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Veröffentlicht am 05.04.2023

Intelligent geschriebene Genremischung (Roman, Dystopie, Gesellschaftskritik), die zum Nachdenken anregt!

New York Ghost
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Candace, Angestellte in einem Verlagshaus, arbeitet auch dann noch hingebungsvoll weiter, als immer mehr Leute aufgrund einer tödlichen und hochansteckenden Pilzinfektion ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Candace, Angestellte in einem Verlagshaus, arbeitet auch dann noch hingebungsvoll weiter, als immer mehr Leute aufgrund einer tödlichen und hochansteckenden Pilzinfektion krank werden oder aus Angst aus der Stadt fliehen. Irgendwann ist sie die einzige Überlebende im ganzen Bürokomplex - vielleicht sogar in der ganzen Stadt. Das Einzige, was ihr Halt gibt: ihr Blog „NY Ghost“, auf dem sie den Verfall der Metropole dokumentiert…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Liebeskummer, Trauer, Suizid, Medikamentenmissbrauch, Alkoholmissbrauch, Blut, Gewalt, Schwangerschaft
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Meine Rezension

„Alles andere konnte den Bach runtergehen, aber nicht New York. Seine glänzenden, reflektierenden Oberflächen und die geldgetränkte Umgebung erschienen unverwundbar.“ E-Book, Position 3722

Der Klappentext (Dystopie, Großstadt, Pilzinfektion wie bei einem meiner absoluten Lieblingsvideospiele, „The Last of Us“ ♥) hat mich in Kombination mit den begeisterten Rezensionen der Buchkritik sehr neugierig gemacht. Zuerst dachte ich trotzdem noch, der Roman wäre ein absoluter Geheimtipp, weil er in einem kleinen Verlag erschienen ist und ich ihn nur selten auf Bookstagram gesehen habe. Dann wurde ich aber mit einem gewissen Nachdruck darauf hingewiesen, dass „New York Ghost“ ein absolutes Hype-Buch gewesen ist und ich wahrscheinlich die Einzige bin, die es noch nicht gelesen hat. Spätestens jetzt führte für mich kein Weg mehr an diesem Werk vorbei!

Lasst uns zuerst die wichtigste Frage klären: Habe ich das bekommen, was ich mir erhofft habe – eine tiefgründige, literarische Dystopie? Leider nicht wirklich, denn irgendwie ließ der Klappentext gemeinerweise unter den Tisch fallen, dass dieses Buch zu ca. 75% aus Rückblenden von VOR der Pandemie besteht. Die Lektüre gestaltete sich also ganz anders als erwartet und ich hätte sicher nicht zu diesem Werk gegriffen, wenn ich das gewusst hätte. Aber war das Buch trotzdem gut? Ja, zum Glück!

„New York Ghost” hat bereits einige Preise abgeräumt und wurde von vielen Zeitschriften zu einem der besten Bücher des Jahres (2018/2019) ernannt – und schon auf den ersten Seiten wird klar, warum: Dieser Roman ist sprachlich elegant, sehr intelligent, tiefgründig und stellenweise auch fordernd geschrieben, enthält teils satirisch verpackte Gesellschafts- und Kapitalismuskritik und beleuchtet auf einfühlsame und treffende Weise sowohl Migration als auch unsere Konsumgesellschaft und das Leben junger Erwachsener in einer Großstadt.

„Sie spendeten an Non-Profit-Organisationen, die sich gegen Niedriglohnfabriken in südostasiatischen Ländern einsetzten, obwohl sie diese nutzten. Ein Vorgehen, das ein raffiniertes Verständnis der globalen Wirtschaft zeigte.“ E-Book, Position 2230

Besonders interessant fand ich Ling Mas Entwurf der „Zombies“ – es sind hier keine blutrünstigen Monster, sondern friedliche Geschöpfe, die ohne Unterlass altbekannte Routinen ausführen, die zum Beispiel immer wieder den Tisch decken, immer wieder die Wäsche zusammenlegen oder die Blumen gießen, während sie langsam körperlich verfallen, weil sie nichts mehr essen und sich nicht mehr um sich selbst kümmern. Vermutlich eine Anspielung auf unseren oft „hirnlosen“, gierigen Konsum und den immergleichen Alltag im Hamsterrad. Wer sich die Zeit nehmen will – zu analysieren gäbe es hier jedenfalls genug! Mich überzeugten die dystopischen Passagen in der Gegenwart jedenfalls auf ganzer Linie, da die Autorin hier nichts beschönigt und dort knallhart und grausam gelitten und gestorben wird. Gerade deshalb finde ich es schade, dass diese Abschnitte nur so wenig Raum im Buch einnehmen. Auch die Protagonistin konnte mich mit ihrer unerschütterlichen, nachdenklichen, irgendwie seltsamen Art (zu der sie steht, was ich wundervoll finde!) für sich einnehmen. Ich fand sie sehr sympathisch und habe sie gerne durch die Geschichte begleitet – gerne hätte ich das auch noch länger getan, aber dazu später mehr.

