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Veröffentlicht am 16.04.2024

Ein sehr persönlicher Reisebericht mit viel Kulinarik, Historie und Lebensart Italiens

Die Spaghetti-vongole-Tagebücher
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Den Titel auf ein Gericht zu reduzieren, ist eine wahre Untertreibung für den vielfältigen kulinarischen Inhalt dieses Buchs. Und auch bei der Kulinarik ist nicht Schluss, denn in den Spaghetti Vongole ...

Den Titel auf ein Gericht zu reduzieren, ist eine wahre Untertreibung für den vielfältigen kulinarischen Inhalt dieses Buchs. Und auch bei der Kulinarik ist nicht Schluss, denn in den Spaghetti Vongole Tagebüchern, gibt Autor Stefan Maiwald ebenso interessante und unterhaltsame Einblicke in die italienische Geschichte, Kultur und Lebensart.

Der Autor nimmt uns mit in seine Vorbereitungen für sein großes Geburtstagsmahl bei dem es in erster Linie darum geht seine kritischen Schwiegereltern zu überzeugen. Für den Anspruch der besten, authentischsten Küche, Rezepten, Zutaten und Inspiration reist er dafür von Conegliano nach Triest.

Dabei erfahren wir nicht nur viel über die Region und unglaublich leckere Rezepte. In den Einschüben - Am Wegesrand - gibt der Autor auch immer wieder Einblicke und Informationen zur Herkunft von Rezepten, italienischen Eigenarten, oder auch Mussolinis Verhältnis zur Pasta.

Der Schreibstil ist sehr flüssig und einnehmend, man hat fast das Gefühl vom Autor direkt angesprochen und mitgenommen zu werden auf seine Reise und Begegnungen.

Unbedingt erwähnenswert ist auch, dass das ganze Buch nicht nur inhaltlich ein Genuss ist, auch Layout, das Cover und seine Haptik, überzeugen auf ganzer Linie.

Die Spaghetti Vongole Tagebücher sind ein kurzweiliger Leseurlaub in Italien, bei dem man ganz in die Region eintauchen kann, dabei viel über das italienische Kochen und Verhältnis zum Essen ebenso wie die Lebensart und Kultur erfährt und direkt etwas Leckeres zaubern möchte - bei mir ist es das Tiramisu.

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Veröffentlicht am 16.04.2024

Berlin in der Nachwendezeit, 4 Freundinnen und ein großer Verlust - sensibel und authentisch erzählt

Auf Erden
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Auf Erden erzählt die Geschichte einer Freundschaft von vier jungen Mädchen, ihres Erwachsenwerdens und eines großen Verlusts. Sunny ist gerade 40 als ihr Vater nach schwerer Krankheit stirbt und ein tiefes ...

Auf Erden erzählt die Geschichte einer Freundschaft von vier jungen Mädchen, ihres Erwachsenwerdens und eines großen Verlusts. Sunny ist gerade 40 als ihr Vater nach schwerer Krankheit stirbt und ein tiefes Loch in ihr Leben und seine Gewissheiten reißt. Die Erinnerung an ihren Vater und die wichtige Rolle, die er in ihrem Aufwachsen und ihrer Prägung eingenommen hat, ist untrennbar mit der Erinnerung an ihre drei besten Freundinnen verbunden.

Anne Kanis erzählt in diesem Kontext authentisch und sensibel von Trauer, Familienvariationen und wie sie auf uns und unser Leben einwirken, Freundschaft und wie sich diese verändert, Zumutungen des Lebens in der DDR, ebenso wie der schwierigen Nachwendejahre, und nicht zuletzt auch Gewalt gegen und Sexualisierung von Frauen, in öffentlichen Räumen, der Familie, und dem Lehrkontext. Und trotz dieser schweren, wichtigen Themen scheint immer wieder eine unbändige Leichtigkeit durch die Zeilen, angetrieben von einer Stimmung im Berlin der Nachwendezeit, als das Alte am vergehen, das Neue erst im Entstehen war und so für wenige Jahre ein historischer Moment und Zeitabschnitt von Freiheit und Möglichkeitsräumen eröffnet war, der die Jugend der vier Freundinnen geprägt hat.

