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Veröffentlicht am 23.11.2022

Wo Schatten ist, da ist auch Licht

Im Schatten des Fuchsmondes
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Lia, die Tochter eines schottischen Lairds, und Finn, ein Fußballspieler aus Glasgow, könnten unterschiedlicher nicht sein. Doch als Finn aufgrund eines Vorfalls in die Highlands flieht, wo Lia ihre Sommerferien ...

Lia, die Tochter eines schottischen Lairds, und Finn, ein Fußballspieler aus Glasgow, könnten unterschiedlicher nicht sein. Doch als Finn aufgrund eines Vorfalls in die Highlands flieht, wo Lia ihre Sommerferien verbringt, treffen sie zwangsläufig aufeinander. Der wachsenden Anziehung zueinander können sie nicht entkommen, doch ist ihre Liebe stark genug, um all die Hindernisse zwischen ihnen zu überwinden?

„Im Schatten des Fuchsmondes“ ist ein Jugendbuch von Antje Babendererde.

Lia ist ein gleichmütiger und ausgeglichener Mensch, ehrlich und freundlich. Ich hätte sie wirklich gerne zur Freundin. Ihr Familienhintergrund bietet viel Konfliktpotenzial, welches intensiv ausgeschöpft wird. Trotz Model als Mutter hat Lia glücklicherweise eine gesunde Einstellung zu Körperbild und Essverhalten und füllt somit ihre Vorbildfunktion voll aus. Atemberaubende und romantische Landschaftsbeschreibungen - Lias Naturverbundenheit kann ich beim Lesen mit jeder Faser meines Körpers spüren. Nur ihr Schmeck-Tick hat mich ein wenig irritiert - aber haben wir nicht alle solche kleinen Macken?
Aufgrund des Klappentext haben ich mir Finn eher lebensfroh und verspielt vorgestellt, doch er ist anders als gedacht. Seine Perspektive hat mich trotzdem sofort in ihren Bann gezogen. Die körperliche Anziehung zwischen den beiden ist definitiv zu spüren.

Durch die Trennung von Lias und Finns jeweiliger Perspektive werden ihre Standpunkte gelungen gegenübergestellt und so nimmt man auch als Leser viel mit. Finns Perspektive ist dabei aus der Sicht des auktorialen, Lias aus der des Ich-Erzählers verfasst. So kann man beide leicht auseinanderhalten.

Dieses Buch schlingt man nicht in wenigen Tagen herunter. Sowohl im informativen, als auch im zwischenmenschlichen Bereich ist es sehr reichhaltig. Man benötigt etwas Zeit, aber dann schließt man die Charaktere schnell ins Herz und fiebert richtig mit ihnen mit.

Total faszinierend fand ich die Thematisierung des Lockdowns. Obwohl es mich eigentlich nicht so hätte überraschen sollen, schließlich ist Antje Babendererde für die Bearbeitung aktueller Problematiken bekannt.

Ein kleiner Fun Fact: Alle erwähnten Bücher gibt es wirklich! Solche liebevollen Details machen eine Geschichte doch erst richtig rund.

Gegen Ende gab es eine sehr ernste Wendung, die ich lange nicht habe kommen sehen. Diese wurde vielseitig beleuchtet und zufriedenstellend aufgearbeitet. Ich finde es so toll, wie alle Handlungsstränge ineinander laufen und Bezug zu nebenbei erwähnten Geschichten nimmt. Alles fügt sich zu einem stimmigen Gesamtbild, dass trotzdem nicht konstruiert wirkt.

Ich habe im Vorhinein bereits „Der Sommer der blauen Wünsche“ von Antje Babendererde gelesen, und obwohl beide Bücher in Schottland spielen, waren sie komplett eigenständige, nachhaltige Erlebnisse.

Wer Lust auf ein lehrreiches, atmosphärisches Jugendbuch mit Fokus auf eine grandiose Liebesgeschichte hat, ist mit „Im Schatten des Fuchsmondes“ richtig beraten. 🦊

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Veröffentlicht am 19.11.2022

Wenn Sonne und Mond sich verlieben...

