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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.09.2019

Psychologischer gut ausgetüftelter Thriller

STILL ALIVE - Sie weiß, wo sie dich findet
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--- Kurzinhalt ---
Nachdem Libby eine Fehlgeburt hatte, geht sie kurzerhand mit ihrem Mann Jamie auf ein verlockendes Angebot ein: ein anderes Ehepaar hatte ihnen einen Zettel im Briefkasten hinterlassen ...

--- Kurzinhalt ---


Nachdem Libby eine Fehlgeburt hatte, geht sie kurzerhand mit ihrem Mann Jamie auf ein verlockendes Angebot ein: ein anderes Ehepaar hatte ihnen einen Zettel im Briefkasten hinterlassen und um einen Häusertausch gebeten, damit sie nahe bei ihrer schwerstkranken im Krankenhaus liegenden Tochter sein könnten. Im Haus in Cornwall passieren jedoch seltsame Dinge. Zunehmend denkt Libby sie sei schon paranoid, doch was sie nicht ahnt ist, dass die mysteriösen Geschehnisse mit ihrer Vergangenheit zu tun haben.

--- Meine Meinung ---


Von Anfang an passieren eigenartige Dinge, die dafür sorgen, dass man das Buch ganz aufmerksam liest und man gespannt ist, was das alles nur zu bedeuten hat. Es werden kleine Hinweise gegeben, die sich zu einem Puzzlestück zusammenstückeln – Seite für Seite. Die Stimmung ist mysteriös und es stellen sich so viele Fragen.

Ich finde es klasse, dass das Buch ohne gewalttägige Folter-, Mord-, und Totschlagszenen auskommt, wie man es bei so vielen anderen Thrillern der Falls ist. Es setzt eher auf die Psyche, spielt mit dem Leser und dann hat es auch noch eine unerwartete Wende. Selbst als alles aufgeklärt zu sein scheint, setzt die Autorin einen Schluss, den ich persönlich sehr genial fand. Es zeigt, dass die Vergangenheit einen immer einholt und Lügen zu noch mehr Lügen führen.

Es gab in dem Thriller ein paar Stellen, die ich persönlich nicht so abgenommen habe und mir etwas unglaubwürdig erschienen – Reaktionen vor allen Dingen. Zudem fand ich die Familie von Jamie furchtbar schrecklich und die Tatsache, dass seine Ex noch eine viel zu große Rolle in seinem Leben spielt, ist meiner Meinung nach eigentlich nicht nötig gewesen. Aber das sind nur kleine Kritikpunkte.

Ansonsten hat mir persönlich das Buch sehr gut gefallen, es war genau die Art Thriller, die ich mag: psychologisch extrem gut ausgefuchst. Eine klare Leseempfehlung! Von mir gibt es 4.5 Sterne.

Veröffentlicht am 28.08.2019

Tiefe rührende Botschaft – ein sehr empfehlendes Buch

Someone New
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--- Kurzinhalt ---
Auf einer lahmen Veranstaltung ihrer Eltern, trifft Micah auf den Kellner Julian. Die beiden verstehen sich von Anhieb, doch dann wird Julian kurzerhand von Micahs Mutter gefeuert, weil ...

--- Kurzinhalt ---


Auf einer lahmen Veranstaltung ihrer Eltern, trifft Micah auf den Kellner Julian. Die beiden verstehen sich von Anhieb, doch dann wird Julian kurzerhand von Micahs Mutter gefeuert, weil diese denkt, dass die beiden miteinander rumgemacht haben. Zwei Monate später zieht Micah in ihre eigene Wohnung nahe ihrer Universität und Julian ist unerwartet Micahs Nachbar. Doch Julian ist nicht der, den er vorgibt zu sein – ein gewaltiges Geheimnis bringt ihn dazu, Micah vorerst auf Abstand zu halten.

--- Lesefluss ---


Das Buch liest sich sehr flüssig. Wir erleben die Ich-Perspektive von Micah, die sehr erfrischend ist. Ich konnte von Anfang an den Druck, unter dem sie steht, sehr gut nachvollziehen. Ihre Gefühle haben mich direkt erreicht.

