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Veröffentlicht am 01.04.2020

Herrlicher Gute-Laune-Roman über eine starke Frau

Sylt oder Sahne
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Nele Rickmers, Anfang fünfzig und Single, hat sich in ihrem Leben sehr bequem eingerichtet und lebt neben ihrer Arbeit als Grafikerin nur für ihre Hobbies kochen, essen und fernsehschauen. Über die Jahre ...

Nele Rickmers, Anfang fünfzig und Single, hat sich in ihrem Leben sehr bequem eingerichtet und lebt neben ihrer Arbeit als Grafikerin nur für ihre Hobbies kochen, essen und fernsehschauen. Über die Jahre hat sie sich ein gehöriges Fettpolster angefuttert. Bewegung, Treffen mit Freunden oder gar ein Liebesleben findet schon länger nicht mehr statt, weil sich Nele nicht aus ihrer Komfortzone heraustraut. Als ihr als vermeintlich Hochschwangere ein Platz im Zug angeboten wird, ist der Bock fett und Nele beschließt etwas für sich zu tun. Bestärkt von ihrem Chef bucht sie eine Fastenkur auf Sylt. Trotz einiger widriger Umstände hält sie tapfer durch und knüpft sogar wieder Kontakt zu ihren Mitmenschen. Als in der Hafenklause, einer kleinen Kneipe im Ort, Not am Mann ist, hilft sie der 80jähigen Eigentümern in der Küche und hat sichtlich Spaß daran. Doch ist das genug, um ihr ganzes Leben umzukrempeln?

Ein herrlicher, sommerlich-frischer, Gute-Laune-machender Frauenroman über eine super sympathische, warmherzige Frau in den besten Jahren. Eingängig, anschaulich und mit viel Humor beschreibt die Autorin Landschaft und Menschen und gibt dem Leser das Gefühl, mittendrin zu sein und alles und jeden persönlich zu kennen. Ihre Figuren sind gut beschrieben und haben jede ihre eigene Persönlichkeit, und besonders ihre Hauptperson Nele ist detailverliebt und authentisch herausgearbeitet. Nele ist natürlich, liebenswert und intelligent, außerdem hilfsbereit und liebevoll. Sie ist ein Genussmensch, dabei auch voller Zweifel, hat gute und weniger gute Tage, eben eine von uns, eine mit der man gerne befreundet wäre. Dadurch lebt man doch sehr mit ihr mit, möchte sie manchmal schütteln, meistens jedoch umarmen und wünscht ihr alles Glück dieser Welt. Aber auch die anderen Figuren sind wirklich köstlich, die Autorin beschreibt sie durchaus skurril und mit einigen Macken, aber sie karikiert sie nicht, sondern sie sind einfach liebenswert trotz vielleicht etwas strengen Körpergeruchs (den man förmlich ebenfalls riecht), Zickigkeit oder geschmacklosem Outfit. Alle haben ihre sensible Seite und sind Menschen wie du und ich.
Natürlich ist das Ganze in erster Linie eine fröhliche Geschichte, bei der auch die Liebe nicht zu kurz kommt, die einen zum Lachen bringt, mitfühlen lässt und einige Stunden wirklich außerordentlich gut unterhält. Doch es ist viel mehr als das, der Glücksroman vermittelt eben auch eine Botschaft. Einige Figuren, allen voran Nele, befinden sich auf einem Selbstfindungstrip, hinterfragen sich und ihre Lebenssituation, gehen aus sich heraus und machen letztlich eine Entwicklung durch. Besonders Nele, auf die sich die Geschichte extrem fokussiert, gibt viel von sich preis, aus ihrer Perspektive wird erzählt, ihre Sichtweise bestimmt die Beurteilung von Dingen und Menschen. Sie entwickelt sich von der trägen, beruflich völlig unehrgeizigen und recht frustrierten Fünfzigerin in eine vitale, selbstbewusste, in sich selbst ruhende starke Persönlichkeit, die ihre Berufung findet, die mit allen Macken und Schwächen zutiefst menschlich ist und die erkennt, dass genau das sie so liebenswert macht.

Fazit: Ein wirklich schöner Roman mit wundervollen Figuren vor dem traumhaften Hintergrund der Insel Sylt zum Hineintauchen und Wegträumen. Lässt sich sehr flüssig in einem Rutsch durchlesen, macht gute Laune und bietet romantischen Seelen auf jeden Fall viele Stunden sehr gute Unterhaltung!

