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Veröffentlicht am 03.03.2024

Fesselnd und aufklärend

Marseille 1940
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Uwe Wittstock nimmt uns mit in das besetzte Frankreich 1940 und erzählt die Geschichten vieler Künstler, Literaten und anderer kluger Köpfen, die Ende der 30er Jahre dort ins Exil gingen. Man könnte denken ...

Uwe Wittstock nimmt uns mit in das besetzte Frankreich 1940 und erzählt die Geschichten vieler Künstler, Literaten und anderer kluger Köpfen, die Ende der 30er Jahre dort ins Exil gingen. Man könnte denken hier wären sie in Sicherheit gewesen. Was mir in diesem Ausmaß (und vor allem unter diesen unsäglichen Bedingungen) nicht klar war: mit der Besetzung Frankreichs mussten deutschstämmige Personen sich in Internierungslagern melden, weil die Franzosen Angst hatten, dass unter den Deutschen auch Kollaborateure der Nazis waren. Das muss man sich mal vorstellen: aus Deutschland aus Angst um das eigene Leben geflohen mussten diese Menschen nun fürchten, dass man sie verdächtigt mit denen zusammenzuarbeiten, aufgrund derer man das Land mal verlassen hat.

Abenteuerlich, man kann es gar nicht anders sagen, waren die Wege, die die Exilanten daher raus aus Europa genommen haben. Varian Fry spielt hierbei die Hauptrolle, da der Amerikaner als Dreh- und Angelpunkt des Emergency Rescue Committee in Frankreich maßgeblich für die Rettung vieler Flüchtlinge verantwortlich war. Dass man kaum etwas über ihn gehört hat, liegt vielleicht daran, dass er es sich, zurück in Amerika, mit einigen wichtigen Leuten verscherzt hat weil er wohl ein gewisses Autoritätsproblem hatte.

Auch wenn es sich hier um ein Sachbuch handelt und der Autor Wert auf die korrekte Wiedergabe der Geschehnisse legt, liest es sich wie ein Roman. Mir hat es den Hals zugeschnürt zu lesen was diesen Menschen passiert ist und welche Ängste sie ausstehen mussten. So in den Bann gezogen fliegt man durch die Seiten und wagt es kaum zu atmen. Dies war mein erstes Buch von Uwe Wittstock und bestimmt nicht mein letztes. Eine große Leseempfehlung kann ich daher für alle Literaturinteressierten aussprechen und diejenigen, die auch bereits Florian Illies Erzählungen kennen und mögen.

Veröffentlicht am 26.02.2024

Spannende Geschichte, klug vernetzt

Die Halbwertszeit von Glück
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Holly, Mylène und Johanna tragen, jede für sich, von jetzt auf gleich eine große Bürde mit sich, die ihr Leben, wie sie es bisher kannten, auf eine harte Probe stellt.

Dabei wird die Geschichte der drei ...

Holly, Mylène und Johanna tragen, jede für sich, von jetzt auf gleich eine große Bürde mit sich, die ihr Leben, wie sie es bisher kannten, auf eine harte Probe stellt.

Dabei wird die Geschichte der drei Frauen in drei verschiedenen Handlungssträngen erzählt die sich am Ende kreuzen. Eine dieser Verbindungen ist relativ schnell klar, wie der Rest zusammenhängt, da bin ich nicht drauf gekommen, egal wie viel ich nachgegrübelt habe. Die Erzählstränge wechseln von Kapitel zu Kapitel. Da jedes Kapitel mit einem Mini-Cliffhanger endet und die Länge genau richtig ist, ergibt sich ein wirklich toller Lesefluss.

Die Hauptprotagonistinnen sind nicht alle gleich sympathisch und ein paar wenige, wenn auch wichtige, Entscheidungen fand ich ziemlich drüber. Aber gut, das Drama spitzt sich dadurch relativ schnell zu und das Leiden der Frauen (die eine leidet mehr, die andere weniger) damit ebenfalls.
Wo ich anfänglich mit Hollys und Mylènes Verhalten nicht so recht warm geworden bin, wandelt sich ihre emotionale Lage und ihre Sichtweise auf die Dinge, was es wiederum nachvollziehbar und auch irgendwie authentisch macht (treffen wir aus manchen Situation raus nicht alle auch mal undurchdachte Entscheidungen?!). Schlussendlich fügt sich alles sehr passend und stimmt einen irgendwie auch versöhnlich. Es ist ein wirklich schönes Buch; was mir defacto unter dem Strich aber gefehlt hat ist das Alleinstellungsmerkmal. Irgendwie hat man das Gefühl, das alles schonmal gelesen zu haben.

Dennoch gibt es von mir eine Leseempfehlung für alle, die beispielsweise Der späte Ruhm der Mrs Quinn oder Das Licht zwischen den Schatten mochten.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 22.02.2024

Toller Mix aus Krimi und französischen Savoir-vivre

Der tote Bäcker vom Montmartre
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Der Bäcker des besten Baguettes Paris wird in seiner Backstube tot aufgefunden. Geneviève Morel, die leitende Polizistin beim zuständigen Kommissariat, nimmt die Ermittlungen auf ohne zu ahnen, dass sie ...

Der Bäcker des besten Baguettes Paris wird in seiner Backstube tot aufgefunden. Geneviève Morel, die leitende Polizistin beim zuständigen Kommissariat, nimmt die Ermittlungen auf ohne zu ahnen, dass sie in diesem Fall bald auf die Hilfe ihrer eigenen Familie angewiesen ist. Nur ist das nicht so einfach, schließlich ist Genevièves Familie nicht nur unfassbar reich, sondern trägt vor allem ein großes Familiengeheimnis mit sich herum: sie sind allesamt Kunstdiebe. Alle bis auf Geneviève. Sie steht auf der anderen Seite des Gesetzes.

Die Idee finde ich wirklich toll und die Umsetzung super gelungen. Geneviève ist so herrlich normal, während die Großmutter und sogar Genevièves Kater Merlot ein wenig drüber aber dennoch unfassbar liebenswert sind. Mein absoluter Liebling war Letitia, Genevièves Schwägerin, die als Kunsthistorikerin in die Kunstdieb-Familie Morel eingeheiratet hat. Das Buch lebt von dem französischen Flair und Savoir-vivre. Sowohl Paris als auch die Côte d’Azur sind die perfekten Sehnsuchtsorte und ich hab mich ein wenig gefühlt wie Geneviève; ich wusste gar nicht wo ich jetzt lieber wäre, in der Stadt oder am Meer. Ob des tollen Settings ist fast der Krimiplot ein wenig in den Hintergrund gerückt (aber auch nur fast). Erst passiert gar nicht viel und dann irgendwie alles auf einmal. Wie es meiner Meinung nach bei einem guten und soliden Krimi sein sollte.
Dass Geneviève bei ihren Ermittlungen dann doch ihre Prinzipien über Bord wirft und, entgegen ihrer zu Beginn korrekten Polizeiarbeit, sich im Alleingang in große Gefahr begibt, lässt mich als Leser zwar erstmal aufstöhnen, macht sie aber im Nachhinein betrachtet noch authentischer und nahbarer.

Dieses Buch ist absolut empfehlenswert, sowohl für Krimifans, als auch für nicht so Krimi-affine, dafür aber sehr frankophile Leser. Ich für meinen Teil freue mich auf jeden Fall sehr auf ein Wiedersehen mit Commissaire Morel!

Veröffentlicht am 22.02.2024

Toller Wohlfühlkrimi mit viel britischem Flair

Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam
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Sir Peter, Marlows reichster Einwohner wird auf der Party am Tag vor seiner Hochzeit von einem Schrank erschlagen. Seltsam nur, dass Sir Peter selbst Judith auf höchst merkwürdige Weise zu seiner Party ...

Sir Peter, Marlows reichster Einwohner wird auf der Party am Tag vor seiner Hochzeit von einem Schrank erschlagen. Seltsam nur, dass Sir Peter selbst Judith auf höchst merkwürdige Weise zu seiner Party eingeladen hat und dabei so klang, als wüsste er, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Während die Polizei von einem Unfall ausgeht, glauben Judith, Becks und Suzie nicht daran und beginnen zu ermitteln.

