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Veröffentlicht am 23.02.2019

Zeitreise ins politische Bonn der 70er Jahre

Rheinblick
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November 1972 – Bundeshauptstadt Bonn. Willy Brandt hat mit seiner SPD gerade bei den vorgezogenen Bundestagswahlen ein Wahlergebnis von 46% erreicht und steht nun vor schwierigen Koalitionsverhandlungen. ...

November 1972 – Bundeshauptstadt Bonn. Willy Brandt hat mit seiner SPD gerade bei den vorgezogenen Bundestagswahlen ein Wahlergebnis von 46% erreicht und steht nun vor schwierigen Koalitionsverhandlungen. Doch diese kann Brandt erst einmal nicht persönlich bestreiten, denn er muss sich direkt im Anschluss an die Wahl im Krankenhaus einer Stimmbandoperation unterziehen, die ihn dazu zwingt, für einige Zeit keinen Ton von sich zu geben, was seinen Rivalen natürlich Tür und Tor öffnet. Die junge Logopädin Sonja Engel hilft Brandt durch den Heilungsprozess, so dass er bald stimmlich wieder auf der Höhe ist und darf den berühmten Politiker nicht nur hautnah von seiner privaten Seite erleben, sondern kann auch einiges von den politischen Machtspielchen mitverfolgen. Währenddessen leitet die verwitwete und von Geldsorgen geplagte Hilde Kessel das „Rheinblick“, eine Kneipe, in der sich die politische Elite, kleinere Akteure, die Angestellten der Politbüros sowie die normale Bevölkerung die Klinke in die Hand geben und bei einem Essen oder einem Kartenspiel so manche internen Informationen fallen lassen. Auf diesem Wege erfährt Hilde auch von den Intrigen, die hinter Brandts Rücken geschmiedet werden. Wird sie die Informationen für sich behalten?
Brigitte Glaser hat mit ihrem Buch „Rheinblick“ einen absolut würdigen Nachfolger für ihr Werk „Bühlerhöhe“ vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen, unterschwellig immer mit einer gewissen atmosphärischen Schwingung versehen, fesselt das Buch ab der ersten Seite. Die Autorin versteht es hervorragend, den Leser in die jüngste deutsche Vergangenheit zu ziehen und hautnah den Politzirkus mit seinem Machtgehabe und seinen Intrigen und geheimen Abmachungen mitzuverfolgen. Die Autorin lässt unter Verwendung von historisch belegten Persönlichkeiten und sehr guter Hintergrundrecherche den Leser auch den damaligen Zeitgeist sowie die gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse kennenlernen, wo Frauen noch immer für die Ehe, den Haushalt und die Familie zuständig waren und es noch galt, dass die Erlaubnis des Ehemanns vorliegen musste, damit eine Frau arbeiten durfte. Gleichzeitig galten die 70er Jahre als das Jahrzehnt des Aufbruchs, wo viele Studenten auf die Straße gingen, um für ihre Ansichten zu kämpfen. Wunderbar fließend verknüpft Glaser Realität mit Fiktion und macht die erzählte Geschichte zu einem echten Erlebnis, das die Erinnerung an die damaligen Ereignisse wieder ins Gedächtnis ruft. Obwohl die Handlung schon spannend genug ist, setzt Glaser noch einen zusätzlichen Höhepunkt durch einen ungeklärten Mordfall, der einige Verwicklungen nach sich zieht.
Die Charaktere sind sehr gut geschliffen und detailliert in Szene gesetzt. Individuelle Eigenschaften gepaart mit der guten Beobachtungsgabe der Autorin lassen sie durchweg sehr realitätsgetreu und authentisch wirken. Der Leser darf sich unsichtbar zwischen ihnen bewegen und ihnen über die Schulter schauen. Brandt ist ein schwieriger Patient, nimmt keine Rücksicht auf sich selbst, sondern ist mit Haut und Haar bei den Koalitionsverhandlungen. Dabei kennt er keine Schonung, waswas seiner Gesundheit nicht gerade zuträglich ist. Krankenschwester Sonja fällt die besondere Aufgabe zu, sich um Brandt zu kümmern. Doch Sonja ist mit ihren Gedanken bei ihrer jüngeren Schwester, die spurlos verschwunden ist. Ihre familiären Verhältnisse sind nicht gerade rosig zu nennen. Hilde ist bereits Witwe und muss sich mit dem frisch-renovierten Rheinblick irgendwie durchbringen, auch wenn die Schulden ihr die Luft abschnüren. Sie gilt als verschwiegen und integer, doch weiß Hilde selbst am besten, dass dem nicht so ist. Max verdient sich seinen Lebensunterhalt als Taxifahrer, dabei ist er Student und lebt mit Sonja in einer WG. Er flirtet gerne und ist ein netter Kerl. Die Journalistin Lotti ist für kurze Zeit ebenfalls Mitglied in der WG. Sie hat den Auftrag für eine Bonner Reportage, doch der Mord lässt sie in andere Richtungen forschen. Auch die weiteren Protagonisten stützen die komplexe Handlung und machen sie rundum sehr gelungen.
„Rheinblick“ ist nicht nur ein wahnsinnig spannender und atmosphärischer Roman, sondern eine tolle Zeitreise in die jüngste deutsche Vergangenheit, wo der Aufbruch seinen Anfang nahm. Absolute Leseempfehlung für ein Highlight dieses Jahres - Chapeau!

Veröffentlicht am 23.02.2019

Für den Glauben in die Zukunft die Vergangenheit überwinden

Das kleine Hotel an der Küste
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Die Unternehmensberaterin Andrea Sullivan ist ein regelrechtes Arbeitstier und nichts kann sie davon ablenken. Der Auftrag, den Sternekoch James MacDonald für die Eröffnung eines kleinen Familienhotels ...

Die Unternehmensberaterin Andrea Sullivan ist ein regelrechtes Arbeitstier und nichts kann sie davon ablenken. Der Auftrag, den Sternekoch James MacDonald für die Eröffnung eines kleinen Familienhotels beratend zur Seite zu stehen, führt Andrea von New York auf die schottische Insel Skye. Nicht nur die malerische Insellandschaft lässt Andreas Herz bald höher schlagen und sich wohlfühlen, sondern auch James und seine Familie tragen auf eine besondere Art dazu bei. Das gefällt der professionellen Andrea gar nicht, was sie in Abwehrhaltung zu James gehen lässt. Hat sie in ihrer Vergangenheit doch schon so einige Schläge erlebt. Doch Skye und ganz speziell James sind bei der Eroberung von Andrea recht hartnäckig…
Carla Laureano hat mit ihrem Buch „Das kleine Hotel an der Küste“ einen sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt, der schon mit einem wunderbar flüssigen, gefühlvollen und teils humorigen Schreibstil punkten kann. Der Leser wird regelrecht in die Geschichte hineingesaugt und an Andreas Seite gestellt, wo er mit ihr nicht nur die zauberhafte schottische Insel Skye kennenlernen, sondern auch in Andreas Herz- und Gedankenwelt eintauchen darf. Mit Feingefühl entblättert sie nach und nach die Schicksalsschläge, die Andrea in ihrer Vergangenheit erleben musste und bei ihr einige Narben hinterlassen haben, auch James musste schon so einiges durchstehen, was das zwischenmenschliche Verhalten der Protagonisten so auch verständlicher macht. Die Autorin lässt den Leser nebenbei nicht nur an der malerischen Landschaft teilhaben, sondern beschreibt sehr interessant schottische Rituale und lässt auch so manche Köstlichkeiten vor dem inneren Auge des Lesers vorbeiziehen.
Christliche Werte sind innerhalb dieser Geschichte sehr behutsam eingeflochten und lassen vor allem die Gespräche zwischen Andrea und James ernsthaft wirken. Ihre jeweilige Einstellung zum Glauben wird hier ebenso offenbart wie ihre Zweifel und ihre Hoffnungen, was auch dem Leser Anregung zum Nachdenken über das eigene Leben bietet.
Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgestaltet und mit individuellen Ecken und Kanten versehen, die sie glaubhaft und authentisch wirken lassen. Der Leser kann sich gut in sie hineinversetzen, mit ihnen fiebern, leiden und hoffen. Andrea ist eine eisenharte Geschäftsfrau, die ihr Ding durchzieht und sich von nichts und niemandem ablenken lässt. Sie wirkt oftmals eher spröde, doch das soll eher über ihre Unsicherheit und Verletzlichkeit hinwegtäuschen, möchte sie doch so wenig Angriffsfläche wie möglich bieten. Sie hat aufgrund von einigen Verletzungen in der Vergangenheit ihren Glauben fast verloren und traut niemandem mehr über den Weg, am wenigsten sich selbst. James ist ein gutaussehender Mann, der beruflich wie Andrea schon einiges erreicht hat. Auch er hatte so einige Schattenseiten in seiner Vergangenheit, die ihn eher zu einem selbstgefälligen und oberflächlichen Mann haben werden lassen, der sich nur innerhalb seiner Familie geben kann, wie er von Natur aus ist. James stützt sich auf seinen Glauben und findet in ihm Kraft und Hoffnung. Ian steht in einem Konkurrenzkampf zu seinem Bruder James. Auch weitere Protagonisten wie Serena, Tante Muriel oder Emmy beleben die Handlung zusätzlich mit ihrem Erscheinen.
„Das kleine Hotel an der Küste“ ist ein tiefgründiger Roman über die Liebe, den Glauben, die Hoffnung und vor allem das Vertrauen in sich selbst vor einer malerischen schottischen Inselkulisse. Ein richtiges Wohlfühlbuch, das gleichzeitig Stoff zum Nachdenken gibt. Auf jeden Fall eine verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 23.02.2019

Mittelmäßiger Generationenroman

Das Haus an der Bucht
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Die knapp 30-jährige Lucy Kincaid möchte dem letzten Wunsch ihrer Mutter Beth entsprechen und deren Urne zur Bestattung nach Cape Hudson, Virginia, bringen. Allerdings erwartet Lucy noch eine echte Überraschung, ...

Die knapp 30-jährige Lucy Kincaid möchte dem letzten Wunsch ihrer Mutter Beth entsprechen und deren Urne zur Bestattung nach Cape Hudson, Virginia, bringen. Allerdings erwartet Lucy noch eine echte Überraschung, denn sie ist als Erbin für ein altes Herrenhaus eingesetzt, deren Besitzerin Catherine Buchanan sie niemals begegnet ist geschweige denn gekannt hat. Wer war diese Frau, die ihr einfach so ein Haus vererbt? Lucy möchte unbedingt herausfinden, was es damit auf sich hat, doch dabei hat sie nicht viel Ruhe, denn schon bald taucht ein Unbekannter auf, der ihr das Erbe streitig machen will. Aber Lucy gibt sich nicht so schnell geschlagen und kämpft mit allen Mittel für das inzwischen liebgewonnene Haus und auch für die Geheimnisse, die es zu ergründen gilt…´
Mary Ellen Taylor hat mit ihrem Buch „Das Haus an der Bucht“ einen sehr unterhaltsamen und gleichsam gefühlvollen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, der Leser kann schnell in die Geschichte eintauchen und sich mit Lucy auf eine abenteuerliche Reise begeben, die ihr Leben grundlegend verändern wird. Die Handlung erstreckt sich über mehrere Zeitebenen, bei einer erhält der Leser Einblick in die Gegenwart um Lucy im Jahr 2018, die anderen behandeln die Zeit von 1904 bis 1917 und das Jahr 1988. Durch die Perspektivwechsel wird nicht nur der Spannungsbogen immer auf gleichbleibendem Niveau gehalten, sondern der Leser entblättert nach und nach einem Puzzle gleich die versteckten Geheimnisse, wobei durch die etwas langatmige und detailverliebte Erzählweise der Autorin einige Verwirrung gestiftet wird und manchmal auch etwas Langeweile aufkommt, obwohl mit kriminalistischen Elementen gespielt wird. Etwas gestraffter wäre die Geschichte um einiges spannender gewesen. Beim Finale der Geschichte werden leider auch nicht alle Fäden miteinander verknüpft, so dass man als Leser nicht ganz befriedigt mit der Handlung ist. Auch die Beschreibung der Örtlichkeiten kommt etwas zu kurz, was bedauerlich ist, da der Handlungsort in Wirklichkeit so malerisch und farbenfroh ist. Hier hätte etwas mehr Recherche gut getan.
Die Charaktere sind ganz nett ausgearbeitet und in Szene gesetzt worden. Ihre Ecken und Kanten wirken realitätsgetreu und authentisch, wodurch die Geschichte recht glaubhaft wirkt und dem Leser gestattet, sich in die Protagonisten hineinzuversetzen, aber wirklich nah kommen sie ihm nicht. Lucy ist eine unternehmungslustige Frau, die mit ihrem eigenen Kopf durch die Welt geht. Sie ist freundlich, offen und auch sehr neugierig, weshalb sie sich der Sympathie des Lesers gewiss sein kann. Beth und auch Catherine sind zwei Frauen, deren Geschichte innerhalb der Handlung nicht unerheblich ist, aber sie können den Leser leider nicht so berühren, wie es sein sollte. Hund Dolly ist der wahre Lichtblick in diesem Roman, aber das ist leider etwas zu wenig.
„Das Haus an der Bucht“ ist ein unterhaltsamer Roman über die Vergangenheit, alte Geheimnisse und die Liebe. Leider nur Mittelmaß im Vergleich zu anderen Büchern dieses Genres.

Veröffentlicht am 23.02.2019

Kleiner Lückenfüller

Der kleine Inselladen
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Jette arbeitet als Sterneköchin bei einem Nobelitaliener in München, als ihr Freund Robert mitteilt, dass er von seiner Bank befördert und nach Montecarlo versetzt wird. Aber er wird ohne Jette gehen, ...

Jette arbeitet als Sterneköchin bei einem Nobelitaliener in München, als ihr Freund Robert mitteilt, dass er von seiner Bank befördert und nach Montecarlo versetzt wird. Aber er wird ohne Jette gehen, aus ihrer Beziehung ist die Luft raus. Jette hat sich von dieser Ankündigung noch nicht ganz erholt, als ihre Mutter aus Hamburg anruft, um ihr zu berichten, dass Oma Tilde gestürzt ist und sich das Bein gebrochen hat. Jette fährt kurzentschlossen auf die Insel Spiekeroog, um nach dem Rechten zu sehen, hat sie doch als Kind all ihre Sommer bei Oma Tilde verbracht. Der alte Inselladen und das Wohnhaus von Oma sind völlig heruntergekommen, und Kunden kommen ebenfalls nicht mehr, nur alte Freunde und Nachbarn schauen ab und an vorbei. Hier ist eine Menge Arbeit nötig, um den Laden wieder zum Laufen zu bringen. Dann läuft Jette auch noch ihr alter Jugendfreund Benno über den Weg, in den sie mal so verliebt war und der sie einfach hat hängen lassen. Doch er geht ihr nicht aus dem Kopf. Allerdings gibt es da auch noch diesen attraktiven Christof aus Hamburg, der gerade zu Gast auf der Insel ist und Jette den Kopf verdreht. Wird es Jette gelingen, den Laden wieder flott zu kriegen und sich für einen der Männer zu entscheiden?
Fenna Janssen hat mit ihrem Buch „Der kleine Inselladen“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der vor allem den besonderen Zusammenhalt der Inselgemeinschaft heraushebt. Der Schreibstil ist locker-flüssig und als Leser ist man sofort an Jettes Seite, um sie von München auf die Insel Spiekeroog zu begleiten. Das Buch ist in drei Abschnitte mit jeweils 7 Kapiteln unterteilt. Während der Lektüre hat der Leser oft den Eindruck, als wären es drei Folgebände, weil einiges wiederholt wird. Die Handlung selbst plätschert eher vor sich hin als wirklich spannend zu sein. Der Beschreibung der Örtlichkeiten fehlt es leider auch an dem gewissen Flair, für einen Inselroman gibt es viel zu wenig Meeresbrise, Strand und Dünen. Die Inselgemeinschaft dagegen lebt von Klatsch und Tratsch, aber auch vom Zusammengehörigkeitsgefühl und dem aufeinander Achtgeben, was hier gut herausgearbeitet wurde. Der Verlag wäre gut beraten, sich noch einmal der vielen Rechtschreibfehler anzunehmen, die sich innerhalb der 288 Seiten versteckt haben.
Die Charaktere sind individuell ausgestaltet, wirken aber durchweg meist blass und unscheinbar. Der Leser steht eher außen vor als mittendrin, eine richtige Beziehung zu ihnen baut sich nicht auf. Jette ist mit ihren Ende Zwanzig oftmals noch sehr begriffsstutzig und naiv. Sie ist zwar hilfsbereit und freundlich, aber meist wirkt sie hilflos und ungeordnet. Benno ist ein Seebär, der schon seit seiner Kindheit in Jette verliebt ist. Er hilft, wo er kann und wird doch immer wieder vor den Kopf gestoßen. Tilde ist eine Inselpflanze, wortkarg und immer in Abwehrhaltung. Birthe dagegen ist der Lichtblick in dem Roman, denn sie ist patent und liebenswürdig. Christof ist ein attraktiver Mann, der so seine Geheimnisse hat. Auch die anderen Protagonisten wie Harry oder Kerstin lassen die Handlung bunt wirken.
„Der kleine Inselladen“ ist ein Unterhaltungsroman für zwischendurch – mehr leider nicht.

