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Shilo_

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.11.2025

Wenn Prozesse Gesichter bekommen

Saal 210 - Wenn Menschen morden
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Sehr oft hatte ich beim Lesen das Gefühl, direkt in diesem Saal zu sitzen, in dem über das Leben anderer entschieden wird. Ich spürte die besondere Atmosphäre, die Stille zwischen den Sätzen, die Schwere ...

Sehr oft hatte ich beim Lesen das Gefühl, direkt in diesem Saal zu sitzen, in dem über das Leben anderer entschieden wird. Ich spürte die besondere Atmosphäre, die Stille zwischen den Sätzen, die Schwere in den Worten von Richtern und Zeugen. Es geht um wahre Fälle, die in Köln verhandelt werden. Ein verschwundenes Kind, ein Arzt, der ins Koma gespritzt wurde, ein Sack voller Leichenteile, ein Mann, der seine Frauen nacheinander vergiftet hat.
Beeindruckt hat mich, dass die Autorin nicht sensationshungrig schreibt. Sie bleibt sachlich, beobachtet genau, lässt Raum für eigene Gedanken. Und ich merkte, dass sie die Prozesse wirklich miterlebt hat. Es geht ihr nicht um das Grauen, sondern um die Menschen dahinter. Um die Frage, warum jemand so weit geht, und warum andere zu spät handeln.
Einige Kapitel haben mich länger beschäftigt, besonders dann, wenn deutlich wurde, wie viele Zufälle, Versäumnisse und menschliche Schwächen in einer Tragödie zusammenkommen können. Ich brauchte manchmal einen Moment, um das Gelesene wirken zu lassen, weil die Beschreibungen trotz ihrer Schlichtheit tief treffen.
Die Sprache ist klar und ruhig. Vielleicht ist es gerade diese Einfachheit, die das Buch so eindrücklich macht. Nichts wird beschönigt, aber auch nichts ausgeschlachtet. Hariett Drack zeigt, dass Gewalt und Schuld selten einfache Geschichten sind. Es sind Einblicke in menschliche Abgründe, die erschrecken, aber auch nachdenklich machen.
Ich habe das Buch gern gelesen, auch wenn es mich betroffen zurückgelassen hat. Es ist kein leichtes, aber ein wichtiges Buch. Wer verstehen will, was im Gerichtssaal wirklich passiert, bekommt hier keine fertigen Antworten, sondern viele ehrliche Fragen. Und genau das bleibt hängen.
Fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung für alle, die sich für wahre Fälle interessieren, die ohne Effekthascherei auskommen und den Menschen in den Mittelpunkt stellen.

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Veröffentlicht am 08.11.2025

Ein Haus am Meer und die Sehnsucht nach einem neuen Anfang

Die Tochter der See
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Es gibt Bücher, die sich nicht über große Wendungen, sondern über ihre Stimmung entfalten. Dieses gehört für mich dazu. Schon nach wenigen Seiten war ich gefangen in dieser besonderen Mischung aus Melancholie, ...

Es gibt Bücher, die sich nicht über große Wendungen, sondern über ihre Stimmung entfalten. Dieses gehört für mich dazu. Schon nach wenigen Seiten war ich gefangen in dieser besonderen Mischung aus Melancholie, Meer und Aufbruch. Die Geschichte spielt zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in einer Zeit, in der Krieg und gesellschaftliche Zwänge das Leben der Menschen bestimmten.
Isabel, eine junge Witwe, sucht an der Küste Cornwalls einen neuen Anfang. Sie lebt zurückgezogen, mit der See als ständiger Begleiterin, manchmal bedrohlich, manchmal tröstlich. Ich mochte sehr, wie die Autorin diese Landschaft fast zu einer eigenen Figur macht. Das Meer ist nicht nur Kulisse, es spiegelt Isabels innere Unruhe und ihren Wunsch nach Freiheit.
Linda Wilgus erzählt mit ruhiger Hand und einem feinen Gespür für Stimmungen. Ihre Sprache ist klar und unaufgeregt, und gerade das hat mir gefallen. Sie beschreibt nie zu viel und lässt Platz für eigene Empfindungen. Zwischen Nebel, Schmugglern und alten Geschichten entsteht eine Atmosphäre, die mich an alte Cornwall-Legenden erinnert hat und mich ganz in diese Welt gezogen hat.
Besonders berührt hat mich Isabels stille Stärke. Zwischen dem Schmugglerkapitän, zu dem sie sich immer stärker hingezogen fühlt, und dem Leutnant, der mit unerbittlicher Härte gegen die Schmuggler vorgeht und sie zugleich beschützen will, steht sie in einem gefährlichen Spannungsfeld. Doch die eigentliche Kraft dieser Geschichte liegt für mich nicht im romantischen Konflikt, sondern in Isabels innerem Ringen zwischen Angst und Sehnsucht, Pflichtgefühl und Freiheit.
Trotz meiner Begeisterung für die Atmosphäre hatte ich zwischendurch das Gefühl, dass die Handlung etwas auf der Stelle tritt. Manche Szenen hätten für mich etwas mehr Tiefe vertragen, besonders gegen Ende. Doch das ändert nichts daran, dass ich das Buch sehr gern gelesen habe, wegen seiner ruhigen Art und dieser stillen Sehnsucht, die mich bis zur letzten Seite begleitet hat.
Ein stimmungsvolles Romandebüt, das weniger auf Dramatik als auf Zwischentöne setzt. Wer Geschichten liebt, die nach Salz und Wind schmecken, wird sich hier zuhause fühlen. 4 Sterne und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 07.11.2025

