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Veröffentlicht am 03.07.2019

Neuanfang in der Toskana

Das Licht der Toskana
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Bei der Besichtigung einer Seniorenresidenz in North Carolina lernen sie sich zufällig kennen, die drei älteren Damen Camille, Susan und Julia, deren Männer schon verstorben oder zu einer anderen Frau ...

Bei der Besichtigung einer Seniorenresidenz in North Carolina lernen sie sich zufällig kennen, die drei älteren Damen Camille, Susan und Julia, deren Männer schon verstorben oder zu einer anderen Frau abgewandert sind. Ihr Leben scheint bereits vorbei zu sein, bis sie den Entschluss fassen, gemeinsam für ein Jahr die Villa Assunta in der Toskana zu mieten. Ihre Ankunft dort in San Rocco wird von Kit Raine, einer amerikanischen Schriftstellerin die die Nachbarvilla bewohnt, beobachtet. Sie ist es auch, die die drei zuerst einlädt, mit ihnen Freundschaft schließt und sie mit den einheimischen Sitten und Gebräuchen vertraut macht. Bald fühlen sie sich in der neuen Heimat wohl und entdecken ihre längst in Vergessenheit geratenen Fähigkeiten und Begabungen wieder, die im Alltag in den USA verloren gingen. Auch andere, seit langem unterdrückte Bedürfnisse erwachen erneut und bald genießen die Damen ihr neues Leben in vollen Zügen. Aber auch für Kit hält das Leben noch einige Überraschungen bereit …

Frances Mayes, geb. 1940 in Fitzgerald/Georgia, ist eine in den USA bekannte und beliebte Autorin, deren Werke bereits auf der New York Times Bestsellerliste erschienen sind und auch verfilmt wurden. Sie ist ferner bekannt als „Food-and-Travel Writer“ und wurde 2002 als bester amerikanischer Reiseschriftsteller ausgezeichnet. Mayes ist Professor of Creative Writing an der San Francisco State University, verheiratet mit dem amerikanischen Dichter Edward Kleinschmidt Mayes und lebt heute abwechselnd in North Carolina und in der Toskana.

Liest man die Biografie der Autorin so ist anzunehmen, dass zumindest Teile dieses Romans auf ihren eigenen Erfahrungen beruhen. Auch sie hat während eines Toskana-Urlaubs dort eine Villa gekauft, diese restaurieren lassen und zu ihrem neuen Wohnsitz gemacht, allerdings schon in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Daher rührt wohl auch das überzogene Flair einer heilen Welt, der schöne Schein intakter Infrastruktur und die übertriebene Großzügigkeit und Freundlichkeit der Einheimischen, die dem Leser hier vermittelt werden soll. Keine Rede von überalterter Bevölkerung und verfallenden Häusern, von Armut und Kampf ums tägliche Leben. Nein, alles ist eitel Sonnenschein! Da gibt es, neben der herrlichen Landschaft ein überreichliches Angebot an ausgezeichneten Restaurants, verschwiegenen kleinen Bars und Cafés, und nicht zu vergessen die unzähligen üppigen Märkte. Dass das heute nicht mehr so idyllisch ist weiß wohl jeder, der die Toskana in den letzten Jahren bereist hat.

Probleme gibt es auch keine bei unseren drei Damen. Sie haben weder Sprach- noch Geldprobleme, bereisen das ganze Land, wohnen in den teuersten Hotels und shoppen was das Zeug hält. Da nimmt man bei Prada mal schnell ein Paar Schuhe und eine Handtasche mit, oder kauft für 1.ooo Euro Bildbände. Ansonsten geschieht nicht allzu viel in der Geschichte, außer dass ständig exquisit gekocht und entsprechend gegessen und getrunken wird. Dass man dazu jede Menge Leute einlädt oder auch eingeladen wird, ist selbstverständlich – und die Rezepte samt den teueren Zutaten muss der geneigte Leser natürlich auch erfahren.

