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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.10.2016

Ein wunderbares Büchlein

Baba Dunjas letzte Liebe
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Baba Dunja, die nun wirklich keine 82 Jahre mehr ist kehrt zurück in ihr Heimatdorf Tschernowo, das in der Todeszone von Tschernobyl liegt. Sie ist die Erste, die sich dort, in ihrem alten Haus, wieder ...

Baba Dunja, die nun wirklich keine 82 Jahre mehr ist kehrt zurück in ihr Heimatdorf Tschernowo, das in der Todeszone von Tschernobyl liegt. Sie ist die Erste, die sich dort, in ihrem alten Haus, wieder niederlässt, doch nach und nach steigt die Zahl der BewohnerInnen. Es sind meist Alte, die Jüngsten um die 60 Jahre, zum Teil schwer krank, die nichts fürchten, auch nicht den Tod. Jede/r lebt dort sein Leben, eine wirkliche Gemeinschaft gibt es nicht. Gemüse und Obst werden im eigenen Garten angebaut, was man sonst so braucht und nicht selbst herstellen kann, wird von der kärglichen Rente im nächsten Städtchen Malyschi gekauft. Es könnte ein Idyll sein, doch Baba Dunja, die Ich-Erzählerin, ist sich der prekären Situation durchaus bewusst: Sie (wie auch der Rest in Tschernowo) strahlt mittlerweile selbst wie ein kleines Atomkraftwerk und ein Happy End ist bestimmt nicht zu erwarten. Wie sollte es in ihrem Alter auch aussehen? Denn eines ist gewiss: der Tod. Und diesem in Tschernowo zu begegnen, ist das Schlechteste nicht.
Baba Dunja erzählt nicht nur von ihrem Leben im Dorf, sie erinnert sich auch an ihr Leben davor, das voller Mühsal war und darin bestand, für andere da zu sein: ihre Kinder Irina und Alexej; ihren Mann Jegor; die Kranken, die sie als medizinische Hilfsschwester behandelt hat. Nun kann sie zum erstem Mal in ihrem Leben das tun, was sie will: leben und sterben in Tschernowo. Ihrer Tochter Irina, die als Chirurgin in Deutschland lebt, ein Kind hat und nicht verstehen kann, weshalb ihre Mutter dorthin zurückgekehrt ist, schreibt sie beruhigende Briefe.
Zitat: "Mädchen", sagte ich, "guck mich an. Siehst Du, wie alt ich bin? Und das alles ohne Vitamine und Operationen und Vorsorgeuntersuchungen. Wenn sich jetzt irgendetwas Schlechtes in mir einnistet, dann lasse ich es in Ruhe. Niemand soll mich mehr anfassen und mit Nadeln pieksen, wenigstens das habe ich mir verdient."
Alina Bronskys Schreibstil trifft den Tonfall dieser alten Baba Dunja wunderbar: gelassen, durch nichts zu erschüttern und immer noch voller Lebensfreude. Sie weiß um die guten und schlechten Seiten der Menschen, verurteilt niemanden und nimmt das Leben wie es kommt - doch ohne sich sagen zu lassen, was sie zu tun hat. Zufälligerweise habe ich gerade zuvor das Buch Eierlikörtage: Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 83 1/4 Jahre gelesen - das genaue Gegenteil eines Lebens im Alter. Dort wohl versorgt im Altenheim, alles läuft nach Plan: Essen, Trinken, Unterhaltungsprogramm, sofern es eines gibt. Ohne Eigeninitiative (die nicht unbedingt gerne gesehen wird) nichts als gepflegte Langeweile. Wie erfrischend hingegen das Leben in der Todeszone, ohne dass es verklärt wird. Wenn man mich fragen würde, wo ich lieber meine letzten Tage verbringen möchte, wäre die Antwort klar: Tschernowo

Veröffentlicht am 27.10.2016

Nie mehr Brot kaufen ;-)

Brot backen in Perfektion mit Hefe
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Mitterweile bin ich nun bereits seit mehr als drei Wochen im Besitz dieses Buches und wage zu behaupten, dass ich mir ein Urteil erlauben kann - also was das Ergebnis der Rezepte angeht (zu anderen Dingen ...

