Profilbild von evaczyk

evaczyk

Lesejury Star
offline

evaczyk ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit evaczyk über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.12.2023

Drogenkrieg und langer Abschied

Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt (Die Mordclub-Serie 4)
0

Ein bisschen exzentrisch, eigensinnig und sehr, sehr britisch - so kennt man das Quartett von Richard Osmans "Donnerstagsmordclub". In einer Seniorenresidenz trotzen Ex-Spionin Elizabeth, die einstige ...

Ein bisschen exzentrisch, eigensinnig und sehr, sehr britisch - so kennt man das Quartett von Richard Osmans "Donnerstagsmordclub". In einer Seniorenresidenz trotzen Ex-Spionin Elizabeth, die einstige Krankenschwester Joyce, der Ex-Gewerkschafter und Arbeiterkämpfer Ron sowie der teilweise noch praktizierende Psychiater Ibrahim Langeweile und Altersbeschwerden. Nach dem Motto "Wer rastet, der rostet" kümmern sie sich um ungeklärte Kriminalfälle, mitunter zur Verzweiflung von Chris und Donna, zweier mit den vier Rentnern befreundeter Polizisten.

Auch der nunmehr vierte Band der Reihe "Ein Teufel stirbt immer zuletzt" bildet hier keine Ausnahme. Es geht sogar handfest zur Sache: Der Tod eines Antiquitätenhändlers scheint der Anfang eines Drogenkrieges an der englischen Südküste zu sein. Alle sind plötzlich auf der Suche nach einem Kästchen mit Heroin, das der Händler eigentlich nur für 24 Stunden in Verwahrung nehmen sollte. Hat er womöglich versucht, als Amateur in den Drogenmarkt einzusteigen?

Die vier vom Donnerstagsmordclub wollen das nicht glauben, handelt es sich doch bei dem Toten um einen Freund von Elizabeth´ s Ehemann Stephen. Obendrein werden Chris und Donna von einer vorgesetzten Abteilung ausgebremst - da ist es Ehrensache, dass das Quartett nicht einfach beiseite stehen kann.

Wie auch in den Vorgängerbänden wird ein sehr britischer Humor mit den persönlichen Geschichten und Beziehungen der Protagonisten verbunden. Dabei wird es diesmal aber deutlich melancholischer, emotional und tiefsinniger. Denn Stephens Demenzerkrankung ist so weit vorangeschritten, dass schwierige Entscheidungen anstehen. Demenz, Abschied, Trauer - das sind Themen, die mindestens ebenso wichtig sind wie der eigentliche Fall und Osman schafft es, sehr sensibel und einfühlsam zu schreiben, ohne ins Rührselige abzugleiten.

Während die Bände der Reihe zwar in sich abgeschlossen sind, ist es sicherlich gut, die vorangegangenen gelesen zu haben, um die Nebenfiguren und ihre Beziehungen zum Donnerstagsmordclub einordnen zu können. Andernfalls könnte ein Neuleser vermutlich leicht die Übersicht verlieren. Ich habe das Quartett jedenfalls liebgewonnen, auch wenn mir Joyce mit ihrem Geplapper mitunter auf die Nerven geht. Die vier sind Sympathieträger, von allerlei Zipperlein geplagt, aber entschlossen, nicht klein beizugeben, nur weil sie absehbar auf der letzten Etappe des bereits ziemlich langen Lebens sind. Aber den einen oder anderen Mord, den wollen sie halt doch noch klären. Fortsetzung folgt?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.12.2023

Auf einfachstem Weg zum perfekten Ziel?

Hundert Klassiker
0

Auf dem einfachsten Weg zum perfekten Ziel kommen - das definiert TV-Koch und Buchautor Steffen Henssler als seinen Anspruch in "100 Klassiker". Diesmal geht es nicht um Schnelligkeit, um Grillkunst, sondern, ...

