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Veröffentlicht am 28.07.2018

Eine Odyssee mit ungewissem Ausgang

Der stete Lauf der Stunden
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darauf lässt sich der amerikanische Hochschulabsolvent Tristan Campbell, der Protagonist dieses Romans ein, als er einer Nachricht aus London folgt: diese kommt von einem alteingesessenen Anwaltsbüro - ...

darauf lässt sich der amerikanische Hochschulabsolvent Tristan Campbell, der Protagonist dieses Romans ein, als er einer Nachricht aus London folgt: diese kommt von einem alteingesessenen Anwaltsbüro - ihm soll ein dort vor vielen, vielen Jahren - genauer gesagt, 1924 notariell festgelegtes Erbe zustehen, das ein gewisser Ashley Walsingham einer Imogen Soames-Andersson bzw. ihren direkten Nachfahren vermachte. Besagte Imogen war zu dem Zeitpunkt allerdings verschollen und blieb es auch.

Tristan begibt sich also nach London und dann auf eine Reise durch verschiedene Länder Europas: Schweden, Frankreich, Deutschland und Island, um zu belegen, dass diese Imogen - offiziell die Schwester seiner Urgroßmutter - in Wahrheit selbst seine Großmutter und er damit erbberechtigt ist.

Der Leser ist Tristan immer eine, nein, mehrere Nasen voraus, denn es gibt eine Parallelhandlung, die Geschichte von Ashley und Imogen, die 1916 ihren Anfang gibt und von London über die Westfront des 1. Weltkriegs - genauso grausam und schonungslos geschildert, wie man es erwartet - und Schweden nach Tibet zum Mount Everest führt.

Eine interessante und spannungsreiche, auch gut recherchierte Geschichte, bei der jedoch vieles nicht so farbig wirkt wie vom Autor zweifellos beabsichtigt, denn zwei Aspekte hat er aus meiner Sicht nicht so recht hinbekommen: Atmosphäre schaffen, den Leser in den jeweiligen Zeitraum, die Umgebung hineinzuversetzen und Figuren plastisch zu skizzieren. Mit einer Ausnahme: Imogen wird derart anschaulich dargestellt, dass der Eindruck entsteht, der Autor hätte mit ihr sein ganzes Pulver verschossen.

Der Stil ist durchaus eingängig, ja süffig, auch die Übersetzung erscheint solide. Trotzdem ist dieses ein Kann-, aber auf keinen Fall ein Muss-Buch, aus den oben genannten Gründen, vor allem jedoch aus dem nun folgenden: In diesem Buch gibt es so viele offene Enden und im Sande verlaufende Erzählstränge, dass es schon nicht mehr feierlich, geschweige denn künstlerisch ist. Auch der eigentliche Schluss bleibt offen, wenn man es zurückhaltend ausdrückt.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Gewollt, aber nicht so recht gekommt

Elizabeth wird vermisst
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Unter diese Kategorie fällt aus meiner Sicht das Buch der jungen Emma Healey, in der es um Demenz geht - aus der Perspektive der über 80jährigen Maud. Richtig, sie selbst ist es, die darunter leidet. Eine ...

Unter diese Kategorie fällt aus meiner Sicht das Buch der jungen Emma Healey, in der es um Demenz geht - aus der Perspektive der über 80jährigen Maud. Richtig, sie selbst ist es, die darunter leidet. Eine große Herausforderung, der sich die Autorin gleich in ihrem ersten Roman stellt, trennen sie doch (hoffentlich) mit noch nicht ganz 30 Jahren noch viele lange Jahre von dieser unheimlichen Krankheit. Gekonnt baut sie in die Darstellung die schleichende Ausweitung der Krankheit, den immer mehr sich mit der Erinnerung vermengenden Blick auf die Gegenwart, die Verwechslung ihrer Mitmenschen mit Personen aus der Vergangenheit ein. Doch leider ist dies auch schon das Einzige, was fasziniert. Inhaltlich vermochte das Buch mich nicht zu fesseln.

Wie habe ich mich auf dieses Buch gefreut, ihm schon seit Monaten entgegengefiebert - da war dann leider die Enttäuschung umso größer, denn der Plot entpuppt sich als alles andere als das Gelbe vom Ei. Zu sehr verliert sich die Autorin in Nebensächlichkeiten, der rote Faden bleibt dabei auf der Strecke.