Mit dem Fokus auf die verschiedenen Familienhintergründe, der sonst so ähnlichen Mädchen, arbeitet Anne Kanis die feinen Unterschieden zwischen ihnen heraus. Diese feinen Unterschiede erklären sich nur begrenzt aus den klassischen feinen Unterschiede im Sinne Bordieus. Vielmehr stellt die Autorin zusätzlich eine Form von emotionalen Kapital in Familien und nicht zuletzt der Vaterrolle heraus, als zentralen feinen Unterschied im Freundinnen-Kleeblatt und als solches sehr wirkmächtig, für die Entwicklung und vermeintliches Glück eines Kindes.

Der Roman ist über weite Strecken wirklich stark in seiner Umsetzung. Lediglich zum Ende zeigt er Schwächen mit einem zu glatten Finale und einigen Klischees.

Auf Erden ist ein sensibel und klug erzählter Roman über eine Mädchenfreundschaft im Berlin der Nachwendezeit, den Verlust eines geliebten Menschen und der Frage, wie Familie uns prägt.

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Veröffentlicht am 14.04.2024

Potential für einen neuen Klassiker!

James
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James erzählt ausgehend von Mark Twains Klassiker Die Abenteuer des Huckleberry Finn, die Geschichte um Huck Finn und Jim neu bzw. ergänzt sie aus Perspektive des Sklaven Jim.

Everett schreibt mit James ...

James erzählt ausgehend von Mark Twains Klassiker Die Abenteuer des Huckleberry Finn, die Geschichte um Huck Finn und Jim neu bzw. ergänzt sie aus Perspektive des Sklaven Jim.

Everett schreibt mit James die Geschichte einer immer stetiger wachsenden Einsicht in die Ungerechtigkeit und Grausamkeit der Verhältnisse, der Evolution eines Zorns auf diese und in der Konsequenz einer inneren und äußeren Befreiung von Unfreiheit. Die Einsichten in die Sklaverei mit all ihren Grausamkeiten sind zum Teil schwer auszuhalten und es ist für mich fast unvorstellbar, dass dies möglich und gesellschaftlich akzeptiert war, sogar verteidigt wurde.

Trotzdem kommt der Roman stellenweise auch mit einer seltsamen Leichtigkeit zwischen den Zeilen daher, die zunächst gar nicht so recht zu der furchtbaren Realität James’ passen mag. Diese ergibt sich jedoch insbesondere in den Gesprächen zwischen James und dem jungen Huckleberry Finn, der mit kindlichem Übermut und Neugier beginnt die gesellschaftlichen Strukturen in Frage zu stellen.

Eindrucksvoll waren für mich die Passagen in denen Everett über das Lesen, Wissen und Schreiben reflektiert und diese als Macht und Weltzugang, der Freiheit ermöglicht und Trost spendet, herausarbeitet. Besonders gefallen haben mir auch die kurzen ideengeschichtlichen Reflexionen James‘ über Freiheit und Gleichheit in der Auseinandersetzung mit Voltaire, Montesquieu und Locke.

Etwas gewöhnungsbedürftig beim Lesen ist der Slang mit dem Jim und auch alle Sklaven sprechen. Eine, wie sich schnell herausstellt bewusste, vermeintlich primitiv wirkende Sprache und Ausdrucksweise mit der die Sklaven vor den Weißen eine Rolle spielen, die ihnen von diesen zugeschrieben wird und daher auch im Sprachgebrauch nicht hinterfragt wird.

Mit James ist Percival Everett ein sowohl literarisch als auch gesellschaftspolitisch bedeutendes Werk gelungen, das als Ergänzung zu Mark Twains Huckleberry Finn unabdingbar ist und keinen Tag zu früh kommt.

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Veröffentlicht am 13.04.2024

Das Rätsel um Margarete von Tirol-Görz

Schwöre, dass du schweigst
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Diesmal entführt Simone Dark uns ins wunderschöne und geschichtsträchtige Meraner Land. In der Burgruine Neuhaus bei Terlan finden zwei Spaziergängerinnen ein Skelett. Magnabosco und seine Assistentin ...