Ein Roman, der Meran lebendig macht

Die Welt in Meran - Walzerblut
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In diesem Roman sind mir die Protagonisten und die Stadt schnell ans Herz gewachsen, denn ich mochte die ruhige, warme Art, wie sich ihre Geschichten entfalten. Schritt für Schritt wurde ich in das Buch ...

In diesem Roman sind mir die Protagonisten und die Stadt schnell ans Herz gewachsen, denn ich mochte die ruhige, warme Art, wie sich ihre Geschichten entfalten. Schritt für Schritt wurde ich in das Buch hineingezogen und schließlich von der Atmosphäre getragen. Die Handlung führt nach Meran zur Faschingszeit des Jahres 1872, und oft hatte ich beim Lesen das Gefühl, selbst an diesem Ort zu sein. Ich sah die Promenade, die Kutschen und die feinen Damen, aber auch die Spinnerei, in der hart gearbeitet wird, und alles spielte sich so lebendig vor meinen Augen ab, dass ich Rosas langen Tag förmlich miterlebt habe.
Besonders bereindruckt hat mich, wie Frau Reinhardt in dieser Stadt Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen zusammenbringt. So reist Helen mit dem Gedanken an eine gute Partie nach Meran und merkt nach und nach, dass im Leben mehr zählt als Stellung und Schein. Benedetti aus Korsika trägt etwas mit sich, das ihn nicht loslässt. Der Arzt Hirsch versteht viel von seelischen Wunden, doch auch er ringt mit eigenen Schatten. Dazu kommen zwei Schwestern aus Tirol, die sich nicht mit dem zufriedengeben wollen, was andere für sie vorgesehen haben.
Diese Figuren habe ich nicht als Rollen empfunden, sondern als Menschen mit Hoffnungen, Zweifeln und eigenen Wegen. Besonders die Szenen in der Spinnerei und Rosas Alltag sind mir im Gedächtnis geblieben. Hier zeigt sich der deutliche Unterschied zwischen der Welt der Kurgäste und dem Leben der einfachen Leute. Diese Gegensätze wirken natürlich, nichts daran hat die Autorin übertrieben oder romantisiert.
Der Schreibstil ist flüssig und angenehm. Die Beschreibungen der Landschaft und der Stadt sind bildhaft, ohne sich in zu langen Passagen zu verlieren. Man spürt die Verbundenheit der Autorin mit der Region, ohne dass sie es betonen muss. Das Glossar und das Personenverzeichnis waren anfangs hilfreich, doch schon bald fand ich mich gut zurecht, da die Figuren klar gezeichnet sind und ihre Wege sich ruhig und nachvollziehbar entwickeln.
Es braucht keine großen Gesten, um zu berühren. Wärme, Ruhe und ein feiner Blick für Menschen tragen diese Geschichte.
Ich freue mich darauf, diese Personen im nächsten Band wiederzutreffen und erneut nach Meran zurückzukehren.
5 Sterne und eine klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 06.11.2025

Spurensuche im mittelalterlichen Füssen

Schatten über dem Kloster
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Im Jahr 1376 steht die Stadt Füssen nach einem Brand im Kloster Weißenfels unter Druck. Unter den Opfern findet sich der Bürgermeister, doch schon bald zeigt sich, dass er nicht im Feuer starb, sondern ...

