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Veröffentlicht am 30.08.2021

Auf Perihelbahnen präzediert man der Auflösung des Kriminalfalls entgegen

Dein dunkelstes Geheimnis
12

"Dein dunkelstes Geheimnis" ist der mittlerweile sechste Roman von Jenny Blackhurst. Er firmiert unter dem Genre Psychothriller, wäre jedoch weitaus besser im Genre des Kriminalromans aufgehoben, unterlegt ...

"Dein dunkelstes Geheimnis" ist der mittlerweile sechste Roman von Jenny Blackhurst. Er firmiert unter dem Genre Psychothriller, wäre jedoch weitaus besser im Genre des Kriminalromans aufgehoben, unterlegt mit etwas gesellschaftskritischen und leicht dramatischen Aspekten. Nicht uninteressant geschrieben und durchaus bestens als unterhaltsame Lektüre geeignet, ist er weder einschläfernd noch aufpeitschend und befindet sich in puncto Spannungslevel irgendwo zwischen diesen beiden Extremen – Tendenz: Zunehmend ansteigende Spannung mit voranschreitender Seitenzahl bis hin zum fulminanten aber ein wenig überstürzten Finale.

Das Buch beginnt mit der Frage „Wo ist sie?“ und zusammen mit dieser Fragestellung und den Protagonisten mäandert der Leser so nach und nach durch die Handlung des Buches. Gestellt wird die Frage während regelmäßig wiederkehrender Gefängnisbesuche von Kathryn an ihren Vater Patrick, der vor 25 Jahren Kathryns beste Freundin Elsie ermordet haben soll – zumindest hat er den Mord, obwohl unaufgeklärt, an der damals Fünfjährigen gestanden und wurde dafür zu lebenslanger Haft verurteilt. Es ist dieses Ereignis, welches Kathryns Leben komplett auf den Kopf stellt und entgleisen lässt. Seither musste sie eine Menge durchmachen, hat wiederkehrende Alkoholprobleme, befindet sich in psychologischer Therapie und fühlt sich schlicht als „die Tochter des Monsters“. Vertrauen und Freundschaften kann sie nur noch zu wenigen Personen aufbauen, unter ihnen ihr Bruder Jordan, ihre Mutter Jill (zu der sie aber den Kontakt meidet) und ansatzweise ihre Nachbarin Miriam sowie ihre Therapeutin Veronica. Für ihren Vater empfindet Kathryn nur noch Hass und Verachtung. Ungewöhnlich und ein wenig gewöhnungsbedürftig berichtet Kathryn dies aus einer „Ich“-Perspektive heraus.

In einem parallelen, wenngleich nicht unabhängigen, Handlungsstrang wird nun auf Kathryns Heimatinsel Anglesey am 25. Jahrestag von Elsies Verschwinden wieder ein fünfjähriges Mädchen vermisst. Das Mädchen wird aus dem gleichen Wäldchen, hinter dem gleichen Haus wie damals entführt und sieht Elsie darüber hinaus auch noch zum Verwechseln ähnlich. Mit der Aufklärung dieses Falles sind „Detective Inspector“ Maggie Grant, deren Sexleben in der ersten Hälfte des Buches unnötigerweise etwas zu viel beleuchtet wird, und ihr Team befasst. Spätestens als Kathryn sich dazu entscheidet nach Anglesey zu reisen und bei der Suche des vermissten Mädchens mitzuhelfen, werden die beiden Handlungsstränge enger miteinander verwoben. Angekommen auf ihrer Heimatinsel wird Kathryn mehrfach wiedererkannt und es entfaltet sich – reichlich spät, aber gerade noch rechtzeitig - eine durchaus spannende Geschichte.

Das Buch - Jenny Blackhursts gefälligem und unkompliziertem Schreibstil lässt sich dabei recht einfach folgen - hat sicherlich seine Stärken, aber auch deutliche Schwächen. Zu seinen Stärken zählen zweifellos seine gesellschaftskritischen und dramatischen Komponenten, die das Leben Kathryns beschreiben, die (ungewollt) in eine Situation gerät, welche sie als Kind und ihrem weiteren Leben komplett überfordern. Zu den großen Schwächen des Buches gehört jedoch sicherlich, dass dem Leser in ein paar Schleifen zu viel die gleichen Informationen vorgekaut, wichtige Details zum Miträtseln hingegen verschwiegen werden und letzten Endes dann auch leider ein paar Zufälle zu viel zusammenkommen. Darüber hinaus gibt es mehrfach logische Brüche in der Handlung, manche Aktionen versanden und werden nicht mehr aufgenommen. Repräsentatives Beispiel ist u.a. der unklare Zusammenhang zwischen Handlung und Cover des Buches, wobei das Cover alleine ein echter Blickfang ist. All dies lässt die Lektüre ein wenig zu konstruiert wirken. Dennoch steigert sich im Verlauf des Buches das Spannungslevel im schwungvollen zweiten Teil deutlich, was den Leser dann schon mitzureißen vermag und anregt darüber nachzudenken, wie er selbst in verschiedenen Rollen wohl gehandelt hätte und wie leichtfertig man sich oftmals ein Urteil über andere Menschen bildet.

