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Veröffentlicht am 27.07.2020

Was es braucht zum Glück

Die Wunderfrauen
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Der Krieg ist zu Ende, nach Jahren des Verzichts kann man sich nach und nach wieder etwas leisten. Und Luise Dahlmann wünscht sich ein klein wenig Eigenständigkeit mit einem eigenen Feinkostladen. In Gedanken ...

Der Krieg ist zu Ende, nach Jahren des Verzichts kann man sich nach und nach wieder etwas leisten. Und Luise Dahlmann wünscht sich ein klein wenig Eigenständigkeit mit einem eigenen Feinkostladen. In Gedanken plant sie bereits die Einrichtung, notiert in ihrem Notizbüchlein das Sortiment und ansprechende Aktionen. Aber wird ihr Mann Hans seine Zustimmung erteilen? Und auch drei andere Frauen stehen vor Veränderungen: Marie Wagner, vertrieben aus Schlesien, Helga Knaup, Tochter eines reichen Schuhfabrikbesitzers und die Arztgattin Annabel von Thaler.

Bereits der Prolog ist spritzig verfasst. Stephanie Schuster lässt das Bild der Zeit um die Jahre 1953/54 von Anfang an sehr lebendig vor dem Auge des Lesers wieder aufleben und Erinnerungen an früher oder zumindest an Erzählungen daran wach werden.

Die weitere Handlung gliedert sich in zwei Teile. Zuerst werden rückblickend alle vier Wunderfrauen vorgestellt, jede mit ihrem ganz persönlichen Schicksal, Gemeinsamkeiten scheint es kaum zu geben. Später laufen die Fäden zusammen und die Autorin verflicht das Leben der vier illustren Damen im bayrischen Starnberg miteinander auf gekonnte Art und Weise. In spannendem Bogen erfährt man hier Zeitgeschichtliches und vor allem, welche Hürden Frauen zur damaligen Zeit noch auferlegt waren, von freien Entscheidungen und Unabhängigkeit keine Spur. Dennoch nehmen die vier Hauptfiguren dieser Geschichte ihr Leben selbst in die Hand und versuchen ein bisschen Glück zu finden nach den schweren Kriegsjahren. Die Charaktere sind gelungen in ihrer Darstellung, jede einzelne Frau ist mit ihren typischen Eigenschaften sehr glaubwürdig dargestellt. So unterschiedlich ihre Herkunft auch ist, kommen sie einander im Laufe der Zeit näher, aus nachbarschaftlicher Hilfe wird sogar freundschaftlicher Zusammenhalt.

Stephanie Schusters Schreibstil ist flüssig, die übersichtlichen Kapitel gestalten sich kurzweilig und ineinanderfließend, wenn eine Stelle aus der Sicht zweier unterschiedlicher Damen beleuchtet wird. So wechseln einander die Blickwinkel und Erlebnisse der vier Frauen stetig ab und bringen ein Gesamtbild hervor, das stimmig die Zeit der 1950-er Jahre widerspiegelt: schreckliche Erinnerungen an den Krieg, Verlust von Familienmitgliedern, harte Arbeit beim Wiederaufbau, aber auch Hüftspeck nach der Hungersnot, Lutscher in schmucken Glasgefäßen, Schallplatten und tragbare Abspielgeräte, offener Dorftratsch und hinterlistige Intrigen, Männer-Wirtshausrunden und Fußballmeisterschaft.

Mit viel Liebe zum Detail und etlichen Szenen zum Schmunzeln erweckt die Autorin längst vergangene Zeiten zum Leben. Somit bleibt dem Leser nur gespanntes Warten auf die Fortsetzung dieser pfiffigen Frauen-Geschichte.

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Veröffentlicht am 24.07.2020

Verzehrende Ungewissheit

Zwei fremde Leben
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Während der junge Polizist Thomas Rust auf die Besuchszeit in der Geburtsklinik Dresden wartet - seine Frau ist zur Beobachtung aufgenommen – erfährt Steffen, dass sein Kind in der Nacht zuvor tot geboren ...

