu Gesicht bekam. Zudem möchte ich betonen, dass sich Autor und Illustrator auch die ein oder andere Freiheit nahmen, um Dinge oder gar Personen zusammenzufassen und Details im Setting eher grobschlächtig zu behandeln (Welche Frau würde vor der Klagemauer ein kurzes schulterfreies Kleid tragen?).

Nichtsdestotrotz führte mich Stephen Hawkings Ich-Perspektive durch die Seiten. Ich glaube, gespürt zu haben, dass ein Teil seines Charakters durch die Worte zu mir rüber schwappten: Sarkasmus, Wortwitz, die Leidenschaft über Teilchen, "Schwarze" Löcher oder das Universum zu philosophieren, aber auch seine kühlere Art, wenn es um private Angelegenheiten ging.

Die Bilder unterstützten meine Einschätzung dahingehend sehr. Hawking lebte mehr in seiner als in der realen Welt. Mimik und Gestik der dargestellten Personen empfand ich als grob und kantig. Für mich zu wenig, um zu den gesprochenen Worten die Gefühle zu erkennen. Auch farblich glichen sich die Bilder oft. Der Illustrator hielt sich an Grundfarben wie grün blau oder rot, lediglich bei historischen Ausschnitten, zum Erklären wissenschaftlicher Theorien, bediente man sich einem "Sepia"-Ton.

Die Handlung selbst orientiert sich stark an der Chronologie des Wissenschaftlers. Geburt, Schulzeit, Studium, wann hatte er welche Ideen, Thesen oder Schriften entwickelt, inklusive vieler Skizzen, Diagramme und Erklärungen, in der Hoffnung, dass ich als Leser das Ganze verstehen würde. Sorry, das hat nicht funktioniert. Für Menschen, die sich für Physik und Astronomie interessieren muss das ein wahrer Schatz sein, für mich war es stellenweise zu langatmig, weil die Wissenschaft immens viel Platz einnahm.

Mir fehlte ein Großteil seines Privatlebens. Dieser Part wurde punktuell abgehandelt ohne viel ins Detail zu gehen. Beispielsweise wurde nicht einmal der genaue Begriff seiner Krankheit genannt. Ebenso ging sein Familienleben unter. Im Endeffekt glaube ich, dass Hawking aber genauso war. Er vernachlässigte sein Privatleben, ließ seiner Krankheit wenig Chancen ihn zu behindern und liebte seine Arbeit. Von dieser Seite betrachtet, ist die Graphic Novel definitiv gelungen. Jedoch vermisste ich persönlich den Menschen Stephen Hawking zu sehr.

Meine Highlights bestanden vor allem daraus, dass man Hawkings Wissensdurst und Leidenschaft oft unterschätzte, so dass sich die Reue darüber erst spät einstellte. Schlussendlich ist es schwierig Stephen Hawkings Leben auf so wenige Seiten zu brennen, keine Frage.

Fazit:
Mal eine etwas andere Biografie über den populären Wissenschaftler Stephen Hawking. Für LeserInnen, die sich gern mit den wissenschaftlichen Aspekten Hawkings kompakter beschäftigen möchten und dabei einen Hauch seines Charakters wahrnehmen wollen.

Veröffentlicht am 15.09.2019

Du bist ein kleiner Teil von über 7 Milliarden Menschen, bist du deshalb weniger wert als der Rest?

Auf der Suche nach dem Kolibri
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Allgemein:
Ava Dellaira wurde mit ihrem Buch "Love Letters to the Dead" bekannt. Ihre Schreibweise wirkt einmalig unter den vielen JugendbuchautorInnen und bleibt damit unvergesslich. Nun erschien im Sommer ...

Allgemein:
Ava Dellaira wurde mit ihrem Buch "Love Letters to the Dead" bekannt. Ihre Schreibweise wirkt einmalig unter den vielen JugendbuchautorInnen und bleibt damit unvergesslich. Nun erschien im Sommer 2019 beim Magellanverlag mit "Auf der Suche nach dem Kolibri" ein weiteres Werk von ihr in Deutschland. Innerhalb der Geschichte lernen wir die 17-jährige Angie kennen, die keinen blassen Schimmer davon hat, was sie mit ihrer Zukunft anfangen soll. Wie auch, wenn sie nur eine Hälfte ihrer Herkunft kennt? Ihr Vater ist vor ihrer Geburt gestorben, doch ihre Mutter hält jegliche Information zu ihm zurück. Warum? Genau das und noch viel mehr will Angie herausfinden. Im Gegenzug dazu darf der Leser in die Vergangenheit von Angies Mutter Marilyn eintauchen und erkennen, dass sie hart für ein Leben abseits des harten Hollywoodklischees gearbeitet hat.