Fazit: Die Grundidee zu Jenny Blackhursts "Dein dunkelstes Geheimnis" ist sehr gut gewählt und die gesellschaftskritischen und dramatischen Aspekte kommen auch deutlich heraus; die Entfaltung der Handlung hingegen mutet, trotz flüssigen und nie langweiligen Schreibstils, dann doch eher wie ein Kriminalfall in bester „Tatort“-Manier an - gleichsam einer unterhaltsamen Geschichte, die man entspannt gerne mal so nebenbei liest, welche allerdings den Leser nicht sonderlich fordert und auch kaum zum Mitdenken bei der Lösung des Falls motiviert. Da die Protagonisten insgesamt eher blass bleiben, hätte ich mir an manch einer Stelle ein plötzliches Auftauchen von Margaret Rutherford alias Miss Marple gewünscht, die den Leser aus seiner aufgezwungenen Lethargie wachrüttelt und mit gezielten Hinweisen etwas Klarheit in den Fall und sein überhastetes, leicht konfuses Ende bringt. Das Buch ist weiß Gott nicht schlecht, aber aus dieser wirklich originellen Basis hätte Jenny Blackhurst meines Erachtens deutlich mehr machen können. Das Potential zu einem wunderbaren Kult-Psychothriller wäre eindeutig da gewesen, diese Chance wurde aber leider vertan. Was bleibt, ist ein unterhaltsamer, aber durchschnittlicher Kriminalroman mit kleinen kritischen Botschaften.

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Veröffentlicht am 19.08.2021

Schläfst du noch ... oder mordest du schon?

Tief wirst du schlafen
4

Das Buch „Tief wirst du schlafen“ von Christian Kraus ist ein überaus spannender Psycho-Thriller über die „dunkle Seite“ der Hypnose, der vom Autor sehr intelligent aufgebaut ist. Zunächst beginnt die ...

Das Buch „Tief wirst du schlafen“ von Christian Kraus ist ein überaus spannender Psycho-Thriller über die „dunkle Seite“ der Hypnose, der vom Autor sehr intelligent aufgebaut ist. Zunächst beginnt die Geschichte mit einem Hypnose-Text und wird dann, wie in vielen Thrillern, mit einem handelsüblichen Mord fortgesetzt, wobei in diesem Fall die Mordwaffe ein Küchenmixer ist und die Art und Weise wie die Frau ihren Lebensgefährten um die Ecke bringt, nichts für schwache Nerven sein dürfte.

Christoph Kerber andererseits ist Gerichtsgutachter für forensisch-psychologische Fragestellungen. In dieser Funktion sorgt er zu Beginn des Buches mit seiner psychologischen Einschätzung eines Angeklagten für die Verurteilung des Bruders eines Mafiapaten, der im Gegenzug noch während der Gerichtsverhandlung versucht ein Attentat auf Kerber zu verüben. Nur knapp und mit gehörig Glück überlebt Kerber den Angriff. In einem weiteren parallelen Handlungsstrang wird die Escortdame Selina von einem Mann hinterhältig betäubt, in ein abgelegenes Studio gebracht und soll dort in einem Film von mehreren Männern vergewaltigt werden. Selina ist aber eigentlich Reporterin und erfahrene Kampfsportlerin hat die Gefahr antizipiert und die K.O.-Tropfen gar nicht eingenommen, die Situation stets unter Kontrolle und kann sich aus der Umklammerung ihrer Entführer befreien. Sie scheint überaus Risiko-bereit und scheint sich in der Vergangenheit für eine gute Story schon öfters solchen Gefahren ausgesetzt zu haben. Fast zeitgleich mit einem im Internet kursierenden Hypnose-Video taucht dann Kerbers alter Studienfreund 'Fish', mit dem er früher an der Optimierung von Hypnose (genau genommen dunkler Hypnose) experimentiert hat, auf und Kerber bekommt erste Schwierigkeiten in der Beziehung mit seiner schwangeren Lebensgefährtin Eva.

