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Veröffentlicht am 06.03.2023

Der Wert von Freundschaft

Alte Sorten
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Liss arbeitet gerade in ihrem Weinberg, als ihr Sally über den Weg läuft. Sie ist jung und aufbrausend, überzeugt davon, dass keiner sie versteht, es in der Regel auch gar nicht erst versucht.

Sie ist ...

Liss arbeitet gerade in ihrem Weinberg, als ihr Sally über den Weg läuft. Sie ist jung und aufbrausend, überzeugt davon, dass keiner sie versteht, es in der Regel auch gar nicht erst versucht.

Sie ist gerade mal wieder aus einer Klinik getürmt, in die ihre Eltern sie aufgrund ihrer Essstörungen eingeliefert haben.

Auf den ersten Blick scheinen Liss und Sally wenig Gemeinsamkeiten zu haben. Die alleinlebende etwa 40jährige Bäuerin Liss macht einen ruhigen Eindruck, ist eher wortkarg und stets mit irgendeiner Arbeit auf ihrem Hof beschäftigt. Sally kann gar nicht glauben, das da jemand ist, der ihr keine Befehle erteilen will, der ihr einfach so ein Zimmer zum Übernachten anbietet und keine Forderungen damit verbindet. Ihr Mißtrauen gegenüber anderen Menschen sitzt tief. Die Freundschaft, die sich ganz langsam zwischen der Frau und dem Mädchen entwickelt ist zerbrechlich, wie sich herausstellt und muß sie sich auch erst bewähren.

Durch Sally‘s Augen entdecken wir als Leser die Schönheit und Vielfalt der Natur, die Arbeiten, die auf einem Hof so anfallen, die nicht enden wollende Arbeit, aber auch die Befriedigung, die diese Arbeit mit sich bringt. Ewald Arenz entwickelt seine Figuren mit viel Empathie und Einfühlungsvermögen.

Nach und nach erfährt man die Lebensgeschichten beider Frauen und auch warum Liss sich in der jüngeren Sally oft selbst wiedererkennt.

„Alte Sorten“ ist eine ruhige Geschichte über den Wert von Freundschaft, die keinen großen Spannungsbogen hat und trotzdem nicht langweilig wird.

Man spürt, dass der Autor sich mit dem Landleben, über das er schreibt gut auskennt. Nicht nur die Idylle, auch die Härte und die Nachteile des bäuerlichen Lebens werden gut beschrieben.

Mir hat der Roman richtig gut gefallen. Im Klappentext heißt es, es sei ein Roman der entschleunigt und den Blick aufs Wesentliche lenkt. Das kann man wirklich unterstreichen.

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Veröffentlicht am 27.02.2023

Das wahre Gesicht der Evelyn Hugo

Die sieben Männer der Evelyn Hugo
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Auf dieses Buch war ich wirklich neugierig. Es hat ja einen richtigen Hype ausgelöst, und letztendlich wollte ich mir doch gerne selbst eine Meinung dazu bilden.



Monique Grant‘s Karriere als Lokaljournalistin ...

Auf dieses Buch war ich wirklich neugierig. Es hat ja einen richtigen Hype ausgelöst, und letztendlich wollte ich mir doch gerne selbst eine Meinung dazu bilden.



Monique Grant‘s Karriere als Lokaljournalistin dümpelt so vor sich hin, als sie das Angebot bekommt, mit der Hollywoodikone Evelyn Hugo ein Interview zu machen. Diese eröffnet ihr in einem der ersten Gespräche, dass sie möchte, dass Monique ihre Biografie schreiben solle, eine Chance, die sich die junge Reporterin nicht entgehen lassen kann.

Evelyn Huge, die inzwischen eine alte Dame ist, allerdings eine Schauspielerin, die immer noch eine Wahnsinnsausstrahlung hat, möchte sicher gehen , dass nach ihrem Tod, die Wahrheit über ihr Leben veröffentlicht wird. Es gibt natürlich viele Geschichten und Skandale, die die Klatschseiten jahrelang gefüllt haben, die aber recht wenig mit der wahren Evelyn Hugo zu tun haben.

