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Nick_Coll

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.07.2023

Eine bewegende und facettenreiche Saga mit authentischen Milieuschilderungen

KaDeWe. Haus der Wünsche
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Mit dem zweiten Teil der historischen Dilogie KaDeWe hat sich Marie Lacrosse wieder viel Mühe mit ihren Recherchearbeiten gemacht und mich dadurch mit ihrem 704 Seiten starken Roman total in den Bann gezogen. ...

Mit dem zweiten Teil der historischen Dilogie KaDeWe hat sich Marie Lacrosse wieder viel Mühe mit ihren Recherchearbeiten gemacht und mich dadurch mit ihrem 704 Seiten starken Roman total in den Bann gezogen.

Ständig wechselnde Perspektiven lassen keine Langeweile aufkommen. Die datierten Ortsangaben über den Kapiteln sorgen dafür, dass man den Überblick nicht verliert. Dank diesem erlebt der Leser zum einen, wie ein Kaufhaus funktioniert und sich über die Jahre weiter entwickelt, wie ein ganzes Imperium der jüdischen Familie Tietz aufgebaut wird; auf der anderen Seite lässt die Autorin die Armut und den Elend der Bewohner von Berlin Wedding sowie die Arbeitskämpfe und die Bemühungen der Frauenrechtlerinnen so lebendig wiederaufleben, so dass der Leser alles hautnah miterleben kann. Hiermit sollte erwähnt werden, dass der Frauenbewegung bzw. der sozialen Arbeit der Frauen ein gewisser Raum im Roman gegeben wurde. Die historische Figur Alice Salomon wurde aus der Vergessenheit geholt und in vielen Kapiteln glaubhaft dargestellt.

Während der Jahre 1927 bis 1934 wird dem Leser ein breites Panorama des gesellschaftlichen und politischen Lebens bildhaft und mit einer Fülle von Fakten dargestellt. Durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten verändert sich vieles für die jüdische Bevölkerung, besonders für die Verkäufer und die Besitzer des KaDeWe.

Nicht nur die politischen Entwicklungen stehen im Fokus, sondern wie die Protagonisten ihren Weg durch diese Zeit gehen. Sowohl Judith, die keine Perspektive mehr sieht, ihre Forschungsprojekte in Deutschland weiter zu führen und der weiteren Beschimpfungen und Angriffen auszuweichen, als auch unmittelbar davon mitbetroffene Rieke müssen sich neuen Herausforderungen stellen und so einiges durchstehen. Die absurde Ansicht von der Stellung der Frau im Deutschen Reich wird gewaltsam durchsetzt. Das Leben wird von Jahr zu Jahr schwerer, auch für die Familie Tietz, der langsam die Kontrolle über die Kaufhäuser entzogen wird.

Der Schreibstil der Autorin ist wie gewohnt flüssig, spannend und gefühlvoll. Die Charaktere wurden in diesem zweiten Teil mit wesentlich mehr Ausdruckskraft beschrieben, dass sie, im Vergleich zum ersten Band, von jeder einzelnen Person ein volles Bild im Kopf erzeugten. Zum Beispiel Paul Bergmann oder seine Tochter Judith werden detaillierter ausgearbeitet und lebendiger in Szene gesetzt; ihre Handlungen werden hier nachvollziebarer beschrieben. Man kann sich mehr in ihre Gefühle, ihre Welt, ihre Arbeit hinein versetzen.

Fazit: Eine bewegende und facettenreiche Saga mit authentischen Milieuschilderungen, die mich in ihrem zweiten Teil stärker begeistern konnte! Schade, dass es keine Fortsetzung gibt!

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Veröffentlicht am 15.11.2022

Kampf um die Krone Englands

Der eiserne Herzog
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Willkommen im Mittelalter, willkommen in Englaland. Beschaulich, romantisch und schön... Nein, das ist es hier nicht — jedenfalls nicht in diesem Roman.

Obwohl die Figur Wilhelm des Eroberers in groben ...

Willkommen im Mittelalter, willkommen in Englaland. Beschaulich, romantisch und schön... Nein, das ist es hier nicht — jedenfalls nicht in diesem Roman.