Der Leser wird hier also mit sehr vielen zunächst unabhängigen Handlungssträngen konfrontiert, die sich dann aber so nach und nach zu klären und zusammen zu fügen scheinen - man glaubt fest, der Nebel lichtet sich. Immer jedoch, wenn der Leser glaubt, das Geschehen nun zu verstehen und im Griff zu haben, folgt aber eine völlig unvorhersehbare Wendung und man fragt sich zusehends mehr, was in der Geschichte ist nun Realität und was ist Fiktion im Leben der Protagonisten, insbesondere von Christoph Kerber. Möglicherweise wird der Leser selbst durch wiederkehrende Anleitungen zeitweise hypnotisiert, in jedem Fall wird er vom Handlungsstrom unweigerlich mitgerissen und befindet sich ohne Unterbrechung im Bann dieses hervorragenden Thrillers.

Christian Kraus hat hier einen sehr klug inszenierten Psychothriller vorgelegt, der mir auf seine Art etwas ganz Neues in diesem Genre zu sein scheint. Sehr flott, spannend und überzeugend treibt der Autor die Handlung mit einer für jedermann verständlichen Sprache voran, führt die Protagonisten zusammen mit dem Leser nach Belieben in Klarheit oder in die Irre – umso mehr, je weiter man mit der Seitenzahl voranschreitet. Absolut passend dazu wurde ein eindrucksvolles und in jeglicher Hinsicht „wahnsinniges“ Buchcover gewählt – bei zu langer Betrachtung führt es den Leser vermutlich direkt in die Hypnose oder zu Wahnvorstellungen – ganz ohne besagtes Video.

Die Hörbuchversion wird zudem sehr überzeugend von Frank Stieren vorgelesen. Aufgrund der wiederkehrenden, authentischen Hypnose-Anweisungen und Frank Stierens für diese Hörbuch idealen Lesestils tendiere ich dazu, in diesem Fall das Hörbuch dem Buch sogar vorzuziehen.

Fazit: Christian Kraus hat mit „Tief wirst du schlafen“ einen hervorragenden Psychothriller geschrieben, der von der ersten bis zur letzten Seite zu überzeugen vermag. Kraus setzt dazu alle seine Fachkenntnis als Psychiater und Psychoanalytiker ein und verbindet sie mit seinem grandiosen Talent als Autor. Zu gu­ter Letzt wartet das Buch mit einem völlig überraschenden Finale auf, welches den Leser zum nochmaligen Lesen verleitet, ja letzteres aufgrund der offenen Fragen fast schon unabdingbar macht. Für mich zählt „Tief wirst du schlafen“ zu den spannendsten und interessantesten Büchern seines Genres. Chapeau, Christian Kraus!

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Veröffentlicht am 19.08.2021

Eine nächtliche Flucht vor dem Mut zum Thriller!

Nachtflucht – Hinter dir der Tod
2

"Nachtflucht" von Jessica Barry behandelt so wichtige und aktuelle Themen wie etwa den Umgang mit Frauenrechten, Schwangerschaftsabbruch, meetoo-Debatte, religiösem konservativem Glauben, häuslicher Gewalt, ...

"Nachtflucht" von Jessica Barry behandelt so wichtige und aktuelle Themen wie etwa den Umgang mit Frauenrechten, Schwangerschaftsabbruch, meetoo-Debatte, religiösem konservativem Glauben, häuslicher Gewalt, etc. Unglücklicherweise segelt die Geschichte unter der falschen Flagge "Thriller" und erleidet damit leider ein klein wenig Schiffbruch.

Klappenetxt zu Nachtflucht - Hinter dir der Tod, Thriller:
"Zwei Frauen. Ein Killer. Zu viele Geheimnisse.
Eine nächtliche Fahrt durch die Wüste von New Mexico. Zwei Frauen in einem Auto, die sich nie zuvor begegnet sind. Beide haben Geheimnisse, die sie um jeden Preis bewahren wollen. Doch jetzt haben sie ein gemeinsames Ziel. Und einen gemeinsamen Verfolger. Denn jemand beobachtet sie. Jemand will sie töten. Aber welche der beiden hat der mysteriöse Unbekannte im Visier? Für die Frauen ist nur eines sicher: Wenn sie überleben wollen, müssen sie einander vertrauen."

