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Veröffentlicht am 09.06.2022

Agatha Christies mysteriöses Verschwinden

Mrs Agatha Christie
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MEINE MEINUNG
Die amerikanische Autorin Marie Benedict hat in ihrem spannenden historischen Roman "Mrs Agatha Christie" eine wahre Begebenheit aus dem Leben der berühmten englischen Krimiautorin Agatha ...

MEINE MEINUNG
Die amerikanische Autorin Marie Benedict hat in ihrem spannenden historischen Roman "Mrs Agatha Christie" eine wahre Begebenheit aus dem Leben der berühmten englischen Krimiautorin Agatha Christie aufgegriffen, die im Dezember 1926 für elf Tage auf mysteriöse Weise verschwand und in ganz England eine großangelegte Suche nach sich zog. Die genaueren Hintergründe für das, was damals wirklich geschah, wurden niemals aufgeklärt. Geschickt hat Benedict aus den wenigen bekannten Fakten und naheliegenden Spekulationen ihre eigene Version für Agatha Christies Verschwinden ersonnen und präsentiert uns eine durchaus plausible Erklärung für ihre Beweggründe damals.
Herausgekommen ist dabei eine spannende, für mich zwar nicht sonderlich überraschende aber insgesamt stimmige Geschichte über diese sehr rätselhafte Episode in Christies Leben – gekonnt inszeniert wie von der versierten Krimiautorin Christie höchstpersönlich.
Angelegt ist der Roman auf zwei unterschiedlichen Zeitebenen, die einander abwechseln und für Spannung und Abwechslung sorgen. In mit „Das Manuskript“ betitelten Kapiteln, die in der Vergangenheit ab 1921 angesiedelt sind, schildert Agatha Christie rückblickend aus der Ich-Perspektive, wie sie ihren späteren Ehemann Archibald Christie kennenlernt und von Szenen aus ihrem zunehmend angespannten Eheleben. Daneben erleben wir in der Gegenwart die Geschehnisse von 1926 rund um Agathas Verschwinden aus der Sicht des Ehemanns Archibald in der dritten Person, begleiten die Suche nach der Vermissten, die Ermittlungen der Polizei und erfahren von Schuldzuweisungen, seinem sorgsam gehüteten Geheimnis sowie sich schließlich verdichtenden Verdachtsmomenten gegen ihn.
Es ist sehr fesselnd, die aus den unterschiedlichen Perspektiven geschilderten Entwicklungen mit zu verfolgen. Sehr gut haben mir die aufschlussreichen Einblicke in Agathas Leben, ihren familiären Hintergrund und das Eheleben mit ihrem ersten Mann gefallen. Erstaunt erlebt man eine intelligente, durchaus selbstbewusste junge Frau, die erste Erfolge als Schriftstellerin feiert, aber aufopferungsvoll in einem gänzlich traditionellen Rollenbild verharrt, ihrem angehimmelten Archie eine perfekte Ehefrau sein möchte und sogar bereit ist, ihre Tochter Rosalind für ihn hinten anstehen zu lassen. Ihr allmählicher Entwicklungsweg von einer bisweilen devoten, in gesellschaftlichen Konventionen gefangenen Frau, über die wütend-verzweifelte Ehefrau angesichts eines sich zunehmend distanzierenden bis hin zu der toughen Schriftstellerin, die schließlich alle Fäden in der Hand hat, bereit ihren eigenen Weg zu beschreiten, wird von der Autorin sehr anschaulich und nachvollziehbar beschrieben.
Den Charakter von Archie, der als sehr unsympathisch und egoistisch dargestellt wird, empfand ich leider als ziemlich blass und eindimensional. Gerne hätte ich noch mehr über die Hintergründe erfahren, die zur Zerrüttung der Ehe mit Agatha geführt haben.
Geschickt zieht die Autorin den Spannungsbogen an, lässt die beiden Handlungsstränge immer mehr aufeinander zulaufen und lässt ihre Geschichte schließlich in einem brillanten Finale münden - ganz in herrlicher Agatha Christie-Manier, in dem zum Ende die raffinierte Auflösung auf einen Schlag den Anwesenden präsentiert wird.
Mich hat dieser Roman neugierig gemacht auf diese faszinierende Frau und ihr schillerndes Leben und hat mich natürlich auch dazu angeregt, einmal wieder eines ihrer Bücher zu lesen!
FAZIT
Ein spannender und unterhaltsamer Roman über eine mysteriöse und nie aufgeklärte Episode aus dem Leben der erfolgreichen Krimiautorin Agatha Christie!