--- Protagonisten ---


Micah ist die Tochter reicher Anwälte und steht unter besonderer gesellschaftlicher Beobachtung. Ihre Eltern erwarten von ihr, dass sie ebenfalls Jura studiert und das Kanzlei-Erbe eines Tages antritt. Sie hat sich einzufügen, soll in den konservativen Rahmen passen - was sie durch ihre Liebe zu Superhelden, Mangas, Comics und vor allem Graphic Novels allerdings nicht tut.

Julian ist ein Einzelgänger und wirkt in den ersten Begegnungen mit Micah sehr distanziert, gleichgültig, auch ein bisschen herablassend. Er ist 24 und studiert im ersten Semester Architektur. Er hat unglaublich viele Narben und ein dunkles Geheimnis, weshalb sein Charakter am Anfang sehr verschlossen wirkt.

--- Was mir sehr gefallen hat ---


Micah hat eine unglaublich tolle Art. Wenn ich ihr während meines Studiums begegnet wäre, hätte ich sofort mit ihr Freundschaft geschlossen. Mir hat ihr frecher Charakter von Anfang an gefallen, wie sie verbal Grenzen überschreitet und sich immer wieder gegen ihre starren Eltern (humorvoll) auflehnt. Manches Mal machte ich selbst große Augen bei dem was sie so von sich gab. Gleichzeitig liebt sie aber ihre Eltern und das fand ich bewunderswert – andere Teenager an ihrer Stelle hätten ihre Eltern vermutlich gehasst.

Laura Kneidl versteht es, die Neugierde aufrecht zu erhalten. Das ganze Buch über war ich extrem gespannt darauf, was denn nun das besagte Geheimnis um Julian wäre. Ich habe mir wirklich allerhand ausgemalt und dennoch wurde ich dann, als es aufgelöst wurde, sehr überrascht! Das fand ich extrem genial – denn als ich so drüber nachdachte, gab es eigentlich unzählige kleine versteckte Hinweise. Selbst der Titel ist nicht willkürlich. Das ist für mich Talent. Die Botschaft, die dann hinter diesem Geheimnis stand, war für mich sehr berührend. Ganz großes Lob!

--- Was mir weniger gefallen hat ---


Das Buch zog sich sehr hin. Viele Gedankengänge seitens Micah wiederholten sich mehrere Male und obwohl das natürlich menschlich ist, hätte ich das in einem Roman nicht unbedingt gebraucht.

Als das Geheimnis dann (endlich!) gelüftet wurde, ging mir anschließend alles ein bisschen zu schnell, paradoxerweise. Micahs Auseinandersetzung damit war dann extrem harmonisch und verständnisvoll. Das fand ich zwar bewunderswert, aber leicht unrealistisch – zumindest ein kurzer Schock hätte mir persönlich gut getan. Ihre Reaktionen waren so voller Liebe, was natürlich auch die wichtige Botschaft dieses Buches war, aber dennoch nahm ich das nicht ab – es ging mir einfach zu schnell. Ich glaube die realistischere Auseinandersetzung damit hätte mehr Zeit gebraucht. Liebe und Verständnis sind natürlich wichtige Schlüssel dafür, worauf Laura Kneidl auch sehr gut aufmerksam gemacht hat, aber Zeit wäre noch der realistischere (dritte) Schlüssel dazu gewesen.

--- Mein Fazit ---


Das Buch wird vermutlich aus ewig in meinem Herzen bleiben, weil ich die Thematik dann zum Schluss doch sehr berührend und wichtig fand. Einzig und allein die Langatmigkeit der ersten 400 Seiten und dann die schnelle Akzeptanz (die zwar auf der einen Seite meinen Respekt verdient, aber irgendwie auch unrealistisch war) haben mich etwas gestört. Alles in allem aber ein ganz wunderbares Buch, das die Aufmerksamkeit, die es bekommen hat, verdient.

Veröffentlicht am 19.08.2019

Verlorenes Potenzial durch trockene Erzählweise

Die Welt in allen Farben
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--- Kurzinhalt ---
Nova kann von Geburt an nicht sehen. Eines Tages macht sie eine Augenoperation, nach der sie anschließend sehen kann. Doch in dieser Welt, wo das Sehsinn überdimensional mächtig ist, ...

--- Kurzinhalt ---


Nova kann von Geburt an nicht sehen. Eines Tages macht sie eine Augenoperation, nach der sie anschließend sehen kann. Doch in dieser Welt, wo das Sehsinn überdimensional mächtig ist, kommt sie monatelang nicht zurecht.