So viel hätte man aus diesem wunderbaren Plot machen können. Nichts aus dem Klappentext ist falsch. Allerdings birgt die Geschichte reichlich wenig Action und Spannung in sich - zumindest viel weniger als das der Klappentext und das tolle Buchcover versprechen. In vielen Rückblenden, die sich zeitlich in Etappen der Gegenwart annähern, erfahren wir immer mehr über die beiden Frauen und ihr Umfeld - auch über die Wechselwirkung, wie sie auf ihr Umfeld einwirken und ihr Umfeld auf sie und natürlich auch darüber, was die beiden Frauen miteinander verbindet. So weit, so gut. Leider geht die Verknüpfung des Thriller-Charakters mit den oben genannten wichtigen Themen auf dem Highway bei der nächtlichen Flucht leider verloren und bleibt dann auch weitestgehend auf der Strecke, irgendwo am Staßenrand.

Dennoch hat mich das Buch in seiner Diskussion über eine fälschlicherweise Männer-dominierte konservative Sichtweise in unserer Gesellschaft abgeholt, mitgenommen und auch begeistert. Die Charaktere, insbesondere von Katie und Rebecca aber auch aller Nebendarsteller, werden im Verlauf der Geschichte sorgfältig heraus gearbeitet. Aus dieser notwendigen, zeitgemäß überfälligen und auch überaus angebrachten Gesellschaftskritik hätte Jessica Barry aber meines Erachtens so viel mehr machen können, wenn sie diese Thematik besser mit der für das Genre "Thriller" erwarteten Spannung und Action in der Handlung untermauert hätte. So bleibt dann der "Thrill" dieser Geschichte leider eindeutig zu blass.

In der Hörbuchvariante besitzt Uta Simone übrigens die perfekte Stimme für diesen Plot. Leider wurde das Hörbuch in ungefähr immer gleichlange 3 Minuten Tracks aufgeteilt. Die jeweiligen Schnitte sind daher oftmals sehr ungeschickt gewählt und fallen so gut wie nie mit dem Beginn eines Kapitels zusammen. Auch ist die Lautstärke innerhalb der Tracks mal lauter, mal leiser, was den Hörgenuss auf Dauer auch ein wenig trübt.

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Veröffentlicht am 11.08.2021

Hochspannung trotz oder wegen totalen Internetausfalls

Systemfehler
4

Das Buch „Systemfehler“ von Wolf Harlander ist ein hoch-spannender, leicht dystopischer Thriller, der sich mit dem interessanten Szenario auseinandersetzt, was bei einem europaweiten Ausfall des Internets ...

Das Buch „Systemfehler“ von Wolf Harlander ist ein hoch-spannender, leicht dystopischer Thriller, der sich mit dem interessanten Szenario auseinandersetzt, was bei einem europaweiten Ausfall des Internets eintreten könnte. Die Fragestellung des „Was wäre, wenn tatsächlich das Internet von einem zum nächsten Moment ausfallen würde?“ wird dabei so authentisch und realitätsnah beschrieben, dass sich der Leser unmittelbar in die Handlung hinein versetzt fühlt und durchweg am Puls dieser Geschichte verbleibt.

Protagonist Daniel Faber ist IT-Experte in einer Spielesoftware-Entwickler-Firma. Als Marketing-Manager hat er Zugriff auf die Spiele-Software bereits lange vor der offiziellen Veröffentlichung. Details zur neuesten Spiele-Entwicklung „Cyber Nation War“ unterliegen allerdings höchster Geheimhaltung und so darf Sohnemann Ben ausnahmsweise dieses Brand-aktuelle Online-Spiel nicht vorab installieren und kennenlernen, wie sonst üblich. Unerlaubt verschafft sich Ben dennoch Zugang zum Spiel und verbreitet vermutlich dadurch ein äußerst übles Virus im Internet. Das verschärft einerseits Daniels Eheprobleme mit seiner Frau Isabelle und kostet ihn seinen Job, andererseits ruft es den BND auf den Plan, der fortan Daniel im Nacken sitzt. Exemplarisch an Daniels Familie - neben Daniel und Ben gehören auch Daniels Frau Isabelle, seine beiden Töchter Carolin und Sophie, seine Schwester Claudia, die Ärztin in einem Hamburger Krankenhaus ist, und seiner Mutter in Nürnberg zu den Protagonisten – demonstriert Wolf Harlander, welche Konsequenzen ein solcher Totalausfall des Internets nach sich zieht. Der BND wird in erster Linie durch die Protagonisten Nelson Carius und seine Kollegin Diana vertreten. Es entspinnt sich ein Horrorszenario, in welchem Flugzeuge abstürzen, Patienten auf Intensivstationen sterben, Wasser- und Lebensmittelversorgung zusammenbrechen, Bus- und Bahnverkehr lahmgelegt sind und vieles mehr. Und natürlich machen sich politische Gruppierungen die Situation zu Nutzen und suchen ihren Vorteil.