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.02.2020

Großartiger Thriller mit aufs Trefflichste verknüpften Handlungssträngen

Feuerland
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Im Leben von Vanessa Frank, Ermittlerin der Sonderheit NOVA in Stockholm, läuft gerade nicht so viel rund. Vom Dienst ist sie wegen eines Verfahrens gegen sie suspendiert, außerdem lässt sie sich gerade ...

Im Leben von Vanessa Frank, Ermittlerin der Sonderheit NOVA in Stockholm, läuft gerade nicht so viel rund. Vom Dienst ist sie wegen eines Verfahrens gegen sie suspendiert, außerdem lässt sie sich gerade von ihrem Mann Svante scheiden. Mit der Polizeipsychologin will sie nichts zu tun haben. Um etwas zu tun zu haben, arbeitet sie ehrenamtlich in einer Organisation, die geflüchteten jungen Mädchen hilft. Wider Erwarten gefällt ihr die Arbeit und sie freundet sich mit der jungen Natasja an. Als sie von einem Überfall auf ein exklusives Uhrengeschäft hört, bei dem nichts gestohlen wurde, sind ihre Neugier und ihr Ehrgeiz geweckt. Sie beginnt auf eigene Faust und im Geheimen zu ermitteln. Schnell erkennt sie den Zusammenhang zu den aktuellen Entführungsfällen wohlhabender Stockholmer. Geht das etwa auf das Konto der Legion, einer kriminellen Bande in Stockholm? Und wieso sind die Täter der Polizei immer einen Schritt voraus? Vanessa kann nicht ahnen, welche Kreise das ziehen wird und dass sie für diesen Fall sogar bis nach Feuerland in Südchile reisen muss…

Ich finde es schlichtweg großartig, auf welch vortreffliche und subtile Weise die einzelnen Handlungsstränge hier aufgebaut werden, wie sie lange nebeneinander herlaufen, dann langsam miteinander verknüpft werden, bis sich langsam die Fäden zusammenziehen und sich eine Gesamtheit ergibt. Dabei baut sich kontinuierlich Spannung auf, und man kann sich nicht vorstellen, wohin das führen könnte. Es ist keine klassische whodunnit-Handlung, im Gegenteil, der Leser weiß sehr genau, was in den einzelnen Teilen der Geschichte vor sich geht, er kennt Täter und Opfer, deren Taten, Motive und Methoden. Jeder Strang bleibt zunächst für sich, es verknüpfen sich höchstens einzelne winzige Teile von zweien miteinander. Jeder Strang hat auch seine Haupt- und Nebenfiguren, und einige davon tragen auch weder etwas zur Auflösung bei noch spielen sie weiterhin eine größere Rolle. Durch diese Konzentration auf die einzelnen Handlungsebenen, die eine längere Zeit anhält, erhält man als Leser tiefe Einblicke in die Gedankenwelt und Gefühle der Hauptprotagonisten und erlebt die Ereignisse intensiv mit. Es gibt keinen „Hauptstrang“ – zumindest war ich in jedem einzelnen sofort wieder zu Hause und wollte bei jedem wissen, wie es weitergeht. Jede Figur hat einen ausgefeilten Charakter, hat ihre Erlebnisse, ihre Vergangenheit, die sie geprägt hat, ihre Wünsche, Hoffnungen und Träume. Der Autor verzichtet wohltuenderweise auf schwarz-weiß-Malerei, sondern gibt seinen Figuren sehr vielfältige Eigenschaften, was sie umso glaubwürdiger und menschlicher macht. Ebenso gut versteht er sich auf Beschreibungen der Umgebung, ohne ein Zuviel oder Zuwenig an Details zu verwenden. Er trifft genau den richtigen Ton, um den Leser emotional zu fesseln, und treibt die Handlung konsequent voran. Dies mündet schließlich in ein fulminantes Finale, das für meinen Geschmack dann fast ein bisschen zu abrupt endet.

