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Veröffentlicht am 17.04.2023

Nie wieder Diktatur!

Morgen und für immer
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Ein beeindruckendes Buch. Ein wenig Menschlichkeit im gnadenlosen Krieg: Ein alter Mann und sein Enkel nehmen einen deutschen Deserteur bei sich auf, helfen sich gegenseitig. Der deutsche Soldat hilft ...

Ein beeindruckendes Buch. Ein wenig Menschlichkeit im gnadenlosen Krieg: Ein alter Mann und sein Enkel nehmen einen deutschen Deserteur bei sich auf, helfen sich gegenseitig. Der deutsche Soldat hilft im Haus und Hof mit, bringt dem jungen Kajan Klavierspielen bei und die deutsche Sprache. Kajan seinerseits lehrt Cornelius das Albanische. Und dann kommt das Kriegsende. Cornelius wird von albanischen Partisanen abgeführt, er soll heim nach Dresden. Kajans Eltern kehren zurück aus dem Krieg, Selie, seine Mutter besteigt einen bedeutungsvollen Posten in Tirana, Kajan wird ein berühmter Klavierspieler in Albanien.
Inzwischen hat die Diktatur der albanischen kommunistischen Partei alles im festen und tödlichen Würgegriff. Wer nur ansatzweise anders denkt, wird sofort verhaftet, Alles wird sofort politisch gedeutet. Wenn man sich harmlos mit Freunden trifft, ist das eine “illegale Gründung reaktionärer Zellen” und “Verbreitung von gefährlichem Propagandamaterial”(S. 109). Der Terror geht noch weiter. Angehörige von “Landesverrätern”, Flüchtlingen, auch von missglückten Fluchtversuchen müssen ins Straflager oder ins Gefängnis. Das albanische Regime steht dem Nordkoreanischen in nichts nach. Um die Linientreue zu beweisen, werden Menschen zu Verrätern am eigenen Fleisch und Blut, opfern sie und denunzieren sie der Polizei, ohne sie anzuhören, ohne ihnen die geringste Chance einer Erklärung zu bieten.
Das Leben in Tirana und in Ost-Berlin verlaufen auf fast identischen Schienen. Alles erscheint grau, unfreundlich, gefährlich. Die Menschen blicken immer nur zu Boden, gehen mit gebeugten Schultern und gesenkten Köpfen. Angst ist allgegenwärtig, die Stasi ist in Ostberlin genauso effizient wie der Inlandsgeheimdienst in Tirana.
Der schlichte geradlinige Stil, die klaren Bilder, die vom schweren und einfachen Leben in den albanischen Bergen bezeugen, die Szenen in Ostberlin, in Westberlin und in den Vereinigten Staaten, alles ist Teil dieses beeindruckenden Buches. Unerwartete Wiedersehen, totgeglaubte Menschen, das Wiederfinden der großen Liebe, zuerst in den USA, dann in Albanien, alles fügt sich harmonisch wie in einem wunderbaren Klavierkonzert zusammen. Der Epilog ist der Schlussakkord, der die letzten Fäden die noch offen geblieben waren, verbindet, das Schicksal der Haupt- und Nebengestalten des Buches klärt und uns aufatmen lässt. Die stille Hoffnung keimt auf, mögen die heute noch bestehenden Diktaturen in Europa und in der Welt auch zu Ende gehen, ob friedlich, wie in der ehemaligen Tschechoslowakei, Ungarn oder der DDR, oder blutig, wie in Rumänien, Hauptsache sie gehen zu Ende und kehren nie, nie wieder.

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Veröffentlicht am 31.03.2023

Frieden ohne Angst

Waraka
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Das Buch fasziniert vom ersten Satz an. Dieser Fantasy braucht den Vergleich mit Harry Potter, Die Bestimmung, oder die Tribute von Panem nicht zu scheuen. Lebensechte Dialoge machen das Lesen angenehm. ...