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Veröffentlicht am 08.06.2022

Informativer Ratgeber zum Thema Selbstversorgung

Selbstversorgung
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MEINE MEINUNG
Selbstversorgung – ein Schlagwort, das inzwischen in aller Munde ist und einfach toll klingt!
Doch ist es nicht eher eine abenteuerliche Vorstellung, sich heutzutage selbst versorgen zu wollen?
Die ...

MEINE MEINUNG
Selbstversorgung – ein Schlagwort, das inzwischen in aller Munde ist und einfach toll klingt!
Doch ist es nicht eher eine abenteuerliche Vorstellung, sich heutzutage selbst versorgen zu wollen?
Die leidenschaftliche Gärtnerin und bekannte Bloggerin rund um das Thema Selbstversorgung Marie Diederich hat vor einigen Jahren ihren Traum verwirklicht und über ihre eigenen vielfältigen Erfahrungen nun ein hochmotivierendes und sehr unterhaltsam geschriebenes Buch verfasst.
„Selbstversorgung“ lautet der schlichte Titel ihres informativen Ratgebers, der den wundervollen Untertitel „Dein eigenes Gemüse anbauen, mit Hühnern kuscheln, in selbstgebackenes Brot beißen“ trägt und beim Löwenzahn Verlag erschienen ist.
In dem interessanten Vorwort „Von Gemüsebeeten, Ziegen und Einmachgläsern“ erzählt uns die sympathische Autorin über ihren Weg ins einfache Leben und verrät uns, dass viele verschiedene Wege zur Selbstversorgung führen können. Die Umsetzung ist eigentlich gar nicht so schwer, denn hat man für sich erst einmal die eigenen Ziele gesteckt und die persönlichen Möglichkeiten ausgelotet, sollte man sich einfach mutig auf das Abenteuer Selbstversorgung einlassen und durchstarten. Nicht Perfektionismus ist hier angesagt, sondern das Auswählen des geeigneten Lieblingswegs, um die seine individuellen Vorstellungen umzusetzen.
Letztlich geht es nicht nur darum „sich selbst zu versorgen, es beutet vor allem: sich selbst und das Leben neu zu entdecken und einen neuen Bezug zur Natur zu erlangen.“
Mit dieser tollen, hochmotivierenden Einführung gelingt es Marie Diederich hervorragend, uns gewissermaßen an die Hand zu nehmen und uns aufzuzeigen, wie ein Leben als Selbstversorger für „Neulinge“ aussehen könnte.
Wie dann aber die eigene bunte Selbstversorger*innen-Welt aussieht - ob man sich in kleinen Schritten an den eigenen Gemüseanbau herantastet oder gleich zum ultimativen Selbstversorger wird – das sollte jeder je nach Zeitbudget und verfügbarer Fläche selbst entscheiden.
Dieses umfangreiche und hochinformative Buch macht einfach riesige Lust darauf, Selbstversorgung für sich zu entdecken. Dank des lebendigen, humorvollen Schreibstils kann man es kaum noch aus der Hand legen und möchte am liebsten gleich loslegen.
Sehr anschaulich und mit viel Enthusiasmus erzählt uns die sympathische Autorin auch immer wieder über ihre eigenen Erfahrungen und lässt uns an ihrem spannenden Selbstversorger-Leben teilhaben.
Das ausführliche Inhaltsverzeichnis gibt einen guten Überblick über die vielen behandelten Themengebiete wie zum Beispiel Anlage des Gemüsegartens, Voranzucht der Jungpflanzen und Samenvermehrung, Kompost und Mulchen, aber auch Tierhaltung und natürlich die Verwertung und Lagerung der Ernte.
In den einzelnen Kapiteln führt uns Marie Diederich detailliert an jedes Thema heran. Ob nun zum Thema Gemüseanbau, Backen von eigenem ofenfrischen Knusperbrot, Einmachen und Fermentieren von Pflaumen und Gurken oder Einkochen von Marmelade aus selbst geerntetem Obst für die Vorratsregale oder sogar die eigene Tierhaltung (falls man Lust auf emsige Bienen, gackernde Hühnern, freche Ziegen oder kuschelige Schafe hat!) – zu allem finden sich viele tolle Anregungen, nützliche Hinweise für ein erfolgreiches Gärtnern und interessantes Praxiswissen rund um die Selbstversorgung.
Sehr gelungen sind auch die über 40 ausführlichen, sehr übersichtlich gestalteten Pflanzenporträts zu beispielsweise Tomaten, Paprika, Kürbis, verschiedenen Kohlsorten, Kartoffeln oder diversen Kräutern. Hier gibt es jede Menge hilfreiche Ratschläge zur Pflege, Ernte und Vermehrung, so dass man sich in Ruhe seine Lieblingspflanzen für die Selbstversorger-Beete aussuchen und seine Gartenarbeit im Jahreslauf planen kann.
Ansprechende, gut verständliche, flott und unterhaltsam verfasste Texte und vor allem die vielen, stimmungsvollen Farbfotos, die mit schönen Impressionen und interessanten Details den Text illustrieren, sowie die witzigen Schnappschüsse mit der Autorin sorgen dafür, dass man das Buch immer wieder gerne durchblättert und darin stöbert.
Abgerundet wird das rundum gelungene, inspirierende Buch mit einem Anhang, in dem man ein Glossar, ein umfangreiches Register, weiterführenden Literaturtipps und einem Hinweis auf Bezugsquellen findet.