Auf dem einfachsten Weg zum perfekten Ziel kommen - das definiert TV-Koch und Buchautor Steffen Henssler als seinen Anspruch in "100 Klassiker". Diesmal geht es nicht um Schnelligkeit, um Grillkunst, sondern, wie der Name schon sagt, um Küchenklassiker. Es soll schmecken wie bei Oma - ohne dass man wie einst Oma Stunden in der Küche verbringen muss. Nach dem Motto: Man kann Klassiker nicht besser machen, aber einfacher. Klappt das?

Zunächst einmal spart Henssler in jedem seiner Kapitel nicht mit fachmännischem Rat und Tipps, etwa zum salzen von Fleisch, Umgang mit Fleischthermometer oder dem richtigen Schnitt. Dann kann es losgehen, mit deftiger und klassischer Hausmannskost, von Rouladen über Gulasch bis Frikadellen oder Krustenbraten. Wiener Schnitzel und Kasseler mit Sauerkraut dürfen ebenfalls nicht fehlen. Ob die Rezepte jetzt wirklich so sehr anders sind als im Kochbuch meiner Oma, weiß ich nicht - aber auf jeden Fall handelt es sich um Rezepte, die ich eher nicht in meiner Kochbuchsammlung habe und ich werde mich bestimmt an das eine oder andere von ihnen ranwagen.

Im Fischkapitel gibt es außer dem gewöhnungsbedürftigen Hamburger Traditionsgericht Labskaus und Schollen Finkenwerder Art auch selbstgemachte Fischstäbchen als Alternative zur Tiefkühlkost - die stehen bei mir schon auf der Merkliste. Auch Backfisch mit Remoulade und Matjes Hausfrauenart dürften immer wieder erfreuen.

Klassisch heißt allerdings nicht nur deutsche Hausmannskost, auch Pilzrisotto oder Spaghetti Carbonara sind hier zusammen mit anderen Pasta- und Reisgerichten in einem eigenen Kapitel aufgelistet. Deftig geht es dann wieder im Kartoffelkapitel zu - vom Bauernfrühstück über Kartoffelpuffer und Bratkartoffeln. Auch die Eintöpfe und Suppen sind vor allem wärmend und sättigend, ohne viel Chichi, wie auch die Schmankerln und Salate. Für Süßmäuler schließt sich ein Dessert- und Kuchenkapitel an, in dem auch der Klassiker Milchreis nicht fehlt. Mich lacht hier allerdings vor allem der Birnen Crumble mit Streusseln an. Die dazugehörigen Food-Bilder machen Appetit.

Als klassische Kochbuchsammelung empfehlenswert. Lediglich Veganer kommen hier vermutlich weniger auf ihre Kosten.

Veröffentlicht am 14.12.2023

Gut gemeint, aber nicht gut gemacht

Durstiges Land
0

Die Idee hinter "Durstiges Land" von Susanne Goetze und Annika Joeres klang erst einmal richtig gut: In fiktiven Szenarien wird - auf der Basis des schon heute verfügbaren wissenschaftlichen Wissens - ...

Die Idee hinter "Durstiges Land" von Susanne Goetze und Annika Joeres klang erst einmal richtig gut: In fiktiven Szenarien wird - auf der Basis des schon heute verfügbaren wissenschaftlichen Wissens - in Form von Kurzgeschichten gezeigt, wie die nahe Zukunft in einem von Wassermangel geprägten Deutschland aussehen könnte. Als Dystopie beziehungsweise Utopie geht es um das worst oder best case scenario, wobei nicht die Illusion geweckt wird, als sei der Klimawandel plötzlich vom Tisch, im Gegenteil, es geht darum, das Beste aus einer zunehmend schwierigen Situation zu machen.

Eigentlich ein reizvoller Ansatz für alle, die sich mit dem Thema Klimawandelfolgen beschäftigen wollen, sich von wissenschaftlichen Abhandlungen aber überfordert fühlen oder einfach mit dem "Was wäre, wenn..." Gedanken spielen, der ja nun so ganz wissenschaftlich nicht ist. Zudem könnte so ein Buch auch Leser anziehen, die sich vielleicht noch nicht so intensiv mit dem Thema beschäftigt haben.