Die drei Frauen sind immer noch genauso liebenswert wie im ersten Teil. Jede von ihnen hat auch weiterhin ihre kleinen Problemchen und eigenen Marotten, die sie einfach sehr authentisch wirken lassen, auch wenn die Geschichte und der Krimiplot selbst nicht das sind, was ich als realitätsnah beschreiben würde. Macht aber nichts, weil genau das macht es so besonders. Der Fokus liegt hier nicht unbedingt auf dem klassischen Whodunnit (es gibt nicht so wahnsinnig viele Protagonisten, da hat man doch sehr schnell einen Verdacht) sondern vor allem geht es um das Wie. Die Umstände sind überaus mysteriös. Auf die Auflösung wäre ich niemals gekommen, da hätte ich noch sehr sehr lange grübeln können. Hier gibt es auch für mich den einzigen Kritikpunkt: es gibt seeehr viele Repetitionen. Gefühlte 1000 mal werden die Todesumstände wiederholt und warum die Situation so vertrackt ist. Das war dann doch etwas anstrengend.

Das hier ist der zweite Teil von Mrs Potts Mordclub und entsprechend gibt es im Buch Spoiler zum ersten Teil. Die Kriminalgeschichten an sich sind abgeschlossen, aber da der Mordclub selbst nicht noch einmal ausführlich vorgestellt wird, würde ich empfehlen mit dem ersten Teil zu beginnen, wenn man Judith Potts noch nicht kennt.

Alles in allem ein schöner Wohlfühlkrimi, der zum Miträtseln einlädt und mit einer überraschenden Aufklärung zum Schluss aufwartet. Mir hat dieser Teil fast noch besser gefallen als der erste. Empfehlenswert für alle Cosy Crime Liebhaber!

Veröffentlicht am 20.02.2024

Interessante Reise nach Russland, die sehr nachdenklich macht

Das Philosophenschiff
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Eine 100-jährige Architektin, die Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mit ihren Eltern auf einem Schiff, einem sog. „Philosophenschiff“, aus Russland ins Exil gebracht wird, erzählt einem Schriftsteller ...

Eine 100-jährige Architektin, die Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mit ihren Eltern auf einem Schiff, einem sog. „Philosophenschiff“, aus Russland ins Exil gebracht wird, erzählt einem Schriftsteller ihre Lebensgeschichte.

Die Erzählweise von Anouk Perleman Jacob ist Gold. Witzig, intelligent und charismatisch. Man sieht diese 100-jährige eine Zigarette nach der anderen rauchen (irgendwann ist’s auch egal, da tut man alles, dass das Ende schneller kommt), wie sie in ihrem Sessel sitzt und redet und redet und redet.

Ich hatte manchmal Angst, den roten Faden zu verlieren und auch die Erzählerin muss sich hin und wieder bremsen um nicht weiter abzuschweifen. Worauf die Geschichte hinaus will, erfahren wir tatsächlich erst ganz zum Schluss und auch wenn es im Nachhinein betrachtet ein sehr cleveres Ende ist, so habe ich einfach nicht damit gerechnet, dass die Geschichte diese Wendung einschlägt.
Manche Ideen und Personen, wie die der Alice und auch, dass der Schriftsteller (der sich als Köhlmeier selbst outet) neben der Erzählung von Frau Perleman Jacob auch noch weitere Recherchen anstellt, hätte ich mir weiter ausgearbeitet gewünscht. Für mich zunächst vergebenes Potential, da sich hier zwei gute Spannungsfelder hätte entwickeln können. Aber nun ist man am Ende, wie so häufig im Leben, schlauer, was mich dazu verleitet zu denken, dass es gar nicht um das ging, was ich bis zuletzt erwartet habe, sondern es hier keine umfassende Auflösung gibt.

Ob Köhlmeier uns mit der Geschichte noch mehr erzählen wollte? Kann oder muss sogar die Erzählung auf die gegenwärtige Situation in Russland übertragen werden? Das muss wohl jeder nach der Lektüre für selbst sich beantworten. Ich fand die Reise auf dem Philosophenschiff sehr spannend und möchte sie allen empfehlen, die gerne undurchsichtige Geschichten lesen, die einen rätselnd und nachdenklich zurück lassen.