Irgendwann lernt sie Kate kennen, die gleich zu Beginn des Buches einen Sturz hat, der eine Gehirnblutung zur Folge hat. Seither gerät sie ständig in Panik, wird ohnmächtig. Die beiden Frauen freunden sich an und es entsteht zwischen ihnen eine Liebesbeziehung. Doch das Schicksal stellt den Frauen so einige Stolpersteine in Weg.

--- Lesefluss ---


Das Buch startete in der Zeitform Präsenz. Der nächste Satz beschreibt die Zukunft. Kurz danach wurde aber zurückgeschwenkt ins Präteritum, weil kurz etwas aufgegriffen wurde, was zuvor passiert war. Dann gelangte man wieder ins Präsenz, dann wieder ins Präteritum... ehrlich gesagt bin ich bei so vielen Zeitsprüngen leider gleich zu Beginn des Romans ein bisschen ins Stocken gekommen. Diese Zeitsprünge gab es im Buch dann noch ein paar weitere (wenige) Male: die ganze Zeit wird in Präsenz geschrieben und dann schwenkte der Autor zurück zu etwas, was vor nur fünf Minuten geschehen war (aber völlig belanglos ist). Wenn schon Rückblenden, dann doch welche, die weiter zurückgehen, und etwas Interessantes aufdecken. Ich fand diese Zeitsprünge völlig fehl am Platz.

Dadurch, dass der Erzähler allwissend ist und ab und zu einen kleinen Einblick in die Zukunft gibt, kamen natürlich auch Fragen auf und Neugierde wurde geweckt. Ebenso interessant war, dass neben Nova eine Frau namens Kate eine wichtige Rolle zu spielen schien. Immer wieder wurde zwischendurch zu ihrer Geschichte gewechselt und ich fragte mich als Leser, auf welchem schicksalhaften Weg sich Nova und Kate begegnen würden.

--- Zwei Frauen – zwei schwierige Päckchen ---


Nova ist von Geburt an blind, dafür aber sehr eigensinnig, intelligent und kann wahnsinnig gut mit Worten. Sie ist 32 und hat in Oxford studiert (ich war fasziniert davon, wie das vonstatten ging, aber es wurde nicht näher drauf eingegangen). Seither ist sie Dolmetscherin und ihre Welt spiegelt sich größtenteils im Klang der Worte, der Musik und der Geräusche ihrer Umgebung ab. Ich habe sie vom ersten Augenblick gemocht, denn sie hat natürlich eine ganz andere „Sichtweise“ auf die Welt. Doch im Laufe des Buches habe ich immer mehr den Bezug zu ihre verloren.

Daneben gestellt haben wir Kate, eine Architektin, die verheiratet ist, und sich mit ihrem Mann nicht mehr wirklich versteht. Sie macht sich selbst etwas vor, bewegt sich in einem gefährlichen Trott und scheint keinerlei Empfinden dafür zu haben, dass das so eigentlich nicht gut ist. Ihr Mann fängt dann irgendwann auch an sie zu schlagen, aber Kate scheint auch schon sehr abgestumpft zu sein. Zu ihr hatte ich lange keinen Bezug, ich konnte nicht richtig etwas mit ihr anfangen. Sie war so unnahbar, nicht greifbar, irgendwie nur eine Hülle.

--- Was hatte großes Potenzial ---


Von Anfang an weckte der Autor eine Neugierde. Er gab so mancherlei Fragen, die sich auftaten und lange unbeantwortet blieben. Der Autor ließ den Leser eine Weile im Dunkeln tappen, sodass ich richtig zum Weiterlesen animiert wurde, weil ich wissen wollte, was da los ist. (Hielt sich nur bis zu einem gewissen Grad - aber bis dahin war es super.)

Als Nova dann sehen konnte, habe ich gestaunt, wie philosophisch sie mit ihren Sehregeln an die Betrachtung der Welt herangegangen ist. Ich fand diese Sehregeln durchaus interessant und ich habe richtig gespürt, dass es nicht selbstverständlich ist, die Welt zu sehen, wie wir sehen. Dass zu begreifen ist eigentlich eine Meisterleistung, wofür jeder einzelne Mensch von uns dankbar sein kann.