„Es ist so still, ich könnte durch die Risse einer solchen Stille fallen.“ E-Book, Position 3917

Probleme hatte ich (neben den etwas blass bleibenden Figuren) vor allem mit den langen Rückblenden voller Arbeitsalltag, Shopping-Orgien und Hautpflegeprodukte. Ich bin ohnehin kein großer Fan von Rückblenden und da ich mich für diese Themen einfach so gar nicht interessiere, habe ich mich bei diesen Passagen dann schon manchmal gelangweilt; ich fand sie einfach langatmig und kam nur schleppend voran. Trotzdem gab es auch hier immer wieder interessante Stellen, die mich zum Nachdenken gebracht haben. Richtig interessant wurde es für mich erst dann wieder, als die Menschen nach und nach New York verlassen und Candace atmosphärisch beschreibt, wie sich die eigentlich so volle und laute Metropole immer weiter leert – bis sie das Gefühl hat, der letzte Mensch dort zu sein. Eine unheimliche Vorstellung, die sich beim Lesen einfach so falsch anfühlte!

Aus feministischer Sicht bin ich mit diesem Buch leider auch nicht rundum zufrieden, weil es eine sehr klischeehafte Rollenverteilung in der Gegenwart gibt – wohl auch bedingt durch den konservativen, religiösen Anführer der Gruppe Überlebender, aber trotzdem. Warum bekommen die Männer die Waffen und die Frauen sammeln dann in gesichterten Häusern die Waren ein? Das geht 2023 besser! Etwas besänftigt haben mich dafür die auf ihre eigene Art starke, intelligente Hauptfigur und die fehlenden sexistischen Beleidigungen. Das Ende würden manche vielleicht als „eigenwillig“ oder „gewagt“ bezeichnen – ich nenne es „Frechheit“! ;) Ich habe nichts gegen offenere Enden, aber was uns da serviert wird… Gerade als es richtig spannend wird, bricht die Geschichte abrupt ab – als Leser:in wird man ziemlich unhöflich im Regen stehen gelassen. Vielen Dank auch!

Mein Fazit

„New York Ghost” ist ein intelligent geschriebener Roman, der ganz anders war, als ich ihn mir vorgestellt hatte – aber trotzdem auf seine Weise gut und unterhaltsam. Das Buch ist ungeschönte Dystopie, tiefgründige Gesellschafts- und Kapitalismuskritik und literarische Milieustudie (Großstadtleben, junge Erwachsene, Migration) in einem. Ling Ma hat ein Werk geschrieben, das zwar keine Hochspannung bietet, uns aber dafür zum Nachdenken anregt – und ist das nicht viel wichtiger? Schließlich ist es doch genau das, was uns von den Zombies in der Geschichte unterscheidet…

Bewertung

Cover / Aufmachung: 2 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 4 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 5 Sterne ♥
Ende: 2 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 3 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 5 Sterne ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir vier zufriedene Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.04.2023

Sehr hilfreiches Buch im Kampf gegen die Klimakrise und das Leugnen!

Erste Hilfe für die Erde
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Klappentext

Wie können wir unseren Planeten retten und das 21. Jahrhundert überleben? Wie argumentiert man mit Leugnern des Klimawandels? Wie können wir hier und jetzt die Klimawende schaffen? Dieses ...

Klappentext

Wie können wir unseren Planeten retten und das 21. Jahrhundert überleben? Wie argumentiert man mit Leugnern des Klimawandels? Wie können wir hier und jetzt die Klimawende schaffen? Dieses ungewöhnlich gestaltete Buch nennt die Fakten: kurz und kompakt, wissenschaftlich fundiert und nachprüfbar. Der bekannte Klimaexperte Prof. Mark Maslin entwirft keine Utopien, sondern liefert stichhaltige Argumente und gibt konkrete Tipps, was jeder von uns im Alltag beitragen kann. Wir haben allen Grund zum Optimismus, denn unsere Zukunft liegt ganz allein in unseren Händen. Zeit, den Tatsachen ins Auge zu blicken und unsere Erde vor und für uns zu retten!