FAZIT
Ein umfangreicher und informativer Ratgeber rund um das Thema Selbstversorgung – unterhaltsam und verständlich geschrieben und sehr ansprechend gestaltet!
Empfehlenswert für alle, die sich ins Selbstversorgungsabenteuer stürzen wollen!

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Veröffentlicht am 05.06.2022

Gelungener Ratgeber mit geballtem Wildkräuterwissen

Kruut - Wildpflanzen im Alltag
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MEINE MEINUNG
„Kruut - Wildpflanzen im Alltag“ ist der Titel eines äußerst informativen Ratgebers von den beiden Wildpflanzen-Experten Annika Krause und Thorben Stieler, der kürzlich im Kosmos Verlag erschienen ...

MEINE MEINUNG
„Kruut - Wildpflanzen im Alltag“ ist der Titel eines äußerst informativen Ratgebers von den beiden Wildpflanzen-Experten Annika Krause und Thorben Stieler, der kürzlich im Kosmos Verlag erschienen ist und sich mit der faszinierenden Welt der Wildpflanzen und Heilkräuter befasst.
„KRUUT“ – das plattdeutsche Wort für Kraut – beschreibt laut Autoren ein Lebensgefühl im Einklang mit der Natur. Und so nennt sich auch die Wildkräuterfirma der beiden Autoren, mit der sie das unschätzbare Potential der Wildkräuter in unseren modernen Alltag zurückbringen wollen. Die verwendeten, heimischen Rezepturen basieren auf uraltem bewährtem Wissen der Pflanzenheilkunde und sollen so vor dem Vergessenwerden bewahrt werden. Eine wirklich tolle Mission!
In ihrem interessanten Buch nehmen uns die beiden Wildpflanzen-Experten mit auf eine sehr lehrreiche Entdeckungsreise hinaus in die wilde Natur vor unserer Haustür und präsentieren die aufregende, alltagsnahe und ästhetische Welt der Wildpflanzen und Heilkräuter in ihrer ganzen Bandbreite. Dabei zeigen sie uns auch, wie wir die Bräuche unserer Ahnen in unser modernes Leben einbinden können.
Im kurzen, einleitenden Kapitel „Willkommen in der wilden Welt.“ erläutern die beiden Autoren das spannende Konzept ihres Ratgebers und haben mich sehr neugierig auf ihren wundervoll inspirierenden „Kräuterkurs für Gesundheit, Kulinarik und Spirit im Alltag“ gemacht. Auch Fragen zu den wichtigen Basics wie beispielsweise zum sinnvollen Sammeln, zu Hintergründen der Kräuterheilkunde oder zur Machbarkeit des Kräuter-DIY vor allem in der Stadt werden beantwortet.
Ihre Begeisterung für die Wildpflanzenwelt, wilde Genüsse vom Wegesrand und einen Natur-Lifestyle ist wirklich ansteckend, so dass man sofort hochmotiviert loslegen möchte! Dank des mitreißenden und unterhaltsamen Schreibstils lässt man sich gerne auf einen persönlichen Kräuterspaziergang in das Wildpflanzenjahr mitnehmen.
Ein Blick in das ansprechend gestaltete Inhaltsverzeichnis macht deutlich, wie vielfältig die behandelten Themenbereiche sind. Sehr übersichtlich ist das Wildpflanzenjahr nach dem jahreszeitlichen Verlauf entsprechend dem uralten Rhythmus der Wildpflanzen untergliedert.
· Willkommen in der wilden Welt.
· Frühling. Die Zeit des Erwachens.
· Sommer. In der vollen Kraft.