Das Buch fasziniert vom ersten Satz an. Dieser Fantasy braucht den Vergleich mit Harry Potter, Die Bestimmung, oder die Tribute von Panem nicht zu scheuen. Lebensechte Dialoge machen das Lesen angenehm. Die nachvollziehbaren Gedankengänge und logischen Handlungen des Prinzen lassen ihn liebenswert erscheinen. Er hat das Zeug zum wahren Helden. Und wie ein wahrer Held entschließt er sich aus dem goldenen Käfig auszubrechen, sich nicht den Befehlen Skarfs zu beugen und den Smilo zu retten, anstatt ihn zu töten. Prinz Arkyn rettet auch dem fremden Mädchen Saga das Leben. Zu dritt machen sie sich nun auf, die Berge zu erforschen, Arkyns Vater zu finden und die Menschen von Waraka von der Knechtschaft Skarfs und der Großen Schlange zu befreien. Kein leichtes Unterfangen. Interessant ist, wie Arkyn an diese riesige Aufgabe rangeht. Er will keine Menschen oder Tiere töten, er verlässt sich auf die Überzeugungskraft der Worte. Er kann mit Tieren kommunizieren und Menschen von der Richtigkeit seiner Gedanken überzeugen. So kann er schließlich den Sieg davontragen und Skarf als Betrüger entlarven.
Der verhätschelte Prinz aus dem goldenen Käfig wird zum wahren Anführer und das Bindeglied zwischen den Menschen und den uralten Tierwesen von Waraka. Das offene Ende des Buches, mit dem ankommenden Schiff aus Sagas Heimat lässt auf eine Fortsetzung hoffen.
Das Buch ist in der Gegenwartsform geschrieben, im Hier und Jetzt. Als es mir bewusst geworden ist, war ich schon mitten im Geschehen im tiefen Wald. Goldfarb hat diese Erzählweise gewählt, um der Handlung mehr Präsenz zu geben, dem Leser mehr das Gefühl zu geben, “in echt” dabei zu sein. Kluger Schachzug. Im allgemeinen werden solche Bücher im Präteritum - der Legendenzeit erzählt. Aber vielleicht wollte der Autor auch auf die Aktualität seines Fantasy hinweisen: wenn die Konflikte auch noch so unüberwindbar erscheinen, der Krieg imminent oder schon ausgebrochen ist, man kann immer noch das Leben ehren und retten, mit Verhandlungen und verbalen Argumenten Frieden stiften, eine Botschaft die ankommt.
Das Titelbild ist faszinierend. Die große Säbelzahnkatze die über die zwei verschlungenen Hände wacht, die dunklen Farben, die Wikingerschiffe im Hintergrund alles ist darauf ausgerichtet, das Interesse der jungen Leserschaft zu wecken. Und nach der Lektüre kann man die einzelnen Motive auf dem Cover auch genauer deuten.

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Veröffentlicht am 31.03.2023

Die Nacht - das unbekannte Universum

Lebendige Nacht
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Das Titelbild ist wunderschön und spannend zugleich. Der lebhafte Schreibstil und die anschaulichen Beschreibungen machen richtig Spaß und wecken die Lesefreude. Ich kenne übrigens tatsächlich fünf Tag-Schmetterlinge ...

Das Titelbild ist wunderschön und spannend zugleich. Der lebhafte Schreibstil und die anschaulichen Beschreibungen machen richtig Spaß und wecken die Lesefreude. Ich kenne übrigens tatsächlich fünf Tag-Schmetterlinge und einen Nacht-Falter. Test also halbwegs bestanden.
Sophia Kimmig stellt uns die Nacht in all ihren Facetten und Betrachtungsmöglichkeiten vor. Die Tiere und Pflanzen, die die Nacht zu ihrer Domäne erklärt haben, nehmen darin den Großteil des Buches ein. Aber auch wie sich unsere Betrachtungsweise der Nacht im Laufe der Zeit entwickelt hat, wird eingehend dargestellt. Dichtung und Literatur, Malerei, Gesetzgebung, Philosophie und soziales nocturnes Leben: “So eröffnet die zweite Hälfte des Tages dem Menschen einen Raum dafür, im Schutze der Nacht die Vielfalt des Menschseins wertungsfrei auszuleben” (S. 166)
Auch das Thema, wie wir Menschen die Nacht zerstören und viele Tiere dadurch in Gefahr bringen, kommt zur Sprache: die Papageientaucher Islands die wegen der nächtlichen Beleuchtung in den Ortschaften den Weg zum Meer nicht finden. Genauso ergeht es frisch geschlüpften Schildkröten, die von der exzessiven Straßenbeleuchtung abgelenkt werden. Das Insektensterben wird durch die Beleuchtung noch beschleunigt und verstärkt. Zug- und Stadtvögel, Fledermäuse, Frösche und Kröten, Bäume, die in der Nähe von Laternen stehen, “Egal ob innere Uhren, saisonale Rhythmen, Orientierung, mondgetriebenes Verhalten… Licht zur falschen Zeit stört das empfindliche Räderwerk der Natur” (S. 205)
Die treffenden Beschreibungen und Definitionen, die die Autorin verwendet, sind humorvoll und einprägsam. “Im dreidimensionalen Raum unterwegs, jeder Nahrung gegenüber offen, schlau und neugierig, mit Super-Tastsinn und der Fähigkeit zum Lösen von Problemen im Gepäck - der Waschbär ist das Schweizer Taschenmesser unter den Stadtwildtieren” (S. 187)
Die Bilder im Buch sind der Hit! Ob es die Eule die einen schräg anblickt ist, der Waschbär der uns aus der Baumhöhle angähnt, der kleine Bilch der einen Baum hochklettert, der anmutige Nachtfalter, oder die Fledermaus im vollen Anflug, die Bilder sind bezaubernd.