Im Jahr 1376 steht die Stadt Füssen nach einem Brand im Kloster Weißenfels unter Druck. Unter den Opfern findet sich der Bürgermeister, doch schon bald zeigt sich, dass er nicht im Feuer starb, sondern zuvor getötet wurde. Diese Ausgangslage sorgt für Spannung, da der Bürgermeister vielen in der Stadt verbunden war und unklar bleibt, wem man überhaupt noch trauen kann.
Isabella, die junge Witwe des Richters, wird durch ein Testament unerwartet in die Pflicht genommen. Sie soll den Mord an dem Freund ihres verstorbenen Mannes aufklären, wenn sie das Erbe antreten will. Damit steht sie plötzlich im Mittelpunkt eines Falles, der eigentlich nicht in ihre Hände gehört. Die Situation ist für sie ungewohnt und riskant, sie nimmt sie aber dennoch an.
An ihrer Seite stehen Leonhard, der Gerichtsschreiber, und Magnus, ein Medicus. Sie ergänzen sich in ihren Fähigkeiten, und zusammen folgen sie den Spuren, die sie zu Ratsmitgliedern, Klosterangehörigen und alten Konflikten führen. Schritt für Schritt treten Zusammenhänge zutage, die weit zurückreichen.
Die Darstellung des mittelalterlichen Alltags wirkt glaubwürdig. Die Autorin zeigt die sozialen Grenzen und die Bedeutung von Ruf und Stellung, ohne dies zu sehr auszuschmücken. Isabella handelt vorsichtig, aber mit wachsender Sicherheit. Ihre Haltung entsteht aus den Situationen heraus und wirkt natürlich.
Die Ermittlungen entfalten sich ruhig und nachvollziehbar. Die Spannung entsteht weniger durch dramatische Wendungen, als durch feine Beobachtungen, Gespräche und die kleinen Veränderungen im Verhalten einzelner Figuren. Gegen Ende zieht das Tempo an, und die Auflösung fügt sich schlüssig in das Gesamtbild ein.
Insgesamt bietet der Roman eine ausgewogene Mischung aus historischer Darstellung und Kriminalfall. Die Erzählweise bleibt klar und bodenständig, die Figuren wirken glaubhaft, und die Ermittlungen halten das Interesse bis zum Schluss. 4 Sterne und eine klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 05.11.2025

Eine Regency Romance mit Ecken, Charme und Herz

Mayfair Ladys - Drei Junggesellen für Lady Beatrice
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Ich habe diesen Roman gern gelesen, auch wenn er für mich nicht in jedem Moment die Leichtigkeit entfalten konnte, die ich mir von einer Geschichte aus der Regency-Zeit wünsche. Die Erzählung um Lady Beatrice, ...

Ich habe diesen Roman gern gelesen, auch wenn er für mich nicht in jedem Moment die Leichtigkeit entfalten konnte, die ich mir von einer Geschichte aus der Regency-Zeit wünsche. Die Erzählung um Lady Beatrice, die nach einem Unfall eine Narbe im Gesicht trägt und längst nicht mehr an Liebe glaubt, hat mich berührt. Gerade weil sie sich in einer Welt behaupten muss, die von Äußerlichkeiten und gesellschaftlichen Erwartungen bestimmt ist, mochte ich sie als Figur sehr.
Der Beginn war für meinen Geschmack etwas ruhig, doch nach und nach findet die Geschichte ihren eigenen Rhythmus. Sobald Beatrice auf Francis trifft, entsteht eine lebendige Dynamik, die dem Roman spürbar guttut. Ihre Wortwechsel, die kleinen Gesten und das vorsichtige Annähern wirken natürlich und charmant. Ich mochte, wie er sie mit Geduld und feinem Humor aus ihrer Zurückhaltung lockt. Dabei spürt man, dass hinter der leichten Oberfläche mehr steckt als nur Romantik.
Freda MacBride versteht es, die Atmosphäre der Regency-Zeit einzufangen, mit all ihren Regeln, Zwängen und feinen gesellschaftlichen Spannungen. Besonders die stillen Beobachtungen über das Urteil der Gesellschaft und die Bedeutung des äußeren Scheins fand ich sehr gelungen. In manchen Momenten wird spürbar, wie einsam es ist, immer nur die Beobachterin zu sein.
Manches wirkte auf mich etwas modern oder zu glatt formuliert, doch das hat mein Lesevergnügen kaum gemindert. Auch wenn ich mir an einzelnen Stellen etwas mehr Tiefe gewünscht hätte, überwiegt der positive Eindruck. Gegen Ende fügt sich alles zu einer runden, freundlichen Geschichte, die auf leise Weise zu Herzen geht.
Zurück bleibt das Gefühl, eine unterhaltsame und liebevoll erzählte Regency-Romance gelesen zu haben, die vielleicht nicht in allen Punkten glänzt, aber mit offenem Herzen geschrieben ist. So wie ihre Heldin selbst. 4 Sterne und eine Empfehlung für alle, die romantische Geschichten mit Charme mögen.

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