Bewegende Geschichte über eine starke junge Frau
FindelmädchenInhalt: Seit über sieben Jahren leben Gerda und Jürgen nun schon bei ihren Pflegeeltern in Frankreich, als sie überraschend erfahren, dass ihr leiblicher Vater aus der russischen Kriegsgefangenschaft heimgekehrt ...
Inhalt: Seit über sieben Jahren leben Gerda und Jürgen nun schon bei ihren Pflegeeltern in Frankreich, als sie überraschend erfahren, dass ihr leiblicher Vater aus der russischen Kriegsgefangenschaft heimgekehrt ist und nach ihnen sucht. Zurück in Köln, im Elternhaus ihrer Mutter, können die beiden Jugendlichen schnell ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater aufbauen, obwohl sie keine Erinnerung mehr an ihn haben. Von ihrer Mutter fehlt nach wie vor jede Spur, aber Meta, die Schwester der Mutter, lebt bei ihnen. Doch Meta verhält sich sehr Helga und Jürgen gegenüber sehr abweisend und distanziert, ganz anders als die junge und fröhliche Mieterin Fanny, die schnell zu einer guten Freundin für Helga wird.
Während Jürgen eine Ausbildung bei Ford macht und damit sehr glücklich ist, ist es Helgas größter Wunsch, das Gymnasium zu besuchen. Sie möchte gerne Schriftstellerin oder Journalistin werden, doch ihr sonst so liebevoller Vater verbietet es ihr und meldet sie stattdessen an der Haushaltungsschule an. Während eines Praktikums in einem Waisenhaus muss Helga erleben, wie sehr die Kinder dort gequält und misshandelt werden. Besonders die kleine Bärbel, ein sogenanntes „Besatzerkind“, muss unter der Grausamkeit von Schwester Jovana, einer Nonne, leiden. Doch Helga kann nichts für die Kinder tun und von ihrer Familie bekommt sie keine Unterstützung.
Auch ihre Beziehung zu dem jungen Konradin, der mit seiner Großmutter auf dem Dachboden des großen Hauses lebt, gestaltet sich schwierig.
Meine Meinung: „Findelmädchen“ ist der Nachfolgeroman von „Trümmermädchen“, aber in sich abgeschlossen und problemlos ohne Vorwissen zu lesen.
Die Geschichte wird aus der Perspektive von Helga erzählt, nur unterbrochen durch kurze und emotionale Tagebuchaufzeichnungen ihrer Mutter Elisa direkt nach Kriegsende. Einmal mit dem Lesen angefangen, konnte ich das Buch kaum noch zur Seite legen. Der Schreibstil ist absolut flüssig, warmherzig, bildhaft und lebendig und Helga ist mir sehr schnell ans Herz gewachsen. Sie ist intelligent und mutig. Da ihr Vater aber immer wieder wichtige Gespräche abblockt, handelt sie schließlich eigenmächtig und macht dabei Fehler. Das macht sie für mich allerdings nur nahbarer und liebenswerter.
Auch die anderen Charaktere werden glaubwürdig und interessant beschrieben und vor allem Fanny mochte ich gern.
Die Handlung ist sehr fesselnd und es passiert unglaublich viel. Einige Szenen fand ich nicht ganz realistisch. (Ein Beispiel: Helga ist während eines Praktikums nachts ganz allein mit den Kindern.) Lilly Bernstein beschreibt das Köln der Nachkriegszeit (die Zerstörung und den Wiederaufbau) sehr bildhaft, sowie auch den Zeitgeist dieser Jahre; den Hunger nach Leben, das Wirtschaftswunder, aber auch die immer noch in einigen Köpfen vorhandene nationalzozialistische Denkweise. Der Roman erzählt sowohl von den positiven Seiten der 50er Jahre, wie auch von den negativen.
Der Schluss ist dann etwas zu rosarot für die ernsten Themen dieses Romans, aber da die Geschichte fiktiv ist, freue ich mich trotzdem über ein Happy End!
Fazit: „Findelmädchen“ ist eine fesselnde und bewegende Geschichte, die mich sehr gut unterhalten hat.