· Herbst. Zurück zu den Wurzeln.
· Winter. Ruhe und Entschleunigung.
· So können wir die Natur schützen.
Jedes Kapitel beginnt mit einer Einstimmung in die Jahreszeit und Einführung in die Welt der Wildpflanzen, stellt die wichtigsten Zeigerpflanzen der Saison vor aber auch die Jahreskreisfeste.
Von interessanten Informationen zu Inhaltsstoffen, Heilkunde, Handwerk über Spiritualität und Mystik bis hin zu Vorschlägen zur Verwertung der jahreszeitlich nutzbaren Pflanzen, traditionelle Rezepturen für Heilanwendungen und natürlich abwechslungsreiche Rezepte für kulinarische Genüsse – in diesem wunderschön aufbereiteten Buch finden wir jede Menge geballtes Kräuterwissen, viele Anregungen, hilfreiche Hintergrundinformationen und jede Menge Praxistipps. Zum Ausklang finden sich am Ende eines jeden Kapitels alltagsnahe Impulse, die zum Mitmachen einladen und unseren ganz eigenen Zugang zu der wilden Welt anregen sollen.
Egal ob man nun Neuling oder sich schon besser auskennt - die genauen Erklärungen und Hinweise sind für alle interessierten Leser verständlich, gut nachvollziehbar und mühelos nachzumachen. Viele stimmungsvolle Fotos und tolle Schnappschüsse mit schönen Impressionen dienen zur Auflockerung des übersichtlich und abwechslungsreich gestalteten Textes. So nimmt man das Buch gerne zur Hand, lässt sich beim Durchblättern inspirieren und entdeckt immer wieder etwas Neues, was man ausprobieren könnte.
Die Autoren präsentieren insgesamt 30 „Wilde Schätze" in ausführlichen, hochinformativen Pflanzenporträts. Neben allerlei Wissenswertem rund um die Pflanzen werden auch ihre vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten wie beispielsweise als Hausmittel, in interessanten Rezeptideen für schnelle Gerichte aus Knospen, Blättern und Wurzeln oder bei naturnahen Ritualen vorgestellt. In sehr natürlichen Fotos werden die jeweiligen Pflanzen in allen Einzelheiten gezeigt, so dass man sie auch als Anfänger gut erkennen kann.
Aber nicht nur Heilkräftiges aus bekannten Heilpflanzen wie Brennnessel, Kamille, Schafgarbe oder Beinwell, sondern auch die Verwendung als Färbepflanze wie die Goldrute oder der Klatschmohn werden ausführlich besprochen. Und natürlich finden sich auch tolle kulinarische Anregungen für die tägliche Ernährung aus „Unkräutern“ wie Giersch, Brennnessel oder Löwenzahn. für Speisen und Getränke wie beispielsweise
Auch erfahrene Kräuterfreunde können sich aus den zahlreichen Rezepten noch die ein oder andere Anregung holen, denn es ist wirklich erstaunlich, wie vielfältig der zusammengetragene Erfahrungsschatz ist.
Nach einem gelungenen Ausblick und einem Kurzportrait der Wildkräuterfirma KRUUT zum Ausklang des Buchs findet sich zur Abrundung am Ende noch ein ausführliches Register.

FAZIT
Ein inspirierendes, ansprechend gestaltetes Buch mit geballtem Wildkräuterwissen!
Empfehlenswert für alle, die einen informativer Ratgeber rund um die faszinierende Welt der Wildpflanzen und Heilkräuter suchen!