Aber dennoch: Hut ab vor dem Mut dieser Autorin, sich auf ein so schwieriges Thema einzulassen, zumal es ihr an Einfühlsamkeit sicher nicht mangelt. Eine Novelle zum Thema, bei der es leichter ist, bei der - thematischen - Stange zu bleiben, wäre für den Anfang sicher effizienter gewesen. Doch das bedeutet auch, dass ich diese Autorin nicht vergesse: ich setze auf ihre Entwicklung und den sukzessive zunehmenden Erfahrungshorizont und freue mich bereits auf weitere Werke aus ihrer Feder.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Einen Spielplan für ihr Leben

Morgen kommt ein neuer Himmel
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zumindest für die nächsten Monate hinterlässt Bretts Mutter ihr, als sie viel zu jung an Krebs stirbt, anstelle eines dicken Erbes. Dass die Chefin einer erfolgreichen Kosmetikfirma dazu imstande gewesen ...

zumindest für die nächsten Monate hinterlässt Bretts Mutter ihr, als sie viel zu jung an Krebs stirbt, anstelle eines dicken Erbes. Dass die Chefin einer erfolgreichen Kosmetikfirma dazu imstande gewesen wäre, sieht Brett an ihren beiden Brüdern, die beide ordentlich absahnen. Brett hingegen bekommt den Auftrag, zehn ihrer Lebensziele abzuarbeiten, Ziele, die sie sich vor 20 Jahren als Teenager gesetzt hat. An der Seite des einfühlsamen, patenten Brad, den ihre Mutter als ihren Antwalt beauftragt hat, ändert sich ihr Leben Schritt für Schritt - um innerhalb von wenigen Monaten eine komplett andere Richtung einzuschlagen, als die bisherige.

Also, mich hätte es geärgert, wenn meine Mutter - oder irgendjemand anderes - so komplett die Führung über meine bisherigen Lebensinhalte, die Zielsetzungen und vor allem die Werte übernommen hätte - auch wenn nicht zu verhehlen ist, dass ihre Mutter Brett in- und auswendig kannte.

Ein wenig zu glatt geht mir hier alles vorstatten - ich meine damit nicht die Verwirklichung der neuen Ziele, sondern vor allem den Bruch mit dem alten Leben.

Aber es liest sich ausgesprochen süffig - ein Buch zum Fallenlassen und Die-Welt-um-sich-vergessen und so fällt es mir leicht, großzügig mit der Autorin Lori Nelson Spielman und mit ihrem amerikanischen Traum zu sein. Zudem mangelt es diesem Schmöker nicht an Originalität und an Alleinstellungsmerkmalen. Ein Buch, das in Erinnerung bleibt und das ist doch schon mal was! Ein Buch, das man gut verschenken kann an Leute - vor allem an Frauen, denn es ist eindeutig ein Frauenbuch - denen man ein paar entspannte Stunden, ein bisschen gute Laune gönnen will!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Spannende skandinavische Unterhaltung in bewährter Manier

Der Sandmann
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spannend und unglaublich brutal, aber nichtsdestotrotz streckenweise ein wenig langatmig.

Mögen Sie Joona Linna? Den Finnen inmitten von Schweden, auf dem eine schwere Vergangenheit lastet, der sich nahtlos ...

spannend und unglaublich brutal, aber nichtsdestotrotz streckenweise ein wenig langatmig.

Mögen Sie Joona Linna? Den Finnen inmitten von Schweden, auf dem eine schwere Vergangenheit lastet, der sich nahtlos in die schwermütige bis depressive skandinavische Ermittlerschar einreiht und in seiner Vielschichtigkeit und der ihn umgebenden Atmosphäre einem Wallander kaum nachsteht?