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Sachbuch, Einzelband
Kapitellänge: mittel

Rezension

„Wir stehen am Abgrund. Die Zukunft unseres Planeten liegt in unseren Händen.“ E-Book, Position 63

Ich lese nur selten Sachbücher – und wenn, dann nervt es mich sehr, wenn sich die Autor:innen wiederholen und damit meine Zeit verschwenden. Dieses Buch lockte mich mit seiner Kürze, seiner Wissenschaftlichkeit und seinem brandaktuellen Thema: Klimawandel. Das ist nämlich eine Thematik, über die man gerade als Lehrerin nicht genau genug informiert sein kann. Außerdem versprach es konrete Handlungsvorschläge und dass man in jeder Situation daraus zitieren kann, sei es bei Partys oder sogar im Parlament – ganz egal eben, wo man auf Klima-Leugner:innen trifft. Daher musste ich es natürlich lesen!

Gleich am Beginn zur wichtigsten Frage: Kann das Buch wirklich alle Versprechen halten, das es auf den ersten Seiten macht? Nicht ganz! Aber ist es trotzdem eine lesenswerte Lektüre? Definitiv! Prof. Mark Maslin hat ein Sachbuch vorgelegt, das sich an (fast) alle wendet. Für wen das Thema noch komplettes Neuland ist, der:die wird langsam an das Problem herangeführt, aber auch wer sich schon etwas besser auskennt, kann hier noch einiges dazulernen. Zuerst wird kurz auf die Menschheitsgeschichte eingegangen und erklärt, wie wir überhaupt an den Punkt gelangt sind, an dem wir heute (leider) stehen (stellenweise ganz schön deprimierend, da fragt man sich schon, ob wir unseren bevorstehenden Untergang nicht vielleicht sogar verdient haben). Danach wird über die Gegenwart gesprochen und es wird uns gezeigt, wie unsere Zukunft aussehen könnte, wenn wir uns a) ab jetzt für das Klima einsetzen (friedlich, positiv, gerechter, lebenswert) oder wenn wir weiterhin b) so gut wie nichts tun (dystopisch, schlecht, das wollen wir nicht erleben, glaubt mir!).

Auch die beliebtesten Argumente der Klimawandel-Leugner:innen werden faktenbasiert widerlegt – was ich sehr praktisch und nützlich für den Alltag finde. Am Ende – und dieser Teil hat mir am allerbesten gefallen – sagt uns Mark Maslin noch ganz konkret, was unsere nächsten Schritte sein sollten und wie jede:r von uns etwas zu einer klimafreundlicheren Zukunft beitragen kann. Hier habe ich am meisten für mich mitnehmen können – endlich wurden mir nämlich die größeren Zusammenhänge klar und ich fühle mich jetzt viel kompetenter im Umgang mit der Krise. Damit hat Prof. Mark Maslin doch schon sehr viel erreicht!

Nicht so gut gefallen hat mir hingegen, dass sich das Buch – obwohl es wirklich sehr kurz ist und alles Unwichtige weglässt – trotz aller Versprechungen am Ende wiederholt, was ich etwas anstrengend fand. Stören könnte manche von euch auch, dass man nicht so richtig in einen Lesefluss kommt, weil der Schreibstil sehr nüchtern und die Absätze sehr kurz sind (manchmal nur ein prägnanter Satz). Dementsprechend bleibt auch das vermittelte Wissen eher an der Oberfläche (es geht eher darum, sich einen Überblick über das Thema zu verschaffen), was zumindest mir aber bei einem so kurzen und knackigen Buch von Anfang an klar war. Gewünscht hätte ich mir bei einem Werk, das sich so für eine fairere, gerechtere Zukunft einsetzt, allerdings schon, dass gegendert wird und so alle Geschlechter sichtbar gemacht werden, Herr Prof. Maslin! Bitte dann beim nächsten Buch!

Insgesamt überwiegen für mich jedenfalls eindeutig die Stärken – das ist mir besonders im Nachhinein klar geworden, weil ich gemerkt habe, dass ich immer wieder an die Lektüre zurückdenke, wenn ich zum Beispiel Nachrichten über den Klimawandel höre. Allerdings lösen das aktuelle Nichtstun der Politik und die negativen Berichte über Klimaaktivist:innen nun bei mir beim noch mehr Stress, Wut und Frust aus als vorher – aber das ist wohl der Preis, den man als „Wissende“ zahlt (ich zahle ihn gerne, denn was ist die Alternative?). Aus diesem Grund empfehle ich euch das Buch gerne weiter – besonders wenn auch ihr in einer Schule arbeitet oder Klimaleugner:innen in eurem Bekannten-, Freundes- oder sogar Familienkreis habt!