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Veröffentlicht am 04.06.2022

Sehr gelungene Fortsetzung

Das wahre Motiv
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MEINE MEINUNG
Nach dem gelungenen Debüt »Der falsche Preuße« hat die deutsche Autorin Uta Seeburg mit dem historischen Kriminalroman »Das wahre Motiv« eine äußerst fesselnde Fortsetzung ihrer vielversprechenden ...

MEINE MEINUNG
Nach dem gelungenen Debüt »Der falsche Preuße« hat die deutsche Autorin Uta Seeburg mit dem historischen Kriminalroman »Das wahre Motiv« eine äußerst fesselnde Fortsetzung ihrer vielversprechenden neuen Krimi-Reihe vorgelegt. Im Mittelpunkt des zweiten Kriminalfalls steht erneut der interessante Major Freiherr Wilhelm von Gryszinski, der es als kriminalistischer Sonderermittler im Dienste der Königlich Bayerischen Polizeidirektion mit einem perfiden Mehrfachmörder im illustren Schwabinger Künstlermilieu zu tun hat.
Dieser Band lässt sich problemlos auch ohne Vorkenntnisse des Vorgängerbands lesen, da die Autorin für das Verständnis wichtige Informationen geschickt in die Handlung eingeflochten hat.
Die Geschichte spielt im München des Jahres 1895. Die Autorin nimmt uns erneut mit in die Hauptstadt des Königreiches Bayern und zeichnet ein schillerndes, sehr stimmiges Bild dieser faszinierenden Zeit und der im Umbruch befindlichen Metropole. Im Zuge von Gryszinskis Ermittlungen tauchen wir diesmal ein in das illustre Leben im Künstlerdorf Schwabing, genießen das fesselnde Flair der Redouten, Atelierfeste und Faschingsvergnügungen und begegnen dort auch etlichen historischen Persönlichkeiten wie beispielsweise dem Malerfürsten Franz von Lenbach, Verleger Albert Lange, Schriftsteller Frank Wedekind oder dem volksnahen Prinzregent Luitpold.
Mir hat es hervorragend gefallen, wie lebendig und anschaulich Seeburg Münchens facettenreiches Alltagsleben einfängt, uns am Leben der Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten teilhaben lässt und gekonnt immer wieder sorgsam recherchierte historische Fakten ins Geschehen einfließen lässt. Sehr gut zur damaligen Zeit passt der ansprechende, etwas antiquiert wirkende und bisweilen humorvolle Schreibstil, der uns sprachlich ins ausgehende 19. Jahrhundert zurückversetzt, ebenso wie die jedem Kapitel vorangestellten zeitgenössischen Zitate.
Äußerst spannend sind auch die authentischen und geschickt in die Handlung eingewobenen Einblicke in die damalige kriminalistische Ermittlungsarbeit bei der auch innovative Methoden bei der alltäglichen Aufklärung von Verbrechen Einzug hielten. So führt der Sonderermittler Gryszinski zu seinen Einsätzen stets seinen fortschrittlichen Tatortkoffer mit und unterstützt Gerichtsarzt Dr. Meyering in seinem Anthropometrischen Labor bei den Versuchen zur Systematisierung von Fußspuren.
