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Veröffentlicht am 10.06.2024

Die Bahnhofsmission - Schicksalsort

Die Bahnhofsmission
1

Berlin 1945 Der Krieg ist zu Ende. Die Stadt liegt in Trümmern und die Menschen versuchen, sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden. 38 Jahre sind seit den dramatischen Ereignissen in der Bahnhofmission ...

Berlin 1945 Der Krieg ist zu Ende. Die Stadt liegt in Trümmern und die Menschen versuchen, sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden. 38 Jahre sind seit den dramatischen Ereignissen in der Bahnhofmission am Schlesischen Bahnhof vergangen und die Freundinnen von damals haben unterschiedliche Lebenswege beschritten.

Alice ist in Berlin geblieben, hat als Hilfskrankenschwester beim Roten Kreuz während des Krieges gearbeitet. Nun muss sie ihr Leben neu ordnen . Angesichts all des Elends wächst in ihr der Entschluss, die Bahnhofsmission wieder zum Leben zu erwecken. Und so macht sie sich tatkräftig wie immer an diese Herkulesaufgabe. Ihr erster Weg führt sie zum Pfarrhaus gegenüber des Bahnhofes. Dort trifft sie zu ihrer großen Freude auf ihre ehemalige Mitstreiterin Marthe, die sofort ihre Unterstützung zusagt. Es gelingt auch den russischen Kommandanten Wulkow von der Idee, zu überzeugen. Wieder wird Tee gekocht, Stullen geschmiert, Wunden versorgt und Trost gespendet. Nach und nach finden die ehemaligen Weggefährtinnen den Weg zurück zur Bahnhofsmission. Auch Natalie, die damals bei Nacht und Nebel verschwand, ist zurück auf der Suche nach den losen Enden von damals.

Man kann diesen 2. Band gut lesen, ohne den ersten zu kennen. Da der 1. Band genauso lesenswert ist wie das vorliegende Buch, kann ich es nur jedem ans Herz legen. Die Autorin zeichnet ein sehr anschauliches und lebendiges Bild vom zerstörten Berlin in den ersten Wochen nach Kriegsende. Zerstörte Wohnungen, vermisste Familienangehörige, Hunger, Angst vor Vergewaltigung - all dasmuss eine unmenschliche Belastung dargestellt haben. Hinzu kommen erlittene Kriegstraumata vielfältiger Natur. Gleichzeitig liegt auch Hoffnung und Aufbruch in der Luft .

Ich habe Alice und ihre Mitstreiterinnen sehr bewundert, dafür wie sie sich mit aller Kraft dem Elend entgegen stellen. Gleichzeitig nutzt die Autorin das Schicksal einzelner, um mir einige Aspekte des Krieges und deren Auswirkungen nahe zu bringen und für mich sichtbar zu machen. Besonders berührt hat mich Babettes Schicksal, die in einem KZ als Lagerhure benutzt wurde.

Natalie muss sich mit der eigenen Vergangenheit auseinander setzen. Ihre Tochter Claire begleitet sie und stellt Fragen, auf die es nur unliebsame Antworten gibt. Am Ende gibt es für alle ein versöhnliches Ende. Für die eine oder andere vielleicht zu viel des guten, aber nach all dem Leid und Schrecken haben sie es sich in meinen Augen redlich verdient.

Der Roman weckt eine unterschiedliche Bandbreite an Gefühlen und beschäftigt sich mit vielen Aspekten der damaligen Zeit. Indem die Autorin diese mit einzelnen Personen verknüpft, erfüllt sie nackte Tatsachen mit Leben und weckt mein Verständnis und Mitgefühl. Trotzdem ist es vor allem ein gelungener Unterhaltungsroman, der gefangen nimmt und eine packende Geschichte erzählt.

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Veröffentlicht am 04.05.2024

Eine starke Frau und die Geburt eines Weltunternehmens

Café Alba
1

Piemont 1946 Die Menschen leiden schwer unter den Nachwirkungen des Krieges. Der Mangel regiert. Da ist jede Familie froh, wenn es ein Maul weniger zu stopfen gilt. Das bedeutet für die 16jährige Francesca, ...

Piemont 1946 Die Menschen leiden schwer unter den Nachwirkungen des Krieges. Der Mangel regiert. Da ist jede Familie froh, wenn es ein Maul weniger zu stopfen gilt. Das bedeutet für die 16jährige Francesca, dass ihre Familie sie in die große Stadt Alba schickt, damit sie dort eine Stelle antritt. Francesca hat Glück und landet bei der Familie Milani, die ein gut gehendes Cafe betreibt und kommt unter die Obhut der mütterlichen Köchin Antonella. Aus heiterem Himmel trifft das Schicksal die Familie Milani hart, als Francesca gerade mal 4 Monate dort ist. Der Patriarch stirbt und hinterlässt einen Berg Schulden. Der Erbe Matteo ist überfordert und findet in Francesca die Liebe seines Lebens und eine junge Frau, die sich zu helfen weiß. Aus der Not heraus erfindet sie ein Mus aus Nüssen, Fett und Schokolade. Es wird zum Verkaufsschlager und das ist auch heute noch so. Doch der Erfolg ruft auch Neider auf den Plan und Francesca lernt, sich zu wehren.

Meine Sympathie hatte Francesca von der ersten Seite an. Ich fand es grausam, sie aus der Familie zu reißen und in die große Stadt zu fremden Leuten zu schicken. Wer hätte gedacht, dass in dem einfachen Mädchen vom Land so viel Neugierde, Empathie und Unternehmensgeist steckt ? Francesca passt sich an, nimmt Probleme an, um sie zu lösen und erobert Matteo, dessen Mutter die Verbindung ablehnt. Ich war beeindruckt, wie pragmatisch und auf das Machbare fokussiert Francesca an die Dinge herangeht. Sie mischt ihre praktischen Erfahrungen mit - wie man heute so schön sagt - mit Visionen. Dabei wird sie von allen unterschätzt und auf Küche, Kinder, Kirche reduziert. Das wird besonders deutlich, als sie gezwungen ist, die Leitung des aufstrebenden Unternehmens in die eigenen Hände zu nehmen. Francesca ist eine Kämpferin und bleibt sich trotz Rückschlägen treu.

Die Autorin schildert. die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse und das städtische Leben sehr anschaulich. Ich habe manchmal geglaubt, ich höre den Straßenlärm, rieche die vielfältigen Gerüche des Marktes oder die der Backstube. In Francesca konnte ich mich gut hinein versetzen und war entsetzt, wie herabwürdigend ihr manche Männer gegenüber traten. Ich verlasse Francesca zu einem Zeitpunkt, an dem sie die Weichen für ihr weiteres Leben neu stellen muss und bin gespannt, wie es sich im 2. Band entwickeln wird.

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Veröffentlicht am 12.12.2023

Auf der Suche nach den verschollenen Meister

Magische Bilder
1

Der junge Arthur, genannt Art, hat sich schon immer wegen seiner Hautfarbe als Außenseiter gefühlt. Um so glücklicher ist er , dass er neben seinem Studium einen Nebenjob im Fotoatelier von Monsieur Rufus ...

Der junge Arthur, genannt Art, hat sich schon immer wegen seiner Hautfarbe als Außenseiter gefühlt. Um so glücklicher ist er , dass er neben seinem Studium einen Nebenjob im Fotoatelier von Monsieur Rufus hat. Dort kann er sich der Fotographie widmen und er fühlt sich von Rufus als Mensch angenommen. So hätte es bleiben können.
Wenn nicht, ja wenn nicht Art eines Abends Stimmen in einem leeren Büro gehört, eine Foto, das es nicht gibt, entdeckt hätte und wenn er weniger neugierig gewesen wäre. Dadurch löst er Ereignisse aus, die sein bisheriges Leben komplett umkrempeln , aber auch das Gefühl erfährt, dazuzugehören.
Das Fotoatelier von Rufus wird überfallen. Art kann in letzter Sekunde fliehen und trifft auf die Welt der Magier, die von Inquisitoren verfolgt werden. Und zu Arts Überraschung hat auch er magische Fähigkeiten. Um die Bedrohung durch die Inquisitoren erfolgreich zu bekämpfen, müssen die alten Meister , die Oberhäupter der sieben magischen Familien, gefunden werden. Man vermutet, dass sie in Bildern gefangen gehalten werden.
Gemeinsam mit dem Magier Amin und der Magierin Wu erhält Art den Auftrag, die Meister zu suchen und zu befreien. Eine spannende Suche führt das Trio durch die halbe Welt, immer in der Gefahr von den Inquisitoren aufgespürt und ermordet zu werden
Der Roman ist spannend, voller überraschender und toller Einfälle, humorvoll auch in brenzligen Situationen und hat mit dem Trio Helden, die nicht unterschiedlicher sein könnten und die einem hassenswerten und hinterhältigen Gegenspieler gegenüber stehen.
Allein schon die Idee, man könnte in Bilder eintauchen und Teil des abgebildeten Geschehens werden, fand ich faszinierend. Zudem kann ich ganz nebenbei meine Geschichtskenntnisse auffrischen, denn die gesuchten Bilder haben wichtige historische Ereignisse festgehalten.
Art mochte ich von Beginn an und da auch ich nichts von der magischen Parallelwelt wusste, bin ich genauso dankbar wie er für die Erklärungen von Amin und Wu. Es war schön mitzuerleben, wie Art immer mehr an Selbstvertrauen gewinnt und seine magischen Fähigkeiten entdeckt.
Der Ägypter Amin sorgt für die heiteren Momente in der Geschichte. Er ist ein Angeber, dabei aber ein verlässlicher Freund. Wu ist die logisch denkende, die so schnell nichts aus der Ruhe bringt.
Den Anführer der Inquisitoren umgeben viele Geheimnisse und je mehr ich davon erfahre, um so weniger kann ich ihn leiden. Ich halte ihn für größenwahnsinnig und rachsüchtig.
Leider scheint er bis zum Ende des 1. Bandes die besseren Karten zu haben. Ich kann des Erscheinen des 2. Bandes kaum erwarten, so sehr hat mich die Geschichte gefangen genommen.

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Veröffentlicht am 19.08.2023

Eine alte Familienfehde und eine unmögliche Liebe

Die Zuckerbaronin
1

Auf den ersten Blick erscheint der Roman wie ein moderner Wirtschaftskrimi. Es geht um die Vorherrschaft im Geschäft mit dem Zucker.

1908 beherrschen die Zuckerbarone den Markt. Sie bestimmen den Preis ...

Auf den ersten Blick erscheint der Roman wie ein moderner Wirtschaftskrimi. Es geht um die Vorherrschaft im Geschäft mit dem Zucker.

1908 beherrschen die Zuckerbarone den Markt. Sie bestimmen den Preis für den Rohstoff "Zuckerrübe " und das Endprodukt und sind mächtige Arbeitgeber. Sie spielen ihre ganze Macht aus, als der Süßstoff Saccharin erfunden wird und mit seinem niedrigen Preis ihr Imperium bedroht. Saccharin wird in Deutschland verboten. Der Schmuggel blüht.

So auch im Bayrischen Wald - auf der einen Seite der Schmugglerkönig Schindler, das aus ärmlichen Verhältnissen stammt und auf der anderen der reiche Zuckerbaron Wallendorf. Hier geht der Konflikt noch tiefer, hat eine persönliche Seite und wird deswegen noch erbitterter geführt. Eine Verbindung zwischen den Familien ist undenkbar und doch hat das Schicksal anders entschieden.

Martha, die älteste Schindlertochter verliebt sich in den Wallendorf-Erben Alexander, ohne zu wissen, wer ihr Herz erobert hat.

Das Buch ist ein richtiger Pageturner und hat mich völlig gefangen genommen. Es beginnt sehr dramatisch mit einer missglückten Schmugglerfahrt. Die Familie Schindler konnte sich deshalb meiner Sympathien gewiss sein. Martha ist bildhübsch und verdreht den Männern in der Umgebung den Kopf, ohne sich binden zu wollen. Sie ist eine wichtige Stütze des Vaters beim Schmuggel. Sie ist stolz und wie ich im Verlauf der Ereignisse feststellen musste leider auch rachsüchtig und nachtragend.