Mein Fazit

Wer (wie ich vorher) das Gefühl hat, beim Thema „Klimawandel“ nur lückenhaftes Wissen zu besitzen, wer sich gerne einen Überblick verschaffen und die größeren Zusammenhänge verstehen würde, wer nach einem wissenschaftlich fundierten Sachbuch ohne nerviges „Blabla“ sucht, wer im Bildungsbereich arbeitet, wem beim Argumentieren mit Klimaleugner_innen schnell die Argumente ausgehen, wer gerne ETWAS tun würde, aber nicht so recht weiß, wie und was und wo anfangen – euch allen kann ich „Erste Hilfe für die Erde“ nur wärmstens ans Herz legen! Dieses kurze und knackige Sachbuch wird euch mit wertvollem Wissen, Diskussionswerkzeugen, einer Vision und konkreten Handlungsvorschlägen versorgen, sodass ihr euch am Ende nicht nur informierter, kompetenter und motivierter im Umgang mit der Krise fühlen werdet, sondern – und das ist ganz wichtig – auch irgendwie hoffnungsvoller, dass wir es doch noch schaffen können.

Bewertung

Einstieg: 4 Lilien
Inhalt: 4 Lilien
Verständlichkeit: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 4 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 3 Lilien
Insgesamt:

❀❀❀❀ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir vier zufriedene Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.02.2023

Spannende Grundidee – leider enttäuschend umgesetzt…

SCHWEIG!
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Am Tag vor Weihnachten besucht Esther ihre psychisch kranke Schwester in einem abgeschiedenen Haus, um ihr ein Geschenk zu bringen. Einen Schneesturm ohne Handyempfang ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Am Tag vor Weihnachten besucht Esther ihre psychisch kranke Schwester in einem abgeschiedenen Haus, um ihr ein Geschenk zu bringen. Einen Schneesturm ohne Handyempfang später ist nichts mehr, wie es wahr…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Suizidgedanken, psychische Krankheiten, Manipulation, toxische Beziehung, Gaslighting, Blut, Gewalt, Alkoholmissbrauch, Einzelhaltung einer Katze (Tierquälerei)
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: keine ♥

Rezension

„Ich bin kein freier Mensch, denn ich habe eine Schwester.“ E-Book, Position 45

Da ich schon lange etwas von Judith Merchant lesen wollte und der Klappentext so gut klang, konnte ich diesem Buch nicht widerstehen. Der Winter ist auch der perfekte Zeitpunkt, um sich diesem weihnachtlichen Thriller zu widmen!

Nun die wichtige Frage: Kann die Autorin das Potential dieser spannenden Grundidee nutzen und eine überzeugende Geschichte daraus spinnen? Die kurze Antwort ist: Nein, leider nicht! Meine Erwartungen wurden leider nicht erfüllt und am Ende war ich ziemlich enttäuscht.

Woran es lag? Leider am Gesamtpaket, denn mich hat einfach an allen Ecken und Enden etwas am Buch gestört. Am meisten haben mich die vielen inhaltlichen Wiederholungen genervt. Die Dialoge drehen sich im Kreis, immer wieder wird das gleiche Thema durchgekaut – das war unglaublich langweilig und anstrengend zu lesen! Auch Spannung wollte ich deswegen keine einstellen – bei einem Thriller natürlich fatal. Die Wendungen, die mich vermutlich umhauen hätten sollen, fand ich einfach nur lahm – da habe ich schon viel bessere Thriller gelesen! Zudem werden die Themen (Geschwisterrivalität, Eifersucht, Verantwortung, Macht, Manipulation, Familie) nur sehr oberflächlich abgehandelt. Ja, durchgehalten habe ich zwar bis zum Schluss (in der Hoffnung auf den EINEN großartigen, unerwarteten Twist), aber gelohnt hat sich das leider nicht.

„Familie ist eine Herausforderung. Vor allem, wenn es in dieser Familie ein schwarzes Schaf gibt.“ E-Book, Position 152

Dazu kam, dass ich (bis auf die Kinder) ausnahmslos alle Figuren in diesem Buch entweder nur farblos oder nur unsympathisch oder BEIDES gleichzeitig fand und von den beiden Schwestern, ihrer toxischen Beziehung und dem ständigen „Gaslighting“ auch sehr schnell genervt war. Was mit ihnen im weiteren Verlauf der Geschichte passierte, ließ mich nicht einmal mit der Wimper zucken, weil ich einfach keine Verbindung zu ihnen aufbauen konnte und mir ihr Schicksal deshalb vollkommen egal war. Die unnötigen Geschlechterstereotype und veralteten Vorstellungen darüber, wie ein „echter Mann“ zu sein hat, haben es nicht besser gemacht.