Der Krimi lebt neben den sehr anschaulich und lebendig geschilderten Schauplätzen vor allem von seinen vielschichtig angelegten Figuren, die mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet sind. Hervorragend gefallen haben mir wieder die sympathische Hauptfigur Wilhelm von Gryszinski, aber auch die Einblicke in sein Familienleben mit seiner eher unkonventionellen Ehefrau Sophie und seinem kleinen Sohn Fritz sind sehr interessant. Der von den preußischen Tugenden geprägte, eher nüchterne Gryszinski scheint sich in seine neue Wahlheimat eingelebt zu haben, der bayerischen Mentalität immer mehr abzugewinnen und regelrecht aufzutauen. So scheint ihn auch die neue Beschäftigung seiner cleveren Frau Sophie nur kurz aus der Fassung zu bringen und ihn bald mit großem Stolz zu erfüllen, erkennt er doch, dass auch die Rolle der Frau im Wandel ist. Ob nun beispielsweise Gryszinskis urigen Kollegen Voglmaier und Eberle oder die beiden adeligen Freunde des Hauses Otto von Grabow und die exaltierte Wienerin Franziska von Wurmtal, die regelmäßig zum gemeinsamen Dîner erscheinen - auch die vielen Nebenfiguren sind entsprechend ihrer Rolle in der Geschichte liebevoll und facettenreich ausgearbeitet und sorgen für Abwechslung und humorvolle Szenen.
Die verzwickten Mordfälle, die wie Gemälde der klassischen Mythologie inszeniert wurden, bringen Gryszinski immer wieder an seine Grenzen, denn unter den Malern, Musen und Kunstschülern, die Kontakt zu den Opfern hatten, finden sich bald etliche Verdächtige.
Die Ermittlungen, die Grysinski immer tiefer in die umtriebige Künstlerszene hineinführen, sind sehr abwechslungs- und lehrreich mit aufschlussreichen Blicken hinter die Kulissen der Schwabinger Bohème. So erfahren wir beispielsweise auch, dass neben dem allseits hofierten und vom Prinzregenten protegierten Franz von Lenbach, auch die Münchener Secessionisten gab, die sich aus Protest gegen die Bevormundung durch den staatlichen Kunstbetrieb von der Münchner Künstlergenossenschaft abgespalten hatten und neue Wege in der Kunst beschritten.
Nach und nach entspinnt sich ein rasantes, mörderisches Wettrennen gegen die Zeit, bei dem schließlich auch seine kauzige, aber überaus patente Haushälterin Frau Brunner wieder von unschätzbarer Hilfe ist. Nach einigen unerwarteten Wendungen nimmt der unglaublich fesselnde und abwechslungsreiche Kriminalfall immer mehr an Fahrt auf und gipfelt in einem fulminanten Finale. Die Auflösung der Mordfälle ist schlüssig und das Motiv des Mörders sehr nachvollziehbar.
Abgerundet wird dieser mitreißende und rundum stimmige historische Kriminalroman mit einem kurzen Nachwort, betitelt mit „Historische Notiz“. Hierin geht die Autorin auf einige literarische Freiheiten ein, die sie sich zugunsten des Handlungsverlaufs genommen hat, wie z.B. kleine Abweichungen von den historischen Begebenheiten bzw. einige komplett erfundene Fakten.
Ich freue mich schon sehr auf eine Fortsetzung dieser gelungenen historischen Krimi-Reihe mit einem neuen, packenden Fall und hoffe auf ein baldiges Wiedersehen mit Gryszinski und vielen liebgewonnenen Charakteren.

