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Veröffentlicht am 31.01.2020

Zwischen Holzhammer und Zuckerguß

Das Knistern der Sterne
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Das Buch beginnt, trotz etwas holpriger Sätze, recht vielversprechend. Stella wacht im Zimmer einer Jugendherberge auf und begegnet einem freundlich-geheimnisvollen älteren Mann, der sich Balthasar nennt ...

Das Buch beginnt, trotz etwas holpriger Sätze, recht vielversprechend. Stella wacht im Zimmer einer Jugendherberge auf und begegnet einem freundlich-geheimnisvollen älteren Mann, der sich Balthasar nennt und sie auf eine Kreuzfahrt einlädt. Das hat genug Ungewöhnliches, um neugierig zu machen. Wir erhalten einige Andeutungen, daß Stella in einer Lebenskrise ist und erfahren nach und nach etwas mehr über sie. Das ist unterhaltsam und natürlich möchte man auch wissen, was es mit Balthasar und der Kreuzfahrt auf sich hat. Dieser möchte die Kreuzfahrt nämlich komplett abgeschieden in seiner Kabine verbringen, während Stella die Reise praktisch stellvertretend für ihn erleben und ihm jeden Abend beim Essen Bericht erstatten soll. Das Erzähltempo ist recht flott und es werden mehrere Themen angeschnitten, so daß man sich beim Lesen gut unterhalten fühlt. Irritierend fand ich lediglich Stellas sogenannte "Gabe". Sie muss jemanden nur berühren, um dessen Befinden, Probleme, Gefühle, etc. zu spüren, und zwar erscheinen ihr diese Informationen in Farben, Formen und Klängen. Das ist mir zu abgedreht, störte aber an der Stelle noch nicht weiter. So vergeht das erste Viertel des Buches nicht spektakulär, aber angenehm und macht gespannt auf diese Kreuzfahrt. Bewertungsmäßig hätte ich hier 3, eventuell knappe 4 Sterne vergeben.

Als die Kreuzfahrt beginnt, sinkt das Erzähltempo rapide ab. Wir entdecken mit Stella das Schiff, was zu Beginn noch Spaß macht, weil vieles ihr so ungewohnt ist und sie sich ein wenig fehl am Platz fühlt. Das Schiffsleben ist recht authentisch beschrieben. Stella beschließt nun, an jedem Tag der Reise einem Mitmenschen etwas Gutes zu tun. Das hätte das Potential einer interessanten Rahmenhandlung gehabt, uns unterschiedliche Schicksale nahegebracht und Stella bei ihrer eigenen Lebenskrise geholfen. Allerdings wird dieses Thema nicht wirklich durchgezogen. Stella setzt ihr Vorhaben auf der zweiwöchigen Reise insgesamt gerade mal viermal um und das auch eher nebenbei; man erfährt wenig über die Menschen und kann auch über Stellas Methoden manchmal nur den Kopf schütteln - in einem Fall besteht ihre "Hilfe" darin, den Gegenüber nach Kräften vor Kopf zu stoßen. So tröpfelt die "Gutes tun"-Geschichte ein wenig uninspiriert dahin und verliert sich in langatmigen Beschreibungen des Bordalltags. Stella geht frühstücken, steht an Deck, macht rum, liegt in der Sonne, geht zum Kochkurs, zum Yoga, zum Tanzkurs... dieser Mittelteil des Buches schleppt sich ziemlich und ich konnte hier nie mehr als 20 Seiten am Stück lesen, weil ich mich, ehrlich gesagt, einfach gelangweilt habe.

Auch der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig. Es gibt hier sehr viele richtig schöne Formulierungen, die herrlich bildhaft sind, manchmal gelungen humorvoll. Es gibt aber auch viele holprige Sätze und auch die ständige Verwendung des Namens "Stella" an Stellen, wo ein "sie" angenehmer gewesen wäre, wirkt unbeholfen. Beispielsatz: "Stella bekam den Zuschlag sofort, und obwohl sie sich trotz der (...) Klientel, die sie dort erwartete, freute, blieb Stella ganz ruhig."
Eine stilistische Schwachstelle waren für mich die täglichen Abendessen, die Stella mit Balthasar in dessen Kabine einnimmt. Diese sind geschrieben wie ein Tonbandprotokoll, also ausschließlich mit wörtlicher Rede. Das ist nicht mein Fall, kann aber angenehm lesbar sein, wenn es gut gemacht ist. Hier ist es für meinen Geschmack nicht gut gemacht. Die Dialoge beinhalten viel Nebensächliches und auf Dauer war es anstrengend, ständig den Austausch über das Essen zu lesen, der in der Art von "Was ist das? Oh Fisch. Den kenne ich nicht." - "Das ist xy-Fisch, der ...." - "Es schmeckt ungewöhnlich, aber gut." (Kein Zitat, sinngemäßes Beispiel). Dialoge in Büchern sollen entweder relevante Informationen vermitteln oder die Handlung voranbringen. Diese Dialoge tun das zum einem Großteil nicht und lesen sich auch nicht sehr flüssig, auch sonst sind die Dialoge insgesamt keine Stärke des Buches.