Während der junge Polizist Thomas Rust auf die Besuchszeit in der Geburtsklinik Dresden wartet - seine Frau ist zur Beobachtung aufgenommen – erfährt Steffen, dass sein Kind in der Nacht zuvor tot geboren worden ist. Mutter Ricarda darf sich von ihrem Baby nicht verabschieden, ja nicht einmal ein kurzer Blick auf das Neugeborene wird ihr gewährt. So ist es Vorschrift in der DDR im Jahre 1973 - es sei besser so. Allerdings hegen sowohl Ricarda als auch Thomas Zweifel am Tod des Kindes. Verschiedene Anzeichen deuten auf eine staatlich angeordnete Kindesentführung hin und so stellen beide, unabhängig voneinander, Nachforschungen an.

17 Jahre später sucht Claudia Behling jene Frau, die sie nach der Geburt weggegeben hat – ihre Mutter.

Ab der ersten Seite fesselt Autor Frank Goldammer den Leser mit seinem etwas kühlen, aber sehr anschaulichen Schreibstil. Die Situation vor und im Krankenhaus wird so lebendig und bildhaft vermittelt, gleich einer Zeitreise in die 1970er-Jahre. Unmittelbar wird man konfrontiert mit der vorherrschenden Mode, unzähligen gerauchten Zigaretten und der beständigen Vorsicht, nichts preiszugeben, was der Stasi zuträglich sein könnte, womit man sich verdächtig machen würde. Zwar ist das zentrale Thema die Kindesentführung zwecks Sozialisierung junger Erdenbürger, aber auch etliche andere Probleme werden erwähnt, welche die damaligen DDR-Bürger belasteten. Bespitzelung, Überwachung, Unterdrückung – die Stasi nützte Angst und Missgunst, um Macht zu bewahren und den Menschen ein besseres Leben als jenes im Westen vorzugaukeln.

Nicht nur die Handlung selbst ist spannend mit all den erschütternden Geschehnissen, sondern auch der Aufbau des Buches. Über weite Strecken sehen wir die Vorgänge aus Ricardas Sicht, aber ebenso werden die Ermittlungen des Polizisten detailliert betrachtet und schließlich nimmt auch noch Claudias Schicksal Raum in dieser unfassbaren Geschichte ein. Dazu kommt der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Zeitebenen, mitunter ein wenig sprunghaft, aber immer gut gekennzeichnet, sodass man der Handlung mühelos folgen kann und sich die einzelnen Bausteine Stück für Stück zu einem stimmigen Ganzen fügen. Stilistisch und sprachlich überzeugend führt Goldammer zwei fremde Leben zusammen.

Dieser Roman beeindruckt einerseits aufgrund der wohldurchdachten Handlung, die anfangs ein wenig verworren und undurchschaubar scheint, andererseits durch die Tatsache, dass all dem vermutlich reale Vorgänge zugrunde liegen. Erschütternd, beklemmend, lesenswert!

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Veröffentlicht am 16.07.2020

Drama, Liebe und Intrigen

Willkommen im Flanagans (Das Hotel unserer Träume 1)
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Eine rauschende Silvesternacht im altehrwürdigen Londoner Luxushotel Flanagans läutet das Jahr 1960 ein. Zehn Jahre schon leitet Linda Lansing das Haus, allerdings wird sie nun von ihren Cousins und Anteilseignern ...

Eine rauschende Silvesternacht im altehrwürdigen Londoner Luxushotel Flanagans läutet das Jahr 1960 ein. Zehn Jahre schon leitet Linda Lansing das Haus, allerdings wird sie nun von ihren Cousins und Anteilseignern unter Druck gesetzt und zum Verkauf gedrängt. Die gebürtige Schwedin steht mit ihrer listigen Freundin Mary vor einer schwerwiegenden Herausforderung.

Ausgelassene Stimmung, atemberaubende Roben, Whiskey und Zigarettenspitz – der Jahreswechsel im Flanagans ist legendär, Reich und Schön fährt vor, um ein unvergessliches Fest zu feiern. Mittendrinnen Chefin Linda, einem Journal zufolge „eine hübsche Societydame, die einem leidtun kann, gezwungen ist, das exklusive Hotel zu führen, seit ihr Vater verstorben ist, kein Ehemann, keine Kinder in Sicht, allerdings die Cousins an ihrer Seite.“

Der Einstieg ins Buch, in eine schillernde und gleichzeitig bedrückende Silvesternacht ist erst einmal ein wenig verwirrend. Wer ist wer? Warum ist Linda in dieser Position? Erst nach und nach wird mittels Rückblenden erzählt, warum Linda in London ist, wer ihre Eltern waren, warum sie das Hotel geerbt hat. Danach wird die Geschichte sehr viel besser durchschaubar und entwickelt Spannung, auch wenn das eine oder andere Kapitel ein bisschen langatmig daherkommt.