Reach for the Stars
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Für Profiakrobat Nolan kommt die Stellenausschreibung des Zirkus Grenaldi gerade recht. Gerade das Jurastudium geschmissen, steht er nun ohne die Unterstützung seiner Familie da. Doch als er entgegen seiner ...

Für Profiakrobat Nolan kommt die Stellenausschreibung des Zirkus Grenaldi gerade recht. Gerade das Jurastudium geschmissen, steht er nun ohne die Unterstützung seiner Familie da. Doch als er entgegen seiner Erwartungen wirklich eingestellt wird, gibt es ein neues Problem: Seine neue Showpartnerin Yara, die kratzbürstig, wunderschön und zu allem Überfluss auch noch die Tochter des Zirkusbesitzers ist...

„Reach for the Stars“ ist der erste Teil einer New Adult-Reihe mit Zirkussetting von Tess Tjagvad.

Ich bin absolut begeistert von dieser Geschichte. Der Klappentext hat mich schon gecatcht und meine Erwartungen wurden trotzdem übertroffen. Zuerst einmal liebe ich die Aufmachung von innen und außen und besonders das Format und Gewicht des Buches. Es liegt richtig angenehm in der Hand.

Der Schreibstil ist genau richtig ausgewogen und obwohl ich wechselnden Perspektiven eigentlich nichts abgewinnen kann, freute ich mich hier auf jedes neue Kapitel. Mir gefällt auch, dass diese unterschiedlich lang sind und nicht akribisch darauf geachtet wurde, immer die gleiche Wortanzahl zu haben. Meine Lesegeschwindigkeit war bei diesem Buch unfassbar schnell.

Es ist unglaublich toll, dass es kein großes Geheimnis gibt, welches es aufzudecken gilt. Auch ohne dieses ganze künstliche Drama gab es eine Menge zu erzählen und es wurde nie langweilig!

Sowohl Yara als auch Nolan haben Probleme mit ihren Familien, die einerseits sehr verschieden, andererseits wirklich ähnlich sind. Mir gefällt die Wahl dieser Problematik, da sie eher alltäglich ist und wahrscheinlich jeder etwas mit Erwartungsdruck durch Eltern und Verwandte etwas anfangen kann.
Der jeweilige Anteil beider Charaktere ist sehr gut ausbalanciert. Obwohl normalerweise der Fokus stark auf dem Mädchen liegt, wirkte hier sogar der männliche Protagonist etwas besser ausgearbeitet.

Das Zirkussetting übte eine ganz besondere Faszination auf mich aus, denn es ist so weit von meiner eigenen Lebensrealität entfernt. Trotzdem werden nicht nur die romantisch anmutenden Vor-, sondern auch viele Nachteile verständlich beleuchtet. Tess Tjagvad hat wirklich gute Recherchearbeit geleistet, soweit ich das mit meinen beschränkten Zirkuskenntnissen beurteilen kann. Das Tour-Thema Dualität und die unmögliche Liebe zwischen Sonne und Mond unterstreicht Message und Dramatik des Buches perfekt.

Obwohl ich sonst ein gutes Gespür für Wendungen in Büchern habe, weiß ich hier nie so genau, was als Nächstes passiert. Ich kann zum ersten Mal seit langem wieder abtauchen und habe nicht das Bedürfnis, die Geschichte zu analysieren.

Ich bin eigentlich keine Person die sonderlich wert auf Zitate legt. Doch in diesem Buch wimmelt nur so von Sätzen, die gerade so gut in mein eigenes Leben passen. Noch traue ich mich nicht, sie zu markieren, aber spätestens beim zweiten Lesen wird es wohl so weit sein...

Die Protagonisten des zweiten Teils wurden hier schon vorgestellt und - was soll ich sagen - das Buch wird definitiv und unter allen Umständen sofort bei mir einziehen! 🌖

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Veröffentlicht am 08.11.2022

The unexpectedly long moment I fell for you

The Moment I Fell For You
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Bay ist Mitglied in der Theater-AG, schreibt eigene Songtexte und kann es kaum erwarten, dass die High School endlich vorbei ist.