Der Schreibstil von Autor Wolf Harlander ist unkompliziert und sehr flott, wodurch der Spannungspegel stets sehr hoch gehalten wird. Auch der ständige Perspektivenwechsel, bei dem die Handlung aus Sicht diverser Protagonisten erzählt wird, trägt erheblich dazu bei, dass beim Leser nie das Gefühl von Langeweile auch nur im Entferntesten aufkeimen könnte. Kleines Manko ist für mich, dass Wolf Harlander wohl die Zahl der Charaktere überschaubar halten wollte und der Plot somit representativ auf Daniels Familie zurecht gezimmert wurde. Hier kommen eine Menge Zufälle natürlich zusammen, sodass alle Familienmitglieder die relevanten Berufe, notwendigen Charakteristika und Interessen haben. Andererseits wäre die Handlung erheblich komplexer geworden und die Anzahl an Charakteren zusammen mit dem Buchumfang immens angestiegen, wenn Wolf Harlander dies auf weitere Charaktere verteilt hätte. Das Cover des Buches ist grandios und fantastisch passend zur Handlung des Buches ausgewählt. Die Hörbuchversion wird hervorragend von Uve Teschner gelesen.

Fazit: Wolf Harlander hat mit seinem Thriller „Systemfehler“ ein zwar hypothetisches, dafür aber überaus realitätsnahes Szenario darüber geschildert, welche katastrophalen Folgen ein Ausfall des Internets in unserer modernen Gesellschaft unmittelbar nach sich ziehen würde. Der Leser befindet sich immer mitten in der Handlung und wird in Zeiten von Hackerangriffen zum darüber nachdenken angeregt, was in solch einer Situation alles passieren könnte und wie abhängig unsere Gesellschaft von der modernen Computerwelt und von einem intakten Internet geworden ist. Viel besser als in „Systemfehler“ lässt sich das kaum vor Augen führen.

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Veröffentlicht am 03.08.2021

„Und es ward Licht“: Mittels Quantum- und Cluster-Computing zur Mordserie im abgelegenen Kloster L’Archange Michel

Die Gottesmaschine
11

Der Roman „Die Gottesmaschine“ von Reinhard Kleindl ist ein typischer Vertreter des Genres Thriller und lässt sich wohl am besten als eine Mischung von Ideen aus diversen Büchern von Dan Brown mit Elementen ...

Der Roman „Die Gottesmaschine“ von Reinhard Kleindl ist ein typischer Vertreter des Genres Thriller und lässt sich wohl am besten als eine Mischung von Ideen aus diversen Büchern von Dan Brown mit Elementen aus Umberto Ecos „Der Name der Rose“ charakterisieren, ohne aber auch nur an einer einzigen Stelle als billiger Abklatsch seiner Vorlagen zu wirken.

