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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.03.2021

Knallhart, spritzig und schwarzhumorig

Der Libanese
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Schon mal was von einem Hard-boiled Krimi gehört? Kann man grob übersetzen mit: hartgesotten. Und das gilt nicht nur für den Plot, sondern auch für dessen Figuren. Ungeschliffene, rohe Diamanten, die nur ...

Schon mal was von einem Hard-boiled Krimi gehört? Kann man grob übersetzen mit: hartgesotten. Und das gilt nicht nur für den Plot, sondern auch für dessen Figuren. Ungeschliffene, rohe Diamanten, die nur den eigenen Vorstellungen von Recht verpflichtet sind. Diese Ermittler haben meist eine illusionslose Sicht auf die Welt, neigen zur Selbstjustiz und leben in latentem Konflikt mit ihren Kollegen. Kann man nun finden, wie man möchte, aber eines steht definitiv fest: Sie sind absolut keine klassischen Stereotypen und jenseits des Mainstreams angesiedelt.

Frank Bosman ist Berlins härtester Polizist - und steckt geraden mitten in einer heiklen Situation: Bei einer geplanten Festnahme des LKA hat er einen Drogendealer erschossen. Und als wäre das nicht schon scheiße genug, erfahren wir, dass ein korrupter Kollege etwas von den Drogen und dem Geld abgegriffen hat. Bosman hat also alle Hände voll zu tun - gut für uns! Denn so temporeich, wie alles beginnt, geht es auch weiter. Insbesondere dann, wenn der „Libanese“ ins Spiel kommt. Arslan Aziz, ein erfolgreicher Geschäftsmann mit den richtigen Connections. Zusammen mit seinem Bruder und der stetig wachsenden Anhängerschaft kontrolliert er die Berliner Drogenszene. Da ist Ärger vorprogrammiert, und der Kampf zwischen Bosman und Aziz wird zu einem Spiel um Macht und Kontrolle.

Ich muss zugeben, dass es sehr spannend war, mal einen Blick hinter Berlins dreckige Fassade zu werfen. Die Milieubeschreibungen sind dem Autor großartig gelungen, was womöglich auch dessen Beruf geschuldet ist: Drehbuchschreiber. Merkt man an der lockeren und rotzigen Schreibe, den geschickt konstruierten Wendungen und dem gut durchdachten Plot.

Persönliches Fazit: Knallhart, spritzig und schwarzhumorig. Ein großartiges Debüt, das mich nicht nur gut unterhalten, sondern wirklich überrascht hat. Und mit dem unterrepräsentierten Thema Clan-Kriminalität hat Clemens Murath zudem mal etwas anderes in den Fokus der Leserschaft gerückt. Toll umgesetzt und absolut filmreif!

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Veröffentlicht am 23.03.2021

Einige unerwartete Wendungen

Fair Play
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Die Grundidee hat mich sofort an „Die Welle“ von Morton Rhue denken lassen. Doch das Buch ist nicht nur in die Neuzeit katapultiert, sondern auch die Charaktere sind ausgereifter und vielfältiger. Ein ...

Die Grundidee hat mich sofort an „Die Welle“ von Morton Rhue denken lassen. Doch das Buch ist nicht nur in die Neuzeit katapultiert, sondern auch die Charaktere sind ausgereifter und vielfältiger. Ein Schulprojekt soll an einem Wettbewerb teilnehmen, bei dem auch Politiker involviert sind und bei dem es zu einer finalen Preisverleihung kommen soll. Also lassen sich die Mitschüler der Klasse einiges einfallen. Zu den vier Initiatoren, die Four Fair Player, zählen Kera, eine strebsame Einserschülerin, Leonard, der eigenbrötlerische Computernerd, Elodie, eine Influencerin, und Max, der eher in die oberen Vier gedrängt wurde, um seine Versetzung nicht zu gefährden.

Das Buch ist abwechselnd aus den Perspektiven der Four Fair Player geschrieben, in einfacher, flüssiger Sprache gehalten und in nicht allzu lange Kapitel eingeteilt. Es kommen zwar keine klassischen Cliffhanger in den Kapiteln vor, dennoch entwickelt das Buch einen Sog, dem man kaum entkommen kann.

Die Charaktere sind trotz ihrer anfänglichen Klischees glaubwürdig. Man nimmt die Personen zu Beginn so wahr, wie sie von den Klassenkameraden wahrgenommen werden. Im Laufe der Handlung erfährt man beispielsweise, warum Kera so versessen einem Politiker an den Fersen klebt, was hinter Elodies social media-Leben steckt und wie Leonard zu einem Außenseiter werden konnte. Dadurch werden die Hauptpersonen realistischer, und der erste Widerwillen, weil die Figuren vor Klischees nur so strotzten, weicht einer gewissen Nachdenklichkeit, die man das ganze Buch über nicht mehr loswird.