Es wurden weiterhin sensible Themen wie etwa häusliche Gewalt und Homosexualität behandelt. Zwei Frauen, die jeder ihr Päckchen tragen und zusammen stark sein können. Das war an sich ein wunderschöner Gedanke, auch wenn mich die Umsetzung leider nicht überzeugen konnte.

Hin und wieder wurde mit dem Schriftsatz etwas Schönes gestaltet: so taucht am Anfang des Kapitels Neun ein Stern auf, was amüsant war.

--- Warum das Potenzial nicht ausgenutzt wurde ---


Die Protagonistinnen sind ja zwei Frauen und der Autor ist ein Mann – und das habe ich stellenweise gespürt. Denn zum Teil wurden die Emotionen, Empfindungen und Ängste der Protagonistinnen sehr trocken, fast schon wissenschaftlich beschrieben, sodass sie nicht wirklich in mein Herz trafen. Zudem habe ich vielerlei Verhalten und Reaktionen der Frauen oft nicht verstanden, was sie für mich unnahbar gemacht hat.

Auch die Begegnung der beiden Frauen hatte keinen Reiz. Es war wie eine Erzählung, eine Abhandlung, ohne Tiefgang und ohne Herz. Das fand ich sehr schade, denn die Geschichte an sich hatte so viel Potenzial.

Zudem gab es Vergleiche, die mit Sicherheit keine Frau ziehen würde, z.B. »Ein Sturmtrupp ist in ihrem Schädel gelandet.« Und dann wurden die Soldaten und Offiziere mit den Sinnen verglichen – ich kann mir beileibe nicht vorstellen, dass Frauen solche Vergleiche ziehen würden (ich würde es zumindest nicht tun), es sei denn, sie waren selbst bei der Armee. Es gab noch weitere, eher „männliche“ Vergleiche, wo ich einfach gespürt habe, dass es ein Mann ist, der da über Frauen schreibt.

Es gab ständig wahnsinnig große Zeitsprünge, die mich jedes Mal auf Neue überrumpelt haben. Gerade haben Kate und Nova sich kennengelernt, prompt springt der Autor mehrere Monate weiter. Gerade haben Kate und Nova sich geküsst, prompt sind wieder sechs Monate vergangen.

--- Mein Fazit ---


Ich hatte hohe Erwartungen an das Buch, da die Thematik wahnsinnig interessant klang. Ich hoffte, dass mich die Geschichte im Herzen berühren würde können und in mir pure Dankbarkeit für mein Augenlicht vermitteln könnte. Dem war leider nicht so, da ich mit der Trockenheit der beschriebenen Emotionen zu kämpfen hatte. Natürlich zeigt das Buch auf, dass die Welt nicht nur schwarz und weiß ist, sondern, dass es Gutes, wie Schlechtes gibt. Das hat der Autor auch geschafft zu vermitteln, aber der Stil hat mir leider nicht so sehr gefallen.

Veröffentlicht am 15.08.2019

Schwarzer Humor vom Feinsten!

Achtsam morden
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--- Kurzinhalt ---
Björn Diemel ist Strafverteidiger und deklariert sich selbst als sogenannter »Bäh«-Anwalt, denn sein Hauptmandant, Dragan, ist ein widerlicher Drogenboss, der zugleich mit Waffen und ...

--- Kurzinhalt ---


Björn Diemel ist Strafverteidiger und deklariert sich selbst als sogenannter »Bäh«-Anwalt, denn sein Hauptmandant, Dragan, ist ein widerlicher Drogenboss, der zugleich mit Waffen und Frauen handelt. Weil Björns Frau der Meinung ist, dass er allein an dem Zusammenbrechen der Ehe schuld sei, schickt sie ihn kurzerhand zu einem zwölfwöchigen Achtsamkeits-Seminar. Die Weisheiten, die er dort lernt, nimmt Björn dann allzu genau und setzt sie auf makabre Art und Weise bei Dragan ein: nachdem dieser gemordet hat und Björn bedroht, beschließt Björn Dragan einfach ebenfalls aus dem Weg zu schaffen. Damit haben sich für Björn die Pforten ins kriminelle Leben geöffnet.