„[…] eiskalt und wunderschön ist es da draußen, ein Bild, das ich trinken möchte in großen, durstigen Zügen.“ E-Book, Position 201

Gut gefallen haben mir dafür der zwar etwas einfache / oberflächliche, aber doch sehr flüssige Schreibstil mit den gelungenen Metaphern, das atmosphärische Setting (riesiges Haus aus Glas, das abgeschieden mitten in einem Nadelbaum-Wald steht, Schneesturm, kein Handyempfang), die zwei starken weiblichen Hauptfiguren und der starke Anfang mit dem gelungenen „Foreshadowing“. Leider können für mich diese Stärken die Schwächen dieses Werks aber nicht aufwiegen. Ob ich mich in der Zukunft an ein weiteres Buch der Autorin heranwagen werde, steht noch nicht ganz fest – aber eher nicht.

Mein Fazit

Aus der spannenden Grundidee und dem atmosphärischen Setting wurde leider nicht viel gemacht, was sehr schade ist. Die vielen inhaltlichen Wiederholungen, den Mangel an Spannung und die unsympathischen, blassen Figuren konnte ich „Schweig!“ am Ende (trotz seiner Stärken) leider nicht verzeihen. Von mir gibt es deshalb leider keine Leseempfehlung – da draußen gibt es nämlich deutlich bessere Thriller. Lest lieber die!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 4 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 2,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 3 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistinnen: 1,5 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 2,5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 1 Stern
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 2 Sterne

Insgesamt:

❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir zweieinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.02.2023

Der erste Horror-Roman, der mich zum Weinen gebracht hat! Ein Meisterwerk! ♥

Bird Box - Schließe deine Augen
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Es beginnt plötzlich: Überall auf der Welt scheint sich etwas herumzutreiben, denn sobald Menschen es sehen, werden sie unrettbar verrückt und reißen sich und oft auch ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Es beginnt plötzlich: Überall auf der Welt scheint sich etwas herumzutreiben, denn sobald Menschen es sehen, werden sie unrettbar verrückt und reißen sich und oft auch andere in den Tod. In dieser gefährlichen Welt versucht eine Gruppe Menschen gemeinsam in einem Haus zu überleben – und muss schon bald feststellen, dass die größten Gefahren vielleicht nicht draußen, sondern innerhalb der scheinbar sicheren Mauern lauern…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 1/2
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präsens
Perspektive: hauptsächlich weibliche Perspektive, vereinzelt männliche
Kapitellänge: kurz bis mittel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Tod von Kindern, Tod von Tieren, Trauer, Suizid, Gewalt, Blut, psychische Krankheiten, Schwangerschaft, Geburt
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schla+++

Rezension

„Auf CNN sagten sie gerade, das sei eine Konstante bei allen Zwischenfällen. Dass die Opfer etwas gesehen haben, bevor sie Leute angriffen und sich selbst umbrachten.“ Seite 23

Der spannende Klappentext hat mich vor einigen Jahren sofort überzeugt, trotzdem verstaubte das Buch daraufhin lange ungelesen im Regal – völlig unverdient, wie sich nun herausgestellt hat. Hätte ich gewusst, WIE gut „Bird Box“ ist, hätte ich es bestimmt schon viel früher gelesen!

Wenn man einen Horrorroman liest, weiß man ja, worauf man sich einlässt: Man rechnet mit gruseligen Momenten, Gewalt und Tod. Womit man aber nicht rechnet: dass einem die Figuren, diese kleine Gruppe von Überlebenden (ihre Gesamtheit, ihr „Vibe“) SO ans Herz wächst, dass man auf einmal um ihr Leben bangt und vom Genre, das man sich zuvor bewusst ausgesucht hat, plötzlich nichts mehr wissen will. Man beginnt im Kopf zu verhandeln und ist im Zwiespalt: Einerseits will man unbedingt wissen, wie es weitergeht, andererseits hat man das Gefühl, dass man es nicht ertragen könnte, wenn die Geschichte schlecht ausgeht.

„Sie haben alle getrauert, denkt Malorie. Diese Menschen haben, genau wie ich, schreckliche Dinge erlebt.“ Seite 56

Genau das ist auch die größte Stärke dieses Romans: dass er einen emotional nicht kaltlässt, sondern mitreißt und berührt. „Bird Box“ steckt nämlich voller hoffnungsvoller, aber auch voller deprimierender, tragischer und schmerzhafter Momente, die schwer zu verdauen sind, und schockierender Bilder, die einen wohl nie mehr loslassen. Dazu kommt die große, stellenweise fast unerträgliche Beklemmung, die man beim Lesen spürt; sie resultiert daraus, dass (zusätzlich zur Gefahr vor der Tür) die Lage auch im eigentlich sicheren Haus immer angespannter und gefährlicher wird. Die letzten 100 Seiten musste ich auf einmal lesen, weil ich diese unglaubliche Anspannung irgendwann nicht mehr ausgehalten habe! Nach der letzten Seite war ich emotional total fertig, verstört und mit den Nerven total am Ende, aber IRGENDWIE auch absolut begeistert und glücklich über dieses Leseerlebnis. Und – jetzt kommt’s! – das Buch hat mich (völlig unerwartet) sogar zum Weinen gebracht! Das hat bisher noch kein Horror-Roman geschafft! Chapeau, Josh Malerman!