Mein Bild:

Der Gedanke, dass Angie nur ein kleiner Teil von so vielen Menschen ist, beruhigt und fasziniert sie zu gleich, doch dadurch sieht sie sich auch als, ich würde sagen, unwichtig an. Was soll sie schließlich schon bewirken? Zudem stellt sie klar, dass zu jedem lebenden Menschen 15 Verstorbene hinzu kommen. Geister, die Angie umgeben und einer davon ist ihr Dad. Solche Inhalte gleichen Poesie und berühren mich. Trotzdem behaupte ich, dass die Geschichte nie zu gefühlsduselig wird. Dafür drückt der kompakte, personale Schreibstil einfach eine Dringlichkeit aus, die realistischer und je nach Emotion auch nicht bedrückender sein könnte. Ich gebe offen zu, ich musste damit warm werden und mich mit der Geschichte auseinandersetzen wollen.

Der Plot ist facettenreich über zwei Perspektiven erzählt. Zum einen Angies gegenwärtige Sicht, wie sie sich nach Los Angeles aufmacht, um ihre Herkunft näher zu ergründen. Zum anderen aus der Sicht von Angies Mutter, Marilyn, die mit 17 Jahren ein ganz anderes Leben als ihre Tochter führte und dabei Angies Vater James kennenlernte. Es gab wahnsinnig viele Fragen, die sich mir gerade zu Beginn der Geschichte stellten, allem voran: Lebt Angies Dad vielleicht doch noch? Ich kann euch sagen, dass diese Frage mich bis fast zum Schluss quälte und ich, wie Angie, jedem Hoffnungsschimmer entgegenfieberte.

Angie ist ein tiefgründiger Mensch, der nicht nur Angst vor der Zukunft hat, sondern auch den Sturm, der sie innerlich zu zerreißen droht, versteckt. Ihre Hautfarbe ist nicht die ihrer hellhäutigen, blonden Mutter und so wird sie auch öffentlich damit konfrontiert, nicht (immer) dazu zu gehören bzw. dass ihr ein Teil fehlt, der sie komplett macht. Ich wünschte ihr so sehr, dass sie da raus kommt. Denn umso mehr ich sie kennenlernte, umso mehr zeigte sich der Funke Lebensfreude einer ganz normalen Jugendlichen, die behütet und geliebt in einer Kleinstadt großgezogen wurde.

Marilyns Leben war mit 17 ganz anders. Sie wird von ihrer Mutter Sylvie dazu verdonnert, deren nie wahr gewordenen Hollywood-Träume zu leben oder es zumindest zu versuchen. Marilyn ist sehr diszipliniert, aber nur, um ihr Leben bald in die eigene Hand nehmen zu können und nicht als lebendige Requisite zu enden. Das hat mir gefallen, obwohl ich an ihrer Stelle aufgrund diverser Widrigkeiten schon längst aufgegeben hätte. Doch Marilyn kämpft für eine Zukunft mit James, der ihr gehörig den Kopf verdreht und sie darin bestärkt sich nicht alles gefallen zu lassen. Mir war das an mancher Stelle zu viel rosarote Brille. Vor allem, weil James kein leichter Charakter ist, sich anfänglich nicht entscheiden kann und mir sein On-Off-Getue tierisch auf die Nerven ging.

Alltagsrassismus spielt in beiden Handlungssträngen eine Rolle. Jedoch nahm dieser zu Marilyns Zeit mehr Platz ein und das auf erschreckende Art und Weise. Ich habe absolut kein Verständnis dafür, wie man mit so lieben Menschen wie James Familie so schändlich umgehen kann. Die Emotionen luden sich förmlich in mir auf. Ava Dellaira haut damit die Fakten auf den Tisch, ob es weh tut oder nicht. Das ist gut und wichtig! Mir gefiel nur nicht, dass das Thema genutzt wurde, um schrittweise im Drama zu enden. Ich hatte das Gefühl, den Bericht bereits in den Nachrichten zu hören.