Diesmal entführt Simone Dark uns ins wunderschöne und geschichtsträchtige Meraner Land. In der Burgruine Neuhaus bei Terlan finden zwei Spaziergängerinnen ein Skelett. Magnabosco und seine Assistentin Pasqualina stehen vor der Aufgabe einen 20 Jahre alten Mordfall zu lösen.

Die Handlung alterniert zwischen der Gegenwart mit den aktuellen Ermittlungen und den Geschehnissen vor 20 Jahren, die zum Mord geführt haben. Dabei überzeugt nicht nur die Chemie zwischen dem Ermittlerduo, auch die historisch eingebettete Handlung um ein Jungeninternat in Dorf Tirol, die Herzogin Margarete von Tirol-Görz und ihre Erbin sind nicht nur spannend sondern auch gut recherchiert und geben einen Einblick in die Geschichte der Region und ihrer Schlösser.

Doch das Ermittlerduo harmoniert nicht nur beruflich, auch privat sind die beiden ein Paar, das mittlerweile auch die Verantwortung für ein Findelkind teilt. So ergänzt Simone Dark den spannenden Kriminalfall noch um eine private Familiengeschichte, bei der auch eine echte italienische Nonna nicht fehlen darf.

Der Schreibstil ist sehr flüssig und eingängig, die Dialoge charmant, die Beschreibungen der Landschaft Südtirols gelungen.

Stück für Stück setzt sich dieser kurzweilige Kriminalfall zusammen und lässt das Buch kaum aus der Hand legen bis zum erlösenden Finale.

Einige emotionale Situationen wurden mir jedoch zu kurz abgehandelt, hier hätte ich mir an manchen Stelle noch etwas mehr Tiefe gewünscht.

Insgesamt ist der dritte Fall von Magnabosco und Pasqualina ein kurzweiliges, spannendes und historisch interessantes Leseerlebnis im wunderschönen Südtirol. Gerne gebe ich 4,5 Sterne, aufgerundet auf 5.

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Veröffentlicht am 12.04.2024

Wir haben viel zu verlernen!

Unlearn Patriarchy 2
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Was hat das Patriarchat mit Architektur zu tun? Oder unseren Körpern? Der Medizin? Mit Blick auf Unlearn Patriarchy 2 möchte man sagen: Alles! In 13 hervorragend recherchierten Beiträgen widmen sich die ...

Was hat das Patriarchat mit Architektur zu tun? Oder unseren Körpern? Der Medizin? Mit Blick auf Unlearn Patriarchy 2 möchte man sagen: Alles! In 13 hervorragend recherchierten Beiträgen widmen sich die Autor:innen jeweils einem gesellschaftlichen Feld und arbeiten die vielfältigen intersektional wirkenden Mechanismen der Diskriminierung darin heraus.
Die Beiträge verbinden sehr kurzweilig und informativ theoretische Herleitungen und betten diese in persönliche Erfahrungen der Autor:innen ein.

Was ich in den Beiträgen (abgesehen von dem Essay von Saboura Naqshband, welches sich dezidiert mit Klasse auseinandersetzt) oft vermisst habe, ist jedoch der Aspekt Klassismus und die Einsicht darin, dass die vielfältigen intersektional wirkenden Benachteilungsmechanismus letztlich oft auch zu einer sozioökonomischen Benachteiligung führen und damit eine Marginalisierung im Wirtschafts- und Sozialsystem manifestieren. So erklärt sich eine Diskriminierung im medizinischen System beispielsweise im kommunikativen Bereich eben nicht nur durch Sprachbarrieren aufgrund von einer nicht-deutschen Muttersprache. Einen ähnlichen Umgang erfahren auch Patient:innen, die aus anderen Gründen mit medizinischem Vokabular und dem System nicht vertraut sind.

Dies schmälert den Wert dieses Sammelbandes jedoch nicht merklich. Ohne Ausnahme liefern die Autor:innen wichtige Denkanstöße mit denen sich jede:r in unserer Gesellschaft auseinandersetzen sollte. Absolute Leseempfehlung!

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