Dare ist passionierter Football-Spieler, repariert gerne Autos und fühlt ...

Bay ist Mitglied in der Theater-AG, schreibt eigene Songtexte und kann es kaum erwarten, dass die High School endlich vorbei ist.

Dare ist passionierter Football-Spieler, repariert gerne Autos und fühlt sich zuhause nicht sicher.

Die beiden gehen schon seit Jahren auf die gleiche High School, doch bisher hat Dare nie Notiz von Bay genommen. Bis er sie im Garten nebenan singen hört und ihre Stimme ihn einfach nicht mehr loslässt...

„The Moment I Fell for You“ ist der erste Teil einer New Adult-Trilogie von Maya Hughes.

Der Anfang des Buches war direkt anders als erwartet. Wie sich herausstellte, behandelt jeder Band der Trilogie die Liebesgeschichte zwischen Dare und Bay, nur zu unterschiedlichen Zeiten in ihrem Leben. Im ersten Teil erfahren wir nur die Kennenlerngeschichte der Protagonisten.

Dare liest sich wie ein Klischee auf zwei Beinen. Oder eher wie ein gewaltiger Oberkörper ohne Beine. Bays Verliebtheit konnte ich erst zu Ende ein winziges bisschen nachvollziehen, als Dare die, für High School-Filme typische, große Geste abzieht. Diese ist zwar sehr kitschig, aber auch echt süß. Dare hat es zuhause sehr schwer und das wirkt sich auch auf alle anderen Bereiche seines Lebens aus. Dies wurde von der Autorin Maya Hughes authentisch umgesetzt.

Ich mochte Bay und ihre kratzbürstige Art gerne. Ganz dem Teenager-Klischee entsprechend, verhält sie sich ziemlich ambivalent und weiß nicht, was sie eigentlich will. Auch ihr Leben ist nicht einfach, aber sie versucht, das Beste daraus zu machen. Allem voran köstlich klingende Zimt-Cookies, über deren Rezept ich mich wirklich gefreut hätte:)

Für zukünftige High School-Absolventen haben Dare und Bay scheinbar ziemlich viel Zeit und zusätzlich unfassbar viele Hobbies, in denen sie natürlich richtig gut sind. Bei Dare kann Autos reparieren, Football spielen und zeichnen. Und Bay sogar noch mehr: sie ist eine gute Schülerin, ein Musik-Talent in allen Hinsichten, in der Theater-AG und scheinbar noch eine göttliche Köchin. UND sie führt ein geheimes Doppellleben, kriegt daher viel zu wenig Schlaf und sieht trotzdem wunderschön aus.
Zusätzlich verbringen die beiden natürlich unglaublich viel Zeit miteinander. Und im Vergleich zu der ganzen Zweisamkeit, kommen die anderen Charaktere etwas zu kurz. Knox ist ein richtig guter Freund für Dare, aber das wird dem Leser erst gegen Ende hin vor Augen geführt. Piper wirkt wie ein Mittel zum Zweck um den beiden einen kleinen Schubs zu geben, aber nicht wie eine echte beste Freundin. Und Konfrontationen zwischen Bay und ihrer Mutter waren mir zu wenig emotional und wurden gefühlt einfach abgefertigt.

Das Kleinstadt-Setting jedoch ist wirklich gut eingefangen, noch nie fand ich es beim Lesen so realistisch. In anderen (Liebes-)Romanen werden Kleinstädte oft romantisiert. Es gibt immer wieder kleine Alltags-Situationen, in denen ich mich wiedergefunden habe. Zum Beispiel verbrenne ich mir wirklich jedes Mal die Zunge, wenn ich einen Kakao trinke:)

Der Schreibstil ist war zu Anfang etwas eigenwillig. Oft musste ich Sätze zweimal lesen, um den Kontext richtig zu verstehen. Manchmal wurden Aussagen unnötig oft und kurz hintereinander wiederholt. Mit der Zeit habe ich mich jedoch daran gewöhnt und ab da ließ sich dann lesen wie nichts. Bedauerlicherweise hatte nie so richtig das Bedürfnis, zu wissen, wie es ausgeht.

Es gibt keine Wendungen, die Geschichte wird also sehr linear erzählt, wie es für eine Vorgeschichte typisch ist. Um es spannender zu machen, greift Maya Hughes auf eine Menge zwischenmenschliches Drama zurück. Ungefähr ab der Hälfte kam es mir dann vor, als hätte ich was verpasst. Ich konnte nicht nachvollziehen, wieso Bay Dare von einem auf den anderen Moment so unwiderstehlich fand.

Im Hinblick auf die anderen Teile der Trilogie ist das Finale solide und verständlich umgesetzt. Durch die Aufteilung der Bücher gibt es kein vorzeitiges Happy End, stattdessen gelungenes foreshadowing auf den zweiten Band.

Ich war zwischendurch nicht sonderlich begeistert von diesem Buch und „The moment I fell for you“ ist immer noch kein Highlight, aber dank ihres konsequenten Endes konnte die Autorin einige Pluspunkte sammeln. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, die Reihe weiterzuverfolgen...

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Veröffentlicht am 04.11.2022

Lost and Found

Wendy & Peter. Verloren im Nimmerwald
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Fünf Jahre ist es her, dass Wendy Darling allein im Wald gefunden wurde. Verdreckt, verängstigt und ohne Erinnerung an die letzten Monate. Ihre Brüder John und Michael bleiben verschwunden. An Wendys 18. ...

Fünf Jahre ist es her, dass Wendy Darling allein im Wald gefunden wurde. Verdreckt, verängstigt und ohne Erinnerung an die letzten Monate. Ihre Brüder John und Michael bleiben verschwunden. An Wendys 18. Geburtstag scheint das Unglück sich zu wiederholen, als nach und nach erneut Kinder spurlos verschwinden und Wendy auf einen Jungen trifft, der ihr unheimlich bekannt vorkommt. Bis auf eine Kleinigkeit - denn er ist kurz davor, erwachsen zu werden...

„Wendy & Peter - Verloren im Nimmerwald“ ist ein Jugendbuch von Aiden Thomas.

Diese Neuerzählung des Kinderbuchklassikers „Peter Pan“ ist wirklich gut gelungen. Um sich vom Original abzugrenzen gibt es ein paar interessante Twists. Es spielt nach den Ereignissen des Originals und spinnt die Geschichten mit leichten Veränderungen weiter. Wir befinden uns jedoch nicht im London des 19. Jahrhunderts, sondern in der Gegenwart, in einem kleinen amerikanischen Dorf am Waldrand.

Wendy hat in ihrem jungen Leben bereits viel gesehen, auch wenn sie sich zunächst nicht daran erinnert. Sie hat ein traumatisches Erlebnis hinter sich und handelt dementsprechend. Ich habe sie mir optisch immer wie Molly Ringwald in Breakfast Club vorgestellt:)

Eine ganz besonders wichtige und gelungene Rolle nehmen Wendys Eltern, Mr und Mrs Darling, ein. Zunächst finde ich es stilistisch gut umgesetzt, dass man die beiden weiterhin nur unter diesem Namen kennt, obwohl durchgehend aus Wendys Perspektive geschrieben wird. Außerdem schafft Aiden Thomas es, das Trauma von Eltern, die zwei ihrer Kinder verloren haben, unfassbar realistisch darzustellen. Es wird nichts beschönigt, die beiden sind innerlich kaputt und nicht mehr die Vorzeige-Eltern, die sie vielleicht einmal waren.

Beim Bösewicht handelt es sich erfrischenderweise nicht um Kapitän Hook, sondern um einen allseits bekannten, an den Fersen leicht zerrissenen Schatten...

Der Schreibstil ist nicht allzu anspruchsvoll und lässt sich daher auch gut noch abends lesen, vorausgesetzt, man verkraftet die leichte Gruselstimmung.

Dieses Buch habe genüsslich über einen langen Zeitraum konsumiert, ich habe aber nie den Überblick darüber verloren, was zuletzt passiert ist. Seit langem wollte ich nicht mehr so dringend wissen, wie eine Geschichte weitergeht. Das liegt an den vielen offenen Fragen, auf die man als Leser endlich eine Antwort bekommen möchte.

Ich hatte einige Theorien für das Finale, aber keine davon kam auch nur ansatzweise an die schlussendliche Offenbarung heran. Nur einen winzigen Aspekt davon habe ich kommen sehen, der Rest konnte mich vollkommen verblüffen. Es handelt sich um eine Auflösung ganz nach meinem Geschmack - unvorhersehbar, ungeschönt und komplex. Außerdem werden heilsame Aussagen in Bezug zu Schuld und Gnade getroffen.

Immer wieder konnten mich Abschnitte zum Schmunzeln bringen, darunter die allseits bekannte Debatte über die Relevanz von Vanilleeis oder auch eine Anspielung auf meinen liebsten Weihnachtsfilm (den Wendy jedoch aus unerfindlichen Gründen nicht leiden kann). Es gibt immer wieder kleine Eastereggs in Form von Anspielungen auf das Original, die Kennern viel Spaß bereiten.

„Wendy & Peter - Verloren im Nimmerwald“ lohnt sich nicht nur für Fans von „Peter Pan“ und ist die perfekte Lektüre für die Halloween-Zeit 🎃

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Veröffentlicht am 21.10.2022

Gaia, Mutter Erde

Das Gesetz der Natur
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Vor Jahrhunderten fiel die Erde einem Atomkrieg zum Opfer. Die alte Welt existiert nicht mehr, einzig Das Gesetz der Natur sorgt für Recht und Ordnung unter den Menschen der neuen Welt. Laut diesem Gesetz ...

Vor Jahrhunderten fiel die Erde einem Atomkrieg zum Opfer. Die alte Welt existiert nicht mehr, einzig Das Gesetz der Natur sorgt für Recht und Ordnung unter den Menschen der neuen Welt. Laut diesem Gesetz sind Bücher, Feuerwaffen und Mutanten verboten und müssen vernichtet werden. Mutanten, wie Gaia eine ist. Sie lebt versteckt in der Wildnis, aufgezogen von zwei Männern, die sich Jäger und Lehrer nennen. Doch als ihr Versteck aufgespürt und sie in einer grausamen Welt plötzlich auf sich allein gestellt ist, bleibt ihr nur eine Sache übrig - Gaia muss die letzten Bücher der Erde finden...

„Das Gesetz der Natur“ ist der ersten Teil einer dystopischen Trilogie von Solomonica de Winter.

Ich brauchte sehr lange, um mir meiner Gefühle für dieses Buch klar zu werden. Es ist eine Erzählung, wie man sie am Lagerfeuer weitergibt, aber gleichzeitig auch ein (Fantasy-)Epos, in dem man die Protagonistin über eine große zeitliche und örtliche Distanz kennenlernt und begleitet.

Der Fantasy-Aspekt wirkt auf den ersten Blick wie eine Metapher und fügt sich daher nahtlos in die Szenerie ein. Jedoch ist dieser Anteil in der Geschichte minimal. Wer ein ausgeklügeltes Magie-System und übernatürliche Phänomene erwartet ist mit diesem Buch nicht richtig beraten.
Außerdem scheint dieses Buch nur der Prolog der Trilogie zu sein. Die angepriesene Mission nimmt nämlich nur einen kleinen Teil der Geschichte in Anspruch.

Gaia ist die stärkste Protagonistin, von der ich jemals gelesen habe. Diese Stärke macht sie jedoch für Buchcharaktere und Leser gleichermaßen unnahbar. Durch ihre „Mutation“, bei der es sich um Merkmale einer Verstrahlung handelt, wird ein eigentlich normales Mädchen von der Außenwelt zum Monster gehalten. Aber durch diese Annahme, beginnt Gaia diese Rolle Stück für Stück anzunehmen.

Ihre Mentoren sind spannende Charaktere, Einer von beiden ist ein abgrundtief guter Mensch, der andere das Böse in Person. Sie verkörpern dieses Bild konsequent und mithilfe dieser Personifikation trifft die Autorin intelligente Aussagen über diese Art von Dualität.
Trotz einer großen Menge an Nebencharakteren bringt man diese nicht durcheinander. Jeder von ihnen wird ausführlich vorgestellt und damit ein unverwechselbarer Charakter verliehen.



Die Autorin durchbricht hin und wieder die vierte Wand. Dadurch gibt es jedoch keine überraschenden Wendungen, denn der Erzähler nimmt den Ausgang spannender Situationen meistens vorweg.


Der Schreibstil poetisch und klangvoll, aber so distanziert, dass ich mich sehr weit von der Handlung entfernt gefühlt habe.
Das mangelnde Einbeziehen der Leser sorgt für eine massive Entzerrung der Geschichte. Eingezeichnet passiert konstant unglaublich viel und das unglaublich rasant. Oft passieren Sachen innerhalb von Stunden, aber trotzdem fühlt es sich an wie Monate. Andererseits begleitet man die Charaktere dadurch über eine lange Zeit und lernt sie daher kennen und kann sie wirklich nachvollziehen.

Außerdem gibt es immer wieder Einschübe, welche die neuen Gesetze beinhalten und kurze Abschnitte, die die Handlung in Form von Gedichte deutlich voranbringen.

Natürliche menschliche Körperprozesse werden unbeschönigt dargestellt. Egal ob Verletzungen, die Auswirkungen von Strahlung oder Geburt und Menstruation.

Diese Dystopie ist konsequent durchdacht, gut recherchiert und ausgearbeitet. Es handelt sich um ein Szenario, dass ich mir exakt so in der Zukunft vorstellen kann. Was passiert, wenn die Menschheit einen Neuanfang bekommt? Können die Menschen ihrer Natur entkommen? Oder werden dieselben Prozesse in Gang gesetzt, welche die Erde schon einmal an den Rand des Untergangs gebracht haben? Auf all diese Fragen gibt Solomonica de Winter in ihrem Buch eine mögliche Antwort.

Bleibt nur noch eine Frage: Was möchte dieses Buch aussagen? Ich habe viele Theorien und so richtig weiß ich es immer noch nicht.
Zuerst hielt ich es für einen Vorwurf an die Verdorbenheit der menschlichen Rasse. Doch das steht in starken Gegensatz zur Lobpreisung an das Leben und die Weiblichkeit. Die Autorin dokumentiert, wie die sorgfältig gehüteten Gesetze, die so lange das Überleben der Menschen gesichert haben, Stück für Stück zerfallen. Trotzdem kann man nicht von einer Verbesserung oder Verschlechterung der Lage reden, denn auch mit den Gesetzen war das Leid allgegenwärtig. Es ist also eine Trilogie über den Kreislauf des Lebens, dem die Menschheit niemals entgehen kann, unabhängig von Zeit und Raum.

Nichtsdestotrotz konnte das Buch mich nicht richtig packen und zum weiterlesen der Trilogie animieren. Wenn ich mich ans Lesen gesetzt habe, flogen die Wörter nur so vorbei, trotz des Umfangs von beinahe 600 Seiten. Aber die Handlung konnte mich zu keinem Zeitpunkt fesseln, Gaia selbst konnte mir nie mehr als müdes Verständnis entlocken und selbst actiongeladene Szenen wirkten, wie bereits geschehen.

Dieses Buch kann für sich alleine stehen. Obwohl ich die Trilogie nicht weiterverfolgen werde, bin ich gespannt, was sich Solomonica de Winter für die nächsten Teile überlegt hat. Zumindest dem Klappentext werde ich also eine Chance geben.

Bei „Das Gesetz der Natur“ handelt es sich um ein besonderes und durchaus gelungenes Buch in vielen Hinsichten. Nur meinen persönlichen Geschmack konnte es eben einfach nicht treffen. Ich lege den Roman Fans von Dystopien ans Herz, die kein Problem damit haben, über die Abgründe der Menschheit zu lesen.

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