Die letzten Seiten des Buches führten beide Protagonistinnen zusammen. Ich war den Tränen nahe, denn beide hatten ihr Päckchen zu tragen, Fehler gemacht, ihre Gefühle eingeschlossen und nie verarbeitet. Es sind keine Wunder geschehen und blieb realitätsnah. Ava Dellaira bewies damit dem Leser gegenüber Fingerspitzengefühl, denn meiner Meinung nach, hätte es nicht anders ausgehen dürfen.

Fazit:
Zwei Jugendliche, zwei Generationen und eine Suche nach sich selbst. Ava Dellairas realitätsnaher Jugendroman beweist mit einer Portion Fingerspitzengefühl, was es ausmacht, wenn sowohl Mutter als auch Tochter wissen, wohin sie gehören.

Veröffentlicht am 08.09.2019

Sei du du selbst, das ist mutig!

Flying High
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Mein Bild:

Der bittere Beigeschmack des Slogans "Sei mutig" kam mit einem bösartigen Cliffhänger im 1. Band. Mir blieb einfach nichts anderes übrig, als auch den 2. Band zu lesen. Gesagt, getan, über ...

Mein Bild:

Der bittere Beigeschmack des Slogans "Sei mutig" kam mit einem bösartigen Cliffhänger im 1. Band. Mir blieb einfach nichts anderes übrig, als auch den 2. Band zu lesen. Gesagt, getan, über 400 Seiten lagen vor mir. Wie bereits bekannt, gibt es hier ebenso eine Triggerwarnung, die man ernst nehmen sollte!
Neben der Playlist zur Story, fiel mir vor allem die Widmung auf: "Für alle, die die Dunkelheit kennen. Ihr seid nicht allein. Ihr seid niemals allein.". So wenige Worte, so viel Bedeutung. Und ich weiß, dass es genug Menschen gibt, denen es schwer fällt, sich genau das immer vor Augen zu halten. Dieses Empfinden sollte mich auf den kommenden Seiten noch regelrecht überrollen.

Doch zunächst war mir vor allem die Auflösung der Cliffhanger-Schlüsselsituation aus "Falling fast" wichtig. Ich fieberte aus Chase Ich-Perspektive einfach nur mit. Natürlich war mir bewusst, dass diese angsteinflößende, bedrohliche Situation positiv aufgelöst werden muss, sonst hätten die nächsten 380 Seiten keinen Sinn, aber wie war die Frage! Wie? Ein wenig überrascht bin ich dann doch gewesen und ein paar Seiten später traf mich die Wahrheit bzw. die Realität erst einmal richtig.

Hailees Verzweiflung, Scham und grenzenlose Traurigkeit ließen mich nicht los. Bianca Iosivoni trifft mit ihren Worten mitten ins Herz. Nicht verschnörkelt, nicht knallhart, aber tiefgründig genug, den Leser ein Verständnis für Hailees Innenleben zu geben. Ich fühlte mich als Nicht-Betroffene teilweise überfordert mit der Situation. Ich hatte wirklich das Bedürfnis helfen zu wollen, wünschte mir sehnlichst einen Hoffnungsschimmer für diese junge Frau.

Am besten konnte ich mich wohl mit Chase und den liebenswerten Nebendarstellern aus Fairwood identifizieren. Die Situation hat sie völlig unvorbereitet getroffen, auch hier kommen Schuldgefühle ins Spiel und eine Hilflosigkeit, bei deren Beschreibung ich nur zustimmen konnte. Allerdings enttäuschte mich Chase ziemlich. Der Mann zum Pferde stehlen, verfiel in alte Muster, flüchtete eingangs förmlich aus der Situation und zog sich damit noch mehr Probleme an Land. Einerseits ja, ich verstehe das. Andererseits bringt es niemanden weiter. Seine Art und Weise erinnerte mich an den männlichen Protagonisten Travis aud "Beautiful Disaster". Ihr merkt, ich bin zwiegespalten.

Ziemlich vorhersehbar waren für mich die zusätzlichen Hürden in Form von familiären, ich nenne es mal banal, Unstimmigkeiten. Es war natürlich schlimmer als das. Ich knirschte teilweise mit den Zähnen, war hin und her gerissen, auf welcher Seite ich stehen sollte. Bianca Iosovoni zeigte allerhand Aspekte auf, die sowohl Hailees als auch Chase Familie bedrückten. Damit gingen für die beiden Protagonisten immer die Fragen einher: Opfere ich mich selbst für die, die mein Leben lang für mich da waren oder zeige ich ihnen wer ich wirklich bin? Bin ich überhaupt mutig genug, zu zeigen, wer ich bin? Beide mussten die Antworten allerdings jeder für sich und getrennt voneinander finden.
Ich liebte die innerlichen Kämpfe, die Schritte, die Beide vorwärts und damit aufeinander zugingen und ich fluchte bei jeden Schritt, denen sie zurückwichen. Die Seiten flogen nur so vorbei, genauso wie Trauer, Verzweiflung, Kampfgeist, Lebenswille, Liebe und dass man nicht nur anderen, sondern eben sich selbst verzeihen muss. Ich bin übrigens froh, dass der 2. Band dem Slogan "Sei mutig" noch einmal einen anderen Touch verpasst hat.