Von den Protagonisten haben es mir – natürlich, muss man sagen – besonders Vanessa und Nicolas angetan, nicht nur weil sie ab einem gewissen Punkt hervorragend zusammenarbeiten, sondern weil es starke Charaktere sind, die durchaus ihre Schwächen haben, sogar in Teilen jenseits des Gesetzes operieren und doch gleichzeitig hohe moralische Werte besitzen. Es sind zwiespältige Persönlichkeiten, die hadern, mit sich, der Welt und den Menschen, und die doch alles tun um sie zu einem besseren Ort zu machen. Beide machen außerdem eine Entwicklung durch, weil sie ständig reflektieren und hinterfragen. Vanessa, die kühle, sachliche Rebellin und Einzelgängerin, die niemanden an sich heranlässt, hängt ihr Herz an Natasja und setzt ihr Leben aufs Spiel um sie zu retten, und verlässt sich bei der Aktion, ganz gegen ihre Gewohnheit, blind auf Nicolas. Er wiederum, der Elitesoldat mit Einsätzen in Afghanistan und Somalia, der nichts lieber machen will als sich in den Dienst des Landes zu stellen, wird aus edlen Motiven zum Kriminellen. Faszinierend war außerdem die Darstellung der fiktiven Colonia Rhein, die mit deutlichen Anlehnungen an die Colonia Dignidad eine Diktatur der Deutschen beschreibt, die einen fassungslos und wütend macht. Aber auch hier ist Hauptfigur Carlos kein einseitig-schlechter Mensch, auch wenn er sich mit Fortgang der Geschichte immer mehr als Scheusal entpuppt.

Fazit: Sehr gelungener Einstieg in eine neue Thriller-Serie um Kriminalkommissarin Vanessa Frank mit tollen Charakteren. Der noch junge Autor reiht sich nahtlos in die Reihe der herausragenden skandinavischen Thriller-Autoren ein und ist in meinen Augen spätestens mit diesem Auftaktband ganz oben angekommen. Gerne hätte ich mir einen runderen Abschluss gewünscht um zu erfahren, wie es mit Vanessa und Nicolas weitergeht, setze hierbei nun meine Hoffnung auf die Folgebände und freue mich auf weitere Fälle. Sehr zu empfehlendes Buch des Genres mit Suchtpotential.

Veröffentlicht am 12.02.2020

Gelungener Auftakt zu einer neuen Urban-Fantasy-Reihe

Priest of Bones
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Nach dem Krieg kehrt der Soldatenpriester Tomas Piety mit den verbliebenen Kämpfern seines Trupps in seine Heimatstadt Ellinburg zurück. Dort muss er feststellen, dass sein Imperium – Tavernen, Spielkasinos, ...

Nach dem Krieg kehrt der Soldatenpriester Tomas Piety mit den verbliebenen Kämpfern seines Trupps in seine Heimatstadt Ellinburg zurück. Dort muss er feststellen, dass sein Imperium – Tavernen, Spielkasinos, Bordelle – fest in fremder Hand sind, seine Tante im Kloster ist und die Menschen in seinem Viertel Hunger leiden. Er ist fest entschlossen, alles zurückzugewinnen, und wird dabei kräftig von seinen Leuten unterstützt, die er nunmehr Pious Men nennt. Bald kommt er wieder zu einigem Wohlstand und Ansehen. Dann jedoch ist er gezwungen, die Agentin der Königin Ailsa als Schankmagd einzustellen. Diese zeigt ihm die geheimen Machenschaften der Fremden in Ellinburg auf, warnt ihn vor der totalen Übernahme der Stadt und überzeugt ihn schließlich den Kampf gegen die mächtigen Fremden aufzunehmen…

Fesselnd, atmosphärisch dicht und mit bildhafter Sprache erzählt – dem Autor ist ein fulminanter Start in eine neue Urban-Fantasy-Reihe gelungen, die Lust auf Mehr macht. Kriegerisch ist die Welt, die er entwirft, archaisch und düster, gewalttätig und unmoralisch sind ihre Menschen, und gerade das macht sie so realistisch. Es wird viel geflucht, gekämpft und getötet, die ehemaligen Soldaten leiden an Kriegs-Traumata und sind oft schwer zu bändigen. Die Gesellschaft Ellinburgs besteht zum größten Teil aus hart arbeitenden Handwerkern, Kriminellen und einigen dekadenten niedrigen Adligen, es herrscht Vielgötterei. Der Gouverneur und seine Stadtwache sind korrupt. Der Bildungsgrad ist niedrig, die Kluft zwischen arm und reich dagegen groß, die Menschen führen ein hartes Leben fernab der Hauptstadt, Idealismus und Naivität können sie sich nicht leisten. Leben möchte man hier nicht. Und doch gelingt es dem Autor, seinen Figuren jeweils einen vielschichtigen Charakter zu verleihen und sehr unterschiedliche Persönlichkeiten zuzuweisen, und besonders sein Erzähler, Tomas Piety, besticht durch einen starken Willen, Moral und Durchsetzungskraft, die ich in diesem Umfeld ungewöhnlich und sehr viel versprechend fand.

Obwohl selbst durch Kindheit und Krieg schwer traumatisiert, schafft Piety es immer wieder, seine Leute zu motivieren, sie folgen ihm und erkennen seinen Führungsanspruch an, und dadurch gelingt ihm der Spagat zwischen listigem Stratege, erbarmungslosem Kämpfer, Retter in der Not, Robin Hood und sogar Beichtvater und Trostspender – das fand ich wirklich faszinierend. Als Ich-Erzähler befleißigt er sich einer eher simplen Sprache, mitunter neigt er auch zu Wiederholungen, was seine geringe Schulbildung deutlich macht. Dennoch schafft er es, tiefe Einblicke in sein Seelenleben und das seiner Vertrauten zu geben, und dieser Erzählstil verleiht der Geschichte zusätzlich Authentizität. Außerdem beweist er durchaus Humor, zum Beispiel indem er in Anlehnung seines Nachnamens „Frömmigkeit“ seine Bande „die frommen Männer“ nennt, einerseits ein sprechender Name, denn in der Tat sind seine Anhänger bei aller Gewalt sehr gläubige (und abergläubische) Menschen, andererseits natürlich sehr ironisch.

Im Laufe der Geschichte gewinnt Ailsa immer mehr an Einfluss, sie infiltriert die Pious Men und manipuliert Tomas immer mehr, so dass er nur noch auf ihre Anweisung hin handelt und redet. Dies lässt sich eigentlich nur durch seine Angst vor einem weiteren großen Krieg und der damit verbundenen Vernichtung der Stadt und seiner Bewohner erklären. Auch die anderen Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet, und besonders Bloody Anne hatte es mir angetan. Sie bildet als einzige Frau im Team der Pious Men ein starkes Gegenstück zur weiblichen Hauptfigur Ailsa, steht Tomas emotional am nächsten, da sie beide die gleichen Moral- und Wertvorstellungen haben, und kann es auch in punkto Intelligenz und Durchsetzungskraft mit ihm aufnehmen.

Magie spielt ebenfalls eine Rolle, wie es sich für ein ordentliches Fantasy-Werk gehört. Sie bleibt lange im Hintergrund und ist eher eine Sache der geheimnisvollen Fremden, nicht der Einheimischen. Richtige Magier gibt es ebenso wenig wie richtige Ärzte, es gibt auch keine Schulen dafür, was auch wieder dem generell niedrigen Bildungsgrad der Bevölkerung entspricht. Sie tritt dann aber stark in Gestalt den Jungen Billy the Boy (nicht etwa „Billy the Kid“!) in Aktion. Billy hat zweifellos außergewöhnliche Fähigkeiten, die Tomas auf skrupellose Weise für sich und seine Zwecke zu nutzen weiß, und besteht sogar ohne bessere Ausbildung gegen die fremden Magier. Es dürfte äußerst spannend werden zu erfahren, wie besonders seine Geschichte weitergeht. Aber auch Tomas und Aisla, Anne und die Pious Men haben ihr Werk noch nicht vollbracht, und wir dürfen uns auf weitere spannende Bände freuen.

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Veröffentlicht am 20.12.2019

Diabolic – 2. Band der Wyoming-Reihe und superspannender Psychothriller

Diabolic – Fatales Vergehen
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In dem kleinen Ort Prairie Creek in Wyoming sind drei junge Mädchen verschwunden, trotzdem stehlen sich Shiloh, Kat und Ruth nachts davon, um im Wald im See nackt zu baden. Dabei werden sie heimlich beobachtet. ...

In dem kleinen Ort Prairie Creek in Wyoming sind drei junge Mädchen verschwunden, trotzdem stehlen sich Shiloh, Kat und Ruth nachts davon, um im Wald im See nackt zu baden. Dabei werden sie heimlich beobachtet. Es bleibt jedoch nicht beim Spannen – der Übeltäter vergreift sich an Ruth, doch mit vereinten Kräften können die drei den Täter abwehren und entkommen. Fünfzehn Jahre später: Die drei haben sich aus den Augen verloren, doch verschiedene Lebensumstände führen dazu, dass sie sich in ihrer alten Heimat Prairie Creek wiedersehen. Als man die Leiche einer der vor Jahren Verschwundenen findet und wieder ein junges Mädchen verschwindet, sind sich die drei sicher: Der Täter von damals hat wieder zugeschlagen….

Milieustudie, Liebesgeschichte, Krimi und Psychothriller – dieses Buch vereint gleich mehrere Genres auf vortreffliche Weise, ist ungeheuer spannend und aufwühlend und ein echter Pageturner. In vier Teilen – wobei der erste auch als Prolog gesehen werden kann – und einem Epilog wird nicht nur die Geschichte eines Serientäters erzählt, sondern auch die einer typischen amerikanischen Kleinstadt im ländlichen Wyoming und ihrer Bewohner und nicht zuletzt die der drei jungen Frauen Shiloh, Kat und Ruth, die gleichzeitig die Hauptperspektivgeber sind. Schon der Anfang geht gleich in die Vollen, ist extrem spannend und atmosphärisch dicht und als Leser ist man sofort in der Geschichte drin. Hier schon beweisen die Autorinnen ihr hervorragendes Erzähltalent, in prägnanten Sätzen erfährt man bereits einiges über die gestörte Psyche des Täters und der sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten der jungen Mädchen, und die Angst der drei ist förmlich spürbar. Die darauf folgenden Teile sind dann aus der Sicht der einzelnen erzählt, und hier gehen die Autorinnen in die Tiefe. Zusätzlich jedoch gibt es noch weitere Perspektivwechsel, aus der Sicht anderer Opfer, weiterer Figuren und nicht zuletzt des Täters, was die Spannung auf einem sehr hohen Niveau hält.

Die Autorinnen sparen nicht mit Details und das Ganze ist auch ziemlich stark sexuell aufgeladen, dies ist aber nie schlüpfrig oder reißerisch und zum Großteil einfach dem Täterprofil geschuldet. Jede der drei Mädchen ist eine Hauptfigur, die im Laufe des Buches eine Entwicklung durchmacht, mit sich und ihrem Trauma zu kämpfen hat und sich schließlich von ihren Ängsten löst und ihren Weg im Leben findet. Dass dazu auch die jeweiligen Romanzen gehören, fand ich nicht störend, sondern im Gegenteil realistisch und zur Geschichte passend und auch irgendwie versöhnlich. Ich lebte mit allen dreien stark mit, war fast traurig, wenn ich von den anderen nicht so viel las, wie bei guten Freundinnen, die man gerne um sich hat. Auch die Beschreibung der anderen Stadtbewohner, die teilweise recht skurril rüberkamen, und ihr Leben in der Kleinstadt fand ich authentisch, und insofern ist es eben auch eine Milieustudie. Ein bisschen ist das Buch durchaus Krimi, denn mit dem letzten Teil, aus der Sicht Kats, der Polizistin, erzählt, folgt auf die eher emotionalen Teile ein nüchterner mit Ermittlungsarbeit und kulminiert in einem, wie ich fand, fulminanten Finale, das schließlich zur Festsetzung des Täters führt. Dadurch dass die drei Frauen selbst zu den Opfern gehören, wird man auch als Leser emotional sehr in das Geschehen involviert.

Fazit: Ein für mich großartiger und sehr fesselnder Psychothriller mit tollen Charakteren, den ich gerne in einem Rutsch durchgelesen habe. Dass dies ein zweiter Band ist, habe ich nicht bewusst wahrgenommen – ich kenne den ersten Band nicht und hatte nicht das Gefühl, dass dieser auf dem ersten aufbaut. Die Geschichte ist sehr stringent und nicht zuletzt super spannend!

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Veröffentlicht am 13.11.2019

3. Fall für die frankophile Kölner Ermittlerin Hannah Richter

Verhängnisvolle Provence (Hannah Richter 3)
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Bei einem ermordeten Mann in Köln wird der Ausweis einer Kosmetik-Firma gefunden, die ihren Sitz in der Provence in Südfrankreich hat, nahe des Städtchens Vaison-la-Romain. Schnell wird die Kommissarin ...