Obwohl die Figur Wilhelm des Eroberers in groben Zügen bekannt ist, schafft Ulf Schiewe seinen Kampf um die Krone Englands spannend zu schildern. Das Buch ist bis auf die entscheidende Schlacht von Hastings mit all ihrem Gräuel überwiegend aus zwei Perspektiven geschrieben: Normandie und England, so dass die Geschichte dem Leser aus unterschiedlichen Blickwinkeln näher und fast filmreif gebracht wird.

Der Autor verbindet in seinem neuesten Roman über die Eroberung Englands durch Normannen geschickt das Leben der authentischen Figuren und Ereignisse nur mit einigen wenigen fiktiven Protagonisten. Dies geschieht in einer beeindruckenden Art und Weise, dass man sich der Geschichte nicht entziehen kann. Die Charaktere sind weder eindimensional dargestellt, noch langweilig, selbst diejenigen, dessen Verhalten, Handeln, Denken und Sterben man nicht versteht, sind in ihrer Darstellung sehr gelungen. Hierzu trägt natürlich auch die wechselvolle und äußerst interessante Geschichte von Wilhelm (oder Guilhelm, wie er im Roman genannt wird) bei. Dieser hat viele Höhen und Tiefen, Niederlagen und Siege, Gewinne und Verluste erlebt.

Bei den Schilderungen der historischen Ereignisse und Schlachten hält sich Ulf Schiewe sehr nahe an der Realität, und ich bin immer wieder begeistert, wie großartig seine Geschichten ausgearbeitet sind. Die historischen Fakten, die dem Roman ein solides Grundgerüst geben, sind tadellos recherchiert.

Der Roman liest sich weitgehend sehr fesselnd, der Schreibstil ist flüssig und lädt dazu ein ins Mittelalter einzutauchen. Nur haben am Anfang sehr viele für mein Ohr unaussprechliche Namen, — um die historische Korrektheit zu wahren, hat der Autor sich für die originaltreue Schreibweise entschieden —, meinen Lesefluss ziemlich ausgebremst, denn einiges musste ich mehrmals lesen oder im Personenregister nachschlagen, um zu verstehen, wer damit gemeint ist. Nach einigen Kapiteln konnte man sich gut mit den Namen und deren Verbindungen auseinandersetzen, sowie mit der Präsenz-Form der Erzählung zurecht kommen.

Fazit: Ein starker und beeindruckender Roman, der mir sehr viel Freude bereitet und meinen Horizont definitiv erweitert hat. Dieses Buch solltet ihr euch nicht entgehen lassen!

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Veröffentlicht am 17.07.2021

einzigartigen Reihe

Gut Greifenau - Sternenwende
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Nun ist der Abschlussband der Gut-Greifenau-Reihe vor dem Leser. Mit dem sechsten und damit dem letzten Teil „Sternenwende“ geht die Saga ins große Finale. Es heißt jetzt mit der längst liebgewonnenen ...

Nun ist der Abschlussband der Gut-Greifenau-Reihe vor dem Leser. Mit dem sechsten und damit dem letzten Teil „Sternenwende“ geht die Saga ins große Finale. Es heißt jetzt mit der längst liebgewonnenen Grafenfamilie und den eifrigen Dienstboten das letzte Mal mitzufiebern, wer welche Schicklsalsschläge noch erleidet oder doch endlich sein Glück findet, und dann tatsächlich Abschied von ihnen zu nehmen. Die literarische Uhr ist auf dem Gut Greifenau im Dezember 1932 stehen geblieben. Für immerdar.

Dieser Roman lebt — wie die vorherigen Teile der Reihe —, von der unübertroffenen Art und Weise, wie die Autorin diese Geschichte schon seit mehreren Jahren erzählt. Hanna Caspian hat sich wieder als intelligente, souveräne Autorin mit dramaturgisch gewitztem Geist bewiesen. Man merkt sofort eine perfekte Recherche über die zum Teil total unübersichtlich gewordene Politik der Krisenjahre, über eine bunte Kultur der Großmetropole Berlin, über die Entrechtung und Erniedrigung des deutschen Bürgertums. Diese ganzen Informationen sind perfekt in das Sujet eingeflossen, so dass dies nicht nur ein paar schöne Lesestunden bereitet, sondern auch noch sehr lehrreich ist.

