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Veröffentlicht am 30.11.2022

Nicht nur zur Sommerzeit

Weber's Wintergrillbibel
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Von wegen, im Frühjahr angrillen! Mit "Webers Wintergrillbibel" zeigt Manuel Weyer Möglichkeiten und Rezepte auf, die nicht nur für laue Sommerabende gedacht sind- Carnovoren, die auch bei Minusgraden ...

Von wegen, im Frühjahr angrillen! Mit "Webers Wintergrillbibel" zeigt Manuel Weyer Möglichkeiten und Rezepte auf, die nicht nur für laue Sommerabende gedacht sind- Carnovoren, die auch bei Minusgraden am Kohle- oder Gasgrill ausharren, die womöglich überm Lagerfeuer den Schwenkgrill aufbauen, sie werden hier fündig werden. Und auch wenn Grillspaß meist mit Fleischgenuss gleichgesetzt wird, gibt es auch durchaus vegetarischhe oder sogar vegane Alternativen - den scharfen Kartoffeöstampf etwa oder den überbackenen Rosenkohl mit Cheddar. Mal ganz zu schweigen von Glutkohl, dem in der Glut gegarten Rotkohl. Das verspricht neue Geschmaksaromen.

Typisch winterliche Muschelgerichte oder Karpfen und Flammlachs sind in der Auswahl ebenso vertreten wie Ente oder Wild. Dabei wird keinesweg nur Fleisch auf den Grill geschmissen, es geht durchaus komplex und vielseitig zu, etwa beim geräucherten Zimtkaninchen mit Maronen. Wintergemüse wie Kürbis oder Wirsing fehlen ebenfalls nicht und selbst Sauerbraten vom Grill wird hier aufgeführt. Eintöpfe und Suppen für die kalte Jahreszeit sind ebenfalls vertreten.

Angesichts dieser Vielfalt versteht sich fast schon von selbst: für den klappbaren Holzkohlegrill meiner Kindheit und Jugend ist das alles eher nichts. Hier ist schon der yeararound Grill gefragt, der eher einer Außenküche gleichkommt. Also nicht gerade ein Standardzubehör, vor allem nicht für Großstadtmieter, die weder Balkon noch Terasse oder Garten haben oder gar im großzügig bemessenen Wintergarten am (Grill-)herd stehen.

Ich denke allerdings, dass viele der vorgestellten Gerichte auch ohne grilltypische Aromen aus der Indooküche ein Genuss und nachkochenswert sind. Für diejenigen, die sich dank des nötigen Equipments auch ein Wintergrillvergnügen leisten können, gibt es Tipps zu Räucherhölzern und -methoden.zu Grilltechniken und Pflege-Basics. Der Kombination von Feuer und Eis steht damit nichts mehr entgegen.

Veröffentlicht am 26.11.2022

Ein Auftragskiller wider Willen

Monsieur le Comte und die Kunst des Tötens
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Als Tatort-Kommissar Paul Brix jagt der Schauspieler Wolfram Koch Verbrecher in Frankfurt und Umgebung. Als Sprecher in Pierre Martins Hörbuch "Monsieur Le Comte und die Kunst des Tötens" tauscht er die ...

Als Tatort-Kommissar Paul Brix jagt der Schauspieler Wolfram Koch Verbrecher in Frankfurt und Umgebung. Als Sprecher in Pierre Martins Hörbuch "Monsieur Le Comte und die Kunst des Tötens" tauscht er die Rolle. Denn Lucien Comte de Charcarasse, der Protagonist dieses Cozy Krimis, ist von Kind an zum Assasinen ausgebildet worden, sprich zum Auftragsmörder, ganz wie es der glorreichen Familientradition entspricht. Durch die Jahrhunderte hinweg töteten die de Chacassanes für Könige und Päpste, auch die de Medici gehörten laut der diskret gepflegten Familienlegende zu den Auftraggebern.