Dass bei so viel Nebensächlichem und Nichtigkeiten nicht mehr viel Inhalt bleiben kann, verwundert nicht. Die Geschichte zieht sich, besonders zu Anfang, zäh hin, wird aber ab der Mitte des Buches etwas interessanter. Den Schreibstil fand ich, besonders durch die vielen in Klammern gesetzten Erklärungen, etwas sperrig. Eine Vielzahl Namen von Freunden, Verwandten, Bekannten und Nachbarn verwirren, machen das Lesen anstrengend und hemmen zusätzlich den Lesefluss. Oft ist es schwer zu erfassen, von wem gerade die Rede ist und wie diese Person einzuordnen ist. Sehr schön, wenn auch für meinen Geschmack manchmal zu poetisch, sind die Landschaftsbeschreibungen. Gut gelungen ist auch, dass die Geschichte zum einen von der Schriftstellerin Kit erzählt wird, die Kapitel über die Aktivitäten der drei Amerikanerinnen jedoch neutral beobachtet werden.

Fazit: Eine nette Sommerlektüre, die sich gut unter „Märchen für Erwachsene“ einordnen lässt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Atmosphäre
  • Figuren
Veröffentlicht am 18.06.2019

Zwei Mädchen, zwei Schicksale …

Meine geniale Freundin
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„Lila ist spurlos verschwunden“. Dieser Telefonanruf war für Elena der Anlass, sich 60 Jahre zurück zu erinnern, an den Beginn ihrer Freundschaft, an ihre gemeinsame Kinder- und Jugendzeit, und - diese ...

„Lila ist spurlos verschwunden“. Dieser Telefonanruf war für Elena der Anlass, sich 60 Jahre zurück zu erinnern, an den Beginn ihrer Freundschaft, an ihre gemeinsame Kinder- und Jugendzeit, und - diese Geschichte hier aufzuschreiben. Sie wachsen beide in einem Armenviertel in Neapel auf, im Neapel der Nachkriegszeit als die Camorra die Stadt regierte, Lila, die Tochter eines Schusters und die Ich-Erzählerin Elena, deren Vater Pförtner bei der Stadtverwaltung ist. Beide Mädchen sind trotz verschiedener Charaktere sehr intelligent, haben einen starken Willen und sind schon früh entschlossen, ihrer Armut zu entfliehen. Ihre Freundschaft ist geprägt von gegenseitiger Rivalität und instinktivem Neid, was sie zu immer besseren Leistungen anspornt. Doch nur einer wird schließlich der Erfolg einer besseren Schulbildung zuteil, während die andere ihre Zukunft in einer Ehe mit einem vermögenden Mann sieht …

Elena Ferrante ist das Pseudonym einer italienischen Schriftstellerin, deren Debütroman „L’amore molesto“ bereits 1992 in Italien und unter dem Titel „Lästige Liebe“ 1994 auf Deutsch veröffentlicht wurde. Internationale Bekanntheit erreichte sie durch ihre Neapolitanische Saga, deren erster Band „Meine geniale Freundin“ 2016 in Deutschland erschienen ist. In einem schriftlichen Interview gab die Autorin einige Informationen zu ihrer Person bekannt. Sie sei in einem Außenbezirk von Neapel geboren und aufgewachsen, heiße im realen Leben auch Elena und sei Mutter von Töchtern. Die Schriftstellerei sei nicht ihr Hauptberuf …

Dass die Autorin sich in Neapel gut auskennt und auch mit den Gepflogenheiten in den 50er Jahren vertraut ist, ist der Geschichte anzumerken. Äußerst treffend ist die südländische Mentalität und die Rebellion der jungen Generation, die der Armut und den familiären Zwängen zu entkommen versucht, erfasst. Das karge Leben innerhalb der Familie, das Machogehabe der Männer, die Gewalttätigkeit untereinander und das manchmal verzweifelte Hoffen auf Besserung empfindet man als Leser sehr authentisch. Ebenso drastisch tritt die Gesinnung der Camorra zutage, die sich einerseits solidarisch mit der armen Bevölkerung zeigt, andererseits aber unfassbar brutal gegen Widersacher agieren kann.