Dass die Wasserkrise kommt, ist keine Frage - sie ist ja schon längst da. Mehrere Hitzesommer haben die wirtschaftlichen Folgen gezeigt, wenn der Rhein nicht mehr schiffbar ist. Kommunale Verbote, den Garten zu wässern, könnten schon bald ein Luxusproblem sein angesichts sinkender Grundwasserspiegel und ihrer Folgen für das Ökosystem. Gewaltsame Konflikte um Wasser gibt es schon längst in mehreren Staaten, auch wenn dieses Szenario in Deutschland keine Rolle spielt.

Doch ach, gut gemeint ist nicht gut gemacht. Die Protagonisten der Erzählungen sind so holzschnittartig, die Rollen so schwarz-weiß verteilt, dass mich die Geschichten eher an Agit-Prop der 70-er Jahre oder ideologisierende Kinderbücher der DDR erinnern. Es macht einfach keinen Spaß zu lesen, wenn hinter jedem Satz die moralische Empörung der Autorinnen hechelt. Da habe ich geradezu Greta Thunbergs berühmtes "How dare you!" im Ohr.

Bei allem Interesse für das Thema und die auf wissenschaftlichen Arbeiten beruhenden Szenarien, welche Handlungsfelder es gibt, habe ich irgendwo in der Mitte des Buches aufgegeben, da die Geschichten einfach nicht besser wurden. Das nächste Mal greife ich doch lieber direkt zum Sachbuch, wenn ich mehr über die Zukunft einer Welt mit zunehmendem (Süß-)Wassermangel erfahren will.

Veröffentlicht am 13.12.2023

Ex-Kanzlerin ermittelt auf Ostseekreuzfahrt

Miss Merkel: Mord auf hoher See
0

Egal wie man zu Angela Merkel oder zur CDU steht - die Romanreihe von David Safier um die verrentete Ex-Kanzlerin als Hobbydetektivin sind liebenswerte und unterhaltsame Cozy-Krimis mit ironischen Seitenhieben ...

Egal wie man zu Angela Merkel oder zur CDU steht - die Romanreihe von David Safier um die verrentete Ex-Kanzlerin als Hobbydetektivin sind liebenswerte und unterhaltsame Cozy-Krimis mit ironischen Seitenhieben auf die Alphamännchen der Weltpolitik, auf die Angela Merkel im Ruhestand mit abgeklärter Distanz blicken kann. Ich habe mich also gefreut als mit "Miss Merkel: Mord auf hoher See" der nunmehr dritte Band der Reihe als Buch und Hörbuch erschien. Im Fall der Hörbuch-Version insbesondere deshalb, weil Sprecherin Nana Spier so wunderbar merkeln kann und die Sprechweise der Ex-Kanzlerin perfekt drauf hat.

Wie der Titel schon verrät verlässt Angela Merkel mit der eingeschworenen Gruppe bestehend aus Ehemann Joachim, Bodyguard Mike, Bestie Marie samt Söhnchen Adrian sowie natürlich Mops Pupsi (ehemals Putin) die heimische Uckermark, um auf Kreuzfahrt zu gehen. Noch ein Klima-Faux-pas der Ex-Kanzlerin? Nein, diesmal hat sie alle ökologischen Gewissensbisse wegen des CO2-Abdrucks aus einem guten Grund hinter sich gelassen: Bei der dreitägigen Mini-Kreuzfahrt in der Ostsee (mit Bahn-Anreise) handelt es sich um eine Krimi-Kreuzfahrt mit mehreren bekannten Autoren, die auch Workshops geben.

Hier liegt denn auch das eigentliche Motiv für die Reise, denn die Ex-Kanzlerin ist im Ruhestand ein wenig gelangweilt und nicht völlig ausgelastet, nachdem es schon seit Monaten keine ungeklärten Mordfälle mehr zu lösen gab. Heimlich schreibt sie an einem Kriminalroman, doch gründlich wie Frau Merkel nun mal ist, will sie von den Besten lernen und nicht dilettantisch etwas verfassen, was womöglich gründlich daneben geht.

