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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.11.2016

Seit langem mal wieder ein Krimi den ich inhaliert habe!

Der Angstmann
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"Der Angstmann" von Frank Goldammer ist der erste Fall für Kriminalinspektor Max Heller. Der Krimi spielt im letzten Kriegswinter 1944/45 in Dresden und thematisiert gekonnt den Zustand der Stadt und seine ...

"Der Angstmann" von Frank Goldammer ist der erste Fall für Kriminalinspektor Max Heller. Der Krimi spielt im letzten Kriegswinter 1944/45 in Dresden und thematisiert gekonnt den Zustand der Stadt und seine Bewohner mit allen Aspekten der inneren Einstellung. Natürlich ist der rote Faden dieser Geschichte die Suche nach einem Mörder. Diesem bestialische Frauenmörder ist Max Heller auf der Spur, allerdings macht der Krieg und vor allem die verheerende Bombennacht vom 13. Feb 1945 macht es ihm nicht leicht weiter zu forschen.

Man findet sehr leicht in die Geschichte hinein und die Seiten fliegen nur so - ein wahrer Pageturner! Durch viel wörtliche Rede, (meist) kurze Kapitel und spannende Beschreibungen liest es sich wunderbar.
Mir war auch Max als Protagonist sehr sympathische.

Bisher hat Frank Goldammer zwei Regionalkrimis im Gmeiner Verlag veröffentlicht: "Revierkampf" und "Abstauber". Mit "Der Angstmann" hat er nun den renommierten dtv mit einer breiten Reichweite.

Ich freue mich schon auf den nächsten Fall von Max Heller und bedaure nur, dass er erst im Herbst 2017 erscheinen wird!

Fazit: Ein sehr unterhaltsamer Krimi mit tiefem Einblick in die Psyche der Deutschen zu Kriegende. Definitiv lesenswert!

Veröffentlicht am 30.10.2016

Schweizer Selbstbeherrschung par excellence

Und damit fing es an
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Der Roman beginnt in der Schweiz in den 40er Jahren der Nachkriegszeit. Der kleine Gustav wohnt mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen im Örtchen Matzlingen (nicht zu verwechseln mit Matzingen). ...

Der Roman beginnt in der Schweiz in den 40er Jahren der Nachkriegszeit. Der kleine Gustav wohnt mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen im Örtchen Matzlingen (nicht zu verwechseln mit Matzingen). Eine arme Familie, nicht nur mangelt es an Geld, auch an Zuwendung und Liebe. Der erste Abschnitt bringt uns den Protagonisten Gustav nahe und wie er seinen besten Freund, Anton, in der Grundschule kennenlernt. Ein jüdischer Junge aus gutem Hause, Vater Bankier und er selbst ein angehender Musiker mit viel Talent. Gustavs Mutter, Emilie, ist diese Freundschaft ein Dorn im Auge, da es ihr selbst und ihrem Jungen vor Augen führt was ihr nicht vergönnt war zu behalten. Auch der Umstand, dass die Familie jüdisch ist, spielt für Emilie eine Rolle.
Im zweiten Abschnitt geht die Geschichte weiter in die Vergangenheit und wir erfahren wie sich Gustavs Eltern kennenlernten und wie es zu den Verhältnissen kam in denen Gustav aufwuchs.
Eine spannende Erzählweise uns als Lesern nicht chronologisch den Lauf der Geschichte zu erzählen, sondern erst die Kindesjahre Gustavs und dann wie seine Eltern davor zueinanderstanden und wie alles so kam wie es eintraf. Eben: Und damit fing es an.
Übrigens heißt dieser Roman von Rose Tremain im Original ‚The Gustav Sonata‘. Auch sehr treffend und fast besser als der deutsche Titel.
Der dritte und letzte Abschnitt springt dann in die 90er Jahre und erzählt das Leben von Gustav und einigen anderen Personen, die man bis dahin kennenlernt weiter.
Dies ist ein wunderbar komponierter Roman über die Lebensgeschichte eines Mannes, der gefangen ist in der Schweizer Selbstbeherrschung. Das Prinzip der Kokosnuss, wie er es als Kind lernt, brennt sich ein. All das Gute schützen mit einem harten Verhalten nach Hause, bloß nicht aus der Rolle fallen. Zum Schluss ist klar was ihn ein Leben lang umtreibt.
Sprachlich toll umgesetzt mit all den feinen Nuancen. Erstaunlich ist, dass eine britische Autoren es schafft einen so schweizerischen Roman zu schreiben! Chapeau, das hat mir imponiert. Das dies der erste Roman der Autorin ist, den ich las, werde ich mir noch andere Werke von Rose Tremain zulegen.
Kurze Anmerkung noch zum Inhalt: Es gibt einige sexualisierte, explizite Strecken in dem Roman. Wer sich an so etwas stört, der sollte sich dessen bewusst sein. Es ist weder „billig“ eingebaut noch sonst irgendwie fehl am Platz, ganz im Gegenteil ohne diese Szenen wäre der Roman ein anderer.