Ferrantes Schreibstil ist, wenn man sich erst einmal eingelesen und an die Vielzahl der Personen und Namen gewöhnt hat, flüssig und gut zu lesen. Ein Personenverzeichnis der einzelnen Familien, der Familienmitglieder und ihrer Tätigkeiten, befindet sich am Anfang des Buches, was sich dabei als sehr nützlich erweist. Von schonungsloser Offenheit ist die Beschreibung von Rione, einem Armenviertel Neapels, in dem die beiden Mädchen aufwachsen. Man unterliegt sofort dem Sog der Geschichte, wird hineingezogen in die Enge der Gassen und fühlt mit den Protagonisten den Gestank, den Schmutz und das Ungeziefer - man erlebt ein Neapel abseits des Tourismus.

Fazit: Kein Wohlfühlbuch, keine beschwingte Urlaubslektüre und keine spannende Abenteuergeschichte – sondern ein Buch, auf dessen Thematik man sich einlassen und auf die Mentalität der Protagonisten eingehen sollte, dann wird man auch gerne zu Band 2 „Die Geschichte eines neuen Namens“ greifen.

Veröffentlicht am 10.06.2019

Oft kommt es anders, als man erwartet …

Sommer unter Sternen
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Ella versteht die Welt nicht mehr, als ihr Mann Thomas nach 7jähriger Ehe ihr eines Abends eröffnet, dass er sich scheiden lassen wolle. Da ist es gut, wenn man eine beste Freundin hat, der man sein Leid ...

Ella versteht die Welt nicht mehr, als ihr Mann Thomas nach 7jähriger Ehe ihr eines Abends eröffnet, dass er sich scheiden lassen wolle. Da ist es gut, wenn man eine beste Freundin hat, der man sein Leid klagen kann. Maggie lebt zwar in New York, aber mit Skype ist das ja heute kein Problem. Sie bietet ihr sofort das Ferienhaus ihrer Familie auf Fire Island an, wo sie sich vorübergehend mit ihren dreieinhalb Jahre alten Zwillingsmädchen aufhalten kann. Als Ella nach sechsstündigem Flug mit übermüdeten Kindern und jeder Menge Gepäck endlich auf Fire Island ankommt, muss sie zu ihrem Entsetzen feststellen, dass sich dort bereits Maggies Bruder Nathan einquartiert hat, der wegen beruflicher und anderer Probleme dorthin geflüchtet ist. Beide sind über die unerwartete Situation sehr verärgert und eine gemeinsame Nutzung des Ferienhauses bei gegenseitiger Rücksichtnahme scheint zunächst undenkbar. Doch, wie das Leben so spielt, es sollte ganz anders kommen …

Die Autorin Miriam Covi wurde 1979 in Gütersloh geboren. Schon früh begann sie zu schreiben und entdeckte ihre Liebe zum Reisen. Als Fremdsprachenassistentin lebte sie von 2005 bis 2008 in New York, danach zog sie mit ihrem Mann zunächst nach Berlin und dann nach Rom, wo während ihres vierjährigen Aufenthaltes ihre beiden Töchter geboren wurden. Nach einem Jahr in Bangladesch lebt sie nun seit 2017 mit ihrer Familie in Bangkok. Sehr gerne verbringt sie ihre Freizeit an der Kanadischen Ostküste, wo sie versucht, von der Hektik der Großstadt abzuschalten und zu schreiben. Es erschienen bereits mehrere Bücher von ihr, deren Handlung meist in der Nähe ihrer Wohnorte angesiedelt ist.

Da das Cover keine anspruchsvolle Lektüre vermuten lässt, hatte ich an „Sommer unter Sternen“ auch nur geringe Erwartungen. Doch bereits nach wenigen Seiten wurde ich eines Besseren belehrt, das Buch bzw. die Geschichte zog mich unversehens in seinen Bann. Der Schreibstil der Autorin ist überraschend lebendig, flüssig und einprägsam, dabei mitreißend und voller Gefühl. Sie versteht es großartig, Menschen und ihre individuellen Charaktereigenschaften anschaulich zu beschreiben und deren Emotionen zu schildern, so dass man als Leser sich mittendrin im Geschehen fühlt, sich mit den Protagonisten freut oder mit ihnen bangt und sich in der einen oder anderen Person sogar wiederfinden kann.