Ihre Schwester Gwendolyn steht völlig in ihrem Schatten. Zu unrecht, denn sie ist intelligent, treu und zu tiefen Gefühlen fähig. Sie stand mir mit ihrer bescheidenen und ruhigen Art näher als Martha.

Der Zuckerbaron Wallendorf ist das typische Abbild eines erfolgreichen und Profit orientierten Industriellen, der seine Familie führt wie sein Unternehmen. Um so überraschter war ich, als klar wurde, dass sein Sohn Alexander auf positive Weise aus der Art schlägt. Er steht zu seiner Liebe gegen den anfänglichen Widerstands seines Vaters und heiratet eine Schindlertochter. Doch statt die Fehde zu einem glücklichen Ende zu bringen, wird die Feindschaft größer.

Der Roman hat alles, was man sich von einer guten Geschichte wünscht - eine packende Handlung, realistische Figuren , viele Emotionen und das verpackt in einen interessanten historischen Kontext. Mir war dieser Zuckerkrieg und die Entstehungsgeschichte des Saccharins unbekannt. Wieder was dazu gelernt. Einziger Wermutstropfen , es ist eine Dilogie und nun heißt es auf die Fortsetzung warten.

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Veröffentlicht am 13.11.2022

Geschichte wird lebendig

Der eiserne Herzog
1

Der Autor erzählt die Lebensgeschichte von Guilhem, dem Herzog der Normandie von seinem Werben um die Liebe seines Lebens Matilda bis zu seinem Sieg über den englischen König Harold. Guilhem wird mancher ...

Der Autor erzählt die Lebensgeschichte von Guilhem, dem Herzog der Normandie von seinem Werben um die Liebe seines Lebens Matilda bis zu seinem Sieg über den englischen König Harold. Guilhem wird mancher fragen, wer war das ? In die Geschichtsbücher eingegangen ist er als Wilhelm, der Eroberer, der 1066 durch die Schlacht bei Hastings den englischen Thron erlangt hat.

Wer war dieser vermeintliche Usurpator und wie kam es zu dieser Schlacht ? Fragen, auf die der Autor in unterhaltsamer und fesselnder Weise Antworten gibt.

Nach dem frühen Tod seines Vaters, konnte Guilhem nur mit der Hilfe treuer Freunde mehreren Mordanschläge entkommen, die von Konkurrenten um die Herrschaft über die Normandie angezettelt wurden. Dadurch lernt er früh, dass man seine Feinde vernichtend schlagen muss, wenn man Frieden will.

Gegen das Verdikt des Papstes und den Widerstand der Mutter der Braut heiratet er Matilda von Flandern. Die beiden haben sich aufrichtig geliebt und eine Ehe geführt, die auch aus heutiger Sicht modern anmutet.

Warum nun war Guilhem nicht mit seinem Leben als Herzog der Normandie zufrieden ? Die Antwort ist einfach und lässt die Eroberung Englands in einem anderen Licht erscheinen. König Eadweard von England war Guilhems Onkel und hatte keine eigenen Nachkommen. Er bestimmte deshalb Guilhem zu seinem legitimen Nachfolger . Das sah ein Teil des englischen Adels und Klerus nach Eadweards Tod anders und machte Harold Godwinson zum König. So kam es zu der berühmten Schlacht, die der Autor in sehr anschaulichen Bildern schildert. Es muss ein blutiges Gemetzel gewesen sein und hat vielen den Tod gebracht.

Das Buch hat meine Sicht auf Guilhem und sein Handeln verändert und einiges zurecht gerückt. Für mich ist er nicht mehr der blutrünstige Eroberer, sondern ein rechtmäßiger Erbe des englischen Throns der seinen Anspruch durchsetzt und das mit dem damals einzigen Mittel - Krieg. Viele Aspekte seiner Persönlichkeit fand ich sympathisch wie sein Verhältnis zu seiner Frau Matilda .

Der Roman erzählt Guilhems Geschichte packend und weckt in meinen Augen Verständnis für die historischen Ereignisse.

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