--- Lesefluss ---


Wir erleben die Ich-Perspektive von Björn Diemel, der aus jetziger Sicht (wo er bereits den Mord begangen hat) erzählt, wie alles angefangen hat. Das Buch liest sich wahnsinnig flüssig und überall hüpft ein Schalk hervor und treibt seine Späße. Der schwarze Humor ist unverwechselbar – man darf das Buch bloß nicht zu ernst nehmen, es ist allen voran Unterhaltungslektüre.

Die Kapitel sind kurz und knackig und vor jedem Kapitel gibt es ein Leckerbissen in Form eines Zitates aus dem Weisheiten-Repertoire des Achtsamkeits-Coachs. Diese, muss ich sagen, sind in der Tat gar nicht mal so schlecht. Nun gut, ich mache auch Yoga und fühle mich von so einem Kram in der Regel eh sehr angesprochen. Wie Björn diese Achtsamkeitsregeln dann für sich umsetzt, ist ein Beweis dafür, dass jeder Mensch sich seine eigene Wahrheit so zurechtdreht, dass es mit seinem eigenen Gewissen vereinbar ist.

--- Der Mörder als Protagonist ---


Björn Diemel, 42, ist erfolgreicher Strafverteidiger. Er sorgt dafür, so berichtet er selbst, dass »Arschlöcher nicht den Ärger bekommen, der angebracht wäre.« Er ist wahnsinnig gut in seinem Job, hasst ihn aber gleichermaßen, was sich darin äußert, dass er Nackenschmerzen und Magenprobleme hat und völlig gestresst ist. Zudem ist er Vater und Ehemann. Diesem Mann würde man im echten Leben niemals begegnen wollen: er ist egozentrisch, unsympathisch, skrupellos und ohne Gewissen. Er sagt selbst: »Als Strafverteidiger ist man nicht der Wahrheit verpflichtet, sondern man muss nur Zweifel säen.« Wenn man das so liest, bekommt man natürlich einen sehr schlechten Eindruck von Anwälten überhaupt – aber ich vermute, dass Karsten Dusse absichtlich diese Aussagen streut, um Kritik an dem Rechtssystem zu nehmen. Zurück zu Björn: Einzig seine kleine fast 3-jährige Tochter scheint ihm etwas zu bedeuten. Und obwohl dieser Mann fast schon ekelhaft ist, fand ich es trotzdem interessant, dass ich als Leser die Story in der Ich-Perspektive von Björn genossen habe.

--- Was macht das Buch besonders ---


Die Weisheiten der Achtsamkeit, die sich eigentlich positiv auf das Leben auswirken sollen, werden hier in Verbindung gesetzt mit mörderischer Kriminalität. Das macht das ganze natürlich unglaublich interessant und lustig.

--- Was mir sehr gefallen hat ---


Der schwarze Humor war einmalig. Das Buch ist völlig überspitzt, unrealistisch, makaber, voll von Weisheiten, verdreht und hat einen mega unsympathischen Protagonisten. Im Normalfall wäre ich ggf. von derlei Dingen, insbesondere einem ekelhaften Protagonisten, abgeschreckt, aber zu dieser Satire passt es wie Faust aufs Auge.

Karsten Dusse hat einen sehr gelungenen Schreibstil, der zu der absurden Geschichte perfekt abgestimmt ist. Ich musste das ein oder andere Mal richtig lachen. Natürlich gab es hier und da mal ein paar Rechtschreibfehler, aber über die konnte ich hinwegsehen.

--- Meine (kleinen) Kritikpunkte ---


Die Personen, die mit Dragan (dem Mafioso) dubiose Geschäfte abwickeln, wurden ausgiebig benannt und erklärt. Zum Anfang hatte ich da ein paar Probleme, da ich diese Personen nicht kennengelernt habe. Es war dadurch sehr trocken und ich sah nicht wirklich durch, wer welche Stellung hat, warum wer angepisst von wem war und wer wen umlegen wollte. Aber irgendwann hatte auch ich den Durchblick, aber halt erst sehr spät im Buch.

- Achtung Spoiler –
Das Ende des Buches war, genauso wie der Anfang, sehr abstrus. Dass Björn mit all diesen Tötungsdelikten durchgekommen ist und selbst der einst so clevere Polizist (Nebendarsteller) irgendwie völlig naiv und ignorant über wichtige Tatbeweise hinweggesehen hat, war für mich doch etwas merkwürdig.