Es war sehr spannend, in die schillernde Welt Hollywoods einzutauchen, die ganzen Facetten von Evelyn’s Persönlichkeit nach und nach zu entdecken und rauszufinden, warum sie ganz bewusst Monique als ihren Ghostwriter ausgewählt hat. Erst gegen Ende erfährt der Leser welche Verknüpfung sich die Autorin für diese beiden Leben ausgedacht hat.

Die Figur der Evelyn Hugo, die ja ein fiktiver Charakter ist, fühlte sich wirklich echt an. Man war versucht, die Filme von denen zwischendurch die Rede war zu googeln. Die Figurenzeichnung ist wohl auch die große Stärke von Taylor Jenkins Reid. Die Protagonistin Evelyn ist eine starke Frau, kein ganz einfacher und in jeder Hinsicht liebenswerter Charakter. Sie hat ihre Ecken und Kanten und agiert im Roman manchmal auch recht rücksichtslos gegenüber ihren Mitmenschen, immer dann nämlich, wenn es darum geht eigenen Interessen durchzusetzen. Das hat mir aber gerade gefallen, denn dadurch wirkte sie noch authentischer. Ich fand den Roman sehr unterhaltsam und war überrascht von einigen unerwarteten Wendungen. Es hat großen Spaß gemacht dem Hörbuch, dass mit mehreren Sprecher*innen vertont wurde zu lauschen.

Den Hype kann ich durchaus nachvollziehen. Von mir bekommt das Buch 4,5 Sterne. Es fängt die Zeit der großen Hollywoodstars in den 1950/ 1960 Jahren einfach großartig ein und lässt einen voller Nostalgie zurückblicken.

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Veröffentlicht am 24.02.2023

Alptraum in wildromantischer Kulisse

In blaukalter Tiefe
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Der neue Roman von Kristina Hauff „ In blaukalter Tiefe“, soviel sei vorweg gesagt, hat mich umgehauen.

Fünf Menschen treffen zusammen auf einem Segelboot. Es soll eine tolle Auszeit für alle werden. ...

Der neue Roman von Kristina Hauff „ In blaukalter Tiefe“, soviel sei vorweg gesagt, hat mich umgehauen.

Fünf Menschen treffen zusammen auf einem Segelboot. Es soll eine tolle Auszeit für alle werden. Die schwedischen Schären sind ein wunderschönes Segelrevier. Ein erfahrener Skipper ist mit an Bord. Was also soll schiefgehen ? Die Antwort: Alles !

Diese Geschichte ist ein psychologisches Kammerspiel, in dem es um Machtgefüge, um aufbrechende Ängste und Beziehungsprobleme geht.

Und dann ist da noch die Natur, die auf der einen Seite wunderschön ist, auf der anderen Seite aber auch ihre rauen und unberechenbaren Seiten hat.

So wie die Reise zunächst harmonisch und friedvoll beginnt, ist auch die Natur zu Beginn des Romans einfach nur wunderschön. Die beiden Paare, Anwaltschef Andreas und seine Frau Caroline, sowie Andreas, aufstrebender Mitarbeiter und Protégé Daniel mit seiner Freundin Tanja treffen an Bord einer gemieteten Segelyacht auf den wortkargen Skipper Eric. Bezahlt wurde die Reise komplett von Andreas, und das lässt er auch so richtig schön raushängen.

Schon nach kürzester Zeit ist klar, das es zwei Alphatiere an Bord gibt, nämlich Eric und Andreas. Für Daniel ergibt sich daraus schon mal ein Loyalitätsproblem, denn es kann nur einen Captain geben. Auf dem beengten Raum der Segelyacht brechen Konflikte auf, bei denen man sich an Land vielleicht noch aus dem Weg hätte gehen können. Die freundlichen Fassaden der Crewmitglieder bröckeln und von Seite zu Seite spürt der Leser die herannahende Katastrophe. Denn parallel zu der sinkenden Stimmung an Bord, verschlechtert sich das Wetter dramatisch.