Asa Hellberg beleuchtet das geschäftige Treiben in diesem herrschaftlichen Hotel, lässt weder den gestrengen Ton unter der Belegschaft aus noch die Diskriminierung farbiger Angestellter. Ein Lichtblick ist Chefin Linda aus dem schwedischen Dorf Fjällbacka. Für sie zählen Leistung und Entschlossenheit, exakt jene Eigenschaften, die sie selbst vom Landmädel zur erfolgreichen Geschäftsfrau verwandelt haben. Aber genau das ist für Frauen der damaligen Zeit kaum möglich. Geschickt fängt die Autorin die Stimmung der 1950er – Jahre ein, Frauen haben niedere Arbeiten zu verrichten, gebären Kinder und verstehen nichts von Finanzen. Wie schwierig es ist, sich – speziell als Frau – ohne entsprechende Vorkenntnisse um eine Hotelleitung zu kümmern, wird beeindruckend geschildert, vor allem, wenn dann noch Neid und Missgunst der Cousins mitspielen und kaum eine Intrige ausgelassen wird.

Zum Glück gibt es aber auch einige Personen, die Linda wohlgesonnen sind und sie auf ihrem Weg unterstützen und ermutigen. So wird eine bunte Palette an Figuren geschaffen, die ein authentisches Bild der damaligen Zeit widerspiegeln, sehr individuelle Charaktere, die sich im Laufe der Zeit gut weiterentwickeln und damit den Weg bereiten für eine Fortsetzung des traditionellen Flanagans.

Alles in allem ist der Auftakt zu einer interessanten und lesenswerten Reihe also gut gelungen!

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Veröffentlicht am 07.07.2020

Orangenblüten riechen und die Sonne spüren – La Esperanza

Der Duft von Orangenblüten
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Schwer verletzt überlebt Katharina einen brutalen Überfall im Frankfurter Stadtwald. Das Leben im Danach gestaltet sich schwierig, auch wenn Ehemann Paul hilft, so gut er kann. Mitten in dieser dunklen ...

Schwer verletzt überlebt Katharina einen brutalen Überfall im Frankfurter Stadtwald. Das Leben im Danach gestaltet sich schwierig, auch wenn Ehemann Paul hilft, so gut er kann. Mitten in dieser dunklen Zeit trudelt ein Brief von einem spanischen Anwalt ein: Katharina hat eine Finca in Andalusien geerbt und begibt sich somit auf eine ungewisse Reise in den Süden. Welche Geheimnisse hat ihre Großmutter gehütet und wie steht sie in Verbindung zu dieser Orangenplantage?

Gleich zu Beginn fällt bei diesem Buch das wunderschön gestaltete Titelbild auf: schwarz mit filigranem Muster, perfekt abgestimmt auf den folgenden Inhalt, das gesamte Werk ist ausgeschmückt mit liebevollen Zeichnungen von Orangen und geschwungenen Anfangsbuchstaben zu Beginn jedes Kapitels, die gewählte Schriftart fein, aber nicht zu verschnörkelt – das Rundherum passt einfach grandios zu Katharinas Geschichte. Schon durch die Aufmachung alleine spürt man, mit wieviel Engagement dieser Roman entstanden ist.

Als nächstes fällt dem Leser die bildhafte, im Prolog fast poetisch wirkende Sprache auf, die Wichtigkeit der Natur beim Vergessen und Vergeben (längst) vergangener Ereignisse, die Hoffnung, dass irgendwann vielleicht Wunden verheilen können, Verletzungen mit möglichst wenig Narben zurückbleiben.

Und dann lernt der Leser Katharina kennen, eine liebevolle Frau und fürsorgliche Krankenschwester, die durch einen grausamen Anschlag verständlicherweise völlig aus der Bahn geworfen wird. Mit sehr einfühlsamen Worten schildert Alexandra Mazar das Geschehen und vor allem die Gefühle und Gedanken von Katharina, sodass man sie sehr gut verstehen kann, spürt, wie schwer die Rückkehr in den Alltag ist, wie schwierig auch für ihren Ehemann Paul, der sich redlich Mühe gibt, aber nicht immer den richtigen Ton trifft.