Mitterweile bin ich nun bereits seit mehr als drei Wochen im Besitz dieses Buches und wage zu behaupten, dass ich mir ein Urteil erlauben kann - also was das Ergebnis der Rezepte angeht (zu anderen Dingen hätte ich durchaus schon vorher etwas schreiben können ).
Brot backen beschränkte sich bei mir bisher auf die Verwendung von Backmischungen (klappt fast immer und ist wirklich kinderleicht) oder selbst zusammengestellten schlichten Mehl-Hefe-Mischungen. Entsprechend kritisch ging ich an die Rezepte mit den Mikrokügelchen Hefe heran - das soll reichen?
Es reicht tatsächlich und auch mit dem zweiten Punkt, der sich deutlich von den Schnellbackbroten unterscheidet, machte ich bald meinen Frieden: Dehnen und falten Wer dabei erst mal an ein Aufwärmprogramm verschiedener Sportarten denkt, hat dieses Buch nicht gelesen. Denn Dehnen und Falten ist einer der wichtigen Punkte, damit das Brot so richtig richtig gut wird. Weshalb genau, wird auf einer der großen Buchseiten detailliert erklärt. Ebenso wie alles Andere was mit dem Backen von Brot zusammenhängt: Mehlsorten, Arbeitsmittel, Backen im Topf, Zutaten usw. Ganz nebenbei wird auch noch mit einigen Mythen aufgeräumt: beispielsweise dass es Hefe immer recht warm braucht oder Zugluft den Teig zusammenfallen lässt.
Und dann kommen die Brote! Über 130 Seiten, jeweils ein großformatiges Bild und daneben das dazugehörige Rezept. Macht summasummarum mindestens 65 verschiedene Anleitungen (manchmal gibt es auch zwei auf einer Seite), unter denen natürlich auch Brötchen, Pizza und selbst Süßes wie Rosinenbrot zu finden ist. Die Sachen, die ich versucht habe, waren klasse - Brot kaufen war gestern. Als guter Abschluss werden für alle Rezepte die Zutaten noch für unterschiedliche Brotgrößen angegeben - wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob der Autor seinen LeserInnen wirklich das Kopfrechnen nicht zutraut oder er bzw. der Verlag einfach nur Seiten schinden wollte.
Egal - dieses Buch hat auf jeden Fall einen festen Platz direkt in meiner Küche, denn solange ich die Rezepte noch nicht auswendig kenne, werde ich es wohl mehrmals in der Woche zur Hand nehmen.

Veröffentlicht am 27.10.2016

Ganz schön überladen

Drachenreiter 2. Die Feder eines Greifs
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Zugegeben, ich entspreche nicht gerade der Zielgruppe, die dieses Buch im Auge hat. Aber ich lese mit Begeisterung Kinderbücher, auch Fantasy, wobei mir Eragon zum Beispiel richtig gut gefallen hat.
Bei ...

Zugegeben, ich entspreche nicht gerade der Zielgruppe, die dieses Buch im Auge hat. Aber ich lese mit Begeisterung Kinderbücher, auch Fantasy, wobei mir Eragon zum Beispiel richtig gut gefallen hat.
Bei Cornelia Funkes neuem Buch fällt mein Urteil nicht so klar aus. Keine Frage, das Ganze ist durchweg spannend und sehr sehr bildhaft geschrieben, sodass ich die ganze Farbenpracht und Vielfältigkeit, die die Fabelwelt zu bieten hat, stets vor Augen hatte. Auch die Geschichte ist genau so, wie Kinder es wohl lieben: Zwei Menschen und viele Fabelwesen brechen auf, um drei noch ungeborene Pegasus-Pferde zu retten, die an Niedlichkeit sicher kaum zu überbieten sind. Natürlich ist diese Rettungsaktion gespickt mit Abenteuer, Ungewissheit und viel viel Gefahr, aber das gehört zu einer guten Geschichte schließlich dazu.
Was mich störte, war diese Masse, die schiere Masse der unterschiedlichsten 'Dinge':
Fabelwesen noch und nöcher, sodass sogar ein 12seitiges Glossar (am Endes des Buches) notwendig ist, um zumindest halbwegs den Überblick zu behalten. Irgendwann war es mir dann gleichgültig, worin sich die Senfwichtel von den Sumpfwichtel oder die Steinzwerge von den Odinszwergen unterscheiden, denn es war nur noch nervend, ständig vor- und zurückzublättern.
Dazu mindestens genauso viele Zeichnungen von Cornelia Funke (vermutlich aber eher mehr), die seit jeher ihre Bücher selbst illustriert. Im Gegensatz zu den Tintenbüchern (ich habe sie mir extra nochmal angeschaut) findet sich hier praktisch auf jeder Seite mindestens ein Bild, häufig auch zwei oder drei. Immer sehr düster gezeichnet, in schwarz-weiß gehalten, was in völligem Gegensatz zu der sonst so farbenprächtigen und irgendwie auch fröhlichen Geschichte steht (Freundschaft und Liebe sind die übergeordneten Hauptthemen des Buches, zumindest wirkte es so auf mich). Ab ca. Seite 150 achtete ich dann nicht mehr darauf, da sie sich zudem immer öfter wiederholten. Ganz im Gegensatz dazu gefielen mir die jedem Kapitel vorangestellten Aphorismen, Sinnsprüche oder was auch immern gut, denn entweder treffen sie sehr genau ins Schwarze und/oder machen sie Lust auf die AutorInnen, von denen sie stammen.
Ebenso begann der ständig indirekt erhobene Zeigefinger irgendwann zu nerven. Ja, wir Menschen sind (größtenteils) böse Geschöpfe, die die Tiere und die Natur ausrotten und zerstören. Und ja, es ist durchaus wichtig, darauf hinzuweisen. Aber nicht immer wieder und wieder auf's Neue. Ich bin sehr zuversichtlich, dass auch Kinder es bereits nach dem 3. oder 4. Mal verstanden haben.
Zuguterletzt regte mich etwas auf, was ich vermutlich nicht beachtet hätte, wenn ich nicht so viel zu mäkeln gefunden hätte So klischeehaft, wie die Jungen- und Mädchenrollen in diesem Buch dargestellt wurden, habe ich schon lange nichts mehr gelesen. Bens Schwester und seine Mutter kümmern sich um den Nachwuchs daheim, während Ben und sein Vater die Welt retten - ok, die Pegasus-Fohlen, die ungeborenen. Ein neuer zweiter Drachenreiter: ein Junge. Die wenigen weiblichen Wesen, die in der Ferne eine Rolle spielen, sind eine 'durchgeknallte' Ratte, die sich im entscheidenden Moment (unverschuldet) selbst ausschaltet und eine Papageiin, die schrill krächzend immer zu viel redet. Willkommen zurück in der Welt der Siebziger!
So habe ich das Buch mit gemischten Gefühlen zugeschlagen: Eine durchaus schöne und spannende Geschichte, die aber sooo viel besser hätte sein können. Vielleicht im dritten Teil?