Nur Lucien ist irgendwie aus der Art geschlagen, denn er kurvt lieber auf seiner Vespa die Cote Azur entlang, betreibt ein klienes Restaurant und ist überhaupt den schönen Dingen des Lebens zugetan. Geld ist schließlich kein Problem.

Doch dann holt die Familienpflicht auch Lucien ein: Sein Vater wird bei einem gescheiterten Arbeitseinsatz angeschossen und schwer verletzt. Auf dem Sterbebett nimmt er Lucien das Versprechen ab, die Familientradition fortzusetzen. Noblesse oblige - Lucien kann sei Wort nicht brechen. Eher unwillig lässt er sich von seinem nicht sonderlich sympathischen Onkel Edmonde in die Arbeitsteilung der Familie einweisen - Edmonde ist für die finanziell-organisatorische Abwicklung mit den Auftraggebern zuständig, Lucie für den eher praktischen Teil. Eine weitere Erkenntnis, an die sich Lucien erst gewöhnen muss, ist die Rolle der eleganten Francine, die für seinen Vater offenbar nicht nur Privatsekretärin war. Das sind ziemlich viele neuer Erkenntnisse auf einmal für den unfreiwilligen Assasinen.

Zu Luciens großem Bedauern dauert es nicht lange, bis der erste Auftrag kommt. Und obwohl der Comte alles tut, um seinen Auftrag nicht zu erfüllen, endet es mit einem Toten. Für die Zukunft muss sich Lucien einiges einfallen lassen, um nicht schuldig am Tod anderer Menschen zu werden. Ganz nebenbei entwickelt er detektivischen Spürsinn, der nicht nur für die Aufklärung der Hintergründe seiner Aufträge von Bedeutung ist. Die Fähigekeiten, die Lucien seit seiner Kindheit erlernt hat, stellen sich dann doch noch als recht praktisch heraus. Denn als er den Tod seines Vaters aufklären will. gerät er in gefährliche Situationen.

Die Abenteuer des Comte sind unterhaltsam geschrieben und werden von Koch mit spürbarem Vergnügen eingesprochen. Gutes Essen und savoir vivre sowie ein bißchen amour gehören auf jeden Fall auch dazu. Laut Verlagsangaben soll es weitere Abenteuer des Comte geben - das ist eine gute Nachricht. Dieser Südfrankreich-Krimi dürfte allen gefallen, die entspannende südliche atmosphäre mehr schätzen als allzu blutrünstige Schilderungen. Auch Nebenfiguren wie Haushälterin Rosalie und der nicht gänzlich korruptionsfreie Gendarm unterstreichen die heitere Note des Romans.

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Veröffentlicht am 26.11.2022

Allein unter Almans

Ein Alman feiert selten allein
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Man kann Aylin Atmaca zugute halten: Mit ihrem Debütroman "Ein Alman feiert selten allein" hat sie migrantische Erfahrungen ohne Larmoyanz und erbitterte Ergüsse über die böse, böse Mehrheitsgesellschaft ...

Man kann Aylin Atmaca zugute halten: Mit ihrem Debütroman "Ein Alman feiert selten allein" hat sie migrantische Erfahrungen ohne Larmoyanz und erbitterte Ergüsse über die böse, böse Mehrheitsgesellschaft geschrieben, selbst die Kartoffel-Verunglimpfung hat sie unterlassen. Kritisch lässt sich anfügen, es gibt reichlich Klischees.Vor allem aber nimmt ihr humoristisch geprägtes Buch deutsch-türkische Culture clashs auf die Schippe.

Für Protagonistin und Ich-Erzählerin Elif ist es Stress Pur: Sie wird das erste Weihnachtsfest mit der Familie ihres Freundes Jonas verbringen. Das heißt: Die Beziehung ist ernst! Weihnachten in Familie, das ist ja gewissermaßen das Vorspiel zu einer Verlobung, ja, kommt doch eher nach einem solchen Schritt. Es heißt aber auch: Alman-Alarm!