--- Mein Fazit ---


Der Roman ist fernab von Realität, völlig überzogen und überspitzt, aber genau darin findet sich auch sein Reiz: denn auf diese Art versucht Karsten Dusse Kritik am Rechtssystem zu äußern (zumindest interpretiere ich das so). Wer schwarzen Humor liebt, wird mit diesem Roman wunderbare, herzlich vergnügte Stunden verbringen. Eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 11.08.2019

Altertümliche Sprache, Kampfszenen ohne Ende und ein nicht ausgeschöpftes Potenzial

Nicholei
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Hinweis: Mögliche Spoiler vorhanden.

--- Kurzinhalt ---
Margaretha, die Frau des Grafen, wird zu Beginn von Fürst Kellwin angegriffen – ein widerlicher Herr, der nicht damit klarkommt, dass Margaretha ...

Hinweis: Mögliche Spoiler vorhanden.

--- Kurzinhalt ---


Margaretha, die Frau des Grafen, wird zu Beginn von Fürst Kellwin angegriffen – ein widerlicher Herr, der nicht damit klarkommt, dass Margaretha den Graf statt ihn zum Gemahl gewählt hat. Dann erfährt der Graf von seinem Handelsmann, dass einige seiner Transporte vernichtet wurden, wodurch einige verbündete Fürsten aus dem Abkommen drohen auszutreten. Daraufhin begibt sich der Graf auf Reise, um die jeweiligen Fürsten abzuklappern und umzustimmen.
Derweil bleibt die Gräfin allein auf dem Gut zurück, mit einem Kind unter ihrem Herzen, wovon der Graf nicht in Kenntnis gesetzt ist. Kurze Zeit später wird der Graf das Opfer einer bösen Intrige – er wird mit Vampirblut vergiftet und wandelt sich fortan zu einem Nachtwesen.

--- Lesefluss ---


Die Sprache ist sehr altertümlich, mystisch und absolut der düsteren Atmosphäre entsprechend. Ich stand mit dem Sprachstil etwas im Zwiespalt: Einerseits brachte er mich öfters zum Stocken. Hin und wieder musste ich Sätze auch mehrmals lesen, um sie in ihrer Gänze zu erfassen. Meine Konzentration litt darunter etwas. Ebenfalls hatte ich das Gefühl, als würden manche Ausdrucksweisen keinen Sinn ergeben. Andererseits bin ich dennoch auch beeindruckt, wie man so, beinahe schon poetisch schreiben kann – auch wenn ich jetzt nicht der große Fan davon war.

Manchmal wurde auch sehr in Rätseln gesprochen, was mich zunächst stark verwirrt hat. Aber ich hatte die Hoffnung, dass das so gewollt ist und es sich im Laufe der Zeit auflösen wird – tat es für mich leider nicht.

Es gibt keine Kapitel. Es ist eine durchgehende Erzählung und es wird in die jeweiligen Perspektiven des Akteurs gewechselt. Dialoge sind selten, dafür werden das Innenleben, die Szenen und Hintergrunde besonders beleuchtet.

--- Die Nachtwesen, Hüter und Jäger ---


Die Vampire haben hier andere Bezeichnungen erhalten, was sehr zu der Stimmung und zu dem Ton des Buches passte: Nachtwesen. Die Nachtwesen scheinen überhaupt nicht böse zu sein, stattdessen wollen sie eher eine Verwandlung verhindern, da sie wissen, was demjenigen dann bevorsteht. Doch als der Graf verwandelt wird, stehen sie ihm in seiner Wandlung zur Seite – loyal, freundschaftlich, respektvoll.

Zudem gibt es die Hüter, die dafür Sorge tragen, dass ihre Art geschützt wird. Der Hüterorden toleriert es zudem nicht, dass Wandelnde in eine Raserei verfallen und unschuldige Menschen töten. Für mich hörte sich das sehr positiv an. Im Laufe der Geschichte hatte ich das Gefühl als wären die Nachtwesen, wie früher im „wahren Leben“ die Hexen, zu unrecht Opfer der Gesellschaft bzw. der Kirche.

Es sind eher die Jäger, die in diesem Buch die Rolle der Bösen erhalten haben. Die Waffen der Menschen werden für die Nachtwesen immer gefährlicher, gar tödlich. Die Nachtwesen haben sogar Angst davor, von den Menschen wie die Hexen verbrannt zu werden, sollte herauskommen, dass sie existent sind.