Auch die Orte der Handlung sind treffend erfasst und Fire Island, eine kleine Insel vor New York, ist so liebenswert beschrieben, dass man dort gleich Urlaub machen möchte. Man hört förmlich die Wellen rauschen, sieht den herrlichen Strand und spürt den lauen Wind. Im Gegensatz dazu stehen die alltäglichen Probleme, die in dem Buch ebenso behandelt werden. Wir lesen neben Ehe- und Beziehungsproblemen auch über verpasste Gelegenheiten, berufliche Schwierigkeiten und Burnout, was den Leser in ein Wechselbad der Gefühle stürzt. Gelegentliche Rückblicke auf eine gemeinsam verbrachte Jugendzeit erzeugen eine unwillkürliche Spannung, die bis zum Schluss auch anhält. Zwei Rezepte der Protagonisten am Ende des Buches lohnen auf jeden Fall nachgekocht bzw. nachgebacken zu werden.

Fazit: Ein wunderbares Buch mit dem richtigen Schuss Romantik – die perfekte Lektüre für den Urlaub, für ein sonniges Wochenende im Garten oder auch für verregnete Tage auf der Couch.

Veröffentlicht am 06.06.2019

Emma ist weg ...

Wo ist Emma?
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Es ist Emmas dritter Geburtstag. Eben hat sie noch im Garten gespielt, jetzt ist sie spurlos verschwunden. Ein Alptraum für die ganze Familie, besonders aber für Mutter Megan. Zwei Jahre lang sucht sie ...

Es ist Emmas dritter Geburtstag. Eben hat sie noch im Garten gespielt, jetzt ist sie spurlos verschwunden. Ein Alptraum für die ganze Familie, besonders aber für Mutter Megan. Zwei Jahre lang sucht sie verzweifelt nach ihr, vernachlässigt dabei ihren Mann Peter und ihre beiden größeren Mädchen und - hat schon so manches kleine blonde Mädchen erschreckt, in dem sie die verschwundene Emma zu erkennen glaubte. Ganz andere Probleme hat Jack. Je vergesslicher seine Frau Dottie wird, desto mehr wacht sie über ihre Enkeltochter Emmie. Warum darf die Kleine nicht aus dem Haus, warum darf sie nicht mit anderen Kindern spielen? Jack macht sich so seine Gedanken – welches Geheimnis verbirgt Dottie vor ihm?

Die Autorin Steena Holmes wuchs in einer Kleinstadt in Kanada auf. Sie hat einen Bachelor-Abschluss in Theologie und arbeitet zeitweise als Reiseleiterin. Für ihre schriftstellerische Tätigkeit erhielt sie 2012 den Indie Excellence Award. Sie ist verheiratet, Mutter von drei Töchtern und lebt heute mit ihrer Familie in Calgary. Zum Schreiben des Buches „Wo ist Emma“ wurde sie durch ein persönliches Schreckerlebnis inspiriert, als sie ihre jüngste Tochter kurzzeitig vermisst glaubte.

Ein kleines Kind wird entführt – ein allzeit aktuelles und brennendes Thema und ein interessanter Plot für ein gutes Buch. Leider ist hier die Umsetzung nicht so gelungen, wie man es sich wünschen würde. Es mag vielleicht an der Übersetzung liegen, dass der Schreibstil so dürftig ausgefallen ist und eher dem Niveau „Groschenroman“ entspricht. Die Charaktere sind teilweise sehr überzogen beschrieben und auch ihre Reaktionen zu unglaubwürdig. Man versteht, dass die Mutter in Depressionen verfallen kann und sich alleingelassen fühlt, dass sie aber ihre anderen Kinder im Stich lässt und ihren Mann grundlos einer Affäre beschuldigt, ist schwer zu begreifen.

