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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.08.2024

Politisch aktuell, aber wenig unterhaltsam

Juli, August, September
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Aufgrund des Klappentextes hatte ich mit "Juli, August, September" einen Roman erwartet, der zum einen aktuelle politische, kulturelle und soziale Probleme thematisiert, das aber zugleich in ...

Aufgrund des Klappentextes hatte ich mit "Juli, August, September" einen Roman erwartet, der zum einen aktuelle politische, kulturelle und soziale Probleme thematisiert, das aber zugleich in einer humorvollen, augenzwinkernden Weise tut. Da es unter anderem um jüdische Identität in Deutschland geht, habe ich Olga Grjasnowas Roman mit "Gewässer im Ziplock" verglichen, in dem eine jugendliche Erzählerin zwar ernste Fragen stellt, aber trotzdem nicht allzu melancholisch oder ernst wird.
"Juli, August, September" ist sicher hervorragend geschrieben und man sollte das Buch mehr als einmal lesen, um alle Anspielungen und Doppeldeutigekeiten der Autorin zu verstehen. Thematisch und literarisch ist diese Lektüre anspruchsvoll, dass die Erzählerin zynisch ist, passt meiner Meinung nach auch, doch ich würde den Roman nicht als unterhaltsam im Sinne von heiter bezeichnen. Unter Unterhaltungsliteratur verstehe ich etwas anderes und wenn ich Olga Grjasnowas Neuling mit "Gewässer im Ziplock" vergleiche, dann fand ich "Gewässer im Ziplock" weitaus unterhaltsamer zu lesen! Vor allem im zweiten Teil des Buches, in dem die Erzählerin verstärkt nach ihrer Identität sucht, die zwischen jüdisch, russisch und deutsch liegt, überwiegend ein melancholischer, ernster Ton, der mich eher deprimiert als unterhalten hat. Innerhalb der Familie der Erzählerin schwelen Unstimmigkeiten und Streitereien, deren Ursprung bis in die Zeit des Holocausts zurückreichen, und auch die Ehe der Erzählerin hängt am seidenen Faden. All diese Probleme machen den Roman zwar zu einem wichtigen und gehaltvollem Werk, aber dennoch konnte ich mich aufgrund der Stimmung der Erzählung nicht richtig für "Juli, August, September" erwärmen. Wer unterhaltsamer über die Identitätssuche deutscher Juden (oder jüdischer Deutsche?) lesen möchte, sollte meiner Meinung nach eher nach "Gewässer im Ziplock" greifen.

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Veröffentlicht am 25.07.2024

Unvergesslich

Der Bademeister ohne Himmel
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Ein unvergessliches Buch über das Vergessen! In „Der Bademeister ohne Himmel“ kümmert sich die 15-jährige Linda auf außergewöhnliche Weise um ihren dementen Nachbarn Hubert und gibt ihrem eigenen ...

Ein unvergessliches Buch über das Vergessen! In „Der Bademeister ohne Himmel“ kümmert sich die 15-jährige Linda auf außergewöhnliche Weise um ihren dementen Nachbarn Hubert und gibt ihrem eigenen Leben dadurch auch einen neuen Sinn. Auf einfühlsame, aber auch unterhaltsame Art thematisiert die Autorin Menschenwürde, Umgang mit Krankheit (Demenz) und Sterben und Freundschaft aus der Perspektive einer Jugendlichen, die aber deutlich erwachsener als viele andere Teenager in ihrem Alter wirkt. Besonders gut gefallen hat mir dabei, dass der Erzählstil authentisch den Ton einer jüngeren Generation trifft, sodass das Buch sicher auch ansprechend für LeserInnen im entsprechenden Alter ist, wenn sie sich mit solchen schweren Themen beschäftigen wollen, ohne dass die Lektüre einen zu sehr runterzieht.
Denn Linda ist wie gesagt kein typischer Teenager. Sie spielt mit Selbstmordgedanken, allerdings auf keine aggressive oder allzu depressive Art, sondern sie ist dabei eher nüchtern,pragmatisch und mit Galgenhumor. Ebenso geht sie mit der Demenz und dem kontinuierlichem körperlichen und geistigen Abbau ihres Nachbarn Hubert um, um den sie sich zusammen mit der polnischen Pflegerin kümmert. Sie bringt ihm viel Verständnis entgegen und akzeptiert seine verschobene Wahrnehmung der Welt. Dass die Demenz nicht mehr zu heilen ist und man das beste aus dem allmählichen Vergessen machen muss, um dem alten Mann auch in seinen letzten Wochen und Monaten eine menschenwürdige und möglichst friedliche Existenz zu ermöglichen, zeigt Linda auf unvergessliche Weise! Auch wenn ihr Umgang mit Hubert manchmal etwas „frech“ wirken mag, behandelt sie ihn stets respektvoll und nimmt ihn im Gegensatz zu allen anderen immer noch als eigenständigen Menschen wahr. Trotz Lindas schnodderiger Art und vielen lustigen Szenen ist der Roman aber vor allem gegen Ende auch sehr bewegend und geht unter die Haut. Die schweren Themen des Romans werden mit dem nötigen Ernst behandelt, die Schwere der Krankheit Demenz für die Betroffenen wird nicht beschönigt und dennoch gelingt es der Autorin, dass die Lektüre dennoch unterhaltsam ist und man als LeserIn nicht niedergeschlagen zurückgelassen wird. „Der Bademeister ohne Himmel“ zeigt, dass es am Ende auch nach schweren Schicksalsschlägen Lichtblicke zwischen den Wolken im Himmel gibt. Eine unvergessliche Lektüre für mich!

