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Veröffentlicht am 04.01.2022

Zwischen Kunst und Leben

Die Künstlerin der Frauen
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„Als Kind hatte sie sich gewünscht, die größten Bildwerke der Welt zu schaffen, begehbar und voller Wunder.“ (S. 5)
Zum ersten Mal bin ich Niki de Saint Phalle (genauer gesagt ihren Plastiken) im Strawinski ...

„Als Kind hatte sie sich gewünscht, die größten Bildwerke der Welt zu schaffen, begehbar und voller Wunder.“ (S. 5)
Zum ersten Mal bin ich Niki de Saint Phalle (genauer gesagt ihren Plastiken) im Strawinski Brunnen neben dem Centre Georges Pompidou in Paris Ostern 1990 begegnet. Das weiß ich deshalb so genau, weil es unsere erste Reise nach dem Fall der Mauer in „den Westen“ war. Damals fand ich die Installation bunt und faszinierend, über ihre Erschaffer habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Später ist mir hin und wieder eine ihrer Nanas begegnet, aber so richtig in Zusammenhang habe ich das alles jetzt erst durch Pia Rosenbergers Buch „Die Künstlerin der Frauen“ gebracht. Darin schildert sie Nikis spannendes und zum Teil dramatisches Leben, geprägt von Krankheiten und Depressionen, das eigentlich ganz anders geplant war.
Niki entstammt einem alten französischen Adelsgeschlecht, ihre Familie lebt in New York. Sie ist das Ebenbild ihrer wunderschönen Mutter – hat aber viel mehr Temperament und fliegt immer wieder von den Internaten und Klosterschulen, auf denen sie zur perfekten katholischen Ehefrau und Mutter erzogen werden soll. Doch auf ihrem Debütantinnenball 1947 fällt sie einem Fotografen auf und setzt durch, dass sie Fotomodel werden darf – ihre Mutter hofft, dass Nikis Marktwert dadurch steigt ...
Dabei will Niki ganz anders leben als ihre Eltern, die trotz 5 gemeinsamer Kinder ständig Affären haben. Sie will eigenes Geld als Malerin oder Bildhauerin verdienen, unabhängig von einem Ehemann sein. Aber dann begegnet sie ihren ersten Liebe Harry Mathew wieder, der Musik studiert. Sie heiraten jung und bekommen sehr schnell ihr erstes Kind – und das Leben ihrer Mutter scheint sich zu wiederholen, denn auch Mathew hat dauernd Affären. Frankreich soll einen Neubeginn bringen, stattdessen rutscht Niki immer tiefer in Depressionen, bis deren Ursache durchbricht und Niki sich an ein lange verdrängtes traumatisches Erlebnis aus ihrer Kindheit erinnert (das mich sprachlos gemacht hat). Erst Jean Tinguely und seine kinetischen Kunstwerke bringen die Wende …

Niki de Saint Phalles Leben hat mich aufgewühlt und berührt. Trotz der ganzen Dramen, die sie erleben musste, und Krankheiten, gegen die sie ankämpfte, ist sie sich stets treu geblieben. Die Kunst hat ihr Kraft gegeben und einen Ausweg gezeigt, mit ihren Schießbildern (von denen ich in diesem Buch zum ersten Mal gelesen habe) verarbeitet sie ihr Kindheitstrauma, sprengt gleichzeitig ihre innere Leere und Dunkelheit und schafft den großen Durchbruch. Dabei war ihr immer wieder gesagt worden: „… durchsetzen wirst du dich als Frau ohnehin nicht. Du wirst scheitern, stell dich darauf ein. Erfolg haben nur die Männer.“ (S. 144) Selbst andere Künstlerinnen bezeichneten sie abfällig als „malende Schriftstellergattin“ (ihr Mann war inzwischen Autor).