„Ja, sie hat sie gut trainiert. Aber es ist nicht schön, daran zu denken. Die Kinder ‚trainieren‘ bedeutet, sie hat ihnen solche Angst gemacht, dass sie ihr unter allen Umständen gehorchen.“ Seite 83

Doch was macht „Bird Box“ eigentlich so gut und überzeugend? Da wären einerseits die originelle Grundidee und die dichte, düstere Atmosphäre. Diese Mischung aus Horror, Dystopie und Drama wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Man spürt beim Leben der Rückblenden eine unglaublich intensive Angst vor der Zukunft, die hängt nämlich wie ein unheilvolles Damokles-Schwert über der Gruppe. Momentan haben sie noch genug zu essen, ABER die Vorräte reichen nur noch für 3 Monate. Was dann? Aktuell verhalten sich noch alle zivilisiert, weil sie einen vernünftigen Anführer haben, ABER sobald dieser auf Erkundungsmission geht und das Haus verlässt, kommt es fast zu Handgreiflichkeiten. Der schwangeren Hauptfigur Malorie geht es aktuell noch gut, ABER wird sie die gefährliche Geburt überstehen? Und die drängendste Frage: In der Vergangenheit lebt Malorie noch mit der Gruppe im Haus und in Sicherheit, ABER in der Gegenwart ist sie plötzlich mit zwei Kleinkindern alleine und auf sich gestellt? Warum? Wo sind die anderen? Was ist passiert? Das sind die genau Fragen, die einen Seite um Seite umblättern lassen und das Buch damit zu einem echten Pageturner machen!

Dazu kommt, dass Josh Malermans relativ nüchterner, einfacher, wenig ausgeschmückter, durch die kurzen Sätze ruhelos wirkender Schreibstil perfekt zu dieser Geschichte passt. Besonders gut gefallen hat mir, wie nuanciert und treffend der Autor alle erdenklichen Geräusche beschreibt. Fasziniert hat mich auch, wie spannend das Buch (das man auch als Charakterstudie bezeichnen könnte) ist, OBWOHL eigentlich gar nicht so viel passiert und OBWOHL die Beziehungen und Spannungen in der Gruppe und Malories Innenwelt im Mittelpunkt stehen – noch mehr als die Gefahr, die vor der Tür lauert. Und doch beschreibt Josh Malerman banale Dinge wie den Gang zum Brunnen vor dem Haus so atemlos spannend und unheimlich, dass man kaum atmen kann und eine Gänsehaut am ganzen Körper bekommt. Beispiel: In einer Szene erkunden zwei Männer mit verbundenen Augen die Straße vor dem Haus, als einer über etwas stolpert, von dem er glaubt, dass es sich um einen Koffer handelt. Doch als sich der andere bückt und das Ding betastet, stellt sich heraus, dass es die Leiche einer Frau ist! Beim Lesen war das so ein Schock! Themen wie das Überleben an sich, Menschlichkeit (wie viel kann man sich noch leisten?), Trauer, Angst, Freundschaft, Liebe (auch Tierliebe), Mutterschaft (was macht eine gute Mutter aus?) und Hoffnung in einer zerstörten Welt werden dabei überraschend tiefgründig, stellenweise sogar richtig philosophisch behandelt. Großartig!

„Wie oft hat sie an ihren Mutterpflichten gezweifelt, als sie die Kinder zu Lauschapparaten ausgebildet hat? […] Als hätte sie für zwei Mutantenkinder zu sorgen. Kleine Monster. Selbst eine Art unheimlicher Wesen, die ein Lächeln hören können.“ Seite 161

Aus feministischer Sicht war ich auch positiv überrascht – vor allem, da es sich ja um einen Horror-Roman handelt (ein Genre, das nicht für seinen Feminismus bekannt ist), der noch dazu von einem männlichen Autor geschrieben wurde. Bis auf die sechsmalige Verwendung von „hysterisch“ für weibliches Verhalten (und das verzeihe ich) gibt es hier absolut nichts auszusetzen. Das Buch ist praktisch frei von Male Gaze (danke!) und Malorie ist eine intelligente, unglaublich starke weibliche Hauptfigur, in die ich mich sehr gut hineinfühlen konnte. Am Anfang dachte ich noch genervt: Warum muss der Anführer unbedingt männlich sein? Aber schon bald habe ich verstanden, was für eine tolle Person dieser Tom ist (keine toxische Männlichkeit vorhanden!) und dass ER der Kitt ist, der die ganze Gruppe mit seiner Höflichkeit, Menschlichkeit und seinen Erfindungen und Ideen und Hoffnungen zusammenhält. Jedes Mal, wenn er das Haus verlassen hat, habe ich mich genauso leer gefühlt wie Malorie. Das ist die Art Mensch, die man in der Apokalypse um jeden Preis beschützen muss!