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Veröffentlicht am 28.03.2023

Ein opulentes Bild der italienischen Renaissance

Florentia - Im Glanz der Medici
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Die italienische Renaissance tut sich in diesem Buch vor unseren Augen auf, mit all ihrer Pracht und Glanz aber auch mit ihren Schattenseiten; Komplotten, Morden, Ränken und Intrigen. Die Mächtigen der ...

Die italienische Renaissance tut sich in diesem Buch vor unseren Augen auf, mit all ihrer Pracht und Glanz aber auch mit ihren Schattenseiten; Komplotten, Morden, Ränken und Intrigen. Die Mächtigen der Zeit (ok, auch heute) überließen nichts dem Zufall, von einem Turnier bis zu einer politisch arrangierten Ehe und wechselnden strategischen Bündnissen zwischen den italienischen Stadtstaaten. Florenz steht zu Recht im Zentrum des Buches. Zu keiner Zeit waren da so viele und herausragende Künstler versammelt. Noah Martin hat zu Anfang seines Buches eine Liste mit den handelnden Personen gestellt. Das liest sich wie ein “Who is Who” der Malerei und Bildhauerei der Rinascita: Verrocchio, Leonardo da Vinci, Sandro Botticelli, Filippino Lippi, Ghirlandaio. Aber auch die politischen Größen der Zeit sind im Roman vertreten: Lorenzo de Medici, il Magnifico, sein Bruder und Unterstützer, Giuliano, der von Gicht geplagte Vater Piero, Francesco della Rovere Papst Sixtus IV, die Bankiere und zeitweise Rivalen der Medici Jacopo und Francesco Pazzi, der Herzog von Mailand Galeazzo Maria Sforza, der Herzog von Urbino Federico de Montefeltro, Cristoforo Moro, der Doge von Venedig, usw usf.
Die mehr oder weniger offen ausgelebten Rivalitäten und Fehden zwischen den großen Familien in Florenz, wie am Beispiel der Pazzi gegen die Medici zu sehen ist, zeigen eigentlich im Kleinen wie es um die Bündnisse und Rivalitäten zwischen den italienischen Stadtstaaten steht: Wechselnde Bündnisse zwischen Florenz, Mailand, Venedig, Neapel und Vatikan in Rom und dazwischen das Schicksal kleinerer Städte, wie Volterra, Pisa, Urbino, die ständig um ihre Unabhängigkeit fürchten müssen. Söldnerheere ziehen durch die Länder, brandschatzen und plündern alles im Weg, weil oft das Plündern ihre einzige Bezahlung ist, Nein, in Italien des 15. und 16. Jahrhunderts war es nicht leicht zu leben. Und doch hat diese Zeit eine unglaubliche Blüte der Malerei und Bildhauerei hervorgebracht
Noah Martin gelingt es, diese großartige und grausame Zeit zugleich vor unseren Augen auferstehen zu lassen. Die Kapitel zeigen zu Anfang an, zu welcher genauen Zeit die Handlung spielt und wer der Hauptakteur in dem Kapitel ist. Der Prolog wirkt zunächst verstörend, löst ein Unbehagen aus, um sich aber dann später im Roman in all seiner Grausamkeit und Perfidie zu offenbaren. Das Buch selber möchte ich mit einem Strom vergleichen. Breit und gewaltig fließt der Strom der Handlung, ergreift alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen, die in diesem Strom leben und mitschwimmen, um dann zum absoluten Höhepunkt (Stromschnellen und Wasserfall) in der Verschwörung und Mord der Pazzi Familie zu kommen. Danach fließen Strom und Leben weiter in gewohnter Weise, Bündnisse werden bekräftigt, indem Florenz seine bedeutendsten Maler nach Rom und Mailand sozusagen als Botschafter des Friedens entsendet. Leonardo da Vinci soll in Mailand als Bildhauer arbeiten, Sandro Botticelli wird in Rom seine Malerei im Dienst des Papstes stellen. Ein guter Abschluss für einen Roman, der zugleich das Kontinuum des Lebens zeigt.