Man muss es dem Roman hoch anrechnen, dass er vor harten Realitäten der 30er nicht zurückschreckt und ausreichend Raum für eine lange Abschiedsparade für sämtliche Haupt- und Nebenfiguren bietet. Eine exzellent konstruierte Handlung mit facettenreichen Charakteren, in der auch bei großen persönlichen Dramen vor allem die kleinen subtilen Momente den Ausschlag geben. Obschon der Abschluss versöhnlich, stimmig und nicht vorhersehbar ist, tut der Abschied von Gut Greifenau emotional weh!!!

Mitreißende Dialoge, suggestive Momentaufnahmen von den bedeutenden Episoden damaliger Zeit und dramaturgisches Fingerspitzengefühl machen die Geschichte um das fiktive Gut Greifenau zu einer einzigartigen Reihe unserer Zeit. Mit ihrem Portrait einer bröckeligen Gesellschaft im Räderwerk einer unruhigen Epoche, nach den zwiespältigen Zwanzigern, nach der Weltwirtschaftskrise und kurz vor der Machtergreifung von Hitler, mit dem Weg zwischen Verlusten, Verrat, Hass und Menschenliebe ist Hanna Caspian nicht nur eine spannende Unterhaltung, sondern auch ein eindrucksvolles Zeitdokument gelungen.

Eine großartige Reihe der Extraklasse!

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Veröffentlicht am 24.06.2021

tödliche Verschwörung in Wien

Die Totenärztin: Wiener Blut
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Mit seinem neuesten Roman 📖 «Die Totenärztin — Wiener Blut» entführt uns der österreichische Autor René Anour nach Wien im Jahr 1908. Die erzählte Geschichte dreht sich um die junge Medizinerin Fanny, ...

Mit seinem neuesten Roman 📖 «Die Totenärztin — Wiener Blut» entführt uns der österreichische Autor René Anour nach Wien im Jahr 1908. Die erzählte Geschichte dreht sich um die junge Medizinerin Fanny, die in der Wiener Pathologie arbeitet und bei einer Obduktion auf ein paar Ungereimtheiten stößt. Könnte es sein, dass jemand einen Mord vertuschen wollte? Sie entscheidet sich, in der Nacht ganz heimlich und trotz Vorschriften die Leiche zu obduzieren, und findet ihren Verdacht bestätigt. Ab dem Moment beginnt ihr ultragefährliches Abenteuer. Sie weiß noch nicht, in welche tödliche Verschwörung um Kaiserin Sisis verschwundene Diamantsterne sie gerade geraten ist.

Die Entwicklung und Ausarbeitung der Geschichte gefällt mir sehr gut. Die Handlung verharrt nie lange am gleichen Ort: einem mondänen Ball folgt ganz rasch eine billige Spelunke. Die höchste Spannung erzeugt natürlich der Kriminalfall, den man gefesselt verfolgt. Viele der Schlüsse, die die Medizinerin zusammen mit einem Polizeiinspektor im letzten Drittel des Buches zieht, sind nachvollziehbar und verständlich. Das Buch trieft ganz wenig vom Blut am Sektionstisch und nicht von überspitzten, detailreichen Beschreibungen der Leichenschauen, wie es vielleicht der Titel suggerieren könnte. Handwerklich gut gemacht, mit einem soliden Spannungsaufbau bis zum Ende, welcher den Leser natürlich auf ein furioses Finale hoffen lässt 😉

Die intelligent inszenierte und mit einigem Humor gewürzte Geschichte lässt sich flüssig lesen. Dem Autor ist es wundervoll gelungen, die Atmosphäre der damaligen Zeit lebendig einzufangen und mich in seinen Bann zu ziehen. Die Sprache ist der Zeit und dem Handlungsort angepasst (ja, es wienert a bißl). Eine tiefgreifende Recherche ist auf jeder Seite spürbar und in das bewegende Schicksal der Protagonisten wird auch gekonnt historisches Material mit eingeflochten. Was Wahrheit und was Fiktion ist, erfährt der Leser am Ende des Buches und ist hoffentlich nicht enttäuscht, dass es sich in der Realität ein wenig anders zugetragen hatte.

Das Ende des Romans ist wirklich spannend und mitreißend konstruiert, leider mit einem fiesen Cliffhanger, so das der Fall dann doch noch nicht ganz abgeschlossen ist. Und nun ist man wieder sehr gespannt, wie es im zweiten Teil 📖 «Goldene Rache» (Oktober 2021) weitergehen wird.