Denn nicht nur Jonas´ Kernfamilie, sondern der gesamte Familienclan kommt unter dem Weihnachtsbaum zusammen. Und zwar so richtig deutsch-organisiert, mit WhatsApp-Gruppe und solchen Marotten wie dem Bügeln des Geschenkpapiert zur künftigen Wiederverwendung! (Merke: Die Autorin ist in Heidelberg aufgewachsen. Schwäbische Sitten...)

Das Buch lebt von der Unwissenheit Elifs, die gewissermaßen ihren Initiationsritus in deutsches Brauchtum und das Fest der Feste erlebt. Wobei das irgendwie unglaubwürdig erscheint, denn auch wenn Elifs muslimische Familie kein Weihnachten gefeiert hat, ist es ja nicht so, als sei sie gerade erst aus der Türkei angekommen. Wer als türkeistämmiges Kind in Deutschland Kindergarten und Schule durchlaufen hat, Werbung und Fernsehprogramm kennt, für den oder die ist Weihnachten und deutsches Brauchtum denn nicht so wirklich ein böhmisches Dorf. Schließlich gibt es zahlreiche türkische Familien, die gerne auf den Weihnachtsmarkt gehen und sich auch ohne religiösen Bezug gerne einen Baum aufstellen, weil es so schön ist.

Sei´s drum - Ein Alman kommt selten allein wirbt für Verständnis und Dialog, selbst der zu rassistischen Sprüchen neigende Onkel lernt irgendwann das Prinzip Toleranz und das Fest der Liebe funktioniert auch ohne zu nachhaltien Zerwürfnissen zu führen. Für Elif gibt es neue Einblicke in Jonas und seine Familie. Mal sehen, wie der sich auf dem nächsten Zuckerfest schlägt. Vielleicht gibt es ja noch einen Folgeband: Allein unter Almansis.

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Veröffentlicht am 22.11.2022

Auftragsmörderin im Herbst des Lebens

Frau mit Messer
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Hornclaw wird leicht übersehen - und das ist lebensgefährlich: Denn die zierliche ältere koreanische Dame und Protagonistin in Byeong-mo Gus "Frau mit Messer" ist seit 40 Jahren eine Auftragsmörderin. ...

Hornclaw wird leicht übersehen - und das ist lebensgefährlich: Denn die zierliche ältere koreanische Dame und Protagonistin in Byeong-mo Gus "Frau mit Messer" ist seit 40 Jahren eine Auftragsmörderin. Wer "Die Plotter" gelesen hat, entdeckt einen verwandten Geist, freilich ist Hornclaw, die mit ihrem scharfen Messer tötet, eher eine Killerin des intelligenten Anpirschens und nicht der brachialen Gewalt. Dennoch wird ihre Lage mit zunehmendem Alter und schwindenden körperlichen Kräften allmählich prekär, zumal ein junger, aufstrebender und genussvoll brutaler "Kollege" ihr das Leben schwer macht un alles tut, um innerhalb der die Aufträge vergebenden "Agentur" ihrem Ruf zu schaden.

Hornclaw, früh verwaist und vom Leben nicht gerade gut behandelt, ist eine Frau ohne Wurzeln und Bindungen, selbst ihrer Hündin, die ihr zugelaufen ist, begegnet sie mit Distanz - so kann ein Verlust sie nicht emotional treffen. Dass in ihrem Beruf alles, was als Schwäche ausgelegt werden kann, sehr schnell die eigene Existenz bedroht, versteht sich von selbst. Und so einfach in den Ruhestand verabschieden kann man sich als Auftragsmörderin wohl auch nicht so einfach.

Liegt es am Alter und der Erkenntnis, dass nicht mehr allzu viele Jahre bleiben könnten? Hornclaw merkt, dass sie einerseits verunsichert auf den Spott und die Diffamierung ihres jungen Kollegen reagiert und sich andererseit für einen deutlich jüngeren Mann interessiert. Ein neuer Auftrag wird für sie zu einem unerwarteten Interessenkonflikt und die Jägerin droht zur Gejagten zu werden.