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Veröffentlicht am 01.05.2024

In Windeseile gelesen!

Windstärke 17
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"Windstärke 17" ist der zweite Roman von Caroline Wahl. Nachdem ich letzten Sommer ihr Debüt "22 Bahnen" mit Begeisterung gelesen habe, konnte ich den Nachfolger nun gar nicht erwarten. Einige ...

"Windstärke 17" ist der zweite Roman von Caroline Wahl. Nachdem ich letzten Sommer ihr Debüt "22 Bahnen" mit Begeisterung gelesen habe, konnte ich den Nachfolger nun gar nicht erwarten. Einige Jahre sind vergangen und die kleine Ida ist inzwischen erwachsen geworden, aber ihr Leben ist ein Hurrikan. Im Gegensatz zu ihrer großen Schwester Tilda, die man aus "22 Bahnen" als fokussierte, gefestigte Person kennt, die klare Ziele im Leben hat, wirkt Ida schwankend und fragil. Nachdem ihre Mutter gestorben ist, fühlt sie nur noch Trauer und Wut, weiß nicht wohin mit sich und ihrem Leben und steigt kurzerhand in den nächsten Zug nach Rügen. Dort wird sie von dem älteren Ehepaar Knut und Marianne aufgenommen, die Ida im Sturm ihrer Emotionen neuen Halt geben. Schließlich trifft sie auch noch auf Leif und der Wind dreht sich...

Um die Geschichte und Idas Gefühle vollständig zu verstehen, ist es sicher sehr hilfreich, den Vorgängerroman zu kennen. Die große Schwester Tilda ist in "Windstärke 17" eine Randfigur, man erfährt hier nun wirklich in erster Linie mehr über Ida, die seit dem Ende von "22 Bahnen" eine starke Entwicklung durchlaufen ist. Ich fand es sehr interessant, sie nun als (fast) Erwachsene kennenzulernen! Die stürmisch, turbulente Zeit des Erwachsenwerdens macht ihr zu schaffen und im Vergleich zu "22 Bahnen" ist dieser Roman etwas trauriger bzw. melancholischer geschrieben. Das liegt sicher auch an den verarbeiteten Themen, die alle nicht ganz einfach sind wie z.B. Sucht, Tod und Trauerbewältigung. Dennoch gibt es in "Windstärke 17" immer wieder heitere Momente und Caroline Wahl verwendet wie in ihrem Debütroman einen lockeren, authentischen Schreibstil. Modern, aber niemals aufgesetzt - ich bin wie in Windeseile von Seite zu Seite geflogen und war begeistert!

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Veröffentlicht am 02.04.2024

Süß und sauer

Die Frauen der Familie Carbonaro
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Endlich geht es mit der Familiensaga um die Carbonaros weiter und dieses Mal erleben die LeserInnen die Geschichte aus der Perspektive der Frauen. Während im ersten Band vor allen Dingen der ...

Endlich geht es mit der Familiensaga um die Carbonaros weiter und dieses Mal erleben die LeserInnen die Geschichte aus der Perspektive der Frauen. Während im ersten Band vor allen Dingen der Lebensweg des Patriarchen Barnaba Carbonaro im Mittelpunkt stand, kommen nun seine Frau Pina, deren Schwiegertochter Anna und die Enkelin Maria zu Wort. Ich habe mich sehr auf diese Fortsetzung gefreut, aber leider konnte ich keine volle Punktzahl vergeben - wie bei Zitrusfrüchten vermischt sich Saures mit Süßem.
Leider las sich vor allem der erste Teil des Romans wie eine Wiederholung und es gab mir zu viele Parallelen zum ersten Buch. Zwar fand ich eine gewisse Auffrischung der Informationen hilfreich, um wieder in die Geschichte zu kommen und sich an die vielen Charaktere zu erinnern, aber alles in allem war mir das dann doch zu umfangreich. Es kam keine rechte Spannung auf, weil ich schon wusste, wie sich die Handlung entwickelt und es voraussehbar wurde. Außerdem war es manchmal schwierig dem roten Faden zu folgen und den Überblick über die vielen Personen zu behalten, da die Erzählung über die drei Generationen hinweg vor- und zurückspringt und man sich immer wieder vergegenwärtigen muss, in welcher Zeitebene man sich gerade befindet. Dass ist doppelt verwirrend, wenn Namen doppelt auftauchen. Da musste ich manches Mal überlegen, wer jetzt eigentlich gemeint ist.
Nichtsdestotrotz ist der Roman aber gut geschrieben und er liest sich ansonsten leicht weg. Das italienische Flair wird gut vermittelt und ich halte die Familiensage der Carbonaros deswegen auch für ein geeignetes Sommerbuch! Und im zweiten Teil wird es auch deutlich interessanter! Gerade die Münchner Jahre, die von der Enkelin Maria erzählt werden, haben mir sehr gut gefallen und dann wird auch endlich eine neue Perspektive aufgemacht und die Handlung entwickelt sich weiter. Am Ende erfährt man dann auch Neues über den Werdegang der Carbonaros und es wird interessanter, aber leider erfolgt das wie gesagt etwas zu spät für mich. Aber gerade das Ende des Romans hat mich nun doch neugierig auf einen weiteren Band der Reihe gemacht, von dem ich hoffe, dass er die Geschichte der Enkelgeneration aufgreift und weiterspinnen wird.
Zusammenfassend war das Buch wie eine Zitrusfrucht für mich: irgendwie erfrischend und leicht zu lesen, teilweise etwas "sauer" durch die vielen Parallelen zum ersten Buch, aber gegen Ende doch mit einer gewissen "Süße", die mich am Ende die Lektüre noch recht positiv bewerten lässt.

