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Veröffentlicht am 05.05.2022

Scheinbare Idylle

Vom Gehen und Bleiben
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Die deutsche Familie Blom zieht in das kleine, idyllisch gelegene Bergdorf Vischnanca in Graubünden. Katja hat hier einen Job gefunden und Fabio wird seinen Beruf in Homeoffice erledigen. Die Familie ...


Die deutsche Familie Blom zieht in das kleine, idyllisch gelegene Bergdorf Vischnanca in Graubünden. Katja hat hier einen Job gefunden und Fabio wird seinen Beruf in Homeoffice erledigen. Die Familie freut sich auf den Neuanfang. Das Dorf ist überschaubar, es hat nur 60 Einwohner. Jasper und Johanna, die heranwachsenden Kinder der Bloms, erkunden den Ort mit ihrem Moped und erleben den Schreck ihres Lebens. Ein Felsbrocken fällt ihnen direkt vor die Maschine.

Ria, der jungen Bio-Bäuerin zählt zu den Alteingesessenen des Dorfes. Ihre Familie lebt schon seit Generationen in diesem Dorf. Rias Vorfahren haben diesen Ort gegründet. Anfangs dachte ich, was hat Ria für ein Problem mit dem Berg. Sie hadert mit ihm, nennt ihn ‚rosna-tgigl‘ ..rschloch. Sie scheint einen Kampf mit ihm auszufechten. Und schon bald wird klar, das mit dieser scheinbaren Idylle was nicht stimmt. Die Stimmung ist unheilschwanger und düster. Die Bedrohung in dem kleinen Dorf ist spürbar. Der Berg rutscht und mit ihm auch das Dorf und zwar nicht zu knapp, einen Meter zwanzig jedes Jahr. Buh. Das erklärt die leerstehenden, verlassenen, zum Teil auch verfallenen Häuser. Die Dorfbewohner stehen vor der Frage: Sollen sie ihre Heimat aufgeben oder doch bleiben?

Mich hat das Buch von der ersten Zeile an gefesselt. Der Schreibstil der Autorin versteht es dem Leser mit nach Vischnanca mitzunehmen. Die Stimmung wird greifbar, die Dorfbewohner kommen uns sehr nahe. Es könnten unsere Nachbarn sein. Besonders gelungen empfand ich, dass die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, dadurch wird dem Leser Einblick in Gedanken der einzelnen Personen gewährt, und somit werden auch die Gründe der Menschen nachvollziehen, die sich fürs Gehen oder Bleiben aussprechen. Die Stimmung bei der Dorfversammlung war jedenfalls sehr aufgeladen. Die Natur und Landschaftsbeschreibungen haben mich in die Bergwelt versetzt. Ich war mitten drin.

Da ist die sympathische Ria. Sie ist eine Frau die zupacken kann, die an ihrem Hof hängt. Sie war neben Fabio, dem neu zugezogenen Dorfbewohner, meine Lieblingsfigur. Ich mochte auch die starrköpfige Mathilda.

Ein Buch, dass emotional sehr berührt. Ich hatte mir bisher keine Gedanken darüber gemacht, dass die idyllische Alpenwelt auch ihre Schattenseiten haben kann.

Fazit: Unbedingt lesenswert.

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Veröffentlicht am 25.04.2022

Was kommt danach?

Boy meets Girl
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Eigentlich …. Ja, eigentlich ist Nora in Sachen Beziehungen eine Expertin. Sie ist nicht nur Therapeutin, sie schreibt auch an einem Buch mit dem Titel „Erfolgreich Beziehungen beenden“. Trotzdem erkennt ...


Eigentlich …. Ja, eigentlich ist Nora in Sachen Beziehungen eine Expertin. Sie ist nicht nur Therapeutin, sie schreibt auch an einem Buch mit dem Titel „Erfolgreich Beziehungen beenden“. Trotzdem erkennt sie lange Zeit nicht, wie es um ihre eigene Ehe steht. Sie hatte die Zeichen komplett ignoriert. Schlussendlich gab den Auslöser für das Beenden ihrer Beziehung ein fast klassisches Beweisstück, nämlich eine schwarze Damenunterhose in der Wäsche ihres Mannes. Nach über 30 Jahren Ehe fällt ihr der Schritt nicht leicht. Pro- und Contra-Listen helfen, rät ihr ihre beste Freundin Lou, um sich und seine Situation besser einschätzen zu können. Allmählich macht sich in Nora die Erkenntnis breit: Sie war viel zu lange Besucherin in ihrem eigenen Leben. Sie merkt zum ersten Mal, das in ihrem Leben was fehlt.