Fazit:

"Flying high" setzt sich mit den bereits im 1. Band angeschnittenen Emotionen und Problemen intensiv auseinander. Ein New Adult -Roman, der die Lovestory nicht in den Mittelpunkt aller Handlungsstränge stellt - vorhersehbar ist und bleibt er aber trotzdem.

Veröffentlicht am 23.08.2019

Was wäre, wenn es keine Frauen mehr gäbe?

Eve of Man (I)
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Allgemein:

"Eve of Man - Die letzte Frau" ist der Beginn einer dystopischen Fantasyreihe des britischen Autorenpaares Giovanna und Tom Fletcher. Der dtv-Verlag übernahm im Sommer 2019 die deutsche Veröffentlichung ...

Allgemein:

"Eve of Man - Die letzte Frau" ist der Beginn einer dystopischen Fantasyreihe des britischen Autorenpaares Giovanna und Tom Fletcher. Der dtv-Verlag übernahm im Sommer 2019 die deutsche Veröffentlichung der Geschichte um die 16-jährige Eve, die den Fortbestand der Menschheit sichern soll. Denn sie ist der erste Mensch weiblichen Geschlechts, der nach 50 Jahren geboren wurde und auch nach ihr folgte keine weitere Geburt eines Mädchen. Schon ihr ganzes Leben bereitet sie sich darauf vor diese Verantwortung zu tragen. Mit der Wahl eines Partners aus 3 Kandidaten soll ein finaler Schritt erfolgen. Doch durch ungeplante Ereignisse begegnet Eve Bram und die Mauern ihrer eigenen Welt bekommt Risse.

Mein Bild:

Als ich der Vorschau zu "Eve of Man" über dem Weg lief, bekam ich eine dezente Gänsehaut. Was wäre, wenn der Mensch durch die ganz simple Tatsache ausstirbt, dass Mutter Natur ihm die Frau wegnimmt? Mir fehlte zum Teil die Vorstellungskraft für so eine Situation, allerdings war mir die Heftigkeit dieser Thematik bewusst. Meine unbändige Neugier auf das Buch und die Hoffnung, dass die Lovestory nicht so viel Platz einnimmt, ließ mich der Buchpost nur so entgegenfiebern.

Der Prolog hatte schon irgendetwas Heldenhaftes, als würde man die Vorgeschichte von Herkules erzählen, bis er begann die Welt von Ungeheuern zu befreien. Das Einzige, was mir gegen den Strich ging, ist die Verwendung der typischen Babyfarben. Denn es gab dann nur noch babyblaue Säuglingsdecken in den Krankenhäusern, weil nur noch Jungen geboren wurden. ich finde es unpassend sich heutzutage in einem Jugendbuch mit diesem Klischee auszudrücken.

Danach werde ich gemächlich Stück für Stück über Eves Ich-Perspektive durch ihren Alltag geführt. Mir gefiel das wahnsinnig gut, wie beispielhaft Beschreibungen erfolgen. Ich meine, wer von uns würde beim Lesen darauf kommen, dass Damenmode so gut wie nicht mehr existiert. Schließlich wird es nicht mehr gebraucht. Es gab viele logische Kleinigkeiten, an die gedacht wurde, dass ich einige kleine "Oh, na klar"- Momente hatte. Dazu mochte ich Eves Charakter von Beginn an. Ihr ist klar, welche Last auf ihren Schultern liegt, doch sie ist in ihrer Art lässig-modern eingestellt, auch an Schlagfertigkeit mangelt es ihr nicht, obwohl sie innerlich oft zweifelt. Jedoch geschieht das alles im Rahmen ihres Wissens und ihrer damit verbundenen Naivität, denn sie wird von der Außenwelt abgeschottet. Für mich als Leserin schrie Eves Leben nach einem in Watte gepackten Elfenbeinturm mit Manipulation ohne Ende, damit sie schön bei der Stange bleibt.