--- Das Besondere an diesem Buch ---


Der mystische Sprachstil ist sehr außergewöhnlich, da er, wie bereits erwähnt sehr altertümlich ist. Das hebt sich natürlich von anderen Büchern extrem ab – aber man muss sich dessen bewusst sein. Wer so etwas sehr gut findet, ist diesem Buch ggf. angetan, wer damit allerdings seine Schwierigkeiten hat, so wie ich, dem wird das Lesen nicht so viel Freude bereiten, weil man doch an sehr vielen Stellen hängenbleibt.

--- Meine Kritikpunkte ---


Ich musste viele Sätze oder Szenen doppelt lesen, um sie zu erfassen, und selbst dann ist es mir manchmal nicht gelungen. Ein Grund ist zum Beispiel, dass in mancherlei Dialogen mir nicht ganz klar war, wer da jetzt spricht. Es wurden oft Synonyme gefunden, anstatt klar und deutlich einen Namen zu nennen. Das sollte sicher geheimnisvoll wirken, aber bei mir löste es leider Verwirrung aus. Beispiel: innerhalb eines Dialogs wird »Stimme«, »Älterer«, »Gastgeber«, »er« für ein und die gleiche Person benutzt, der Name wird nicht genannt. Der andere wird als »Gast«, »der andere«, »er«, »Besucher« bezeichnet, auch hier wird der Name nicht genannt. Ich war verwirrt (doch nicht im neugierigen Sinne), wer nun spricht.

Die Wandlung des Grafen versprach eigentlich großes Potenzial, doch die Umsetzung dessen war mir dann zu oberflächlich, beiläufig, nebensächlich. Der Graf hatte für meinen Geschmack zu schnell verstanden, was mit ihm los war und zu schnell sich auch unter Kontrolle – und das immer und immer wieder, denn sein Blutrausch war irgendwie eine Endlosschleife. Was mich aber noch mehr gestört hat, war die Tatsache, dass es nur nebensächlich um Nicholei ging und es hauptsächlich eigentlich um kirchliche / politische Machtkämpfe ging. Die ersten Seiten des Buches haben wirklich spannend begonnen und dann wurde es von mal zu mal langwieriger.

Es gab unendliche viele Kampfszenen und die letzten dreißig Prozent des Buches bestanden gefühlt nur noch aus Kampf. Ich musste es dann irgendwann querlesen, denn mir war es schlichtweg zu viel. Zudem wurden manchmal neue Wesen eingeführt und schon wurden diese in einen Kampf verwickelt – für mich hatte das keinerlei Reiz. Aber als Nicholei dann Fürst Kellwin gegenüber stan, tötete er ihn mit Leichtigkeit – ebenso den Verräter aus seinen eigenen Reihen. Das war mir da dann zu einfach. Ich konnte auch den Verrat nicht nachvollziehen, habe keinerlei „Aha-Effekt“ gehabt – oder so etwas wie versteckte Hinweise, die dann alle einen Sinn ergaben. Nein, es war einfach nur trocken widergegeben.

Hintergründe zu einzelnen Figuren oder Wesen wurden trocken beleuchtet, das Lebendige fehlte dabei gänzlich – es war teilweise so, als würde ich unzählige Biografien lesen: nicht wirklich spannend.

Zudem gab es tatsächlich unzählige Rechtschreibfehler und Ausdrucksfehler, die das Lesen zusätzlich erschwerten.

Der Anfang des Buches hat noch einige Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung ich mir im Laufe des Buches wünschte. Doch ich wurde enttäuscht, sämtliche Fragen blieben in ihrer Aufklärung geheim.

--- Mein Fazit ---


Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen und deshalb aus Respekt vor der Autorin, die sich viel Mühe gemacht hat, zu Ende gelesen. Hätte ich es mir so gekauft, hätte ich irgendwann abgebrochen. Mir tut es im Herzen weh, dass ich nur 2 Sterne vergeben kann, aber für mich bestand das Buch nur aus Kampf, Kampf und nochmal Kampf. Der Anfang trug unglaubliches Potenzial mit sich, dass meiner Meinung dann durch eine fehlgeschlagene Richtung recht schnell verblasst ist.