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Veröffentlicht am 27.03.2024

Copperhead verzaubert wie Copperfield

Demon Copperhead
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Jetzt ist es erst März und ich glaube, mein Buch des Jahres schon gefunden zu haben! Copperhead hat sich wie ein Copperfield in mein Herz gezaubert und es war keine Seite zu viel, obwohl Kingsolvers ...

Jetzt ist es erst März und ich glaube, mein Buch des Jahres schon gefunden zu haben! Copperhead hat sich wie ein Copperfield in mein Herz gezaubert und es war keine Seite zu viel, obwohl Kingsolvers Roman so ein dicker Wälzer ist. So hatte ich immerhin möglichst lange etwas von dem Buch und konnte Demons Geschichte lange verfolgen. Definitiv wird es ein Lesehighlight 2024 sein.
Copperfield habe ich hier auch nicht zufällig erwähnt, denn die Autorin nimmt diesen bekannten literarischen Helden von Charles Dickens als Vorlage und adaptiert dessen sozialkritische Erzählung für ihre Region und Zeit, sodass David Copperfield mit Demon Copperhead zu einem modernen, typisch amerikanischen Gesellschaftsroman wird. Die Kritik an der die Lebensumstände bestimmenden Armut, die Empörung über deren Folgen für Kinder und Mitgefühl für die Vernachlässigten am Rande der Gesellschaft sind (leider) über die Jahrhunderte gleich geblieben und man müsste wirklich die literarische Vorlage noch einmal lesen, um alle Parallelen zu erkennen.
Mit großer Wucht und Emotionalität schildert Kingsolver Demons Entwicklung, sodass es teilweise zu Tränen rührt. In ärmlichen Verhältnissen geboren, wird er zum Drogenwaisen und daraufhin von Station zu Station weitergereicht. Dennoch behauptet er sich und verliert trotz aller Hürden nicht den Lebensmut. Aber als Teenager gerät er bedingt durch seine gesellschaftlichen und sozio-ökonomischen Lebensumstände trotzdem in die Fänge des Drogenmilieus und all seine kindlichen Hoffnungen auf eine bessere Zukunft scheinen dahin. Die Stimmung im Roman ändert sich hier merklich. Während im ersten Teil ein lockerer, schnodderiger Ton des pragmatisch, aber zuversichtlich in die Zukunft blickenden Demon vorherrschte, wird es im zweiten Teil emotionaler, resignierter, zum Teil sogar etwas bitter aufgrund der zerstörten Hoffnungen. Aber der schwarze Humor kommt auch immer wieder durch und die Lektüre ist für mich ein Vergnügen geblieben. Demon ist ein ganz außergewöhnlicher Held: selbstbewusst, risikofreudig, pragmatisch und verwegen. Seine Erzählstimme ist schnodderig und modern, sodass der Roman auch Identifikationspotential für Jugendliche hat, die trotz des beachtlichen Umfangs zu diesem Buch greifen sollten! Viele sollten sich in Demons Problemen und seiner Entwicklung wiedererkennen und am Ende schafft es der Protagonist ja auch trotz aller Widerstände sein Leben zu meistern! Gerade dieses Ende liest sich wunderbar, wie ein Filmabspann, und bringt die Lektüre zu einem krönenden Abschluss.
Auf seinem Weg trifft Demon zudem auf eine Vielzahl verschiedener Charaktere, die das Buch zu einem vielschichtigen Werk machen. Vor allem Angus habe ich unter den ganzen Nebenfiguren ins Herz geschlossen. Mein einziger kleiner Kritikpunkt wäre, dass es bei diesen vielen Personen manchmal schwierig ist, den Überblick zu behalten, aber das soll dieses einzigartige Werk nicht schmälern! Ich bin verzaubert von Demon Copperhead!

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