Endgültige Gewissheit darüber bekam über Brams Ich-Perspektive, der sich mit Eves abwechselte. Er stand für die reale (Außen)Welt, die für mich, trotz Vorahnung, überraschend schlimmer gezeigt wurde als gedacht. Ehrlich gesagt, war ich ziemlich erschüttert darüber, welche Ausmaße das Abhandenkommen der Frauen, sowie einige andere ungünstige "Umstände" auslösen können. Mir fehlte allerdings der Ursprung dieser Apokalypse. Es einfach auf Mutter Natur zu schieben ohne ins Detail zu gehen, macht in meinen Augen keinen Sinn, wenn die Folgen so detailliert aufgezeigt werden. Das World Building verdient definitiv eine tiefer gehende Historie.

Brams Perspektive war mir die Liebste von Beiden. Bei ihm geschieht mehr, er ist mutig und kann sich eine komplexe Meinung über Dinge bilden, weil ihm der Zugang zur Wahrheit nicht versperrt bleibt. Zumindest nicht offensichtlich genug versperrt bleibt. Außerdem kennt er Eve besser als ich zunächst annahm und das bescherte mir einen der ersten richtig großen Überraschungsmomente.

Über einige Twists innerhalb des Plots steigt das Erzähltempo drastisch an. Ich merkte sofort, dass das gemütliche Leben im Elfenbeinturm zu wackeln begann. Mit jedem Kapitel gingen Eve und Bram einen Schritt weiter aus ihrer Komfortzone heraus. Freiheit, Selbstbestimmung, Wahrheit und Rebellion sind die passenden Stichwörter. Ich feuerte Beide innerlich an und hoffte inständig, dass sie zusammenfinden mögen!

Abgesehen vom modernen, apokalyptischen Worldbuiding bleibt mir vor allem Eves moralischer Konflikt in Erinnerung. Für mich als selbstbestimmte Frau ist die Vorstellung, von anderen als Spielball der Menschheit benutzt zu werden, absolut widerwärtig. Doch Eve ist für mich authentisch, weil sie es nicht anders kennt und dadurch über den ein oder anderen Zweifel hinwegsah. Die Frage ist doch: Denke ich an mich selbst und lebe mein Leben oder opfere ich mich für die Menschheit? Abschließend sei gesagt, dass sie, für mich, die richtige Entscheidung fällt, auch wenn dieser Band der Geschichte mit einem doch vorhersehbaren Cliffhanger endet.

Fazit:

"Eve of Man - Die letzte Frau"besticht durch eine außergewöhnliche moralische Thematik im Fantasyformat. Ein Roman, der gemächlich beginnt und zum Schluss mit nervenaufreibenden Tempo an Fahrt aufnimmt.

Veröffentlicht am 13.08.2019

Stur & rotzig ins Survivalcamp

Acht Wochen Wüste
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Allgemein:

Der Magellanverlag veröffentlichte im Sommer 2019 einen Jugendroman der amerikanischen Autorin Gwendolin van Draanen. Die Autorin ist keine Unbekannte - ihre Bücher wurden unter anderem mit ...

Allgemein:

Der Magellanverlag veröffentlichte im Sommer 2019 einen Jugendroman der amerikanischen Autorin Gwendolin van Draanen. Die Autorin ist keine Unbekannte - ihre Bücher wurden unter anderem mit dem Edgar Allan Poe Award ausgezeichnet. In "Acht Wochen Wüste" (englischer Titel "Wild Bird") wird die 14-jährige Wren eines nachts aus dem Schlaf gerissen und wortwörtlich entführt. Schnell ist klar, das ist kein Spaß, denn ihre Eltern schicken sie in eine Art Survivalcamp mitten in der Wüste von Utah. Wren versteht die Welt nicht mehr. Was kann sie dafür, dass ihre Familie nicht mehr mit ihr klar kommt? Dreck, Hitze, eine Plane zum Zelten, ein Loch als Toilette, Wren ist in einem wahren Alptraum gelandet und muss sich nun mit ihrer Vergangenheit und den damit verbundenen Gefühlen auseinander setzen.

Mein Bild:

(Bevor ich beginne, möchte ich mitteilen, dass ich mir unklar darüber bin, ob man dem Buch nicht lieber eine Triggerwarnung geben sollte, da Themen wie Drogenmissbrauch, körperlicher Missbrauch und Suizid angeschnitten werden. Allerdings bin ich kein Sensitivity-Reader, das sei angemerkt.)

