Ich gebe zu, dass ich an dieses Buch herangegangen bin mit dem Wissen, dass es vermutlich nicht meinen Geschmack treffen würde, aber irgendwie hat es mich dennoch enttäuscht, wie wenig es mir gefallen hat. Was eventuell auch daran liegt, dass es an einigen Stellen meine Erwartungen wirklich übertroffen hat.
Den kompletten Anfang über leider kaum, hauptsächlich weil die ganze Welt mir nicht ganz sauber vorkommt, und ich wirklich keine Ahnung habe, warum bestimmte Dinge passieren. Es wirkte sehr wie eine Mischung aus Bachelor und Hunger Games, wobei aus Hunger Games ein Großteil des Worldbuildings übernommen wurde. Nur, dass ich immer noch keine Ahnung habe, warum. In Hunger Games habe ich absolut verstanden, warum die Distrikte und der Aufbau von allem, und auch wenn es damit auch so seine Probleme gibt, konnte ich da komplett in die Welt eintauchen, aber hier? Warum gibt es die Nummern, wenn dann alle Leute doch einfach gemeinsam überall leben? Oder so wirkte es auf jeden Fall. Es gibt eine Begründung für die Verteilung, aber warum genau hält das jemand für eine gute Idee? Was daran erscheint Leuten sinnvoll? In Hunger Games sollte ein weiterer Aufstand verhindert werden, aber hier? Ich habe keine Ahnung. Die Aufteilung wirkt, als würde sie nur zu Komplikationen und sonst nichts führen können, weil dadurch mehr Leute sauer sind, aber es gibt im Gegenzug keinen Vorteil für irgendwen. Also warum sich selbst mögliche Schwierigkeiten bringen, wenn man genauso gut keine Kasten haben könnte?
Genauso unausgereift fand ich leider auch Americas Familie. Nach allem, wie die Mutter am Anfang auftritt, soll ich noch glauben, dass die ein gutes Verhältnis zueinander haben? Die Geschwister, die plötzlich irgendwann random erwähnt werden und vorher und später nie wieder eine Rolle spielen? Der kleine Bruder, der mit sieben plötzlich sein Talent entdecken muss, und von dem sie herausfinden wollen, für was er eine Begabung hat? Überhaupt das alles mit dem Bruder fand ich sehr merkwürdig. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Begabung für Kunst gefunden werden kann, indem man ein Kind mit sieben vor eine Leinwand setzt. So funktioniert Kunst nicht. Es ist ja nicht so, als würden die Leute in der Welt von Selection mit Begabungen geboren werden. (Oder doch? In dem Falle hätte man es vielleicht erwähnen sollen.) Also warum nicht das Kind von Anfang an mit einer Mischung aus Kunst und allem anderen aufwachsen lassen, also dass es sich immer selbst etwas künstlerisch weiterentwickeln kann? Ich verstehe noch immer nicht, was das Ziel davon war, den kleinen Bruder einfach wie zufällig vor irgendwelche Kunstobjekte zu setzen und aufs beste zu hoffen.
Aspen war unglaublich unsympathisch in meinen Augen. In Americas Erinnerung war er in Ordnung, besonders die Penny-Geschichte fand ich niedlich, aber in allem, bei dem ich ihn aktiv gesehen habe, fand ich ihn schrecklich. Nicht ein einziges Mal hat er innegehalten um zu erfahren, was genau America möchte, immer ging es um sein empfinden und nichts sonst, und dass er am Ende nicht einmal sofort ihr "Nein" akzeptieren wollte, und er nur mehr um sie kämpfen möchte, fand ich persönlich auch kritisch. Genauso die Tatsache, dass er scheinbar bereit ist, Americas Leben für seine Gefühle zu riskieren. Nur sein eigenes, meinetwegen, interessiert mich nicht, es ist sein Leben, aber sie kann sterben, wenn sie erwischt werden, also was genau denkt er sich dabei? Das ist doch keine Liebe! Wirklich nichts an ihm fand ich auch nur ansatzweise so, dass ich ihn als guten Menschen empfunden hätte, und gerade zum Ende hin fand ich ihn einfach nur schrecklich!
America war akzeptabel. Nicht großartig, aber oft auch nicht der schlimmste Charakter. Vielleicht manchmal (zum Beispiel als sie nicht sofort über Celeste mit der Sprache rausrückt, sondern erst ewig wartet), aber tatsächlich fand ich ihre Art meistens erträglich. Und ich mochte auch die Art, wie das Buch sie in Bezug auf die Auswahl dargestellt hat, und dass sie es geschafft hat, in wichtigen Momenten genau das zu zeigen, was sie zeigen sollte, ohne es überhaupt zu merken. Das kam mir durchaus schlau gemacht vor. Leider hat das Buch es dann kaputt gemacht, indem sie bei sich vom Gegenteil von allem gesprochen hat, was vorgefallen ist, wodurch das alles schon wieder gezwungen wirkte. Sie fürsorglich darzustellen ohne es zu kommentieren war gut. Sie dann sagen zu lassen, sie sei egoistisch, obwohl sie nicht ein einziges mal auch nur ansatzweise derartige Verhaltenszüge gezeigt hat, war zu viel des guten und hat mir auch die ursprüngliche Darstellung wieder kaputt gemacht.
Dass sie kein Blatt vor den Mund nimmt und es gerade dadurch schafft, sich irgendwie mit Maxon anzufreunden, mochte ich, und auch der ursprüngliche Deal war fantastisch in meinen Augen (ich fand die Idee so gut!), aber dass sie dann gleichzeitig immer sich selbst einredet, dass aus irgendwas nichts werden kann, oder sie Maxon gar nicht mag, oder ... egal was, fand ich unglaublich anstrengend. Die Mischung hat leider dafür gesorgt, dass ich sie insgesamt hauptsächlich nervig fand, trotz einiger guter Momente.
Maxon ist ... Maxon. Vielleicht nicht die schlauste Kerze auf der Torte, weil er keine Ahnung von seinem Land hat, aber er ist nett. Und jemand anderes meinte, dass es nur nett ist, und sonst nichts, und ja, das stimmt. Aber ehrlich gesagt war mir das vollkommen ausreichend. Mit allen anderen Figuren ist so viel los, und man kann irgendwie nirgends durchblicken, und alles ist so sehr hin und her, aber Maxon ist einfach nett. Zuvorkommend, aufmerksam, sehr höflich, und gibt sein bestes. Und das ist genug. Zum Ende hin wird er als Figur schlechter, aber bis dahin fand ich ihn einfach niedlich und er war (neben Marlee am Anfang und einigen anderen Teilnehmerinnen) der einzige Lichtblick im Buch.
Und tatsächlich würde ich mich glaube ich für Maxon und America interessieren und ihnen nur das Beste wünschen und vielleicht sogar weiterlesen, wenn Aspen nicht wäre. Aspen ist mir so unglaublich unsympathisch, dass die Aussicht darauf, dass er angeblich auch Chancen bei America haben soll, so schrecklich ist, dass ich nichts mehr davon wissen will. Nur Maxon und America mit allen Problemen, die vermutlich eh schon da wären fände ich unglaublich interessant, Aspen mit dabei? Auf keinen Fall. Das wird nur für zu viel unnötiges Drama und Grenzüberschreitungen und Probleme sorgen, und ich wünschte, ich müsste den Namen nie wieder lesen, einfach weil diese Art von Dreiecksbeziehung mir eh schon auf die Nerven geht, und dass America da Entscheidungsschwierigkeiten haben soll (oder vermutlich haben wird), macht es nur schlechter. Es hätte auch ohne dieses Drama genug Geschichte gegeben, bestimmt.
Dass Musik so wichtig für America ist aber dann nur einmal wirklich eine Rolle spielt, finde ich auch komisch, und die Tatsache, dass es keinerlei Geschichtsbücher in der Welt gibt, kommt mir wirklich nicht logisch vor. Warum? Und wenn das Ziel ist, dass irgendwas verheimlicht wird, warum dann nicht einfach falsche Geschichtsbücher drucken? (Es gibt immer wieder solche Kleinigkeiten, bei denen ich das Gefühl habe, die Welt sei nicht durchdacht.)
Alles in allem fand ich die Szenen zwischen Maxon und America großteils gut, und einige Szenen mit nur America (hauptsächlich mit den Zofen) haben mir auch gut gefallen, sodass ich das Buch nicht komplett schrecklich fand, aber während ich dem Buch bis zu Seite 300 vermutlich 3 Sterne gegeben hätte, fand ich alles rund um die Aussicht auf Aspen-America-Maxon-Probleme danach so schrecklich (und auch das Worldbuilding davor so durcheinander), dass ich nicht guten Gewissens irgendwas über 2 Sterne geben kann. Teilweise war es lustig und hat Spaß gemacht, die negativen Gefühle am Ende haben aber leider stark überwogen.