Persönliches Fazit: Insgesamt hat mir das Buch trotz der auf dem ersten Blick ähnlichen Grundidee wie „Die Welle“ gut gefallen. Zwar hat mir das Klischeehafte in geballter Ladung am Anfang etwas die Leselust gedämmt, doch das Buch hielt inhaltlich einige unerwartete Wendungen parat, die das Steuer deutlich herumgerissen haben und mich überzeugen konnten. Empfehlung für alle, die an Umwelt, Aktion-Reaktion und Auswirkungen von Macht und Korruption interessiert sind.

/RO

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Veröffentlicht am 22.03.2021

Solides Debüt

Das Landhaus
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In der Ehe von Isabel kriselt es. Um einen Neuanfang zu beginnen, möchte Ehemann Tom von London aufs Land ziehen, denn er hat sich dort bereits in ein Anwesen verliebt. Während Izzy eigentlich kein gutes ...

In der Ehe von Isabel kriselt es. Um einen Neuanfang zu beginnen, möchte Ehemann Tom von London aufs Land ziehen, denn er hat sich dort bereits in ein Anwesen verliebt. Während Izzy eigentlich kein gutes Gefühl bei dem Haus hat, will Tom "The Lodge" unbedingt kaufen und setzt sich durch. Doch schon bald nach dem Umzug wird Izzy, die durch eine frühere Kopfverletzung Erinnerungslücken hat, verstärkt von Alpträumen und Déjà-vus heimgesucht. Welche Erinnerungen liegen in ihrem Kopf verborgen und was haben diese mit dem Haus zu tun?

Der Klappentext klang so spannend, dass dieses Debüt bereits seit Monaten auf meiner Vorbesteller-Wunschliste stand. Den teilweise fast poetischen Schreibstil und die humorvollen und sarkastischen Absätze, mit der die Hauptfigur ihre "Beschädigung" präsentiert, gefielen mir direkt und spiegelten ihre Gefühle authentisch und nachvollziehbar wider. Die Geschichte, die ihr passierte, ist allerdings beklemmend. Lizzy wurde mit 14 Jahren überfallen und kann sich daran nicht mehr erinnern. Durch einen Kopfschlag schwer verletzt, dauerte es Jahre, körperlich wieder halbwegs die Alte zu sein. Psychisch sieht das aber anders aus. Gespannt verfolgt man, dass ihr das Haus Angst einjagt, und man grübelt lange mit, was der Auslöser dafür ist. In einem zweiten Erzählstrang erfährt man von einem Jungen und seinen früheren Taten.

Zitat S. 23:
"Blitzartig wie eine Schlange ließ er die Zunge hervorschnellen und fuhr damit über den Türgriff, wo ihre Hand gelegen hatte. (...) Ihre DNA vermischte sich mit seinem Speichel. (...) Jetzt besaß er ein wenig von ihr, und bei diesem Gedanken fühlte er sich stärker und lebendiger."

Erst im Laufe des Buches erschließen sich Zusammenhänge. Die Autorin schaffte es, mich auf die falsche Fährte zu lenken, so dass ich den Falschen im Visier hatte.

Zitat S. 207:
"Dieses Haus hasst uns, ich kann es fühlen."

Auf den letzten Seiten merkte ich meinen Fehler und ahnte Schlimmes.

Persönliches Fazit: Ein solides Debüt, das mich mit lockerem Schreibstil und unterschwelliger Spannung zwischendurch gut unterhalten konnte.

/RO, Daniela

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Veröffentlicht am 22.03.2021

Solider Krimi mit einigen Schwächen

Hüte deine Zunge
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Emily steht mitten im Leben. Sie ist verheiratet, liebt ihren Mann, sie besitzen ein Haus und führen ein beschauliches Leben. Emily hat erst vor Kurzem mit ihrer Freundin Becca eine Aufräumfirma gegründet ...

Emily steht mitten im Leben. Sie ist verheiratet, liebt ihren Mann, sie besitzen ein Haus und führen ein beschauliches Leben. Emily hat erst vor Kurzem mit ihrer Freundin Becca eine Aufräumfirma gegründet und geht in ihrem neuen Job auf. Alles scheint perfekt, bis alles anders kommt als geplant. Ausgelöst durch zu viel Alkohol, gerät Emily in eine schwierige Situation, die immer größere Wellen schlägt...

Genau dieses Leben wird in den ersten 10 Kapiteln ausführlich beschrieben. Wir lernen Emily und ihren Mann Frank kennen. Emily ist eine gestandene und ordnungsliebende Frau, Frank dagegen ein absoluter Chaot, der meiner Meinung nach nicht zu Emily passt. Er ist mir unsympathisch und scheint etwas zu verbergen. Die beiden sind nicht auf einer Linie und häufig unterschiedlicher Meinung.

Wie lange waren sie jetzt schon verheiratet, und er hatte immer noch nicht gelernt, dass es kontraproduktiv war, sie in diesem Ton herumzukommandieren. (Zitat Seite 189)

Von Becca hätte ich gerne mehr erfahren. Sie ist leider nur eine kleinere Nebenfigur und geht als Emilys gleichwertige Partnerin ein wenig unter. Quinn dagegen, eine Kundin von Emily und Becca, drängt sich zu sehr in das Geschehen mit hinein. Von ihrer aufdringlichen und doch auch anhänglichen Art würde sie eher zu Frank passen.