Anders als in der Politik verzichtet Safier bei den prominenten Autoren auf Name-Dropping, aber die Beschreibung der Autoren erinnert schon an die eine oder andere Parallele in der Verlagswelt, wobei sich da sicherlich die Ähnlichkeiten erschöpfen. Denn natürlich kann es auch in diesem Roman nicht ausbleiben, dass Leichen den Weg der Ex-Kanzlerin pflastern und sie wieder zu ermitteln beginnt. Und natürlich bleiben Komplikationen und kleine menschliche Dramen in der Nebenhandlung nicht aus.

Das Rezept Safiers ist bewährt, doch das ändert nichts daran, dass Angela Merkel zwischen Schreibblockade und Detektivarbeit einmal mehr eine Sympathieträgerin ist. Die Kosenamen Puffel und Puffeline zwischen dem Ehepaar Merkel/Sauer finde ich zwar auch im dritten Buch unnötig klamaukig und gelegentlich klingt Nana Spier arg überdramatisch, aber das sind letztlich nur kleinere Mäkeleien - hier überwiegt die Unterhaltung und ein Humor, der niemandem weh tun will. Das Ermittlerteam jedenfalls ist liebenswert-verschroben und dürfte auch künftig nicht langweilig werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.12.2023

Kafkaeske Heimkehr

Galgenmann
0

"Galgenmann", der Debütroman von Maya Binyam, stellt nicht nur seinen Erzähler vor mancherlei Rätsel. Der namenlose Ich-Erzähler kehrt nach 25 Jahren im Exil zurück in das Land seiner Herkunft, um seinen ...

"Galgenmann", der Debütroman von Maya Binyam, stellt nicht nur seinen Erzähler vor mancherlei Rätsel. Der namenlose Ich-Erzähler kehrt nach 25 Jahren im Exil zurück in das Land seiner Herkunft, um seinen sterbenden Bruder noch einmal zu sehen. Seine Reise in die fremd gewordene Heimat wird zu einer Odyssee mit surrealen, ja kafkaesken Elementen.

Der Erzähler weiß selbst nicht so recht, wie er überhaupt ins Flugzeug gekommen ist, wer seinen Koffer gepackt hat. Er hat Vermutungen, doch wirklich sicher kann er sich überhaupt nicht sein. Überhaupt scheint sich die Wirklichkeit zu verändern, während er noch über etwas nachdenkt, wie in einer Traumlandschaft bewegt sich der Emigrant, der durchgehend eher als hilfloses Objekt der Geschehnisse wirkt.

Woher der Mann kommt und wohin er reist, das bleibt weitgehend offen. Die Beschreibungen legen nahe, dass er in den vergangenen 25 Jahren in den USA lebte und nun in Äthiopien lebt, dem Land, aus dem auch der Vater der Autorin in die USA eingewandert ist.

Wie so viele Rückkehrer aus der afrikanischen Diaspora sieht sich auch der Erzähler einer geballten Erwartungshaltung seiner Angehörigen gegenüber: Ein Cousin erwartet eine Investition in sein Haus, der Bruder hat ohnehin schon seit jeher finanzielle Wünsche geäußert, die mit den Jahren immer größer werden und im Wunsch nach einer Bürgschaft für eine Einwanderung in die USA münden.

Der Erzähler mag die Landessprache seines Herkunftslandes sprechen, doch er gilt offenbar längst als Amerikaner, als Ausländer, der sich nicht auskennt und den man hemmungslos übervorteilen kann, angefangen von Gepäckträger am Flughafen über Taxifahrer zu Bankangestellten. Doch immer wieder gibt es auch die menschlichen Begegnungen, die Erinnerungen an die Vergangenheit und ähnliche Erfahrungen wecken. So wird es eine Reise in die Vergangenheit, zu den eigenen Wurzeln, zu Menschen, die er erst auf den zweiten Blick erkennt. Dass er sich irgendwie auch zeitlich in einem Niemandsland befindet, wird durch die Tatsache bestärkt, dass Emails an die Frau und an den Bruder nicht gesendet werden können.

"Galgenmann" kulminiert in einem überraschenden Ende, das für mich so nicht absehbar war. Ein interessantes, mitunter verwirrendes Debüt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere