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Veröffentlicht am 14.02.2024

Verschwunden

Höllenkalt
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„Höllenkalt“ ist der Auftakt der Island-Krimi-Trilogie von Lilja Sigurdardóttir, spannend und mit ausgeprägter Island-Atmosphäre.

Worum geht es?
Áróra Jónsdóttir lebt in London und ist Ermittlerin im ...

„Höllenkalt“ ist der Auftakt der Island-Krimi-Trilogie von Lilja Sigurdardóttir, spannend und mit ausgeprägter Island-Atmosphäre.

Worum geht es?
Áróra Jónsdóttir lebt in London und ist Ermittlerin im Bereich Wirtschaftskriminalität. Als ihre in Island lebende Schwester Ísafold sich seit Wochen nicht mehr gemeldet hat, reist Áróra auf Drängen der Mutter nach Reykjavik, um nach ihr zu sehen. Tatsächlich ist Ísafold spurlos verschwunden. Áróra befragt Nachbarn und Ísafolds brutalen Freund Björn und ihre schlimmste Befürchtung wird immer realistischer: Ísafold muss Opfer eines Verbrechens geworden sein.

Das Cover sticht ins Auge. Es ist modern gestaltet, der kräftige Blauton dominiert die schemenhafte Küstenlandschaft; zudem vermittelt die Farbe Blau auch Kälte – passend zum Titel. Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel „Helköld sòl“ (= kalte Sonne), die deutsche Fassung wurde aus dem Isländischen von Betty Wahl übersetzt und erschien 2023. Die Handlung spielt in der Gegenwart in Reykjavik und umfasst einen Zeitraum von etwas über zwei Wochen. Die Kapitel sind kurz, teils mit Zeitangaben versehen. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Die ganz eigene isländische Atmosphäre ist wunderbar getroffen – die Ausstrahlung und das Treiben in der Hauptstadt, das landschaftliche Umfeld, wie die weiten moosbewachsenen Lavafelder mit den Erdspalten, Kulinarisches, selbst die Affinität der Bevölkerung zu Trollen und Elfen ist erwähnt, all dies unterstrichen durch isländische Ausdrücke. Meine Reiseeindrücke bzw. Erinnerungen an Islands landschaftliche und kulturelle Besonderheiten wurden wieder lebendig.

Man ist von der ersten Seite an mitten im Geschehen, weiß von Beginn an, dass Ísafold ermordet wurde. Das ist jedoch der einzige Wissensvorsprung gegenüber Áróra und dem Polizeibeamten Daniel, der sie bei der Suche nach ihrer Schwester unterstützt. Allen Vermutungen zum Trotz tappt man bis zuletzt im Dunkeln, wie sich alles zugetragen hat. Parallel zu den Befragungen von Nachbarn, Ísafolds Freund und dessen Familie sowie anderen mit ihr in Verbindung gestandenen Menschen ermittelt Áróra quasi in einem zweiten Handlungsstrang in einem Fall der Wirtschaftskriminaliät. Die stetigen Szenenwechsel zwischen Áróras Recherchen und den Einblicken in den Alltag von Ísafolds Nachbarn, gestalten die Handlung abwechslungsreich und halten die Spannung am Köcheln – bis zuletzt nach unerwarteten Wendungen sich – für die Leserschaft – alles klärt. Nicht jedoch für Áróra, denn die Leiche ist und bleibt verschwunden. So schließt das Buch mit den Worten: „Solange sie nicht wusste, wo ihre Schwester war, konnte sie nicht von hier weg. Sie konnte Ísafold nicht verlassen.“

Die Charaktere sind sehr eingehend und anschaulich beschrieben. Die zwei Schwestern, Töchter einer Engländerin und eines Isländers, sind unterschiedlich von deren Genen geprägt, sowohl äußerlich als auch charakterlich. Durch eingeschobene Passagen, wo Áróra gedanklich Erlebnisse mit ihrer Schwester, von Kindheit bis zur Gegenwart, Revue passieren lässt, lernt man die beiden sehr gut kennen. Die zarte, willensschwache Ísafold zog es nach Island und die robuste, bodenständige Áróra lebt lieber in England. Obwohl die beiden nicht immer harmonisierten, so sieht sich doch Áróra stets als die Stärkere, als diejenige, die ihre zwar ältere, aber nicht so lebenstaugliche Schwester beschützen muss. Das Verschwinden und schließlich die Gewissheit des Todes der Schwester trifft sie hart. Trotz ihrer familiären Sorgen verfolgt sie mit Vehemenz ihre Recherchen, als sie finanziellen kriminellen Machenschaften auf die Spur kommt. Ihr Beruf ist ihr Lebenselixier. Áróra ist eine interessante Persönlichkeit mit Ecken und Kanten, intelligent, emotional, schwierig, generell sympathisch. Abgesehen von Áróra bevölkern den Roman etliche skurrile, nicht alltägliche Figuren, stets sehr gut vorstellbar beschrieben, mit ihren Eigenarten, ihren Geheimnissen und ungewöhnlichen Lebensumständen.

Obwohl es relativ wenig prickelnde Spannungsmomente in diesem Krimi gibt und so gut wie keine Action, hat mich das Buch dennoch gefesselt. Es trieb mich von Kapitel zu Kapitel weiter und weiter bis zum faszinierenden Ausklang, einer Lösung, die ich nicht erwartet hatte. Nun bin ich unheimlich gespannt, wie es mit Áróra im nächsten Band weitergeht.

Für den gelungenen Auftakt gibt es von mir 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 12.02.2024

Wechselhaftes Familienglück

Das Haus am Deich – Unruhige Wasser
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„Das Haus am Deich – Unruhige Wasser“ ist der zweite Band der Trilogie von Regine Kölpin, die das Leben von zwei Freundinnen schildert, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben wurden ...

„Das Haus am Deich – Unruhige Wasser“ ist der zweite Band der Trilogie von Regine Kölpin, die das Leben von zwei Freundinnen schildert, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben wurden und sich ein neues Leben aufbauen müssen.

Worum geht es?
Frida, mittlerweile mit einem Unternehmer verheiratet, genießt zwar nun einen gewissen Wohlstand, doch es ist keine glückliche Ehe. Auch Erna hat Fuß gefasst, arbeitet in einem Modegeschäft und verdient recht gut. Trotzdem wird ihr noch immer das Erziehungsrecht für ihre Tochter verwehrt. Wirklich unbeschwerte Stunden verleben die Freundinnen nur im Haus am Deich.

Das Cover hat dadurch, dass es ein ähnliches Motiv zeigt wie Band 1, einen guten Wiedererkennungswert. Im Mittelpunkt stehen wiederum die zwei Frauen, im Hintergrund ist das idyllisch gelegene, nunmehr schmucke Häuschen zu sehen. Das Buch erschien 2021. Die Handlung umfasst (mit einigen Zeitsprüngen) in etwa den Zeitraum von 1951 bis 1957. Das vorhandene Personenverzeichnis ist vor allem für Quereinsteiger eine große Hilfe, um den Personenkreis rasch zu überblicken. Für mich war es, da ich den Band unmittelbar nach dem vorigen lesen konnte, ein Leichtes mich zurechtzufinden. Ich denke aber, dass man der Geschichte auch ohne Kenntnis des Vorgängerbandes problemlos folgen kann. Dennoch würde ich wärmstens empfehlen, mit Band 1 zu beginnen; denn die Kriegs- und Fluchterlebnisse haben die Charaktere maßgeblich geprägt. Man versteht die Menschen besser, wenn man diese Details weiß.

Der Schreibstil ist locker und liest sich flüssig. Der wirtschaftliche Aufschwung, das Gesellschaftsbild, insbesondere die noch sehr eingeschränkten Rechte der Frauen werden anschaulich geschildert. Auch Lokalkolorit ist gut spürbar im Hinblick auf Landschaftsbeschreibungen und Dialekt.

Vorwiegend wird aus der Perspektive von Frida und Erna erzählt, die sich in all den Krisensituationen, in die sie geraten, aufeinander verlassen können, immer füreinander da sind. Den gesamten Gefühlscocktail - ihre Probleme, Ängste, Zweifel, Glücksmomente und Erfolge erlebt man hautnah mit. Nicht nur die beiden Frauen, auch die Männer in ihrem Umfeld sind facettenreich, emotional und lebendig beschrieben, die sympathischen ebenso wie diejenigen, die den beiden Protagonistinnen das Leben vergällen.

Die Handlung, ein stetiger Wechsel von Höhen und Tiefen, dramatischen Szenen und hoffnungsvollen Wendungen, ist abwechslungsreich, frei von Längen. Nicht nur Krimis kann man als spannend empfinden, auch einen Familienroman, wobei ich denke, dass sich primär Frauen für diese Reihe begeistern werden.

Auch „Das Haus am Deich – Unruhige Wasser“ habe ich mit großer Lesefreude genossen. Ich vergebe 5 Sterne und spreche wieder eine unbedingte Leseempfehlung aus!

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Veröffentlicht am 06.02.2024

Eine zweite Chance für wahre Liebe

Du, ich und das glitzernde Meer
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„Du, ich und das glitzernde Meer“ von Lotto Römer ist ein berührender Roman, in dem mehr steckt als eine Lovestory und Urlaubsfeeling.

Worum geht es?
Nele ist Single, wünscht sich aber sehnlichst ein ...

„Du, ich und das glitzernde Meer“ von Lotto Römer ist ein berührender Roman, in dem mehr steckt als eine Lovestory und Urlaubsfeeling.

Worum geht es?
Nele ist Single, wünscht sich aber sehnlichst ein Kind. Kurz nach der künstlichen Befruchtung reist sie mit ihrem Bruder Marco nach Rhodos, wo sie Rio kennenlernt und romantische Stunden mit ihm verbringt. Was als Urlaubsflirt beginnt, erzeugt immer tiefere Gefühle bei beiden. Doch fürs erste bleibt Rio auf Rhodos und die schwangere Nele kehrt nach Deutschland zurück …

Das sonnendurchflutete Cover mit Sandstrand und Meer, im Mittelpunkt ein Liebespärchen, zieht nicht nur Blicke an, sondern vermittelt richtig Lust zu verreisen – wenn schon nicht live, so wenigstens in der Fantasie. Das Buch erschien 2024. Die Handlung spielt in der Gegenwart, teils auf Rhodos, teils in Deutschland. Der Schreibstil ist nicht nur flüssig, sondern besticht u.a. dadurch, dass die Autorin sehr gelungen Stimmungen einfängt. Ob Urlaubsatmosphäre, buntes Treiben am Strand, Altstadtbummel, romantische Liebesstunden oder Winterflair beim Weihnachtsmarkt, man fühlt sich unweigerlich mit dabei.

Die Liebesgeschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Nele und von Rio erzählt. Dadurch lernt man die beiden Protagonisten einerseits sehr gut kennen, ihre Gedanken, ihre Glücksmomente sowie die Zweifel und Ängste. Beide sind nicht mehr ganz jung, bittere Erfahrungen liegen hinter ihnen, die sie geprägt haben; Rio trauert um seine verstorbene Frau, Nele leidet unter der konservativen Einstellung ihrer Mutter, die Neles Entschluss, alleinstehende Mutter zu sein, nicht gutheißt. Dadurch, dass einige Themen aufgegriffen werden, wie die Problematik von künstlicher Befruchtung, Homosexualität (die ja nach wie vor nicht von jedermann akzeptiert wird) entsteht – einfühlsam und doch leicht dargebracht - eine gewisse emotionale Tiefe. Mir waren Nele, Marco und Rio von Beginn an sehr sympathisch. Nele und Rio sind ein liebenswertes Paar, dem ich von ganzem Herzen ein Happy-End wünschte, aber dafür mussten sie erst selbst mit sich ins Reine kommen, sich weiterentwickeln, einige Missverständnisse mussten geklärt und Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, bevor sie endgültig zueinander fanden. Nicht nur die Hauptfiguren, auch die anderen Personen sind gut vorstellbar und lebendig dargestellt.