Veröffentlicht am 27.10.2016

Bregenz - kein Ort für zum Glücklichsein?

Ein langes Jahr
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Auch wenn der Ort nirgends in diesem Buch genannt wird, ist schnell klar, dass es nur Bregenz sein kann, wo die Menschen leben, von denen in 'Ein langes Jahr' die Rede ist. Eva Schmidt ist eine derart ...

Auch wenn der Ort nirgends in diesem Buch genannt wird, ist schnell klar, dass es nur Bregenz sein kann, wo die Menschen leben, von denen in 'Ein langes Jahr' die Rede ist. Eva Schmidt ist eine derart akkurate Beschreiberin, dass man nicht nur die Stadt schnell erkennt, sondern auch während des Lesens die Strecken die die Personen zurücklegen, mit dem Finger auf dem Bregenzer Stadtplan nachzeichnen kann.
Als Roman wird das etwas mehr als 200 Seiten starke Büchlein annonciert, was meiner Meinung nach zumindest am Beginn ziemlich danebenliegt. Die durchnummerierten Kapitel, von denen es 38 Stück gibt und die meist zwei bis fünf Seiten umfassen, verbindet anfangs kaum mehr als der Schauplatz Bregenz. Die beschriebenen Menschen kennen sich meist nicht und wenn sie etwas gemeinsam haben ausser ihrem Wohnort, ist es eine Einsamkeit, die die einen mehr, die anderen weniger gut ertragen. Allzuviel erfährt man nicht über die Personen; wenn, dann geschieht es eher beiläufig. Es sind die Beschreibungen einer Stunde oder eines Tages, vielleicht auch einer Woche, in denen scheinbar nebenbei Sätze fallengelassen werden, die das Drama eines Lebens andeuten und/oder plötzlich offenlegen.
Der Ton ist sachlich-nüchtern, kaum eine Spur von Empathie, stattdessen die exakte Beschreibung der Vorkommnisse und des Innenlebens der Protagonisten. Die ersten 50 bis 70 Seiten tat ich mich ziemlich schwer mit diesem Buch: Was interessierten mich diese eintönigen Leben dieser größtenteils so fürchterlich drögen Menschen? Das einzig Spannende war die Raterei, um wen es sich im neuen Kapitel handelt. Denn zu Beginn jedes neuen Abschnittes werden nur Personalpronomen genutzt und ich musste aufmerksam weiterlesen um herauszufinden, von wem denn nun die Rede ist. Doch dann beginnen sich die Lebenswege der Beschriebenen zu kreuzen. Da ich nun bereits etwas vertraut war mit Tom, dem Sohn aus reichem Elternhause; Herrn Agostini, dem älteren Hundeliebhaber; Cora, der etwas zu viel trinkenden alleinerziehenden Mutter und den vielen Anderen, wollte ich wissen, wie und ob die Begegnungen mit den restlichen Figuren sich weiterentwickelten.
So viel kann ich verraten: Viel mehr Handlung gibt es auch im Rest des Buches nicht. Die Menschen begegnen sich, gehen auseinander oder nicht - wie ihm wahren Leben nur ohne Glück. Es fühlte sich für mich ein bisschen so an, als würde ich einen etwas intimeren Einblick in das Leben mancher Bregenzer BürgerInnen erhalten, ob die nun wollten oder nicht. Und ich glaube, die Meisten hätten es eher nicht wollen - so traurig wie deren Leben wirkt.
Muss oder sollte man das lesen? Um sich zu unterhalten wohl eher nicht - ausser man ist BregenzliebhaberIn und möchte die Stadt mal von einer völlig anderen Seite erleben.
Shortlist Deutscher Buchpreis 2016