Fazit: Ein Roman für Menschen, die gute Literatur schätzen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannende Geschichte in den 50er Jahren auf der Bühlerhöhe!

Bühlerhöhe
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Wir befinden uns Anfang der 1950er Jahre in Deutschland. Adenauer ist Kanzler und die junge Republik fängt an sich zu verändern, ein Zustand der Verdrängung der Kriegsereignisse. Adenauer will ein Wiedergutmachungsgesetzt ...

Wir befinden uns Anfang der 1950er Jahre in Deutschland. Adenauer ist Kanzler und die junge Republik fängt an sich zu verändern, ein Zustand der Verdrängung der Kriegsereignisse. Adenauer will ein Wiedergutmachungsgesetzt verabschieden um eine monetäre Entschädigung der ermordeten Juden zu ermöglichen.
Nun macht Adenauer Urlaub auf der Bühlerhöhe wie jedes Jahr und es ist ein Anschlag einer jüdischen Extremistengruppe geplant um ihn zu töten und damit das Gesetzt zu verhindern. Die Gruppe ist davon überzeugt, dass Israel kein Blutgeld von den Deutschen annehmen sollte. Zur Gründung Israels ist es allerdings wichtig, dass dieses Geld fließt um den Staat aufbauen zu können.
Israel schickt einen Mossad-Agenten und eine junge Frau namens Rosa Silbermann um dieses Attentat zu verhindern und arbeitet vor Ort mit dem deutschen BND zusammen.

Das ist im Groben die grundlegende Handlung des Romans ‚Bühlerhöhe‘ von Brigitte Glaser. Neben diesem Hauptstrang passiert noch viele vieles mehr! Ein wunderbares Figurenkabinett zeigt uns verschiedene Standpunkte, gibt uns Verständnis für Handlungen, die aus einem Erlebnis in der Vergangenheit rühren und einen guten Einblick in die 50er Jahre!
Zum einen lebt dieser Roman von den falschen Fährten die hier für den Hauptdrang gelegt werden um zu klären wer den Kanzler ermorden will. Hier merkt man, dass die Autorin des Romans, Brigitte Glaser bisher Kriminalromane schrieb. Zum anderen ist der Roman im Kern eine Reflektion des Nachkriegsdeutschlands. Die Zeit zwischen Kriegsende und Aufarbeitung, die erst Anfang der 60er Jahre begann mit den Auschwitzprozessen. Und zu guter Letzt scheint dieser Roman auch (für mein Verständnis) eine kleine literarische Erinnerung an die Bühlerhöhe zu sein.

Die Charaktere sind vielschichtig beschrieben und zeigen uns wie unterschiedlich die Wahrnehmungen je nach Erfahrungsschatz sind. Allesamt sehr eigen und differenziert beschrieben.

Ich habe diesen Roman sehr gerne gelesen und kann ihn wärmstens empfehlen. Wer sich für Romane interessiert, die eine gut recherchierte historische Grundlage haben, ist hier bestens aufgehoben!

Veröffentlicht am 09.06.2024

Ich war nicht mehr ich

Was das Meer verspricht
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Genau die richtige Sommerlektüre, wenn es euch in diesem Sommer an nördliche Küsten Europas verschlägt, denn dieser Roman spielt auf einer Insel im hohen Norden. Raues Klima, frische Brise, aber trotzdem ...