Für alle, die historischen Kriminalgeschichten lieben, eine klare Leseempfehlung ❤️

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Veröffentlicht am 04.05.2021

Falscher Glanz des Wiener Hofes

Das Kaffeehaus - Falscher Glanz
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Wer schon einmal die Bücher der Autorin Marie Lacrosse alias Marita Spang gelesen hat, weiß, dass sie nicht nur spannende Unterhaltung, sondern auch fesselnde historische Romane bieten kann. Den enormen ...

Wer schon einmal die Bücher der Autorin Marie Lacrosse alias Marita Spang gelesen hat, weiß, dass sie nicht nur spannende Unterhaltung, sondern auch fesselnde historische Romane bieten kann. Den enormen Zeitaufwand und viel Recherchen auf sich nehmend, verarbeitet sie im neuesten Buch 📖«Kaffeehaus — Falscher Glanz» (2021) geschichtliche Fakten am Kaiserhof nach der bekannten Mayerling-Affäre und bietet dem Leser eine würdige Fortsetzung der spannenden Geschichte um das fiktive Kaffeehaus in Wien, den Dreh- und Angelpunkt der Reihe.

Die Geschichte umspannt den Zeitraum 1889 bis 1891 und ist gut aufgeteilt. Wie der Leser bereits aus dem ersten Band weiß, ist die junge Komtess Sophie gezwungen die Hofdame der Kaiserin Sisi zu werden und ihre Stelle am Wiener Hof anzunehmen. Doch wie sie sehr schnell feststellen muss, weist das Leben, obschon es vordergründig glamourös und pompös erscheint, hinter den Kulissen jedoch den falschen Glanz und mehrere Risse auf. Durch verschiedene Episoden— sei es der Tramway-Streik in der Hauptstadt oder Missstände des Militärs in abgelegenen Gegenden, — gibt die Autorin der k.u.k. Monarchie ein zerfurchtes Gesicht, in dem Armut, Verzweiflung oder soziale Ungerechtigkeit tagtäglich von den Einwohnern alles abverlangten. Wie lange es noch dauern wird, bis die Katastrophe eintritt, weiß (noch) niemand.

Einer bildhübschen Märchenfee gleich, wie die Kaiserin beim Volk verehrt wird, wird Sisi im Roman aber nicht porträtiert. Sie bekommt ein eindringliches, bedeutsames bis erschütterndes Porträt einer Frau, die zerrissen zwischen Schuldgefühlen, ehelichen Pflichten und dem anstrengenden Hofzeremoniell ist. Mit jenem drückenden Gefühl, in einer Welt gefangen zu sein, in der nichts mehr Sinn zu ergeben scheint, versucht die Monarchin wie eine Getriebene dem Ganzen ständig zu entkommen und lässt dabei ihre neue Promeneuse Sophie von Werdenfels sie auf ihren Abenteuern begleiten und Zeugin ihrer Gedanken, Gefühle aber auch Absonderlichkeiten werden. Genau dieser Kontrast zu den kitschigen Filmen macht den Roman so reizvoll.
Der Schreibstil ist wie immer flüssig und bildhaft, sodass der Leser schnell in ein vergangenes Jahrhundert abtaucht. Die Entwicklung der Geschichte wird konzentriert dargestellt, dramatische und wichtige Ereignisse wiederum sind mit viel Liebe zum Detail beschrieben. Die Figuren und ihr privates Leben entwickeln sich mit der Reihe weiter mit, das gibt den Personen die persönliche Note und einen bleibenden Eindruck. Die Autorin vereint in ihrer Handlung historisch belegte Realität mit Fiktion auf so herrliche Weise, dass man die Übergänge nur durch das Nachwort erkennen kann. Wie ein wunderschöner Teppich aus Worten und Fakten gewebt, bei dem das Muster sich im Laufe der Geschichte richtig entwickelt und erst bei den letzten Seiten in seiner ganzer Schönheit und Tragik dem Leser zu Füßen liegt und die Dinge ein klein wenig in die notwendige Richtung bewegt.  

Ein perfektes Buch, um für einige Zeit in eine besondere Geschichte einzutauchen. Großartige Unterhaltung! 👍

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