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Karschtl

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.10.2019

Schokotrüffel-Hygge

Die kleine Chocolaterie am Meer
1

So schön wie der Schokoladen von Emma in dem kleinen Küstenort in Northumberland beschrieben ist würde ich da selbst gerne arbeiten. Oder zumindest mal zum naschen vorbei schauen. Manche der Kreationen, ...

So schön wie der Schokoladen von Emma in dem kleinen Küstenort in Northumberland beschrieben ist würde ich da selbst gerne arbeiten. Oder zumindest mal zum naschen vorbei schauen. Manche der Kreationen, die zahlreich und oft erwähnt werden im Verlauf des Buches, klingen wirklich köstlich!

Dagegen fällt die Handlung leider nur sehr durchschnittlich aus. Sie plätschert so vor sich dahin, mit kleinen Höhen und Tiefen, die manchmal arg konstruiert wirken. Das erste Treffen von Emma und Max, ihr darauffolgendes Sehnen nach dem Unbekannten während sie sich gleichzeitig einredet, dass es ja nun nicht so ungewöhnlich ist dass man mal jemanden begegnet, stürmisch küsst und dann nie wiedersieht. Ja, ne, überhaupt nicht! Als sich später einer der beiden doch wieder zurückzieht wirkt das auch sehr aufgesetzt, und fungierte wohl nur als 'Spannungsgenerator' für die Story - zündet aber in dieser Funktion eh nicht.

Spannung oder auch Spaß fand ich in diesem Buch nicht. Die Geschichte hat eher einen leicht melancholischen Touch, weil Emmas Herz immer noch an ihrer verlorenen großen Liebe hängt. Diese wird mehrfach erwähnt, ohne aber genau zu erzählen was genau geschehen ist. Ständig werden nur Andeutungen gemacht - wahrscheinlich auch um Spannung aufzubauen. Klappte aber auch hier nicht, es wird mit der Zeit nur nervig und man möchte ihr am liebsten zurufen "Jetzt erzähl es doch endlich!". Vor allem weil die 'Auflösung' am Ende dann auch eher in die 08/15 Kategorie fällt.

Trotz all dieser Kritik habe ich mich beim Lesen dennoch wohl gefühlt. Behaglich! Neudeutsch würde man wohl "hygge" sagen. Genau in diese Kategorie fällt dieser Roman für mich, und damit findet er ganz sicher auch sein Lesepublikum.

Veröffentlicht am 04.06.2019

Spannungsgeladene Studie zum Sozialverhalten der Menschen

Dry
1

Nachdem ich erst kürzlich mit "Der Wal und das Ende der Welt" ein ähnliches Weltuntergangs-Szenario gelesen habe, kommt mit "Dry" nun eine Dystopiegeschichte daher bei der Wasser nicht nur knapp ist sondern ...

Nachdem ich erst kürzlich mit "Der Wal und das Ende der Welt" ein ähnliches Weltuntergangs-Szenario gelesen habe, kommt mit "Dry" nun eine Dystopiegeschichte daher bei der Wasser nicht nur knapp ist sondern bald komplett fehlt. In ganz Kalifornien, dem sunshine state in dem es ja laut dem Song von Albert Hammond nie regnet.

Eindrucksvoll beschreibt dieses Jugendbuch (das hoffentlich nicht nur von solchen gelesen wird) wie das Fehlen der Ressource Wasser die Menschen innerhalb kürzester Zeit an den Rand des Todes, vor allem aber an den Rand des Wahnsinns treibt. Das Buch ist genauso sehr Thriller wie eine Studie zum Sozialverhalten von Menschen in Krisensituationen. Und genau wie John Ironmonger in seinem eingangs erwähnten Roman kommen Vater + Sohn Shusterman zu dem Schluss, dass man als Gemeinschaft die besten Überlebenschancen hat. Selbst wenn das bedeutet, dass man sein weniges Wasser teilen muss. Obwohl die Mehrheit der Menschen das - durchaus zu Recht - anders sieht. "»Entweder man öffnet die Türen weit oder man schließt sie ab«, sage ich wehmütig. »Die Menschen sind zu kompliziert, um auf irgendetwas dazwischen zu vertrauen.«" Denn verzweifelte Menschen werden zu einen unkontrollierbaren Mob, der sich alles nimmt was ist, ohne Rücksicht auf andere.

Ich habe wirklich mitgefiebert mit der kleinen Truppe von Teenagern, die sich durch die Tage des Tap-Outs kämpfen. Und immer wenn ich dachte, es gibt nun eine kleine Verschnaufpause oder zeitweilige Rettung für unsere Protagonisten, kam doch wieder alles anders. Das Autorenduo hat mich ständig mit neuen Wendungen überrascht, bis ganz zum Schluss. Genau so soll es auch sein!

Ich hoffe, dass dieses Buch verfilmt wird, die Figuren, die Zeitebene von nur wenigen Tagen und die ganze Dramaturgie bietet sich dafür förmlich an. Vor allem aber ist die Botschaft der Geschichte immens wichtig, denn das hier geschilderte Szenario ist ganz und gar nicht abwägig wie es Alieninvasionen oder Krieg mit einer Terminator-Armee vielleicht sind!

Ein wichtiger Tipp zum Schluss: bitte haltet beim Lesen immer ein großes Glas Wasser in eurer Nähe. Am besten eine ganze Flasche. 1,5 Liter. Mindestens!

Veröffentlicht am 07.05.2019

Wird sich Jemmas Herz erinnern?

Dein Herz vergisst nicht
1

Die Kurzbeschreibung erinnert stark an den Film "Für immer Liebe" mit Rachel McAdams und Tatum Channing (der widerum auf einer wahren Geschichte basiert). Auch hier verliert die Ehefrau nach einem Autounfall ...

Die Kurzbeschreibung erinnert stark an den Film "Für immer Liebe" mit Rachel McAdams und Tatum Channing (der widerum auf einer wahren Geschichte basiert). Auch hier verliert die Ehefrau nach einem Autounfall das Gedächtnis und damit jegliche Erinnerung an ihren Mann.
Jemma, die Protagonistin in diesem Buch, verliert allerdings alle persönliche Erinnerungen - ihr komplettes Leben ist ausradiert. Grundlegende Dinge wie gehen, lesen oder was zB ein Krankenhaus oder eine Oma ist weiß sie allerdings noch. Leider gibt es keinerlei Hintergründe zu diesem medizinischen Phänomen, mich persönlich hätte das durchaus interessiert.

Stattdessen konzentriert sich das Buch voll und ganz auf die Liebesgeschichte von Jemma und Braxton, die bis zu ihrem Unfall märchenhaft perfekt war. Schon als Kinder waren sie die besten Freunde, wurden irgendwann (überraschend spät übrigens) ein Liebespaar und können seitdem nie genug vom anderen kriegen. Das ändert sich schlagartig am 19. Tag nach ihrer Hochzeit. Für Jemmas sind all die Menschen plötzlich Fremde, denen sie nicht nur ängstlich sondern komplett abweisend gegenüber tritt. Braxton lässt sich aber nicht entmutigen, und schreibt seiner geliebten Frau Briefe, in denen er ihre Lebens- und Liebesgeschichte wieder auferstehen lässt.

Mir war zu Beginn Jemma sehr unsympathisch. Ich verstehe durchaus, wie verloren und verängstigt sie nach dem Aufwachen im Krankenhaus gewesen sein muss. Sie kennt die Leute nicht, die sagen sie wären ihre Eltern und Ehemann. Doch obwohl sie selbst jammert, dass sie nichts mehr weiß und sich so verloren fühlt, schlägt sie rigeros die helfenden Hände aus die ihr von überall entgegen gestreckt werden. Sie hat keinerlei Vertrauen in diese Menschen und stösst sie regelrecht weg als ob sie ihr Böses wollen, obwohl diese sie eh wie ein rohes Ei behandeln. An der Stelle fragt sie sich ja sogar selbst, ob sie sich vielleicht wie ein Miststück benimmt (oder es gar auch vorher war). So hätte sich Braxton wohl nie so unsterblich in sie verliebt. Hinzu kommt, dass sie selbst überhaupt nicht aktiv wird in dem Versuch, ihr Gedächtnis wieder zu erlangen. Sie zeigt von sich aus keinerlei Neugier, will selbst nichts herausfinden, ist total passiv. Komisch fand ich ja auch, dass niemand ihr mal Fotos oder Videos zeigt. Für mich wäre das ja Anlaufstelle Nr. 1 in so einem Fall gewesen. Aber das Buch wollte sich wohl auf Braxton und seine Briefe fokussieren.

Der riss das Ruder für mich noch einmal herum, zum einen weil er sich so ritterlich und selbstlos verhielt (und ich so wenigstens für einen Charakter Sympathien hegte), und zum zweiten brachte er mir in den Briefen die Jemma von früher näher, die ganz anders war. Und veränderte dadurch auch langsam die Jemma, die er täglich zu ihren Reha-Übungen fuhr.
So stellt sich am Ende eigentlich nur noch die Frage, ob Jemma irgendwann ihr Gedächtnis wieder erlangen wird, oder ob sie sich noch einmal neu in Braxton verlieben kann.

Die Nebenhandlung mit Jemmas Eltern fand ich zu viel des Guten. Sowohl die Reaktionen der Mutter auf ihren Ex-Mann waren völlig übertrieben (man kann sich trennen, aber man muss - auch angesichts der Art seines Betrugs - nicht Jahre später immer noch derart reagieren wenn sich der Ex im selben Raum aufhält oder zur Hochzeit seiner Tochter kommt), als auch was dann aus den Annäherungsversuchen wird. Dasselbe gilt für Lucas und Rachel, auch das wirkte viel zu überzogen in den Reaktionen und am Ende unrealistisch. Noch dazu blieben beide Charaktere absolut gesichtslos und bekamen von der Autorin gerade mal einen Namen und eine 'Funktion' verpasst.

Schlussendlich eine normal gute Liebesgeschichte (mit ein paar störenden Nebengeräuschen), von der ich mir aufgrund der Ausgangssituation aber doch deutlich mehr erwartet hätte.

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Veröffentlicht am 03.05.2019

Panoptikum einer Kleinstadt mit Krimi-Touch

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
1

Ich weiß nicht so recht, was ich mit diesem Buch anfangen soll. War das jetzt ein Krimi? Dann war es mir zu wenig wirklich spannend, obwohl sich ja doch ein sehr beträchtlicher Teil um die Aufklärung der ...

Ich weiß nicht so recht, was ich mit diesem Buch anfangen soll. War das jetzt ein Krimi? Dann war es mir zu wenig wirklich spannend, obwohl sich ja doch ein sehr beträchtlicher Teil um die Aufklärung der Vierfachmorde von 1994 und diverser anderer Taten drehte, und wir Leser genauso wenig wussten wie die drei Polizeibeamten und wir alle jedem Hinweis nachjagten. Vor allem hatte ich aber aufgrund des 'Tons' des Buches, der vielen nebensächlichen Dinge und auch teilweise wegen dem Verhalten der Polizisten nie das Gefühl, einen echten Krimi zu lesen.

Dann war es also vielmehr eine recht akribische Beschreibung der Gesellschaft in einer Kleinstadt in den Hamptons? Das wäre ein valides Genre, doch in dem Fall muss ich sagen, dass ich so etwas von Richard Russo schon deutlich besser gelesen habe (in Empire Falls, aber auch in Nobody's Fool zum Beispiel). Auch Joanne K. Rowling hat das in A casual vacancy hervorragend hinbekommen. Und Tom Wolfe hat in seinem Fegefeuer der Eitelkeiten ganz hervorragend einen Kriminalfall mit einer Gesellschaftssatire verbunden.

Bei Joel Dicker hingegen begegneten mir zu viele Kleinigkeiten, die mich abschweifen ließen, mich oft auch nur marginal interessierten (da mir die Charaktere dazu teilweise völlig egal waren - ich kann nicht für 30 Figuren gleichzeitig Interesse oder gar Sympathien haben) und von denen ich hoffte, dass sie am Ende wenigstens etwas mit dem großen Ganzen zu tun haben. Ob dem so war, möchte ich hier aus Spannungsgründen lieber nicht verraten. In der Kurzbeschreibung steht, dass Dicker ein "richtiges Gespür für Tempo" hat, doch genau das hat er für mein Leseempfinden eben nicht gehabt mit den vielen eingestreuten Nebenhandlungen, und hinzu dem ständigen hin und her sowohl in den Zeiten (1994 und 2014, teilweise auch 2013 oder früher) als auch Erzählperspektiven. Manchmal haben wir einen auktorialen Erzähler, der einen bestimmten begleitet, und das nächste Kapitel ist dann aus der Ich-Perspektive von genau diesem Charakter erzählt. Dann erzählt ein anderer Charakter wieder etwas ganz anderes... Man wird also ständig aus einer Geschichte gerissen und in die nächste hineingeworfen. Ich kam zwar durchaus noch mit beim 'wer mit wem', aber die Spannung auf den wirklichen Kriminalfall ging bei mir dadurch definitiv flöten.

Auch der Buchtitel ist etwas irreführend, denn um das Verschwinden der Stephanie Mailer geht es wirklich nur kurzzeitig auf den über 650 Seiten. Dabei heißt es sogar im Original so und ist nicht nur eine unglückliche Wahl des dt. Verlags.

Vielleicht waren meine Erwartungen nach der vielen Aufmerksamkeit, die dieses Buch bekommen hat und den Aussagen über die Großartigkeit des Autors, auch etwas zu hoch und ich hatte ein Wunderwerk erwartet. Dahingehend war ich jedenfalls ein bisschen enttäuscht, als ich die Buchdeckel zugeklappt habe, obwohl der Fall durchaus mit einer Überraschung zu Ende gebracht wurde. Doch vollends überzeugt hat mich das ganze nicht.

Veröffentlicht am 18.09.2018

Heißer Hase Bea

Wie heiß ist das denn?
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Mein erstes Buch von Ellen Berg, dass recht flott daher kommt. An einigen Stellen etwas zu flott, wenn in Stakkato-Stil ein Spruch auf den nächsten folgt. Viele davon sind durchaus witzig, aber es hätte, ...

Mein erstes Buch von Ellen Berg, dass recht flott daher kommt. An einigen Stellen etwas zu flott, wenn in Stakkato-Stil ein Spruch auf den nächsten folgt. Viele davon sind durchaus witzig, aber es hätte, besonders am Anfang, etwas dosierter eingesetzt werden können. Reden eigentlich mittlerweile die Teenies und jungen Twens wirklich so merkwürdig wie Mona teilweise? Ich kann da wohl auch keine qualifizierte Auskunft mehr geben, aber es kam mir manchmal etwas zu gewollt jugendlich vor - oder wie sich etwas ältere Semester eben die Jugendsprache vorstellen. Aber das Wort "tinderjährig" fand ich einsame Klasse! Diese Kreation kommt bestimmt in ein paar Jahren in den Duden! (falls dann jmd diese App überhaupt noch kennt...)

Schön fand ich ja den Beruf von Bea, und die Beschreibungen ihrer Umgestaltungen. War für mich auf jeden Fall eine nette Abwechslung zu sonstigen Frauenromanen.

ACHTUNG: Spoiler
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Die Auflösung der 'Scharade' ist mir aber ein bißchen zu schräg gewesen. Die Tochter will ihrer Mutter einen Typen schmackhaft machen, indem sie vorgibt selbst ganz verliebt in ihn zu sein? Hat diese Technik tatsächlich schon mal irgendwo auf der Welt funktioniert? Und Oma muss auch gleich noch mitmachen, alles klar!
Und bis auf die Tatsache, dass Bea auf seine Gedichte anspringt, sehe ich keinen weiteren Grund wieso Julian so rettungslos in sie verliebt sein sollte, sie kennen sich doch kaum! Genauso übertrieben fand ich aber auch die Figur des Theo und welch innige Freundschaft ihn mit Bea nach nur ein paar Tagen verband, wie er es später in der Mail so schön ausführte.
Etwas übertrieben hat es die Autorin leider auch mit ihren vielen Anspielungen auf die sexuelle Ausrichtung von Theo. Auch hier hätte eine niedrigere Dosierung ausgereicht, denn schon allein an dieser Häufung der Bermerkungen wusste man als LeserIn relativ früh, dass sich Bea mit ihrer Einschätzung täuscht.
Spoiler Ende
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Dennoch war es ein unterhaltsamer Roman, den ich mit sehr guten 3 Sternen bewerte. Und ich würde auch einen andere Romane der Autorin lesen wollen. Ich könnte ja fast wetten dass es von Tante Ruth oder jemand anderes von den ital. Freunden bereits einen gibt.

PS: Ich finde die Illustrationen am Cover von Ellen Berg (und auch Tessa Hennig) ja sehr lieb. Allerdings hatte sich in meinem Kopf dadurch auch die längste Zeit genau so ein Bild von Bea in meinem Kopf festgesetzt, und nicht von einer flotten noch-nicht-mal Mittvierzigerin.