Die Ehe ihrer Eltern war ebenfalls ein Desaster. Im Laufe der Jahre haben sie sich die Beiden jedoch arrangiert. Jetzt leben sie nebeneinander her, haben kein nettes Wort mehr für einander übrig. Nora sorgt sich um ihren Vater, der zusehends hilfloser wird.

Bald lernt Nora den netten jungen Englischlehrer Gregory aus Neuseeland kennen. Ein Joghurtglas im Supermarkt bringt die beiden durch ein Missgeschick zusammen. Nora beginnt mit ihm eine unverbindliche Affäre. Dann trifft sie durch Zufall am Käsestand auf dem Markt Yann wieder, ihren Jugendfreund aus Unizeiten. Er war einst ihre große Liebe. Doch Yann ist mit der Ärztin Sophie liiert.
Was für ein tolles Buch. „Boy meets girl“ hat mich von der ersten Seite an gepackt. Der Schreibstil der Autorin Julia Holbe ist schnörkellos und klar, und doch spürt man die Atmosphäre, fühlt sich nach Paris versetzt. Ich konnte die Zweifel, die Zerrissenheit und auch Gefühle der Protagonistin nachvollziehen, konnte in ihre Rolle schlüpfen. Das ist mir schon lange nicht mehr so gut bei einem Roman gelungen. Die Dialoge klingen authentisch und haben mir sehr gefallen. Noras Leben wird umgekrempelt. Den Zwiespalt hat die Autorin sehr gelungen herausgearbeitet. Nur langsam spürt Nora, dass das Leben noch einiges für sie in petto hat.

Ich mochte die sympathische Protagonistin. Ich mochte auch ihre Freundin Lou. Und ja klar, Yann ist ein Mann zum Verlieben. Aber auch an Gregory gab es nichts auszusetzten. Noras Eltern haben mir oft ein Schmunzeln entlockt. Sie sind schon sehr speziell. Und doch hängen sie aneinander. Die schnodderige Art ihrer Mutter gefällt mir irgendwie. In ihr erkenne ich eine Bekannte Sehr schön fand ich auch die Geschichte mit Hugo und Monsieur Rene. Die beiden lassen mich an die Liebe glauben. „Verliert euch nicht aus den Augen“ hatte Monsieur Hugo einst zum Abschied gesagt.
Es gab wunderschöne Sätze, wie z. B. auf Seite 137: „Man kann nicht immer nur das Richtige tun, man kann nicht immer nur gut gelaunt sein und jede Minute ausschöpfen. Das ist zwar schön in der Vorstellung, aber so funktioniert das Leben nicht. Man sollte das Gefühl haben, richtig viel Zeit zu haben. Und es gar nicht schlimm finden, so viel Zeit wie möglich zu verschwenden.“ Gänsehaut bekam ich bei: „Ich wünsche mir manchmal jemanden, der mir nachts mit der Hand durch die Haare streicht …“ Das klingt so poetisch. Sehr gut gefiel mir auch der Satz ihres Vaters, als es um sein Zittern ging und Nora meinte, es sei egal, was die Leute denken. Er sagte, es sei ihm nicht egal. „Es geht mir darum, sich einen Rest Würde zu bewahren. Das ist wichtig, wenn man alt ist.“ Und Lou sagt irgendwo: „Wir sind zwar alt, aber schön.“ Was für herrliche Sätze.

Der Titel „Boy meets Girl“, ist wirklich sehr irreführend. Er deutet auf eine leichte Unterhaltungskost hin. Doch damit liegt man als Leser definitiv falsch. Der Roman ist zwar sehr gefühlvoll, aber auch sehr gedankenvoll, weit entfernt von seicht.

Fazit: Ein wunder-, wunderschönes Buch. Ich bin begeistert und kann es nur uneingeschränkt weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 16.04.2022

Unfassbar

Versteckt vor aller Augen
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Der Bericht einer Überlebenden des Holocaust wurde von Pieter van Os, einem niederländischen Autor und Journalist, akribisch recherchiert. Dafür wurde er für das beste journalistische Buch in niederländischer ...

Der Bericht einer Überlebenden des Holocaust wurde von Pieter van Os, einem niederländischen Autor und Journalist, akribisch recherchiert. Dafür wurde er für das beste journalistische Buch in niederländischer Sprache in im Jahr 2020 mit dem Brusse-Preis ausgezeichnet, außerdem gewann ‚Versteckt vor aller Augen‘ den Libris-Geschiedenis-Preis.

In „Versteckt vor aller Augen“ geht es hauptsächlich um das Schicksal der Holocaustüberlebenden Mala Rivka Kizel. Das jüdisch-orthodoxe Mädchen wurde 1926 in Warschau geboren und wuchs auch dort auf. Mich haben die geschilderten Vorkommnisse und Gräueltaten emotional sehr mitgenommen. Bereits der Einstieg in das Buch war bestürzend. Mir tat das Herz weh, als ich von dem Schicksal der Familie unter dem Schweinestall las und vom dem der Bauernfamilie. Malas Schicksal und das ihrer Angehörigen kann niemanden kalt lassen. Mala ist ein willensstarkes Mädchen, intelligent und clever, dennoch hat sie aber auch oft nur Glück, sie findet immer wieder Menschen, die ihr weiterhelfen.

Der Autor Pieter van Os hat penibel recherchiert. In dem Buch finden sich neben der Geschichte von Mala viele Berichte von Zeitzeugen. Er hat unzählige Quellen ausfindig gemacht und Puzzlestück um Puzzlestück zusammengetragen. Dennoch liest sich das Buch flüssig. Man muss es lediglich hin und wieder aus der Hand legen, um dieses schlimme, von Menschen gemachten Ereignisse, zu verkraften.

Ein immens wichtiges Buch. Jeder sollte wissen, was damals geschah, damit solche Verbrechen nicht mehr wieder geschehen können. Denn leider haben die Menschen nicht dazugelernt, wie man am Ukraine-Krieg sieht.

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Veröffentlicht am 08.04.2022

Weckt Fernweh

Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path
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Da ich selbst als begeisterte Wanderin nahezu täglich unterwegs bin, übte das Buch von Daniela Leineweber „Schritt für Schritt“ auf mich einen ganz besonderen Reiz aus. Ich war gespannt darauf, auf dieser ...

Da ich selbst als begeisterte Wanderin nahezu täglich unterwegs bin, übte das Buch von Daniela Leineweber „Schritt für Schritt“ auf mich einen ganz besonderen Reiz aus. Ich war gespannt darauf, auf dieser Fernwanderung den South West Coast Path wenigstens lesend entlangzulaufen.

Das Cover traf bei mir sofort einen Nerv. Auf dem Weg sein, an einem wunderschönen Tag an einer traumhaften Küste. Doch bevor es losgeht, erzählt und die Autorin, die Vorgeschichte zu diesem Unternehmen. Ich sage nur Hut ab, die Autorin hat ihr Leben vollständig umgekrempelt, sie transformierte vom Couchpotato zu einer sportlich aktiven Frau und hat dabei wahnsinnig viel an Gewicht verloren. Vor dieser Leistung habe ich allergrößten Respekt. Mit den schwindenden Pfunden, wuchs auch ihr Plan, sie wird den SWCP laufen.

Als Flashpacker sind sie und ihr Ehemann zwei Monate unterwegs auf diesem Fernweg. In Tagebuchform erleben wir jeden einzelnen Tag hautnah. Die Höhen und Tiefen, die Freuden und Leiden, des Wanderns. Sehen großartige Landschaften, schroffe Felsen, schöne Hafenstädtchen und Fischerdörfer, erleben eine beeindruckende Flora und Fauna, kommen an verlassenen Betriebstätten und Häusern vorbei, spüren unsere Muskeln bei den Auf- und Abstiegen, klettern mit den beiden über Felsen. Und ich habe viel Neues erfahren, z.B. kannte dich diese TrailMagic noch nicht.

„Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen,“ wusste schon Guy de Maupassant im 19 Jahrhundert. Man spürt, die Freude, wenn die beiden einen Wandergefährden wieder treffen oder neue und interessante Menschen kennenlernen. Begeistert haben mich auch Frau Leinewebers Streifzüge in die Literatur. So treffen wir auf Spuren von Virginia Woolf und auch Daphne du Maurier.

Daniela Leineweber ist von Beruf Sozialpädagogin und leitet eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung. Deshalb hatte sie für ihre Wanderung MeilenpatInnen gesucht und auch gefunden um den Erlös ihrer am Herzen liegenden Einrichtung zugutekommen zu lassen. Das Ergebnis der Benefizwanderung übertrifft zum Schluss sogar den angestrebten Zielbetrag. Respekt und Gratulation.

Ich bin begeistert, Daniela Leinweber ist es wirklich gelungen mich als Leserin mitzunehmen. Sie schreibt wie eine Freundin, d.h. authentisch. Ich nehme ihr jedes Wort ab. Der Schreibstil ist flüssig lesbar und nicht ohne Humor und vor allem immer liebevoll. Manchmal musste ich auch Schmunzeln und oft fühlte ich mir ihr und ihrem Mann.

Fazit: Ein Buch das Fernweh weckt und Lust darauf macht, sich selber auf den Weg zu machen. Unbedingt lesenswert.

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Veröffentlicht am 05.04.2022

Schwestern

Die andere Schwester
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Der ehemalige FBI-Agent John Adderley lebt unter einem neunen Namen und neuer Identität im schwedischen Karlstad. Nun holt ihn seine Vergangenheit ein. Ganirus Leute sind ihm auf den Fersen. Ganiru ist ...

Der ehemalige FBI-Agent John Adderley lebt unter einem neunen Namen und neuer Identität im schwedischen Karlstad. Nun holt ihn seine Vergangenheit ein. Ganirus Leute sind ihm auf den Fersen. Ganiru ist ein gefährlicher Drogenboss, den John einst als Undercoveragent in den Knast gebracht hatte. Johns Incognito ist aufgeflogen. Seine Verfolger benutzen seinen Freund Trevor, der ihn damals das Leben gerettet hatte, um an den Code einer Website zu kommen, die für John quasi eine Lebensversicherung darstellt.

John arbeitet derzeit als Ermittler Frederik Adamsson an dem Fall der ermordeten Geschäftsfrau Stella Bjelke, die einen erfolgreichen Online-Dating-Service betrieben hatte. Der Fall erregt große Aufmerksamkeit und schnell wird klar, dass der Schlüssel zu dem Fall in der Vergangenheit liegt. Stellas Schwester, ein IT-Genie, hat schwere psychische Probleme. Aber auch das Verhältnis zwischen den Schwestern war mehr als schwierig. Stella war eine Tyrannin, doch für Alicia, ihrer Schwester, bedeutete sie, den Fixpunkt in ihrem chaotischen Leben.

Wie bereits der 1. Fall ‚Der andere Sohn‘ ist auch John Adderleys zweiter Falll extrem spannend. Das Autorenteam Mohlin & Nyström serviert uns erneut Nervenkitzel auf höchstem Niveau. Der Schreibstil ist gut lesbar und lässt einem bis zum Schluss nicht mehr los. Die Personen sind authenisch gezeichnet. Die fahrige Alicia stand mir total gut vor Augen, ihre Zerrissenheit war spürbar. Stella verkörperte für mich eine Soziopathin, und auch sie kam glaubwürdig rüber. In diesem Band geht es nicht zimperlich zu. Mir blieb manchmal die Luft weg, vor allem Johns Entscheidungen, waren mehr als heftig. John ist zwar eine coole charismatische Person, aber er hat sich in diesem Band schon einiges geleistet, das hart an die Grenze ging. Mehr will ich nicht verraten. ‚Die andere Schwester‘ ist auf jeden Fall durchgehend spannend und das Ende nicht vorherzusehen.

Fazit: Wer nicht zimperlich ist und spannende Unterhaltung liebt, dem sei dieser Schwedenkrimi wärmstens empfohlen.

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