Ein Lichtblick war Stellas Freundschaft mit dem Jungen Luis. Diese ist eine Art roter Faden, wirkt nicht so sprunghaft wie viele andere Themen, und es gibt hier rührende Momente. Diese Freundschaft ist auch die einzige Beziehung des Buches, die mich überzeugen konnte.

Ich muß zugeben, daß ich ab der Mitte oft abbrechen wollte, insbesondere als Stella dann auch noch anfängt, sich selbst zu finden und die ersten gewollt philosophischen Kalendersprüche auftauchen, Stella eine tiefe Krise innerhalb von zwei Tagen bewältigt. Das zweite Drittel des Buches zog die Wertung auf 3 wackelige Sterne, aber ich hoffe noch auf einen interessanten letzten Teil und mehr Informationen über Balthasar.

Den letzten Teil fand ich aber leider geradezu unangenehm. Dank Stellas "Gabe" hat sie es geschafft, das Leben aller Leute, denen sie geholfen hat, völlig umzukrempeln und alle danken ihr überschwänglich und halten ausführliche Selbstfindungsmonologe mit Stilblüten wie: "Ich fühle mich, als hätte ich längst überflüssigen Ballast abgeworfen. Und wäre jetzt in der Lage, endlich loszufliegen." Eine zuckersüße Begegnung folgt der andern und die Botschaft ist ebenso süßlich: innerhalb von wenigen Tagen kann man alles ändern, wenn man denn nur will und den richtigen Stups bekommt. Da reicht ein Maskenball von wenigen Stunden, um einen Betrüger dazu zu bringen, sein Leben künftig der Hilfe für Suchtkranke zu widmen. Und wer diese einfache Botschaft noch nicht verinnerlicht, seine Persönlichkeit durch Teilnahme an einem Kochkurs nicht innerhalb von zwei Tagen komplett umgekrempelt hat, bekommt von Stella den Rat mit: "Am Ende ihres Lebens bereuen die Menschen nur eins. Das, was sie alles nicht getan haben." Stella fühlt sich beim Verteilen solcher Allgemeinplätze, die manche Leute als Wandtattoo haben, übrigens tatsächlich "weise". Wir lernen dann noch "Es gibt auf Erden keine größere Macht als einen glücklichen Menschen," und ganz am Ende des Buches, als Stella sich aus Büchern "kluge" Sätze heraussucht, werden wir mit diesen Kalendersprüchen geradezu überschüttet. Das war mir alles viel zu gewollt tiefgründig und dabei so simpel. Das in mehreren Zuckergussschichten dick aufgetragene "Alles wird gut und zwar ganz schnell und beim kleinsten Gedankenanstoß" war viel zu viel, zu übertrieben, zu unecht. Nachdem dann auch das Ende hoffnungslos in heile-Welt-Kitsch versank, konnte ich nur noch den Kopf schütteln.

Am Anfang war noch eine erfrischend freche Note im Buch, dann wurde es belanglos, um dann leider in einer rosa Zuckerwattewolke zu enden. Wer Märchen für Erwachsene mag, wird sich hier vielleicht wohlfühlen, aber ich fühlte mich eher verulkt.

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Veröffentlicht am 30.01.2020

Agatha at her best

Dreizehn bei Tisch
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Mit "Dreizehn bei Tisch" hat Agatha Christie ein Meisterstück abgeliefert. Wir begleiten Poirot und Hastings auf eine verwickelte Mordermittlung. Die am Ort des Mordes gesehene Frau war anscheinend zur ...