Schon bei der Vorschau zum Buch fiel mir eine TV-Dokumentation ein, die ich gesehen hatte. Aufsässige Jugendliche, die in ein Bootcamp gebracht werden, in der Hoffnung, dass sie über alle Widrigkeiten hinaus zur Vernunft kommen. Mir sind solche schonungslosen Camps nur aus Amerika bekannt. Doch wie lässt sich so eine Situation gelungen in einem Buch umsetzen? Ich war sowas von gespannt.

Über 330 Seiten rosarotes Hardcover sollten mir die Frage beantworten. Ich finde das rauhe Papiermaterial des Covers übrigens genial, es passt thematisch perfekt dazu. Nur die Farbe rosa. Weil die Protagonistin ein Mädchen ist oder wie? Ein schönes Wüstengelb ist doch auch eine Variante.

Die ersten Seiten begannen ziemlich dramatisch. Die 14-Jährige Wren wird mitten in der Nacht aus dem Bett geholt. Aus ihrer noch halb zugedröhnten Ich-Perspektive heraus, nahm ich genug Einzelheiten wahr, um zu sehen, dass diese Familie nicht glücklich ist. So viel zum Einstieg. Jede Situation ist wirklich auf den Punkt beschrieben, dass ich mich wunderbar (wenn auch manchmal ungewollt) in die komplette Geschichte hineinversetzen konnte. Ich war Wren: Rotzig, pampig, rebellisch. Ich habe mir eine Mauer gebaut und verletzte jeden. Bis ich "verschleppt" werde und die Welt zusammenbricht.

Deswegen verstand ich Wren, verurteilte sie nicht, obwohl sie für mich ein unsympathisches Kaliber war. Aber jede Widrigkeit nervt, alles tut weh, das Leben im Camp ist die absolute Hölle und das wortwörtlich. Zudem erfuhr ich anhand ihrer Erinnerungen, was die Ursache für ihre Wut und damit ihres Verhalten war. An sich ist es, meines Erachtens, eine typische Ausgangssituation, die ihr Leben durcheinander gebracht hat. Nichts Neues, daher bin ich dankbar dafür, dass das Buch nicht damit begonnen hat, sondern lediglich Zwischenabschnitte eingefügt wurden, um Wrens steinigen Weg kennenzulernen.

Wendelin van Draanen hat einwandfrei recherchiert und wenn ich die Danksagung richtig verstanden habe, dann hat sie sogar mit Beteiligten aus einem Camp gesprochen. Ich spürte beim Lesen tatsächlich die Hitze, den Durst, das Gefühl keine Privatsphäre zu haben und doch einsam zu sein. Abgewechselt von den schönen Dingen, die einem nur die Natur und der eigene Wille liefern kann: Das Erkennen des sternenklaren Himmels, Feuer selbst entfachen, über seinen Schatten zu springen, wie widerwärtig es auch sein mag.

Von Kapitel zu Kapitel erarbeitet sich Wren eine Erkenntnis nach der anderen, sieht in sich hinein und lässt die Mauer bröckeln. Das ist sogar an Wrens Ich-Perspektive erkennbar: Am Anfang noch lückenhaft und hart wird die Erzählung später weicher und tiefgreifender. Wer es als Autor/Autorin schafft, den Schreibstil so geschmeidig in eine andere Ebene zu führen, hat es wirklich drauf.

Neben Wren existieren natürlich weitere Protagonisten im Camp. Ich konnte mir jeden supergut vorstellen, egal ob Wren die Person zeitweise mit bösartigen Worten beschrieb oder nicht. Die Betreuer, die Therapeutin, Wrens Leidensgenossinnen (die Kojoten-Gruppe), selbst der "Sträfling", der aus seinen Fehlern nicht lernen wollte, ich kaufte ihnen alles ab. Das Leben hat sie geformt, nicht die Autorin, zumindest kam es mir so vor.

Das Ende, das ich mir für Wren und alle Nebendarsteller gewünscht habe, ließ mich ein Tränchen weinen (oder auch zwei).

Fazit:

Für alle, die mit Wren den steinigen Wüstenweg gehen wollen. Ein gnadenloses Abenteuer, dass der Protagonistin aufgezwungen wird, um sich selbst zu finden. Authentisch, realistisch und hautnah. Ein Jugendbuch, das sich der Gegenwart bewusst ist.