FAZIT
Eine gelungene Fortsetzung dieser tollen historischen Kriminalroman-Reihe - mit viel zeitgeschichtlichem Flair, faszinierenden Charakteren und einem spannenden neuen Fall, der uns in die Münchener Kunstszene des ausgehenden 19. Jahrhunderts abtauchen lässt.

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Veröffentlicht am 03.06.2022

Erschütternder Roman zum Nordirland-Konflikt

Amelia
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MEINE MEINUNG
Nach dem höchst außergewöhnlichen Roman »Milchmann«, für den die nord-irische Autorin Anna Burns 2018 mit dem bedeutenden britischen Literaturpreis „Man Booker Prize“ ausgezeichnet wurde, ...

MEINE MEINUNG
Nach dem höchst außergewöhnlichen Roman »Milchmann«, für den die nord-irische Autorin Anna Burns 2018 mit dem bedeutenden britischen Literaturpreis „Man Booker Prize“ ausgezeichnet wurde, ist nun auch ihr bereits 2001 veröffentlichter Debütroman „Amelia“ auf Deutsch erschienen.
Er thematisiert den Nordirland-Konflikt, einem verheerenden Bürgerkrieg, der in den 1970ger Jahren seinen Ausgang nahm und in dem Autobomben, Erschießungskommandos und zahllose Tote auf beiden Seiten der Konfliktparteien den Alltag beherrschte.
Nachdem ich durch die inhaltlich und stilistisch anstrengende und herausfordernde Lektüre von „Milchmann“ bereits auf einiges gefasst war, hat mich „Amelia“ mit seiner kompromisslosen Rohheit und brutalen Düsternis regelrecht schockiert und sprachlos zurückgelassen. Es ist ein aufwühlender und äußerst eindringlich geschriebener Roman, der durchaus zu fesseln weiß und gleich mit mehreren Triggerwarnungen (Suizid, sexuelle Übergriffe, Anorexie,…) versehen werden sollte
Wie nachhaltig der anhaltenden Konflikt den Alltag der Zivilgesellschaft beeinträchtigt und welche psychischen Auswirkungen diese schockierende Welt voller Verrohung, Hass, permanenter Gewalt und Brutalität auf das Leben jedes einzelnen – insbesondere für Kinder und Jugendliche aus der einfachen nordirischen Arbeiterklasse - hat, führt uns die Autorin in ihrem episodenhaft angelegten Roman sehr plastisch vor Augen.
Im Mittelpunkt steht die junge Amelia Lovett, die zu Beginn des Romans etwa acht Jahre alt ist und mit ihrer dysfunktionale Familie in einem katholischen Viertel in Belfast lebt. Jedes Kapitel erzählt aus einer allwissenden Perspektive eine in sich abgeschlossene Episode aus Amelias Leben über einen Zeitraum von fast 30 Jahren -beginnend mit dem Anfang der Troubles im Jahr 1969 bis hin zum Jahr der Friedensverhandlungen 1994, bisweilen stehen auch einige andere Charaktere im Fokus. Eine wirkliche Handlung sucht man vergeblich, doch werden einige Erzählstränge im späteren Verlauf wieder aufgenommen und fortgeführt.
Der Autorin ist die Charakterisierung der vielschichtig angelegten und sehr faszinierenden Hauptfigur hervorragend gelungen. Wir begleiten Amelia von der Schule über ihre Ausbildung bis ins Erwachsenenleben und erleben in erschütternden Szenen hautnah mit, wie sie massiv sie nicht nur psychisch sondern auch physisch betroffen ist.
Sehr unmittelbar nehmen wir Anteil an der Entwicklung vom kleinen neugierigen Mädchen und verfolgen das höchst beklemmende Schicksal von Amelia, die in all dem alltäglichen Irrsinn, der Abgestumpftheit der Menschen um sie herum und der permanenten Gewalt als ein Opfer zu überleben versucht.
Szenen mit Gewaltexzessen oder sexuellem Missbrauch, die zunehmende Entfremdung von ihrer Familie, die sie zu verkraften hat, finanzielle Nöte, ihre Essstörung und Alkoholabhängigkeit bis hin zu ihren schließlich gravierenden psychischen Problemen, mit denen sie auch nach ihrer Flucht nach London zu kämpfen hat – all dies wird oft detailliert und fast zu eindrücklich beschrieben, so dass ich am liebsten mit dem Lesen aufhören wollte. Manche erschütternde Schilderungen sind auch nur aus Amelias distanzierter, abgestumpfter Sicht zu ertragen. Daneben gibt es auch extrem überspitzte, surreale Passagen, die mich in ihrer Aussage etwas verwirrten.
Burns Erzählstil ist einzigartig und etwas besonderes, der aber sicher nicht jedem zusagen wird. Ihr bissiger, fatalistischer Humor, der mir in „Milchmann“ sehr gefallen hatte, ist allerdings angesichts der geschilderten, verstörenden Ungeheuerlichkeiten kaum noch wahrzunehmen.
Etwas schade fand ich, dass die Autorin nicht mehr politische Aspekte und Hintergrundinformationen zum Nordirlandkonflikt in ihre Geschichte hat einfließen lassen bzw. sie nicht in einem Nachwort einige ergänzende Erläuterungen zusammengestellt hat. Um wirklich alle Details und Verwicklungen zu diesem Bürgerkrieg verstehen zu können, muss man leider vieles selbst recherchieren.
Anna Burns erzählt zugleich aber auch eine nachdenklich stimmende, zeitlos-aktuelle Geschichte über höchst bedenkliche gesellschaftliche Entwicklungen, die auch auf andere Regime oder Bürgerkriegsgebiete übertragbar und somit allgemeingültig sind.

FAZIT
Ein düsterer, erschütternder und sehr eindringlich geschriebener Roman über das Leben im Nordirland während der „Troubles“! Eine schwierige und herausfordernde Lektüre, die mich gefesselt, aber mir auch einiges abverlangt hat!

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