Mit "Dreizehn bei Tisch" hat Agatha Christie ein Meisterstück abgeliefert. Wir begleiten Poirot und Hastings auf eine verwickelte Mordermittlung. Die am Ort des Mordes gesehene Frau war anscheinend zur gleichen Zeit bei einem Dinner und wurde dort von zwölf Personen gesehen. Wie kann das sein? Das ist nur der Anfang einer Geschichte, die mit immer neuen Wendungen daherkommt, uns immer neue potentielle Verdächtige präsentiert und uns gelungen zeigt, daß nichts so ist, wie es scheint. So gibt es einige, die ein Mordmotiv hätten, und immer wieder mal rückt jemand näher in den Fokus, doch ergeben sich immer wieder Punkte, die die jeweilige Theorie entkräften. Nach und nach deutet sich an, was geschehen sein könnte, doch fehlt für diesen Tathergang ein Motiv. Und so rätselt man sich voller Vergnügen durch dieses Buch und wird von Agatha Christie immer wieder überrascht und hinter's Licht geführt, jedenfalls ging es mir so. Zum Glück irrt sogar der brillante Poirot hier zwischendurch - wenn es ihm schon so geht, wie soll der normale Leser durchsteigen?

Diese ausgefeilte Geschichte ist zudem auch noch wundervoll erzählt. Viele Agatha-Christie-Bücher finde ich etwas zäh - sich ständig inhaltlich wiederholende Verhöre, erst nach der Hälfte des Buches geschehene Morde, arg behäbige Ermittlungen beeinträchtigen doch öfter mein Lesevergnügen. Hier geht alles flott daher. Kaum haben wir die interessanten Charaktere kennengelernt, wird auch schon eifrig gemordet. Die Ermittlungen sind abwechslungsreich und verlaufen in gutem Tempo. Durch die vielen Wendungen gibt es keine Wiederholungen, man wird in Atem gehalten. Hinzu kommt noch immer wieder durchblitzender Humor. Poirots liebenswerte Eitelkeit bietet dafür natürlich Raum, aber auch sonst gibt es viele witzige Einschübe. Und während ich über Poirot schmunzeln konnte, hat er mich oft durch seinen geschickten Umgang mit seinen Mitmenschen und seine psychologische Raffinesse beeindruckt. Auch die anderen Charaktere sind gut, lebendig gezeichnet.

Hier stimmt also wirklich alles - Erzählweise, Fall, Charaktere. Ein Rundum-Lesevergnügen!

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Veröffentlicht am 23.01.2020

Spannend, flott geschrieben, mit ein paar Längen

Das Gerücht
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In „Das Gerücht“ ist man auf erfreuliche Weise gleich mitten in der Geschichte. Zusammen mit der Ich-Erzählerin Joanna erfahren wir schon auf den ersten Seiten von dem Gerücht – die ihre Strafe verbüßt ...

In „Das Gerücht“ ist man auf erfreuliche Weise gleich mitten in der Geschichte. Zusammen mit der Ich-Erzählerin Joanna erfahren wir schon auf den ersten Seiten von dem Gerücht – die ihre Strafe verbüßt habende Kindermörderin Sally McGowan soll mit neuer Identität in dem kleinen Küstenstädtchen leben. Das weckt sofort das Interesse an der Geschichte und dies hält sich auch, da der Schreibstil durch das ganze Buch hindurch flott und angenehm ist. Joanna ist eine erfreuliche Protagonistin, sie ist in diesem Küstenstädtchen Flinstead recht neu, paßt in die geruhsame Kleinstadtwelt nicht vollständig hinein und betrachtet deshalb einiges mit unterhaltsam ironischer Distanz. Gemeinsam mit ihr lernen wir ihr Umfeld kennen. Es tauchen ziemlich schnell gleich mehrere ältere Damen auf, die leichte Unklarheiten in ihrer Biographie haben und somit alle Sally McGowan sein könnten. Das war mir ein wenig zu gehäuft.

Joannas persönliche Situation wird recht ausführlich beschrieben, mit einigen Komponenten, die für die Geschichte nicht unbedingt relevant waren und mir etwas zu sehr ausgewalzt wurden. Auch Joannas gesellschaftlicher Umgang mit den Flinsteader Übermüttern, dem Buchclub, ihrem beruflichen Umfeld und anderen Leuten ist zwar teilweise durchaus unterhaltend und hat für die Geschichte einige relevante Aspekte, wurde aber für meinen Geschmack zu ausführlich und mit unnötigen Details geschildert. Gerade in der Mitte hat das Buch dadurch einige Längen.