Der Roman hat mir sehr gut gefallen. Die Geschichte hat mir Wohlfühl-Lesestunden geschenkt, Urlaubserinnerungen an Rhodos geweckt und in mir Sehnsucht nach Sonne, Strand und Meer entfacht. Wer gerne Geschichten voll Romantik und Urlaubsflair liest, wird dieses Buch lieben so wie ich.

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Veröffentlicht am 02.02.2024

Leichen im Schnee

Letztes Zuckerl
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„Letztes Zuckerl“ von Herbert Dutzler ist bereits der 11. Band dieser Altaussee-Krimireihe mit dem Dorfpolizisten Franz Gasperlmaier.

Worum geht es?
Turbulente Zeiten im Hause Gasperlmaier, großes Familientreffen ...

„Letztes Zuckerl“ von Herbert Dutzler ist bereits der 11. Band dieser Altaussee-Krimireihe mit dem Dorfpolizisten Franz Gasperlmaier.

Worum geht es?
Turbulente Zeiten im Hause Gasperlmaier, großes Familientreffen zu Weihnachten. Doch viel Zeit bleibt ihm nicht, um Kinder und Enkel zu genießen. Ein Unfall mit Todesfolge, Frauenhasser und Morde erschüttern das idyllische Altaussee und beschäftigen Gasperlmaier mehr als ihm lieb ist.

Das Cover - ein buntes Zuckerlhäufchen vor zuckerlrosa Hintergrund - fast schon ein wenig zu kitschig für das Genre Kriminalroman, aber es sticht ins Auge. Das Buch erschien 2024. Die Handlung spielt in der Gegenwart. Der Schreibstil ist flüssig und locker und bildhaft. Im Kopfkino entstehen wunderbare Bilder von schneebedeckten Straßen und Pisten, sowie Sehnsucht nach den Winterfreuden, wie Rodeln oder Skifahren. Es steckt natürlich auch viel Lokalkolorit in der Geschichte, Brauchtum, Kulinarisches, Dialekt und urige Typen in Tracht. Auch als Quereinsteigerin – es war mein erster Gasperlmaier-Krimi – hatte ich keinerlei Problem, in die Story hineinzukommen und überblickte auch den Personenkreis relativ rasch.

Die Mordermittlung steht im Mittelpunkt der Handlung, ist aber gut dosiert mit Szenen aus Gaspelmaiers Familienleben verwoben. Durch diese Mixtur entsteht ein angenehmes Wohlfühlklima – trotz der Morde und anderer krimineller und sogar gefährlicher Aktionen. Zudem köchelt die Spannung kontinuierlich. Denn die Mordfälle geben massenhaft Rätsel auf. Nichts scheint zusammenzupassen. Immer neue Verdächtige tauchen auf, neue Theorien, neue Informationen. Doch stets ist entweder kein Motiv erkennbar oder ein Alibi vorhanden. Etliche Spuren führen in die Irre. Man kann hervorragend miträtseln, tappt jedoch bis zuletzt im Dunkeln, bis sich die Lage zuspitzt und sich nach einem dramatischen Showdown alles klärt.

Bevölkert wird der Krimi von durchwegs sympathischen Menschen, die gut vorstellbar beschrieben sind und authentisch und lebendig wirken - angefangen von Gasperlmaier selber, und seiner liebenswerten Familie, deren Mitglieder auch so einige Eigenheiten und Ecken und Kanten aufweisen, über seine Kolleginnen Dr. Kohlross und Manuela Reitmair-Peschke, die mit ihm zusammen ein effizientes Team bilden, und diverse nachbarlichen Freunde, bis zu den Tatverdächtigen und anderen Nebenfiguren.

„Letztes Zuckerl“ ist ein typischer Regionalkrimi, mit einem gemütlichen Protagonisten, der mir sofort sympathisch war, im Mittelpunkt, eher unblutigen Taten und stimmigem Lokalkolorit. Der Fall war komplex, spannend und gut aufgebaut. Mir hat mein erster Gasperlmaier-Krimi sehr gefallen, es wird sicher nicht bei dem einen bleiben. Gerne empfehle ich das Buch weiter und vergebe 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 31.01.2024

Wahre Freundschaft

Das Haus am Deich – Fremde Ufer
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„Das Haus am Deich – Fremde Ufer“ ist der erste Band der Trilogie von Regine Kölpin, die das Leben von zwei Freundinnen schildert, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben wurden und ...