So sind nicht nur sämtliche Figuren sehr greifbar herausgearbeitet, sondern auf Katharinas Reise durch Spanien auch viele Eindrücke von Stadt und Land, Kultur und Lebensfreude in die Handlung verwoben, dass das Lesen pure Lust auf den Süden vermittelt. Die getrockneten Blüten des Bitterorangenbaumes entfalten im Tee ihr gesamtes Aroma, das dunkle Olivenöl durchtränkt das einfache Weißbrot, und schließlich spürt man das Feuer des Carajilllo auf der Zunge und seine Wärme im Herzen. Die Autorin legt so viel Glaubwürdigkeit und Authentizität in ihre Worte, so viel Gespür für Land und Leute, wie es nur jemand kann, der selbst schon mittendrin gelebt hat, der Rest ist sehr gute und vor allem exzellent umgesetzte Recherche.

Wir dürfen Katharina auf einem teils sehr beschwerlichen Weg begleiten, aber umso schöner sind so manche Stationen, die besucht werden und bis zu einer nicht ganz einfachen Entscheidung zum Schluss führen. Damit bin ich mehr als einverstanden und freue mich sehr, dass dieses Buch in mein Regal gefunden hat!

Ich vergebe ganz klare fünf Sterne für das Gesamtwerk – Verpackung wie Inhalt, ein großartiges Ganzes!

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Veröffentlicht am 01.07.2020

Keine Thriller-Stimmung

42 Grad
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Deutschland im Jahrtausendsommer, wer kann, genießt den Urlaub in der Hitze. Aber Halt! Risse auf der Autobahn und Wasserknappheit – gibt es da Zusammenhänge? Was faselt der Hydrologe da von Gesteinsschichten? ...


Deutschland im Jahrtausendsommer, wer kann, genießt den Urlaub in der Hitze. Aber Halt! Risse auf der Autobahn und Wasserknappheit – gibt es da Zusammenhänge? Was faselt der Hydrologe da von Gesteinsschichten? Was überhaupt ist ein Hydrologe? Und IT-Analystin Elsa Forsberg mit ihren Daten? Ist die junge Frau überhaupt kompetent in ihrem Fach?

Während Wälder brennen, Flüsse zu mickrigen Bächen versiegen, Menschen ihre Häuser verlassen auf der Suche nach Wasser, reiht sich ein Krisengipfel an den anderen, aber die Ursache für die Katastrophe wird lange nicht erkannt.

Ein Erdbeben in Italien ist der erste Schauplatz in diesem Buch, weitere kurze Episoden über die Auswirkungen dieser Naturerscheinung folgen. Ein bisschen fühlt man sich an Marc Elsbergs „Blackout“ erinnert.

Im ersten Kapitel tritt dann Hydrologe Julius Denner auf den Plan. Er meldet unübliche Gesteinsverschiebungen, wird jedoch schnell abgewimmelt am Polizeikommissariat. Auch Elsa Forsbergs Forschungsergebnisse sollen laut EU-Kommission erst noch von Spezialisten überprüft werden, bevor man Alarm schlägt.

Kurze Szenen wechseln einander rasch ab, einerseits werden Fakten dargelegt, andererseits Einzelschicksale beschrieben, aber obwohl jedes für sich sehr interessant und spannend sein könnte, so bleibt die ganze Geschichte doch recht zäh. Kaum glaubt man, ein wenig Nervenkitzel aufkommen zu spüren, so wird durch die schnelle Auflösung alles wieder zunichte gemacht. Der Text plätschert dadurch recht zäh vor sich hin, keine privaten Erlebnisse gehen in die Tiefe, ebenso wie sämtliche Charaktere recht oberflächlich und distanziert bleiben. Auf jede Sequenz wird jeweils nur ein flüchtiger Blick geworfen, sodass kaum Spannung oder gar Gänsehautgefühl aufkommen kann.

Obwohl die Themen Erderwärmung und Wasserknappheit eine tolle Basis bilden und viele gute Ideen in dieses Buch einfließen, so schafft es Wolf Harlander nicht, eine aufregende Thriller-Stimmung aufzubauen. Schade um das wunderbare Potential.

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