Sonst aber ist das Erzähltempo gut, es gab mehrere Stellen, an denen ich trotz Müdigkeit immer weiter gebannt gelesen habe. Es gibt hier gleich mehrere interessante Facetten um die Sally-McGowan-Gerüchte, und die Autorin weiß sie zu nutzen, so daß es fast immer spannend bleibt. Die Geschichte entfaltet sich Stück für Stück und manche Dinge sind ganz anders als sie zuerst scheinen. Auch das wird ein wenig überbenutzt, aber es liest sich spannend und unterhaltsam. Zwischendurch erhalten wir kurze Einblicke in die Gedanken Sally McGowans und dadurch werden auch weitere wichtige Fragen eingeworfen: was ist Schuld und wann ist die gesühnt? Welche Freiheiten haben die Medien und wird manchmal der Täter mehr geschützt als das Opfer? Wie schnell lassen sich die Menschen durch Gerüchte hinreißen? Wie weit geht man, um dazuzugehören, oder das eigene Kind dazugehören zu lassen? Aufgrund der vielen Themen geht nichts davon wirklich tief, aber das ist auch nicht schlimm, denn es ist ein Krimi, keine philosophische Abhandlung. Mir hat es gut gefallen, dass es hier mehrere Aspekte gab, die in einer gutgeschriebenen Geschichte gelungen zusammengeführt werden.

Der Showdown war mir ein wenig zu lang und es gefiel mir nicht so gut, daß die Prämisse des Buches auf einigen ziemlich großen Zufällen beruht, aber insgesamt ist „Das Gerücht“ eine flott geschriebene, spannende Geschichte, die sich erfreulich liest und recht gut konzipiert ist. Auch das Titelbild paßt hervorragend und gefällt mir gut. Von dieser Autorin würde ich gerne noch mehr lesen.

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Veröffentlicht am 21.01.2020

Spannend, aber stilistisch für mich nicht ganz überzeugend

Schwert und Krone - Herz aus Stein
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Nachdem mir der letzte Band der „Schwert und Krone“ zu überfrachtet war, las ich diesen Band nun wieder fast durchweg mit Vergnügen. Über zehn Jahre, von 1157 – 1167, begleiten wir Kaiser Friedrich „Barbarossa“ ...

Nachdem mir der letzte Band der „Schwert und Krone“ zu überfrachtet war, las ich diesen Band nun wieder fast durchweg mit Vergnügen. Über zehn Jahre, von 1157 – 1167, begleiten wir Kaiser Friedrich „Barbarossa“ und seine Zeitgenossen und es gibt zahlreiche spannende Ereignisse und Entwicklungen, die lebhaft geschildert werden.

Ich fand die Auswahl der Themen ausgezeichnet: das Schicksal der ehemaligen dänischen Königin Adele sorgt gleich für einen aufregenden Anfang und ein zwar fiktives, aber wirklich schönes Ende, umrahmt das Buch gewissermaßen. Friedrichs Schwierigkeiten in Italien, die Machtgier Heinrichs des Löwen und das tragische Schicksal der Wenden beherrschen diesen Band, sind allesamt interessant geschildert und ließen mich an den Seiten kleben. Ein kleiner Wermutstropfen waren für mich weiterhin die Wettiner – die Markteinkäufe, Plaudereien und Kinderstubenerlebnisse von Hedwig und ihren Schwägerinnen waren nur selten interessant. Die Unterhaltungen zwischen Hedwig und ihrer Schwägerin Mathilde werden ein wenig ungeschickt dazu genutzt, uns Informationen mitzuteilen und wirken nicht natürlich. Auch der Handlungsstrang um den jungen Christian interessierte mich weiterhin nicht wirklich und ein weiterer Handlungsstrang um einen fiktiven Übersetzer war für mich ebenfalls eher entbehrlich. Insofern gab es mehrere Abschnitte, die ich nicht so interessiert gelesen habe, aber weit mehr, die mich gebannt haben.