Besonders gefallen hat mir der unaufgeregte aber eindringliche Erzählstil, in dem Pia Rosenberger beschreibt, was Niki zur Künstlerin gemacht hat, welche Erlebnisse sie wie in ihren Kunstwerken verarbeitet, bringt dem Leser damit Nikis Intentionen für die jeweiligen Objekte und / oder Stilrichtungen nahe. Außerdem gibt sie einen großartigen Einblick in die New Yorker High Society und Nikis unangepasstes Leben (oft von der Hand in den Mund) im Pariser Impasse Rosin oder dem mallorquinischen Künstlerdorf Deià. Sie hat mir eine Künstlerin nähergebracht, die als erste weibliche Neorealistin in die Gruppe um Yves Klein aufgenommen wurde, sich ständig weiterentwickelte, nie stehenblieb und ihren Traum vom Skulpturengarten im Olivenhain inspiriert von Dalí nie aus den Augen verlor. Mir war nicht bewusst, mit welchen anderen berühmten Künstlern, Förderern und Kritikern Niki bekannt war. (Und wenn ich mir etwas wünschen dürfte, sollte das nächste Buch der Autorin von dem im Buch erwähnten Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude handeln, die scheinbar eine symbiotische, gleichberechtigte Beziehung geführt haben, was für die damalige Zeit eher ungewöhnlich war.)

5 Sterne für dieses Lesehighlight!

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Veröffentlicht am 23.12.2021

Das Geheimnis der Korallen

Lady Blake und das Grab im Meer
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„Jetzt bist du endlich frei und keine Hofdame mehr. Du kannst selbst ins Rampenlicht treten.“ (S. 97)
Vierzig Jahre lang war Lady Veronica Blake die Hofdame von Prinzessin Margaret. Nach deren Tod zieht ...

„Jetzt bist du endlich frei und keine Hofdame mehr. Du kannst selbst ins Rampenlicht treten.“ (S. 97)
Vierzig Jahre lang war Lady Veronica Blake die Hofdame von Prinzessin Margaret. Nach deren Tod zieht sie sich auf die beschauliche Privatinsel Mystique in der Karibik zurück, wo sie und ihr Mann schon lange ein mondänes Anwesen besitzen. Dort lebt auch ihre Patentochter Lily, die sie nach dem frühen Tod von deren Mutter aufgezogen haben. Lily hat sich der Wiederaufforstung des Korallenriffs vor der Insel verschrieben, was nicht nur auf Gegenliebe stößt. Eines Morgens steht an ihrem Boot: „Verschwinde von Mustique oder stirb wie die Korallen.“ (S. 47). Kurze darauf ist Lilis Freundin Amanda verschwunden. Lady Veronica sorgt sich um die junge Frau und beginnt sich umzuhören.
Auch Detective Sergant Solomon Nile, der einzige Polizist der Insel, sucht die Vermisste. Sein einziger Hinweis ist das Stück Koralle mit eingeritzten Voodoo-Zeichen, dass er in ihrem Haus findet.
Dann verschwindet noch jemand, weitere gekennzeichnete Korallenstücke tauchen auf und ein Tropensturm rast auf die Insel zu – niemand kann sie verlassen, der Entführer und die Gesuchten müssen noch irgendwo auf der Insel sein …

Die Bewohner von Mustique führen ein echtes Jet-Set-Leben. Bis auf zwei Luxus-Hotels gibt es nur Privatanwesen, in denen berühmte Musiker, Schauspieler und Mitglieder des englischen Königshauses einen Teil des Jahres leben. Es werden glamouröse Partys gefeiert und man hat keine Geheimnisse voreinander – denkt Lady Veronica wenigstens. Aber bei ihrer Suche nach Amanda fallen ihr immer mehr Ungereimtheiten auf, viele Inselbewohner scheinen plötzlich verdächtig. Da ist zum einen der stumme Gärtner, der überall auftaucht und panisch wirkt, der alternde Rockstar, der endlich zu sich gefunden und von den Drogen gelassen hat, oder der komische schweigsame Vertretungsarzt, der die Insel eigentlich nicht verlassen darf und doch angeblich draußen auf einer fremden Jacht gesehen wurde …

DS Solomon Nile ist erst seit 3 Monaten zurück auf der Insel. Er wurde in Großbritannien ausgebildet und hat viele Jahre dort gearbeitet, doch wegen einer persönlichen Krise und der Parkinsonerkrankung seines Vaters ist er zurückgekehrt. Da das Inselleben so familiär und noch nie was passiert ist, ist er für „richtige“ Polizeiarbeit gar nicht ausgerüstet und muss sich mit dem behelfen, was er vorfindet. Er ist dankbar für das Wissen und die Erkenntnisse, die Lady Veronica besteuern kann – die tropische Miss Marple und er sind ein tolles Team.

Die Handlung wird in kurzen Kapiteln abwechselnd aus der Sicht der beiden Ermittler erzählt und hat durch die Abgeschlossenheit der Insel und den heraufziehenden Sturm Kammerspielcharakter.

„Lady Blake und das Grab im Meer“ ist der Auftakt einer neuen Cosy-Krimireihe mit Spannung, Herz und tropischem Flair und dürfte nicht nur Fans von „Death in Paradise“ begeistern. Das Setting ist einfach traumhaft, das Meer und die Flora und Fauna der Insel werden toll beschrieben und wecken Sehnsüchte. Besonders begeistert hat mich, dass es die Insel wirklich gibt und die Autorin Prinzessin Margarets Hofdame war! Sie gewährt ihren Lesern einen tollen Einblick in ihr Leben und die Arbeit als Hofdame, plaudert aus dem Nähkästchen, z.B. worauf sie achten musste und was ihre Aufgaben waren. Das macht für mich den Charme des Buches aus.

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Veröffentlicht am 20.12.2021

Historisch sehr gut recherchierte und emotionale Geschichte

Eine Bibliothek in Paris
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„Ich lebe, um zu lesen.“ (S. 31) könnte auch von mir stammen, denn ich wollte nie etwas anderes als Bibliothekarin werden. Odile geht es 1939 ebenso. Sie hat die Bibliotheksschule abgeschlossen und bekommt ...

„Ich lebe, um zu lesen.“ (S. 31) könnte auch von mir stammen, denn ich wollte nie etwas anderes als Bibliothekarin werden. Odile geht es 1939 ebenso. Sie hat die Bibliotheksschule abgeschlossen und bekommt eine Stelle an der Amerikanischen Bibliothek (ALP). Bald fühlt sie sich dort wohler als zu Hause. Die Mitarbeiter sind wie eine kleine Familie, man weiß einiges voneinander und den Nutzern, empfiehlt sich Bücher passend zur Stimmung oder Lebenslage.
Doch mit dem Ausbruch des 2. Weltkrieges ändert sich vieles. Immer mehr junge Männer werden einberufen, Odiles Zwillingsbruder Rémy meldet sich sogar freiwillig. Ohne ihr „Gegenstück“ fühlt sie sich oft einsam und verloren, wären da nicht ihre große Liebe Paul und die neue Aufgabe der ALP. Sie richten einen „Soldier´s Service“ ein, schicken Bücherkisten in Lazarette und an die Front, um den Soldaten mithilfe von Literatur Fluchten aus dem grausamen Alltag zu bieten.
Doch dann besetzen die Deutschen Paris besetzen und mischen sich auch in den Bibliotheksalltag ein. Gewisse Bücher dürfen nicht mehr ausgeliehen werden – und gewisse Leute die Bibliothek nicht mehr nutzen. Also beschließen die Mitarbeiter, diesen Ausgeschlossenen die Bücher nach Hause zu bringen … „Bücher auszuliefern wird unser Akt des Widerstandes.“ (S. 281)

Montana 1983: Obwohl Odile schon seit 1945 in dem kleinen Örtchen Froid lebt, wird sie immer noch als Kriegsbraut und Fremde bezeichnet. Sie ist Witwe und lebt extrem zurückgezogen, fällt aber durch ihren französischen Akzent, die schicke Kleidung und das gekonnte Makeup auf. Für Lily, die 12jährige Nachbarstochter, macht sie das sehr interessant. Unter dem Vorwand, einen Schulaufsatz über Paris zu schreiben, kann sie Odile überreden ihr von früher zu erzählen … „Im Krieg sind Dinge passiert, über die keiner spricht, die so beschämend sind, dass wir sie in einem geheimen Friedhof vergraben und dann die Gräber für immer sich selbst überlassen haben.“ (S. 456)

„Eine Bibliothek in Paris“ zeigt ein sehr persönliches Bild von Paris und seinen Bewohner zur Besatzungszeit anhand vieler bewegender Einzelschicksale. Die Versorgungslage wird immer schlechter, die Menschen immer dünner, die anonymen Anzeigen immer schlimmer. Trotzdem hilft man sich, versorgt oder versteckt jüdische Mitbürger, leiht weiter verbotene Bücher aus. Man fragt nicht nach, woher der andere z.B. dringend benötigte Lebensmittel oder Medikamente hat, macht ihm dann nach Kriegsende aber Vorwürfe, dass mit den Deutschen fraternisiert wurde. Mir gefällt, dass alle Protagonisten Fehler oder Schwächen haben, niemand glorifiziert wird.

Odile stammt aus gutem Haus und soll nach dem Willen ihrer Eltern bald heiraten. Ihr Vater, ein Polizeikommissar, stellt ihr jeden Sonntag einen anderen, in seinen Augen passenden, Untergebenen vor und ihre Mutter hat ihre Aussteuer längst beisammen. Zwischen dem Polizisten Paul und ihr funkt es auch wirklich, aber heiraten will sie so schnell nicht – schon gar nicht während des Krieges und ohne ihren Zwillingsbruder.
Zu Beginn ist sie noch recht jung und unerfahren. Für sie sind die Dinge entweder Schwarz oder Weiß, die leisen Zwischentöne und Abstufungen im Zwischenmenschlichen muss sie erst lernen. Trotzdem hat sie mich sehr beeindruckt und ich habe sie für ihren Mut und ihr Durchhaltevermögen bewundert.
40 Jahre später ist Odile immer noch eine Frau mit Vorbildfunktion. Sie hilft Lily (mithilfe von Büchern) beim Erwachsenwerden und findet dadurch selber zurück ins Leben. Das ist zwar sehr berührend, hat für mich aber mit der eigentlichen Geschichte nichts zu tun und ich hätte den zweiten Strang als Rahmenhandlung nicht gebraucht. Wobei mir die Parallelen zwischen dem kalten Krieg, der die Welt damals in Atem hielt, und dem 2.Wk gut gefallen haben.

4 Sterne und meine Leseempfehlung für diese historisch sehr gut recherchierte und emotionale Geschichte.

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Veröffentlicht am 17.12.2021

Dunkle Zeiten ziehen auf

Sturm über der Tuchvilla
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Nach dem 4. Band der Tuchvilla hatte ich schon gemutmaßt, dass es eine weitere Fortsetzung geben wird, da mit Dodo und Leo, den Kindern von Marie und Paul Melzer, bereits die nächste Generation in den ...

Nach dem 4. Band der Tuchvilla hatte ich schon gemutmaßt, dass es eine weitere Fortsetzung geben wird, da mit Dodo und Leo, den Kindern von Marie und Paul Melzer, bereits die nächste Generation in den Startlöchern steht. Und so ist es jetzt auch gekommen.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 1935. Leo studiert in München Musik und Dodo hat in Berlin eine Ausbildung zur Motorfliegerin gemacht. Beide haben Träume und Wünsche für ihre Zukunft, doch die Zeiten ändern sich schnell. Die Nationalsozialisten sind an der Macht, in Leos Schule werden die jüdischen Lehrkräfte vertrieben und Dodo muss feststellen, dass Frauen nach Ansicht der neuen Machthaber schwanger an den Herd gehören und nicht hinter das Steuerruder eines Flugzeugs. Auch ihre Mutter Marie bekommt Probleme, weil ihr Großvater Jude war – obwohl sie getauft und christlich erzogen wurde, gelten sie und ihre Kinder als Juden. Ihre Kundinnen beginnen, ihr Modeatelier zu meiden, als sich das rumspricht. Und ihrem Mann Paul wird mehrfach nahegelegt, sich scheiden zu lassen, wenn er die Fabrik (be-)halten will.
Aber auch Pauls Schwester Lisa hat es nicht leicht. Ihr Mann Sebastian ist ein überzeugter Kommunist und war deswegen schon einmal für 4 Wochen im KZ. Es sieht so aus, als hätte man ihn dort gebrochen, er wird immer wunderlicher und damit zur Gefahr für die Familie ...

Anne Jacobs hat einen unheimlich tollen und mitreißenden Schreibstil. Sie versteht es, die Spannung über die fast 700 Seiten zu halten, die ich (wieder mal) an nur 3 Tagen gelesen habe. Nur mit dem Wiedereinstieg hatte ich zu Beginn kleinere Probleme. Bei den vielen Personen, die inzwischen zum Universum der Melzers gehören, war ich dankbar für das Personenregister.
Neben den Familienangehörigen und Angestellten tauchen auch alte Bekannte wieder auf. Die ehemaligen Gouvernante Serafina will immer noch höher hinauf. Auch die ehemalige Kammerzofe Gerti hat große Pläne für ihre Zukunft. Und leider holen auch die Erlebnisse mit dem russischen Kriegsgefangenen die Bewohner der Villa wieder ein.

Die drängendste Frage für Paul, den Fabrik- und Familienvorstrand der Melzers, ist die nach seiner Nachfolge. Theoretisch wäre Leo sein Erbe, aber der will die Fabrik nicht, genau wie Dodo, die sich nur fürs Fliegen interessiert. Der Nachzügler Kurt ist eben erst in die Schule gekommen und glänzt leider nicht durch gute Leistungen. Henny, Pauls Nichte, hat ein Händchen für das Geschäft und kann sehr gut mit Menschen – aber sie ist „nur“ eine Frau.
Und über allem schweben die neuen Gesetze der Nationalsozialisten, nach denen Marie und ihre Kinder in großer Gefahr sind – auch wenn die Familie das noch nicht wahrhaben will. Aber Marie hat ein untrügliches Gespür und ist bereit, sich für die Familie zu opfern …

Anna Jacobs entfaltet auch im 5. Band ein sehr umfassendes und ausführliches Bild des damaligen aktuellen Welt- und politischen Geschehens und verknüpft dieses mit den unterschiedlichen Schicksalen der Familienmitglieder und ihrer Angestellten. Sie zeigt, wie sich Herrschaft der NSDAP auf den Einzelnen auswirkt und sich das Familiengefüge dadurch langsam verschiebt. Denn nicht nur Marie, Leo und Dodo müssen durch die neuen Rassengesetze ihre Träume neu überdenken ...

Auch der „Sturm über der Tuchvilla“ ist wieder sehr spannungsgeladen, fesselnd und unterhaltsam und endet so, dass man sich eine weitere Fortsetzung unbedingt wünscht – aber vielleicht mit etwas weniger Personen

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Veröffentlicht am 13.12.2021

Eine hyggelige Familiengeschichte

Der süße Himmel der Schwestern Lindholm
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2020: Auf der schwedischen Halbinsel Kullaberg betreiben die Frauen der Familie Lindholm seit über 80 Jahren das Café „Söta Himlen“ mit von ihnen über Generationen entwickelten und in einem Buch festgehaltenen ...

2020: Auf der schwedischen Halbinsel Kullaberg betreiben die Frauen der Familie Lindholm seit über 80 Jahren das Café „Söta Himlen“ mit von ihnen über Generationen entwickelten und in einem Buch festgehaltenen Rezepte. Um so erstaunter sind sie, als sich eines Tages eine Deutsche bei ihnen meldet – sie besitzt ein altes handschriftliches Buch mit ihren Rezepturen und behauptet, ebenfalls eine Lindholm zu sein …

1936: Die drei Schwestern Hannah, Ingrid und Matilda leben zusammen mit ihren jüngeren Zwillingschwestern Ulla und Ebba, ihrer Mutter und ihren Großeltern auf einem Hof in Arild direkt Meer. Die Familie betreibt eine kleine Bäckerei, Hannah arbeitet zusammen mit der Großmutter in der Backstube und Ingrid verkauft im Laden. Mathilda ist Servierkraft in einem Hotel im Badeort Mölle und gibt ihr Gehalt zu Hause ab. Aber die Wirtschaftskrise hat auch Schweden fest im Griff und so kommen sie mit dem erwirtschafteten Geld kaum über die Runden. Darum arbeitet ihr Vater 2000 km entfernt in einem Erzbergwerk und kann sie nur einmal im Jahr besuchen, schickt aber regelmäßig Geld.
Da hat Ingrid die Idee, den Laden um ein kleines Gartencafé zu erweitern um die Touristen aus Mölle herzulocken. Mit viel Fantasie und Elan setzen sie diesen Plan in die Tat um. Hannah entwickelt immer neue Rezepte und langsam haben sie mit dem Café Erfolg, da verliebt sich Hannah ausgerechnet in einen Deutschen und setzt den Familienfrieden aufs Spiel …

Andrea Russo hat unter ihrem Pseudonym Anne Barns schon viele Familiengeschichten veröffentlicht, in denen das Meer und der Genuss eine große Rolle spielen. Auch hier hat sie wieder ein wundervolles Setting gezaubert, man möchte das zauberhafte Gartencafé direkt am Meer unbedingt mal besuchen, erst am Strand spazieren gehen und dann (mindestens) eine der Köstlichkeiten probieren, die einem beim Lesen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen.

Obwohl der Roman in einer sehr bewegten Zeit spielt, strahlt er eine große Wärme und Ruhe aus – er ist geradezu hyggelig. Die Handlung dreht sich um Familie, Harmonie und den Einklang mit der Natur und den Jahreszeiten.
Die Schwestern sind sehr verschieden und suchen ihren Platz im Leben und im Familienunternehmen. Mathilda träumt davon, Schauspielerin zu werden und die Welt zu sehen und hat immer wieder Affären.
Hannah ist schon viele Jahre mit ihrem Jugendfreund zusammen, als sie sich in den Deutschen verliebt. Das bringt böses Blut in die Familie, da ihr Großvater, ein überzeugter Sozialdemokrat, gegen Hitler und die Nationalsozialisten im Allgemeinen und Hannahs Freund im Besondern wettert. Aber auch ihre Schwestern sind vom neuen Freund nicht begeistert. „Willst Du auf lange Sicht etwa mit ihm nach Deutschland gehen? … Glaube mir, dieser Hitler ist gefährlich. … Großvater … befürchtet, das Land würde auf einen Krieg zusteuern.“ (S. 27)
Ingrid ist die bodenständigste der drei. Sie hatte die Idee mit dem Café, wollte damit das Einkommen der Familie steigern und ihre Schwestern in Arild halten, fester an die Familie binden. Doch als der Krieg ausbricht, wird das immer schwieriger.

Der Zusammenhalt zwischen den drei Schwestern aber auch in der Familie generell hat mir sehr gut gefallen. So viele starke Persönlichkeiten, die sich ähnlich und trotzdem sehr verschieden sind – da würde man gern dazugehören.

Andrea Russo gewährt guten Einblick in das Leben in Schweden zur damaligen Zeit. Das Land war zwar nicht aktiv am 2. WK beteiligt, sympathisierte aber mit Finnland und war wirtschaftlich stark mit Deutschland verbunden – das bedeutet einerseits Mobilmachung und Angst vorm Kriegseintritt und andrerseits die Verknappung von Lebensmitteln etc., die Lindholms mussten noch enger zusammenrücken und unterstützen trotzdem die Menschen im Dorf, die es nötig haben.

Mich hat „Der süße Himmel der Schwestern Lindholm“ sehr gut unterhalten. Ich mag die Mischung aus Familiengeschichte verknüpft mit historischen Hintergründen und leckeren Rezepten sehr. Jetzt fiebere ich dem nächsten Band entgegen, denn irgendwie muss sich das mit dem alten Rezeptbuch ja noch auflösen ...

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