Bereits im Prolog ist die Spannung sehr hoch und der Leser erfährt vom Tode einer bis dahin unbekannten Person im fiktiven Kloster L’Archange Michel. In der Folge schreitet die Handlung dann ein wenig gemächlicher voran, was der umfangreichen Einführung der Protagonisten geschuldet ist: Der von seiner Afrikamission zurückgekehrte Weihbischof Stefano Lombardi möchte seinem Freund Alessandro Badalamenti einen Gefallen bereiten und soll einen Blick auf dessen Zögling, den Mönch Sébastien, werfen. Etwas unbeholfen und tolpatschig irrt Lombardi auf seiner Suche nach Sébastien, der auf einem „Supercomputer“ Rechnungen im Dienste der Wissenschaft anstellt, erst einmal durch das, zugegebenermaßen sehr fortschrittliche, Kloster und erinnert dabei in seiner leicht unbeholfenen Art ein wenig an den Fernsehkommissar Columbo (Trenchcoat dabei durch typische Priesterkleidung ersetzt). Da er bei seinen Irrungen und Wirrungen nun nicht übermäßig erfolgreich scheint und ihm die Mönche ihre Unterstützung weitestgehend versagen, stellt ihm Autor Reinhard Kleindl die sympathische, wenngleich auch etwas undurchsichtige Wissenschaftlerin Samira Amirpour zur Seite, was dem weiteren Verlauf der Geschichte enorm gut tut, insbesondere dadurch, dass Amirpour dem Leser die wissenschaftlichen Zusammenhänge näher bringt. Lombardis Ausführungen hingegen vermitteln dem Leser in kirchlichen Fragen das notwendige Rüstzeug. Dank einer überaus modernen und hilfreichen Smartphone-App des Klosters lassen sich Touren durch die dunklen Labyrinth-artigen Gänge des Klosters leichter durchführen – zumindest manchmal, hin und wieder wird's auch lebensgefährlich. Vermöge dieser App erfährt Lombardi zunächst vom Tod Sébastiens, später entdeckt er zusammen mit Amirpour dann auch dessen Leiche – es wird nicht der letzte Ermordete im Kloster bleiben. Nach und nach lernen wir immer mehr die wichtigsten Charaktere des Romans kennen u. a. Abt Shanti, den kauzigen und schrullige Pater Angelus, den traditionellen Hardliner Pater Philipp, einige weitere Mönche wie beispielsweise Demetrios, Blessings oder den Novizen Weiwei, zwei Computerexperten und den mysteriösen Diener. Viele spannende Wendungen sorgen dafür, dass manch vom Leser als Hauptverdächtiger für die Morde gehaltene Charakter bereits in den Folgekapiteln nicht mehr unter den Lebenden weilt. Speziell im zweiten Teil des Buches nimmt die Handlung nochmals gehörig Fahrt auf und die Handlungssträge verteilen sich auf besagtes Kloster und den Vatikan.

Reinhard Kleindls Schreibstil ist flüssig und recht unkompliziert gehalten, wodurch es ihm, unterstützt durch kurze, mit Cliffhangern endende Kapitel gelingt, die Spannung und das Tempo jederzeit recht hoch zu halten. Trotz kleinerer Ungereimtheiten und Unstimmigkeiten weiß der Roman durchweg zu überzeugen und braucht den eingangs erwähnten Vergleich mit der wohlbekannten Literatur aus der Feder Dan Browns keineswegs zu scheuen. An Umberto Ecos „Der Name der Rose“ reicht der Plot dann sicherlich nicht ran, dazu hätte „Die Gottesmaschine“ aber auch mindestens den doppelten Umfang benötigt, um einerseits die Charaktere der Protagonisten noch besser heraus zu arbeiten und andererseits die Handlungsstränge sich ein wenig besser entfalten zu lassen und sie dann schließlich auch zu Ende zu führen. Nun gibt es aber auch nicht besonders viele Romane, die den Büchern von Umberto Eco standhalten könnten - bei solch einem Vergleich liegt die Messlatte dann natürlich auch schon gehörig hoch. Das im Prinzip sehr interessant gestaltete Cover in Kombination mit dem Titel des Buches mag leicht irreführend sein, da der Leser auf die versprochene „Gottesmaschine“ oder das, was man sich als Leser auch immer darunter vorstellen mag, vergebens wartet.

Fazit: Reinhard Kleindl hat mit seinem Thriller „Die Gottesmaschine“ einen sehr spannenden, interessanten und lehrreichen Roman geschrieben, der mich im Großen und Ganzen sehr überzeugt hat und der sich durchaus auf Augenhöhe mit jenen von Dan Brown befindet. Wissenschaftlich - die Physik wurde dabei sehr schön herausgearbeitet - bleibt das Buch stets einwandfrei, der Konflikt zwischen Kirche und Wissenschaft wird sehr realistisch, glaubwürdig und überzeugend dargestellt. Sehr gut gefällt mir darüber hinaus die versteckte Kritik an den Medien, wenn Teilaussagen aus dem Kontext heraus gepflückt und/oder lediglich auf Überschriften komprimiert werden. Sehr eindrucksvoll wird in „Die Gottesmaschine“ dargelegt, wozu eine solche Polarisierung und Stimmungsmache letzten Endes führen kann. Es bedarf dazu reichlich wenig, um die Welt ins Chaos zu stürzen: Einige falsch interpretierte Meldungen, Stimmungsmacher mit terroristischen Tendenzen und eine etwas unzufriedene und orientierungslose Menschenmasse, die sich leicht beeinflussen lässt reichen als Ingredienzien. Unterm Strich ist „Die Gottesmaschine“ ein sehr überzeugender Thriller, bei dem der Plot recht gelungen ist und dessen Spannungslevel nie nachlässt.

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