Die Autorin lässt viele Charaktere mit einfließen, die meisten aber nur oberflächlich. Sie versucht damit den Leser zu verwirren und möchte ihn auf eine falsche Fährte führen. Oft sind es ja die Unscheinbaren, die einen Mord begehen. Doch hier war mir schnell klar, wie alles zusammenhängt, und meine Vermutungen wurden am Ende bestätigt. Die Spannung fehlte gänzlich und das Buch dümpelte gemütlich vor sich hin. Gerade in einem Krimi erwarte ich Spannungsbögen und Szenen, die mich überraschen. Die Autorin versucht im Showdown noch einmal für Verwirrung zu sorgen und beendet dann jedoch viel zu schnell das Buch. Hier hätte es gerne ein wenig ausführlicher sein dürfen. Weitere Erklärungen und Aufklärungen, damit zum Schluss der erleichternde Aha-Effekt erreicht wird. Diesen vermisste ich leider gänzlich und war überrascht, als kein weiteres Kapitel mehr folgte. Stimmig war das Ende somit leider nicht.

Persönliches Fazit: Ein solider Krimi mit einigen Schwächen, der mich leider nicht komplett überzeugen konnte. Als absoluter Krimi/Thriller-Fan sollte man nicht zu viel erwarten, doch eine leichte Lektüre für zwischendurch ist das Buch allemal.

/RO, Lena

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Veröffentlicht am 21.03.2021

Spannungsgeladen!

Sieben Wahrheiten
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Was kann es Schlimmeres geben, als das eigene Kind zu verlieren? Unerwartet und brutal werden die beiden Jungen Scott und Charlie aus dem Leben gerissen. Doch nicht nur die Familien der beiden Kinder haben ...

Was kann es Schlimmeres geben, als das eigene Kind zu verlieren? Unerwartet und brutal werden die beiden Jungen Scott und Charlie aus dem Leben gerissen. Doch nicht nur die Familien der beiden Kinder haben schwer an den Morden zu tragen. „Sieben Wahrheiten“ erzählt die Geschichte aller Beteiligten. Die Geschichte des Jungen, der seine beiden besten Freunde verloren hat. Die Geschichte der Mutter, deren Sohn für die Morde zur Rechenschaft gezogen wurde. Aber auch die Geschichte der Polizisten, die in diesem Fall ermittelt haben.

Gekonnt inszeniert Gilly Macmillan ein psychologisches Spiel, in dem die Frage nach Wahrheit und Schuld immer über aller Köpfe schwebt. Dabei spielt sie nicht nur mit den verschiedenen Perspektiven der handelnden Personen, sondern springt in der Story auch immer wieder zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Besonders gut hat mir dabei gefallen, wie die Handlung szenenweise in Form von Interviews im Rahmen des Podcasts erzählt wird. Der Mix der verschiedensten Erzählformen baut zum einen schnell eine immense Spannung auf und gestaltet die Handlung ungemein abwechslungsreich. Zum anderen fordert Macmillan uns als LeserInnen. Wir sind gefragt, die verschiedenen Sichtweisen und Erinnerungen zu einem großen Ganzen zusammenzusetzen und die Wahrheit zu erkennen. Was ist damals wirklich geschehen? Mcmillan setzt gekonnt auf unsere Emotionen: Sie schockt, erweckt unser Mitgefühl und kratzt an unseren moralischen Grundfesten.

Leider zog sich die Handlung stellenweise gerade im letzten Drittel für meinen Geschmack etwas zu sehr in die Länge. Außerdem dachte ich zunächst, dass der Klärung des Mordfalls zum Ende des Buches einfach zu wenig Platz eingeräumt wurde. Schnell musste ich mir aber eingestehen, dass ich mit letzterer Einschätzung doch etwas zu voreilig war. Wir dürfen nicht vergessen, dass hier nicht die Ermittlungsarbeit an sich im Mittelpunkt steht, wie der wirklich gelungene Twist auf den letzten Seiten noch einmal deutlich vor Augen führt. Im Mittelpunkt des Thrillers stehen die verschiedenen Wahrheiten der einzelnen Beteiligten, die sich nach und nach zu einem schlüssigen Gesamtbild fügen. In diesem Spiel werden einige Sympathieträger im Laufe der Zeit ihr Gesicht verlieren.

Persönliches Fazit: Brutal, schonungslos und voller unerwarteter Wendungen erzählt Bestseller-Autorin Gilly Macmillan in ihrem neuen Buch die tragische Geschichte um den Mord an zwei Kindern. „Sieben Wahrheiten“ ist ein spannungsgeladener Thriller, den ich guten Gewissens weiterempfehlen kann.

/RO, Franzi

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