Genau die richtige Sommerlektüre, wenn es euch in diesem Sommer an nördliche Küsten Europas verschlägt, denn dieser Roman spielt auf einer Insel im hohen Norden. Raues Klima, frische Brise, aber trotzdem ein Sommer in einem ganz eigenen Mikrokosmos. Ich hatte eine Nordseeinsel vor Augen, aber da hier eine fiktionale Welt erschaffen wurde, passt sicherlich auch vieles andere.
Der Roman liest sich super und entblättert diese ganz eigene Welt in der sich die Erzählstimme bewegt. Vida, der Roman wird nur aus ihrer Perspektive erzählt. Eine junge Frau, die auf der Insel groß geworden ist und durch den Zusammenhalt und die Erwartungshaltung der Eltern bleibt und ihre langjährige Jugendliebe Jannis heiratet und den Laden der Eltern übernehmen wird.
Doch dann gibt es diese andere junge Frau, die nicht von der Insel stammt, auf einmal da, so anders, so unnahbar und eigenwillig. Marie, die jeden Tag mit ihrer Meerjungfrauflosse im Meer schwimmt. Vida ist gebannt von ihr und nähert sich ihr an, sehr Nahe und Vida kommt ins Schwanken ob ihr vorgezeichneter Lebensweg wirklich das ist was sie will.
Noch dazu kommt ihr Bruder Zander, der nicht schnell genug von der Insel fliehen konnte zurück und bringt auf zwei Ebenen Vidas Leben ins Wanken, denn die Eltern wollen lieber, dass er den Laden übernimmt und außerdem bändelt er mit Marie an. Explosiv.
Was sich nach schlechtem Vorabendprogramm anhört, wenn ich das Zusammenfasse, ist von Alexandra Blöchl wahnsinnig gut in eine einsaugende Prosa verpackt. Eine absolute Leseempfehlung! Übrigens ist die Autorin unter diesem Namen Debütantin und in diesem etwas literarischeren Genre, aber sie hat schon etliches andersartiges publiziert unter den Namen: Lea Coplin und Anne Sanders!

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Veröffentlicht am 17.03.2024

Macht und Moral

Der Wald
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Erinnert ihr euch an den Roman „Die Gestirne“? Ein furioser Einschlag in der Literatur und nun kommt die Autorin Elenor Catton mit einem neune Roman zurück auf die literarische Bühne.
Der Roman heißt ...

Erinnert ihr euch an den Roman „Die Gestirne“? Ein furioser Einschlag in der Literatur und nun kommt die Autorin Elenor Catton mit einem neune Roman zurück auf die literarische Bühne.
Der Roman heißt im Original Birnam Wood. Es geht aber nicht wie der englischsprachige Leser sicherlich schnell feststellen wird um Macbeth von Shakespeare, will aber genau diesen Ort der Verteidigung und des Verlustes aufnehmen. Natürlich mit voller Absicht schon im Titel ein furioser Ort, wo es gleich zum Kern der Geschichte vordringt. Denn Birnam Wood ist eine neuseeländische Guerilla-Gardening-Gruppe im Roman und ihre Gründerin Mira Bunting mit all ihren umweltphilosophischen Idealen die Protagonistin des Romans. Die Gruppe um Mira, Shelly und Tony ist an einer Farm interessiert, die durch einen Erdrutsch abgeschnitten ist um die Gruppe dort anzusiedeln und sie finanziell dort stabil aufzubauen. Aber natürlich ist Mira nicht die einzige Interessentin an dem Grundstück, der reiche Amerikaner Robert Lemoine will es auch habe und hat ganz andere Pläne damit. Er ist das Gegenteil mit seinen Tech-Milliarden, die er aus dem Drohnengeschäft erwirtschaftete hat und Teil der Prepper-Szene, da er fest daran glaubt die Welt wird so nicht weiter existieren können.
Die Geschichte ist so nicht nur spannend durch die gegensätzlichen Interessen, auch wirft Elenor Catton viele gesellschaftliche Fragen auf. Wie weit darf Umweltaktivismus gehen, ab wann ist man käuflich, wie weit darf die eigene Überzeugung anderen aufgebürdet werden und mit welchen Mitteln dürfen die eigenen Interessen rigoros verfolgt werde, darf Geld solche Macht haben, rechtfertig die eigene Moral widriges tun….
Diese vielschichtigen Aspekte in Kombination mit der Spannung und den gut ausgeleuchteten Charakteren machen dieses Buch sehr lesenswert. Aber es sollte auch gesagt werden, dass die Komplexität hoch und der Roman ausgefeilt geschrieben ist und übrigens wunderbar aus dem Englischen ins Deutsche von Meredith Barth und Melanie Walz übertragen.
Daher, wer Lust auf gute Literatur hat: zugreifen! Und um noch mal auf die Gestirne zurück zu kommen, ich finde „Der Wald“ noch besser!

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