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Veröffentlicht am 20.03.2023

Wunderschöner historischer Roman

Das Haus an der Herengracht
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Amsterdam in längst vergangener Zeit, und doch, some things never change. Damals wie
heute gab und gibt es Probleme wegen der Rassenzugehörigkeit. Und "gemischtes Blut"
kann ein Makel sein, wenn man sich ...

Amsterdam in längst vergangener Zeit, und doch, some things never change. Damals wie
heute gab und gibt es Probleme wegen der Rassenzugehörigkeit. Und "gemischtes Blut"
kann ein Makel sein, wenn man sich in der Gesellschaft behaupten will.
Jessie Burton lässt das alte Amsterdam des achtzehnten Jahrhunderts vor unseren Augen
wieder auferstehen. Die Straßen und Gassen, die herrschaftlichen Häuser, die üppigen
Damenkleider aus deren Stoff geschickte Schneiderinnen heutzutage zwei oder drei Kleider
nähen könnten. Und doch ist nicht alles Gold, was glänzt. In manchen Anwesen ist Meister
Schmalhans der Koch, Möbel und Teppiche mussten verkauft werden, in den
repräsentativen Räumen, die zur Straße hin lagen wurde an manchen Abenden nur
Kerzenlicht gezeigt, um den Nachbarn zu zeigen, “wir nutzen alle Räume, wir sind nicht so
arm, wie ihr glaubt”. Auch im Haus der Familie Brandt ist es so weit gekommen. Die
ehemals herrschaftlichen Tage des Reichtums sind vorbei, Die Familie muss an allen Ecken
und Enden sparen. Da würde eine reiche Heirat der achtzehnjährigen Tochter Thea die
Familie vor dem sicheren Ruin retten. Um Theas Hautfarbe und Geburt aber gibt es ein
Geheimnis, so dass eine reiche Heirat nicht sicher ist. Und doch, ein Anwärter wäre auch bei
der Hand. Jakob van Loos hat es aber mehr auf das zentral gelegene Anwesen der Familie
abgesehen, denn auf Theas Hand. Das Mädchen selbst liebt Walter, den Kulissenmaler des
Amsterdamer Theaters.
Arme Thea, Die große Liebesenttäuschung bleibt ihr nicht erspart. Aber sie will auch nicht
Jakob heiraten. Und so findet sie eine Lösung, die auch ihr Vater und Tante und sogar das
alte Kindermädchen akzeptieren können. Das ist wohl die einzige Möglichkeit, ein ehrliches
Leben zu führen, ohne sich zu verkaufen, ohne seinen eigenen Wert zu mindern. Die
Familie kehrt Amsterdam mit all seinem Klatsch und Tratsch, heimlichen Augen, Lügnern,
Betrügern und Erpressern den Rücken. Amsterdam ist ja nur eine Stadt im beginnenden 18.
Jahrhundert, aber die Menschen lassen die Stadt nicht richtig liebenswert erscheinen.
Peter Knecht, der Übersetzer des Werkes, hat höchstes Lob verdient. Er ist diesem nicht
immer leichten Werk gerecht geworden.

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