Wirklich störend finde ich aber leider weiterhin die ständigen Wiederholungen. Es kommt hier so oft vor, daß uns Dinge innerhalb einer Seite mehrfach mitgeteilt werden, daß ich mich frage, ob das kein Lektor je bemängelt hat. Es hat mir das Lesevergnügen doch getrübt. Es gibt zahlreiche Beispiele im Buch, die ich nicht alle aufzählen möchte, aber es käme eine ziemlich lange Liste zusammen. Manche Dinge werden so oft direkt hintereinander erwähnt, daß man das Gefühl hat, immer wieder das Gleiche zu lesen und sich ein wenig im Kreis zu drehen.
Auch über Friedrichs und diverse andere Bettgeschichten werden wir weiterhin informiert, schon im letzten Band war ich etwas amüsiert darüber, daß er seine Beatrix nicht ansehen kann, ohne sie umgehend ins Bett zerren zu wollen. Das ist inhaltlich nicht schwierig zu verstehen, wird uns aber auch in Wiederholungen mitgeteilt, so beim Wiedersehen der beiden auf Seite 221: „Deutlich spürte sie durch mehrere Lagen Stoff, dass er sie am liebsten sofort ins Bett getragen hätte“, und sicherheitshalber in fast wortgleicher Formulierung auf Seite 222: „…sah sie ein breites Bett und der Blick ihres Gemahls ließ keinen Zweifel daran, dass er sie am liebsten sofort dorthin geführt hätte.“
Wenn Mathilde von Groitzsch auf Seite 258 zugibt: „Seit Wochen zerbreche ich mir den Kopf, wie ich Groitzsch durch die kommende Zeit bringe und die Zügel in der Hand behalte“, überrascht das den Leser nicht sehr, weil sie auf Seite 256 schon gestand: „Seit ich weiß, wie dieser Hoftag ausgehen wird, grüble ich darüber nach, wie ich Groitzsch und Rochlitz durch diese Zeiten bringe.“ Auch wieder fast wortgleich formuliert.
Beatrix grübelt auf Seite 383 über ihren Mann: „Seine Gefühle für sie würden erkalten.“ Weniger als eine halbe Seite darunter: „Irgendwann würde Friedrichs Liebe, vielleicht sogar sein Interesse an ihr erlöschen.“
Wie gesagt, nur einige Beispiele von vielen. Auch Schlussfolgerungen werden dem Leser so gut wie nie selbst überlassen, alles wird sicherheitshalber noch erklärt.

Historisch ist wurde wieder gut recherchiert und lebhaft geschildert, es macht Spaß, in diese Welt einzutauchen. Die „Schwert und Krone“ Serie ist absolut geeignet, Geschichte auferstehen zu lassen, uns Menschen und Geschehnisse unterhaltsam nahezubringen, auch wenn sie mich vom Schreibstil nicht wirklich überzeugt. Die gelungene Ausstattung des Buches mit Stammbäumen, Landkarten und weiterführender Literatur erfreut weiterhin.

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Veröffentlicht am 19.01.2020

Knapp, unspektakulär, hinterläßt keinen bleibenden Eindruck

Die Rohrleiche von Graben 13
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Laut Untertitel sind in diesem Buch "die spektakulärsten Kriminalfälle der DDR 1973 - 1988" versammelt. Dieses effektheischerische Versprechen wird nicht unbedingt erfüllt - jedenfalls habe ich mich bei ...

Laut Untertitel sind in diesem Buch "die spektakulärsten Kriminalfälle der DDR 1973 - 1988" versammelt. Dieses effektheischerische Versprechen wird nicht unbedingt erfüllt - jedenfalls habe ich mich bei dem Großteil der Fälle gewundert, warum sie in das Buch aufgenommen wurden.

Viele der Fälle sind ungelöst und erschöpfen sich in einer knappen Erzählung eines Mordes, der Ermittlungen und dem Fazit, daß der Fall ungelöst sei, später ohne Ergebnis noch einmal aufgenommen wurde. Das ist oft so knapp - lieblos - erzählt, daß ich nachsah, ob ich irgendeinen Teil übersehen hatte. Viele der Fälle haben auch nichts, was sie in irgendeiner Weise auszeichnet - natürlich sind es Morde, die schon per se bestürzen und furchtbar sind. Aber eine Sammlung von Kriminalfällen berichtet von Fällen, die in irgendeiner Weise auffallen - sei es durch besonders ausgeklügelte Ermittlungen, einen ungewöhnlichen Tathergang, politische oder geschichtliche Besonderheiten oder ähnlichem. Hier besteht der Großteil der Fälle aus "eine Leiche wird gefunden, es wird ermittelt, der Fall ist ungelöst, der Fall wird neu aufgerollt, ohne Ergebnis" - 3-4 Buchseiten reichen dafür oft aus.

Nur selten gelingt es dem Autor, einem die beteiligten Personen nahezubringen. Wenn ich dies mit anderen Büchern zu Kriminalfällen aus der DDR vergleiche (die vereinzelt sogar die gleichen Fälle enthalten, so daß man die Erzählweise besonders gut vergleichen kann), ist es eine Enttäuschung, da hier meistens alles so blaß bleibt. Es gibt ein paar Ausnahmen, die ausführlicher berichtet werden und auch auf Opfer, Täter und/oder Motive besser eingehen, doch sind sie leider die Ausnahme.

Positiv hervorzuheben sind die verwendeten Abbildungen und die Zitate aus Zeugenaussagen, sowie die in manchen Fällen erfolgte Aktualisierung. Insgesamt aber hinterläßt das - deftig bepreiste - Büchlein leider keinen weiteren Eindruck. Hier gibt es viele wesentlich besser geschriebene und ausgewählte Fallsammlungen.

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