Nun, hier ist er wieder in seinem mittlerweile bereits vierten Fall, einem besonders tragischen: Personen verschwinden auf nicht nachvollziehbare Art und Weise. Nach Jahrzehnten taucht ein junger Mann - ein Kind noch, als er verschwand - wieder auf und können sich an nichts, aber auch gar nichts erinnern. Außer, dass es eben der Sandmann war, der sie gefangengehalten hat. Sie - das sind er und seine Schwester, die offenbar noch lebte, als ihm die Flucht gelang. Wo ist da der Zusammenhang, wo der rote Faden, wo kann die Kriminalpolizei, die im Übrigen selbst bereits zum Opfer geworden ist und weiter bedroht wird, eingreifen? Und eigentlich sitzt der Schuldige doch bereits seit Jahren im Gefängnis - oder etwa nicht? Es geht darum, ein möglicherweise noch lebendes Entführungsopfer vor einem weiteren, möglicherweise jahrzehntelangen drohenden Aufenthalt auf engstem Raum, in vollkommener Isolation, zu bewahren - denn das sind die Informationen, die man aus dem Flüchtling herauskitzeln kann. Bei den Ermittlungen nimmt Saga, Joona Linnas schöne und eigensinnige Kollegin, eine Schlüsselrolle ein. Der Fall ist voll mit auf brutalste Weise erledigten Leichen und aus meiner Sicht teilweise sinnlosem Gemetzel. Trotz des eigentlich guten Konstrukts war es mir des Guten bzw. des gar nicht Guten, sondern extem Blutigen eindeutig zuviel.

Ein nur teilweise spannender, da doch in vielerlei Aspekten voraussehbarer Thriller mit einem trotzdem sehr überraschenden Cliffhanger-artigen Ende, der zumindest mit den ersten beiden Fällen des Autorenpaares Kepler nicht ganz mithalten kann. Es ist wirklich nur was für Liebhaber der skandinavischen Melancholie, denn nicht nur Joona Linna, sondern auch seine Kollegin Saga sind wahre Prachtexemplare, wenn es um den Typus des düsteren, in seiner eigenen Vergangenheit gefangenen Ermittlers geht. Leser, die auch in der Krimi- und Thrillerliteratur nach fröhlicher Leichtigkeit streben, sollten lieber gleich zu einer anderen Lektüre greifen, denn hier waltet die Traurigkeit bzw. wütet das Grauen - die Psyche des Lesers sollte daher recht stabil sein.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Das Sterben aus der Nähe

Schlussakkord
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betrachtet Henriette Kaiser, indem sie ihre Freundin Katja auf dem letzten Weg begleitet. Katjas Weg steht kurz vor dem Schlussakkord: viel zu früh, mit Mitte dreißig, ist sie an Gebärmutterkrebs erkrankt ...

betrachtet Henriette Kaiser, indem sie ihre Freundin Katja auf dem letzten Weg begleitet. Katjas Weg steht kurz vor dem Schlussakkord: viel zu früh, mit Mitte dreißig, ist sie an Gebärmutterkrebs erkrankt - Operationen und Therapien, sowohl traditionelle als auch alternative - erweisen sich als erfolglos. Sowohl Katja als auch Henriette und weitere Freunde wie auch Katjas Familie kämpfen dagegen an - Katja bis zum Ende. Für das Umfeld ist schon früher klar, dass dies Katjas letzter Weg ist, hier tut man alles, um ihr diesen zu erleichtern.
Ein sehr persönliches Buch, zu persönlich manchmal für mich als Rezipientin. Henriette Kaiser ist für ihre Freundin da, sie richtet ein Spendenkonto ein, unterstützt Familie und Freunde sowohl seelisch und moralisch, als auch real - da ist es klar, dass das Buch aus einer sehr, sehr eigenen Perspektive geschrieben wurde, der zu folgen mir manchmal schwerfällt. Es sind Briefe eingefügt, die Henriette in der Zeit an Freunde geschickt hat und die ihr Denken und ihre Stimmung in der Zeit spiegeln sollen - mir fällt es hier eher schwer, ihr zu folgen, ich empfinde es als verwirrend und unstrukturiert.

Eine Konfrontation mit dem Sterben soll dieses Buch sein, es soll das Sterben - gerade auch den Tod jüngerer Menschen - bekannter, gesellschaftsfähiger machen, denn um die Jahrtausendwende - Katjas Krebstod erfolgt im April 2002 - ist dies noch (fast) ein Tabuthema, so empfindet sie es selbst. Dies ist eine Neuauflage des wichtigen Werkes. Keine leichte, keine glatte Lektüre, aber eine notwendige.