Die Autorin wechselt stetig die Perspektive zwischen Caroline, Andreas, Daniel und Tanja. Manch eine Situation wird mal aus der einen mal aus der anderen Perspektive beschrieben, was ich großartig fand. Nur Eric bleibt geheimnisvoll, weil seine Innenansicht nicht gezeigt wird.

Der Roman entwickelt zunehmend eine Sogwirkung, der ich mich nicht entziehen konnte. Es war faszinierend, hochspannend und sehr unterhaltsam.

Hut ab für dieses Lesehighlight, dass ich nur wärmstens weiterempfehlen kann.

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Veröffentlicht am 21.02.2023

Deutschenmädchen

Als Großmutter im Regen tanzte
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Als Juni vor ihrem gewalttätigen Ehemann in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf eine kleine norwegische Insel flüchtet, will sie eigentlich nur zur Ruhe kommen, ihre Gedanken ordnen und entscheiden, ...

Als Juni vor ihrem gewalttätigen Ehemann in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf eine kleine norwegische Insel flüchtet, will sie eigentlich nur zur Ruhe kommen, ihre Gedanken ordnen und entscheiden, ob sie das Kind, dass in ihr wächst behalten möchte. Sie hat das Haus geerbt, da auch ihre Mutter nicht mehr lebt. Beim Aufräumen entdeckt sie alte Fotos, die ihre Großmutter mit einem anderen Mann als ihrem Großvater zeigen.
Juni ist geschockt und irritiert und beginnt zu recherchieren, was wohl die Beweggründe ihrer Großmutter für ihr lebenslanges Schweigen waren.

Ein zweiter Erzählstrang führt direkt in die Vergangenheit. Juni‘s Großmutter Tekla ist noch eine junge Frau 1945. Sie verliebt sich in den deutschen Soldaten Otto und folgt ihm gegen den Willen ihrer Eltern in seine Heimat nach Deutschland. Von ihren Landsleuten als Deutschenmädchen verachtet, wird ihr bei der Ausreise sogar ihr norwegischer Pass eingezogen, was ihre Entscheidung unwiderruflich macht. Sie erlebt unvorstellbares Grauen in Demmin, dem Heimatort von Otto aber auch Menschen, die ihr in größter Not helfen.

In der 2. und selbst der 3. Nachkriegsgeneration haben die Kriegserlebnisse noch nachhaltige Auswirkungen auf die Familie, das zeigt dieser Roman und das Beispiel von Großmutter Tekla sehr eindrücklich. Das Schweigen und Verdrängen der Kriegsgeneration führte auch in ihrer Familie zu Missverständnissen und großen Problemen.

Mich hat der Roman sehr beeindruckt. Die Tragödie von Demmin , von der ich zum ersten Mal gelesen habe, hat mich geschockt und berührt.
Die Autorin hat sehr gut recherchiert und mir neue Einblicke in die Zeit des 2 Weltkrieges verschafft. Der historische Teil, der das Erlebte der Großmutter erzählt hat mir allerdings besser gefallen als die Gegenwart. Leider blieb Juni als Protagonistin ein bisschen blass.
Trotzdem empfehle ich den Roman sehr.

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Krisen stärken die Feinde der Demokratie

Unsre verschwundenen Herzen
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Der Roman „ Unsere verschwundenen Herzen“ von Celeste Ng führt uns in eine nähere Zukunft in den USA. Aus Sicht des zwölfjährigen Bird erfahren wir, das er alleine mit seinem Vater in Harvard lebt. Das ...