Interessant an dem Geschehen sind die verschiedenen Blickwinkel, da einmal aus Sicht von Megan und dann wieder aus Sicht von Jack berichtet wird. Zwar hat die Geschichte eine gewisse Spannung, jedoch ist die Auflösung schon recht früh vorhersehbar und wird, nachdem es sich lange Zeit ziemlich zäh hingezogen hat, am Schluss kurz und knapp, ja beinahe gefühllos, abgehandelt.

Fazit: Keine große Literatur, aber dennoch spannend und unterhaltsam.

Veröffentlicht am 31.05.2019

Die Heilkraft der Kunst …

Die Frau im Musée d'Orsay
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Warum nur will der angesehene Professor der Kunsthochschule in Lyon, Antoine Duris, plötzlich im Musée d’Orsay in Paris als Museumswärter arbeiten? Darüber wundert sich auch Mathilde Mattel, die Personalchefin ...

Warum nur will der angesehene Professor der Kunsthochschule in Lyon, Antoine Duris, plötzlich im Musée d’Orsay in Paris als Museumswärter arbeiten? Darüber wundert sich auch Mathilde Mattel, die Personalchefin des Museums, als sie ihn einstellt. Nun sitzt der schweigsame Mann Tag für Tag „Jeanne Hébuterne“, einem Gemälde von Modigliani, gegenüber, dessen Schönheit ihn offenbar tief berührt. Was hat Antoine zu verbergen, dass er von einem Tag auf den anderen alle Brücken in Lyon hinter sich abgebrochen hat? Mathilde ist von der Niedergeschlagenheit und Verlassenheit, die der Professor ausstrahlt, fasziniert. Auch Antoine ist von Mathilde beeindruckt uns sucht zögerlich ihre Nähe. Ganz allmählich gehen sie aufeinander zu, immer noch auf Abstand bedacht, bis ein Ereignis eintritt, das eine schnelle Entscheidung erfordert. Nun muss er sich seiner Vergangenheit stellen …

David Foenkinos, geb. 28.10.1974 in Paris, ist ein französischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur. Er studierte an der Sorbonne Literatur und Musik. Seine Bücher, für die er in Frankreich bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat, wurden in vierzig Sprachen übersetzt. Einige seiner Romane hat er, zusammen mit seinem Bruder Stéphane, selbst verfilmt. Seine Werke seien nicht autobiografisch, wie er anlässlich einer Lesung 2013 in Weimar erklärte.

Wie in den meisten Romanen Foenkinos‘ ist auch „Die Frau im Musée d’Orsay“ sehr problembeladen und in einer melancholischen Grundstimmung gehalten. Diese wird noch durch eine brutale Gewalttat, die dem Leser in aller Deutlichkeit geschildert wird, verstärkt. Taktvoll und mit viel Einfühlungsvermögen berichtet der Autor über die Gefühle des Opfers, über die bleibenden psychischen Schäden und die wiederkehrenden Ängste. Ein weiteres großes Thema ist die Kunst, die Kunst die Menschen verbindet, die Gefühle weckt, deren Schönheit berührt, die kaputte Seelen heilt und die sogar helfend und unterstützend für eine angstfreie Zukunft sein kann.

Der Schreibstil passt gut zur Geschichte, knapp und dennoch sehr aussagekräftig. Der Leser fungiert als Beobachter und Begleiter der wichtigsten Personen und ist somit stets auf dem Höhepunkt des Geschehens. Auch hier, wie oft bei Foenkinos, ist der männliche Protagonist etwas eigenbrötlerisch und unstet in seinen Handlungen, ihm fehlen auch häufig die Worte. Sein Tun und seine Aktionen sind oft schwer nachvollziehbar. Ein erwähnenswertes Stilelement sind die gelegentlich eingefügten Fußnoten, die etwas zur Auflockerung beitragen. Das Ende des überwiegend traurigen und sentimentalen Buches ist eher zuversichtlich und mit hoffnungsvollem Ausblick auf die Zukunft.

Fazit: Ein außergewöhnlicher und gefühlvoller Roman, erschreckend und schockierend, der den Leser innehalten lässt und einlädt, über das Leben nachzudenken – für zart besaitete Menschen evtl. weniger geeignet.