Nachdem ich erst vor kurzem Marcel Huwylers "Frau Morgenstern und die Flucht" ebenfalls über eine angejahrte Killerin gelesen habe, hat es mich gleich gereizt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Frauen zu erkunden.

Vom Stil sind beide Bücher sehr unterschiedlich Byeong-mu Gu beschreibt die Gangsterwelt zwar nicht ganz so brachial wie Un-Su Kim, aber blutig und düster geht es auch in "Frau mit Messer" zu. Krimi, Charakter- und Milieustudie in einem lädt das Buch zur Entdeckung der koreanischen Unterwelt mit ihrem Ehrenkodex und ihren harten Regeln ein. Es bestätigt mich in meiner Meinung, dass es in Korea viel spannende (Kriminal)literatur zu entdecken gibt, die ganz ohne Exotismen den Lesehorizont erweitert. Die lakonische, unsentimentale Schreibweise passt sehr gut zu Inhalt und Protagonstin.

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Veröffentlicht am 01.11.2022

Integrationsdebatten und Alltag

Zusammenwachsen
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Wenn es um die Debatten zu Integration, Assimilierung, Tradition und Eigenständigkeit, Mehrheits- und Parallemgesellschaften geht, kann Musa Deli zweifellos mitreden - zum einen hat er als Sohn türkischer ...

Wenn es um die Debatten zu Integration, Assimilierung, Tradition und Eigenständigkeit, Mehrheits- und Parallemgesellschaften geht, kann Musa Deli zweifellos mitreden - zum einen hat er als Sohn türkischer Migranten, der selbst erst nach Jahren den Eltern nachgezogen ist, viel praktische Lebenserfahrung. Zum anderen kennt er als Leiter des Kölner Gesundheitszentrum für Migrantinnen und Migranten viele Probleme, Reibungspunkte und gegenseitige Missverständnisse aus dem Arbeitsalltag.

Sein Buch "Zusammenwachsen" ist nicht nur ein Plädoyer für gegenseitige Akezeptanz und Dialog, es macht aich deutlich, dass es eben nicht "DEN Migranten" gibt - und dies, obwohl er sich ganz überwiegen auf die türkeistämmige Community stützt. Eine Vielzahl von anderen Gruppen mit ihren jeweiligen Heruasforderungen, Problemen und Besonderheiten ist da noch gar nicht berücksichtigt.

Doch auch die türkische Commuity ist schließlich nicht homogen und nicht so, wie es aus der Perspektive von Stammtischdiskussionen oder soziologischen Hauptseminaren ausehen mag. Deli zeichnet auf, was die erste, zweite und dritte Generation von Migranten unterscheidet, berichtet von Kofferkindern und Heiratsmigration, von Lebensverhältnissen, demütigenden Erfahrungne, von Stolz und Diskriminierung, aber auch vom Verharren in Isolation, sozialem Druck innerhalb der Community und der wachsenden Entfremdung von der "Heimat", die die "Almansi" oder Deutschtürken machen.

Manchmal gerät allerdings auch bei Deli der Blick nicht über den Tellerrand. Die soziale Frage wird (wieder einmal, das fällt mir in Texten zu Migration immer wieder auf) ausgeklammert. Diskriminierung auf dem Wohmumgsmarkt, in der Schule, ungleiche Bildungschancen - das betrifft eben nicht nur Menschen mit einer Migrationsgeschichte. Und umgekehrt flieht nicht jeder Migrant aus der Armut, sondern kommt als Doktorand, Unternehmer, Spezialist usw durchaus mit ganz anderen Erfahrungen, Hintergründen und Perspektiven als diejenigen, die einst als "Gastarbeiter" aus entlegenen Orten in Anatolien geholt wurden.