Bei einem ermordeten Mann in Köln wird der Ausweis einer Kosmetik-Firma gefunden, die ihren Sitz in der Provence in Südfrankreich hat, nahe des Städtchens Vaison-la-Romain. Schnell wird die Kommissarin Hannah Richter trotz Urlaubs hinzugezogen, denn sie spricht fließend französisch und kennt das Städtchen aus einem Austauschprogramm und aus früheren Fällen genau. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Serge macht sich Hannah auf nach Südfrankreich und beginnt vor Ort zu ermitteln, während ihr Kollege Michael in Köln den Fall bearbeitet. Schnell zieht der Fall immer größere Kreise, und es bleibt auch nicht bei einer Leiche. Hängen die Fälle zusammen?

Bereits der dritte Fall für die Kölner Ermittlerin Hannah Richter, die erneut in ihrem geliebten Südfrankreich ermitteln darf und dabei wieder einmal ihren Spürsinn beweist. In bewährter Manier mit lässigem, sehr eingängigem Schreibstil verknüpft die Autorin die Fälle, legt falsche Spuren und lässt mit ihren bildhaften Beschreibungen die französische Landschaft und Lebensart vor dem inneren Auge des Lesers entstehen. Ihre Charaktere sind liebevoll gezeichnet, vielschichtig und niemals einseitig schwarz-weiß, sondern authentisch und sympathisch. Auch wenn man die vorherigen Bände nicht gelesen hat, kommt man sehr gut in die Geschichte hinein, die Fälle sind in sich abgeschlossen. Dennoch ist es aus naheliegenden Gründen hilfreich sie zu kennen, denn Hannahs Privatleben nimmt einen recht großen Raum ein und wird in den Bänden kontinuierlich fortgeführt. Hannahs Faible für römische Geschichte und Altertümer tritt in diesem Band allerdings etwas in den Hintergrund, dafür gewinnt das Thema Beziehung – zu ihrem Lebensgefährten Serge, zu ihren Freunden in der Provence – eine immer größere Bedeutung und damit einhergehend auch die Frage nach Familienplanung und möglichem neuen Lebensmittelpunkt.

Formal wieder eingebettet in Pro- und Epilog wird die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt, wobei sich vorrangig die Hannahs und die ihres Kollegen in Köln abwechseln. Die beiden ermitteln parallel zueinander und örtlich voneinander getrennt und besonders die Einblicke in die Machenschaften der Pharmaindustrie sind spannend. Die Autorin legt hierbei einige falsche Fährten, und als mitermittelnder Leser war ich doch einigermaßen von der Auflösung überrascht. Schlussendlich fügt sich alles aufs Beste zusammen, wenn ich auch von einem Teil der Lösung nicht gänzlich überzeugt war, da dieser Aspekt nur „nebenbei“ abgehandelt und nicht näher erläutert wird und ich das in keinem Zusammenhang stehend und an den Haaren herbeigezogen fand. Dies tat aber dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Mit gefielen vor allem wieder die Beschreibungen der Provence, ihrer Menschen und deren Lebensart, die scheinbar doch ziemlich unterschiedlich zur deutschen ist. Doch mir schien, als würde Hannah, die anfangs eher spröde Deutsche, immer mehr dieser Lebensart zugeneigt, sie hat Beziehungen zu den Menschen aufgebaut und kommt auch mit den französischen Ermittlern klar. In einem jedoch ist sie sich treu geblieben, es ist wieder ihrer Hartnäckigkeit und ihrem Instinkt zu verdanken, dass die Fälle gelöst werden. Als „Beilage“ gibt es ein Glossar der französischen Begriffe, die verwendet werden (und das passiert oft!), eine Playlist und die INCI-Liste (für mich eher überflüssig, aber durchaus interessant) sowie Penelopes Zahnpastapulver-Rezept.

Fazit: Wieder ein sehr lesenswerter Band um die frankophile Kölner Ermittlerin, mit spannenden Fällen, tollen Charakteren und viel provencalischem Lokalkolorit. Eine sehr unterhaltsame Lektüre, die Lust auf Urlaub in der Provence und auf mehr Fälle von Hannah Richter macht. Auch für Einsteiger geeignet und für Fans sowieso ein Muss.