Veröffentlicht am 17.02.2019

Die Prater-Schneekugel

Die Fliedertochter
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2018. Weil Antonia, eine ältere Dame, gesundheitlich nicht mehr so auf der Höhe ist, bittet sie ihre junge Freundin, die 30-jährige Paulina Willke, ihr einen großen Gefallen zu tun. Paulina soll für sie ...

2018. Weil Antonia, eine ältere Dame, gesundheitlich nicht mehr so auf der Höhe ist, bittet sie ihre junge Freundin, die 30-jährige Paulina Willke, ihr einen großen Gefallen zu tun. Paulina soll für sie nach Wien reisen und dort für sie eine ungeklärte Erbschaftsangelegenheit zu regeln. Da Paulinas Beziehung momentan nicht so gut läuft, macht sie sich mit ihrem alten Talisman, einer Schneekugel von 1936 mit dem Prater Riesenrad, auf den Weg in die österreichische Metropole, wo sie von der Familie Brunner aufgenommen wird. Von ihnen bekommt sie ein altes Tagebuch ausgehändigt, was sich als Tonis Erbstück herausstellt. Durch das Tagebuch lernt Paulina die Geschichte der jungen Soubrette Luzie kennen, die 1936 nach Wien auf der Flucht vor den Nazis nach Wien kam…
Teresa Simon hat mit ihrem Buch „Die Fliedertochter“ ihren vierten Roman vorgelegt, der alle anderen regelrecht überstrahlt! Die Geschichte mit historischen Hintergrund besitzt einen so leichten, dabei einnehmenden, gefühlvollen und anrührenden Erzählstil, dem der Leser sich gar nicht erwehren kann und in der wunderbaren Handlung sogleich versinkt, um mal an der Seite von Paulina in der Gegenwart zu wandeln, mal an der Seite von Luzie die harten Jahre von 1936 bis 1944 während der Nazischreckensherrschaft kennenzulernen. Durch die wechselnden Perspektiven wird nicht nur die Spannung gesteigert, sondern gibt dem Leser bei der Rückkehr in die Gegenwart auch immer wieder eine Verschnaufpause von dem sehr berührenden Vergangenheitspart. Die von der Autorin geschickt in die Handlung eingepflegten Tagebucheinträge bekommt die Geschichte etwas so Greifbares und Authentisches, dass der Leser das gesamte Gefühlsbarometer von Luzie während der damaligen Zeit hautnah miterlebt und –fühlt. Durch die sehr gute und akribische Hintergrundrecherche der Autorin wirkt die gesamte Geschichte durchweg sehr biografisch und real, gerade das geht mitten ins Herz und lässt einen lange nicht mehr los. Daneben versteckt sie Geheimnisse in ihrer Handlung und lässt den Leser mit den Protagonisten auf die Suche gehen, um diese zu entschlüsseln und den Kreis zu schließen. Ebenso wunderbar gestaltet sie mit farbenfrohen und detaillierten Bildern die Streifzüge durch Wien, der Leser fühlt sich gleich gut aufgehoben und hat die wunderbare Stadt mit ihren charmanten Straßenzügen und alten Gebäuden sofort vor Augen.
Die Charaktere sind so mit Leben erfüllt, dass sie dem Leser regelrecht vor Augen stehen. Sie wirken so natürlich, menschlich und individuell, schon nach kurzer Zeit hat man das Gefühl, sie schon so ewig zu kennen und wie alte Freunde liebgewonnen zu haben. Paulina ist eine sympathische junge Frau, die die Reise ihres Lebens erleben wird. Sie ist neugierig, aufgeschlossen und besitzt Empathie und Mitgefühl. Luzie Stern allerdings leuchtet über allen, denn sie ist so eine tolle Protagonistin, die man einfach lieben muss. Sie hat ihren eigenen Kopf, ist unkonventionell und behält immer ihre Hoffnung, die sie weiter durchs Leben trägt und sie stark und mutig wirken lässt. Ihr unverbrüchlicher Glaube rührt an des Lesers Seele und fast beneidet man sie um diese Gabe. Ebenso können Charaktere wie Bela oder auch Paulinas Mutter Simone überzeugen.
„Die Fliedertochter“ ist ein hinreißend erzählter Roman mit zauberhaft eingefügtem historischem Hintergrund, der das Herz berührt, Geheimnisse offenlegt und die Liebe sprechen lässt. Ein Buch, das mehr hält, als es verspricht. Absolute Leseempfehlung für ein Kleinod, wie man es gar nicht besser hinkriegen kann - Chapeau!