Manchen Rezensent:innen waren es am Ende zu viele offene Fragen – ich muss sagen, diesen Kritikpunkt kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Man erfährt doch im Laufe der Geschichte recht viel über das, was sich draußen herumtreibt, auch durch die Experimente und Theorien der Gruppe. Mehr können diese Leute einfach nicht wissen (woher auch?), mehr Informationen wären einfach unrealistisch gewesen aus meiner Sicht. Für mich war dieses Buch jedenfalls von der ersten bis zur letzten Seite gerade richtig, der Autor hat aus einer großartigen Grundidee eine großartige Geschichte gesponnen – voller gemeiner, unerwarteter Wendungen und Enthüllungen, und trotzdem noch rätselhaft genug, sodass sich das Grauen oft in der eigenen Fantasie abspielt. So etwas liebe ich ja! Ob ich die Fortsetzung lesen werde, weiß ich allerdings noch nicht – denn eigentlich kann sie nach diesem großartigen ersten Band doch nur eine Enttäuschung sein, oder?

Mein Fazit

Für mich ist „Bird Box“ ein Jahreshighlight und neues Lieblingsbuch – und vielleicht sogar das beste Buch des Jahres! Warum? Es ist erfrischend anders, tiefgründig, berührend, furchteinflößend und atemlos spannend! Ein Buch, das man einerseits total genießt und liebt und andererseits kaum ertragen kann, weil es so beklemmend, deprimierend, verstörend und schmerzhaft ist. Trotz meiner hohen Erwartungen hat es mich vollkommen umgehauen! Darum: Unbedingt lesen – ihr werdet es nicht bereuen!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 4 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 5 Sterne ♥
Worldbuilding: 5 Sterne ♥
Einstieg: 3 Sterne
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Figuren: 5 Sterne ♥
Spannung: 5 Sterne ♥
Wendungen: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: 4 Sterne
Einzigartigkeit: 5 Sterne ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir 5 Sterne und ein Herz – und damit den Lieblingsbuchstatus!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.02.2023

Gute Grundidee, schlechte Umsetzung (spannungsarm, irrationales Verhalten, unsympathische Figuren)!

COLDTOWN – Stadt der Unsterblichkeit
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Tana überlebt zusammen mit ihrem Ex-Freund Aidan als Einzige einen Vampirangriff auf eine Party. Leider hat Aidan sich dabei mit dem Vampir-Virus angesteckt und auch ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Tana überlebt zusammen mit ihrem Ex-Freund Aidan als Einzige einen Vampirangriff auf eine Party. Leider hat Aidan sich dabei mit dem Vampir-Virus angesteckt und auch Tana könnte es schon in sich tragen. Um ihre Familie zu schützen und sich selbst in Quarantäne zu begeben, macht sie sich deshalb auf den Weg in eine der gefährlichen Coldtowns – eine Stadt, die hauptsächlich von Vampiren bevölkert wird…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurze und lange Kapitel im Wechsel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Blut, Gewalt, Suizidgedanken, psychische Krankheiten
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schla+++ (2x)

Rezension

„Die Menschen liebten hübsche Dinge. Die Menschen liebten Schönes auch noch, wenn es sie töten und fressen wollte.“ E-Book, Seite 124

Nach längerer Zeit hatte ich mal wieder richtig Lust auf einen Vampirroman – und „Coldtown“ (mit seinem düsteren Klappentext und den garantiert nicht glitzernden Untoten) versprach ein richtig guter zu werden. Böse (und süffisante) Zungen werden nun vielleicht behaupten, ich hätte die Zeichen und, okay, auch so manche DEUTLICHE Warnung ignoriert, aber ich wollte mich von den (vor allem im deutschsprachigen Raum) ernüchterten Rezensionen nicht abschrecken lassen, denn es klang einfach SO gut. Zu gut. Zu gut, um wahr zu sein, genauer gesagt, was ich auch bald merken sollte.