„Das Haus am Deich – Fremde Ufer“ ist der erste Band der Trilogie von Regine Kölpin, die das Leben von zwei Freundinnen schildert, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben wurden und sich ein neues Leben aufbauen müssen.

Worum geht es?
Frida und Erna, obwohl aus verschiedenen Gesellschaftsschichten stammend, verbindet seit vielen Jahren eine tiefe Freundschaft. Sie wuchsen in Stettin auf, besuchten das Konservatorium; die hochbegabte Frida hatte das Ziel, Pianistin zu werden. Doch 1945 mussten beide Familien vor den Russen fliehen, sich in Norddeutschland eine neue Existenz aufbauen. Während Erna in einer Villa in der Stadt wohnt, da ihr Vater, ein Rechtsanwalt, nach wie vor über Beziehungen noch aus der Nazi-Zeit verfügt, kommen Frida und ihre Eltern notdürftig auf einem Bauernhof unter. Nicht nur Heimweh plagt die beiden jungen Frauen, aber was auch immer passiert – sie sind stets für einander da.

Das ansprechende Cover verdeutlicht, dass zwei Frauen im Mittelpunkt stehen und vermittelt gleichzeitig einen Eindruck von der Landschaft Norddeutschlands. Das Buch erschien 2021. Die Handlung umfasst den Zeitraum von 1947 bis 1950. Positiv sei angemerkt, dass ein Personenverzeichnis vorhanden ist. Ich hätte mir zur besseren örtlichen Orientierung allerdings auch eine Landkarte gewünscht.

Der Schreibstil ist locker und liest sich flüssig. Die Autorin beschreibt sehr anschaulich sowohl die historischen Zustände, als auch die regionale Atmosphäre: die wortkargen Menschen, die weite, flache Landschaft, die Dünen und Deiche, das Meer und darüber hinweg tobende Stürme. Das Lokalkolorit unterstreicht auch der gut dosiert eingesetzte dortige Dialekt.

Vorwiegend wird aus der Perspektive von Frida und Erna erzählt, in Rückblenden sind Kriegserlebnisse der Familie eingeflochten, traumatische Szenen, die die Menschen stark beeinflusst haben. Die hochtalentierte, feinfühlige, aus einfachen Verhältnissen stammende Frieda und die verwöhnte, scheinbar oberflächliche und lebenslustige Erna wirken auf den ersten Blick total verschieden, dennoch verbindet die beiden eine tiefe Freundschaft. Nicht nur die beiden, sämtliche Charaktere sind facettenreich und lebendig beschrieben, die herzensguten ebenso wie die egoistischen und herrischen Figuren, alle mit Ecken und Kanten und mit Emotionen.

Die Handlung ist abwechslungsreich, von Spannungsmomenten durchzogen. Für mich flogen die Seiten nur so dahin. Ich bin relativ rasch in die Geschichte versunken, habe vor allem Frida ins Herz geschlossen. Die Erlebnisse während des Krieges und der Flucht machen betroffen, sind erschütternd und berührend. Wie die Menschen das Leid ertrugen und die Kraft aufbrachten weiter zu machen - da ist man dankbar, das nicht erlebt haben zu müssen. Die Handlung ist vielschichtig. Basierend auf dem persönlichen Schicksal der beiden Familien erhält man ein umfassendes Bild der damaligen Lebensumstände: vom harten bäuerlichen Dasein, von der Ablehnung bzw. begrenzten Duldung der Vertriebenen, vom nach wie vor bestehende Netzwerk der ehemaligen Nazis, von der Stellung der Frauen und von deren eingeschränkten Rechten.

„Das Haus am Deich – Fremde Ufer“ hat mich begeistert. Ich vergebe 5 Sterne und spreche eine unbedingte Leseempfehlung aus!


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