Der Roman „ Unsere verschwundenen Herzen“ von Celeste Ng führt uns in eine nähere Zukunft in den USA. Aus Sicht des zwölfjährigen Bird erfahren wir, das er alleine mit seinem Vater in Harvard lebt. Das ist nicht immer so gewesen. Vor der großen Krise, hat die Familie gemeinsam mit der Mutter zusammengelebt. Doch diese hat seinen Vater und ihn vor mehreren Jahren verlassen.

Der Grund ist ihm als Kind nicht wirklich klar, doch mit der Wirtschaftskrise hat es große politische Veränderungen gegeben. Man hat der Öffentlichkeit suggeriert, dass China verantwortlich sei für die katastrophale wirtschaftliche Situation des Landes und ein neues Gesetz beschlossen, dass Amerika zu neuer Stärke verhelfen solle.



Das neue Gesetz PACT - Preserving American Culture and Traditions

verspricht alle antiamerikanischen Elemente aufzuspüren, um eine Zersetzung der Nation zu verhindern.



Natürlich denkt man sofort an Trumps Wahlspruch: Make America great again.

Doch das Gesetz geht noch weiter und enthält einen Passus, der es den Behörden erlaubt, verfassungsfeindlich gesinnten Bürgern die Kinder zu entziehen und diese zur Adoption freizugeben. Schließlich sollen die Kleinen von ihren Eltern nicht antiamerikanisch erzogen werden.

Chinesischstämmige Bürger aber auch Einwohner mit asiatischen Wurzeln, die seit mehreren Generationen in den USA leben, haben es seitdem schwer und werden offen diskriminiert und diffamiert. Man erfährt, dass auch Margaret, Bird‘s Mutter chinesische Wurzeln hat. Sie ist Künstlerin und ihr Gedicht „Unsere verschwundenen Herzen“ ist zur Parole des Widerstands geworden, denn immer mehr Kinder verschwinden aus ihren Herkunftsfamilien.

Als Bird einen Brief seiner Mutter findet, macht er sich auf Spurensuche. Er möchte unbedingt für sich herausfinden, warum seine Mutter ihn verlassen hat. Seinen Vater kann er nicht fragen, da dieser schweigt und mit seiner Mutter nichts mehr zu tun haben möchte.

Nachdem wir im 1. Teil des Buches, der mir sehr gut gefallen hat, Bird folgen und so langsam in dieses zukünftige Amerika eintauchen, begleiten wir im 2 Teil Margaret, erfahren von ihrem Privatleben und wie sie zum Widerstand gekommen ist. Mit Margaret bin ich nicht wirklich warmgeworden. Sie wirkte auf mich doch recht kühl und distanziert. Der Gedanke, dass durch Kunst und Literatur eine wirksame Widerstandsbewegung aufgebaut werden kann, ist zwar reizvoll aber vielleicht auch ein bisschen naiv. Schade fand ich, dass das titelgebende Gedicht im ganzen Roman nicht als Ganzes abgedruckt wurde. Das Ende war passend aber nicht ganz so meins.



Sehr lesenswert fand ich das Nachwort der Autorin. Ihr ist mit Beginn der Pandemie 2020 ein deutlicher Anstieg der antiasiatischen Diskriminierung aufgefallen. Wie reagiert man am besten darauf? Wegducken, weil man zunächst einmal nicht betroffen ist oder aktiv dagegen angehen, auch wenn man Repressalien zu befürchten hat? Eine funktionierende Demokratie braucht Zivilcourage, denn nicht selten wird die Meinungsfreiheit unter dem Deckmantel von Sicherheitsgedanken einfach eingeschränkt, wie im Buch beschrieben. Auch das Verfahren Kinder als Druckmittel aus ihren Familien zu reißen, ist keine Erfindung der Autorin, sondern leider an die Realität angelehnt, wie sie im Nachwort belegt.

Ich fand das Buch auf jeden Fall ausdrucksstark und lesenswert, auch wenn es aufgrund oben genannter Kritikpunkte kein Highlight für mich war.

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