„In jeder Coldtown sterben jede Nacht Menschen. Menschen sind empfindlich.“ E-Book, Seite 280

Doch woran lag es? Hauptsächlich an den Figuren. Leider kombiniert Holly Black in ihrem Debüt farblose, klischeehafte, extrem unsympathische Nebenfiguren, deren Schicksal einem von Anfang an egal ist (und es auch bleibt), mit einer sich vollkommen irrational verhaltenden, nervigen Hauptfigur ohne jegliche Überlebensinstinkte, die sich noch dazu schneller schockverliebt als ihr Schatten. Vor allem in den ersten zwei Dritteln des Buches stolpert sie durch ihre eigenen (teils vollkommen hirnrissigen) Entscheidungen von einer gefährlichen Situation in die nächste, sodass ich beim Lesen aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr herauskam.

Am Beginn fängt es schon an: Stellt euch vor, fast alle eure Freund:innen wurden in der Nacht von Vampiren getötet, ihr habt aber überlebt und findet im Schlafzimmer einen gefesselten Vampir vor. Was würdet ihr machen? Wenn ihr einen Funken Vernunft und Hausverstand in euch habt, vermutlich so schnell wie möglich aus diesem Haus voller Leichen ins Tageslicht rennen? Tja, Tana beschließt, ihr Leben zu riskieren und diesen Vampir zu befreien (der möglicherweise diese ganzen Leute getötet hat), weil … SIE HAT DA EIN GUTES BAUCHGEFÜHL UND ER TUT IHR AUCH IRGENDWIE LEID. Das ist nur eine von unzähligen dummen Ideen, die sie im Laufe der Geschichte hat. Wäre das hier WIRKLICH ein realistischer, düsterer Vampirroman (und nicht das blutleere Klischee-Feuerwerk, das er ist), hätte Tana bereits ihre erste törichte Aktion nicht überlebt – ich sag es ja nur.

„Je mehr sie über die Sache nachdachte, desto blöder kam sie sich vor.“ E-Book, Seite 193

Dazu kommt, dass in den ersten 250 Seiten nach dem (immerhin) spannenden Einstieg bis auf einen sehr langweiligen Roadtrip so gut wie gar nichts passiert. Für mich war dieses Buch jedenfalls eine Geduldsprobe – ich war eigentlich die ganze Zeit kurz davor, es abzubrechen. Auch die relativ oberflächlich bleibende Behandlung von Themen wie Trauer, Schuld, Verantwortung und Erwachsenwerden ließ mich enttäuscht zurück. Die größte Enttäuschung im Zusammenhang mit diesem Buch ist aber immer noch JOHN GREENS Empfehlung! Was ist denn bloß in den gefahren? Ich habe DIR VERTRAUT, John! Naja, ab jetzt nicht mehr…

Zum Positiven: Dass ich dann doch durchgehalten habe, hat sich zumindest ein bisschen gelohnt. Erst im letzten Viertel kommt dann endlich ein bisschen Schwung in die Geschichte und es gibt sogar so etwas wie eine Handlung. Auch die Heldin Tana scheint dann endlich ihr Gehirn einzuschalten und ich konnte ihr Verhalten besser nachvollziehen, genauso wie die Liebesgeschichte, die nach und nach glaubwürdiger wird. Aus feministischer Sicht gibt es hier ebenfalls nichts auszusetzen – im Gegenteil, die unaufgeregte LGBT-Repräsentation ist sogar positiv hervorzuheben.

Auch wenn es tragisch und sehr schade ist, wie Holly Black mit dieser grandiosen Grundidee umgegangen ist (daraus hätte man so viel machen können!), erkennt man doch ihr Potential – zum Beispiel in den düsteren, sehr blutigen (Achtung!) und atmosphärischen Beschreibungen der gefährlichen Coldtown und in ihrem zwar nicht grandiosen, aber doch sehr flüssig lesbaren Schreibstil. Ich werde der Autorin definitiv mit „Elfenkrone“ noch eine zweite Chance geben – vielleicht überzeugt sie mich ja damit…

Mein Fazit

Gute Grundidee, schlechte Umsetzung! Die letzten 150 „okayen“ Seiten können nicht das aufwiegen, was davor spannungs-, logik- und charaktertechnisch verbrochen wurde. Um „Coldtown“ können Vampirfans also guten Gewissens einen Bogen machen, lest lieber etwas, das deutlich besser ist – wie zum Beispiel „Twilight“ von Stephenie Meyer. Ja, das meine ich ernst. Ja, wirklich! JAHA! 😉

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 2,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 3,5 Sterne
Protagonistin: 2 Sterne
Figuren: 1 Stern
Liebesgeschichte: 2 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Wendungen: 3 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 1 Stern
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 2 Sterne

Insgesamt:

❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir zweieinhalb enttäuschte Sterne!

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