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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.05.2025

Ein gewohnt unterhaltsamer Suter mit unvorhersehbaren Wendungen

Wut und Liebe
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Nicht der stärkste aller Romane von Martin Suter, aber doch außerordentlich amüsant, gut zu lesen und überraschend. Noah, ein eher erfolgloser Künstler lebt seit Jahren mit und von seiner Freundin Camilla, ...

Nicht der stärkste aller Romane von Martin Suter, aber doch außerordentlich amüsant, gut zu lesen und überraschend. Noah, ein eher erfolgloser Künstler lebt seit Jahren mit und von seiner Freundin Camilla, die beider Lebensunterhalt mit einem ungeliebten Brotjob bestreitet. Eines Tages kommt sie zu dem Schluss, dass sie zwar Noah liebt, aber nicht das Leben mit ihm und sie verlässt ihn. Noah verkraftet das nicht gut und entwickelt stalkerhafte Tendenzen. Eines Tages trifft er in einer Kneipe die Witwe Betty, die ihm ein sehr unmoralisches Angebot macht, zu sehr viel Geld zu kommen. Und er zieht relativ schnell dieses Angebot in Erwägung. Betty trauert um ihre große Liebe, aber ihr Hauptantrieb ist die Wut.
Suters Protagonisten sind mit hintergründigem Humor gezeichnet, sie sind grau, nicht schwarz oder weiß, sind nicht unbedingt sympathisch und überraschen einen immer wieder. Am Anfang plätschert die Geschichte noch etwas vor sich hin, doch gegen Ende entwickelt sie wieder den für Suters Romane typischen Sog, nichts ist wie es scheint! Der elegante Schreibstil des Autors ist wie immer eine wahre Freude, und auch wenn hier manchmal etwas Tiefe fehlt, so ist dieser Roman doch kurzweilig, zum Nachdenken anregend und ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, also unbedingt lesenswert!

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Veröffentlicht am 24.04.2025

Ein wunderbarer historischr Krimi

Der Tote in der Crown Row
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Kronanwalt Sir Gabriel Ward ist ein etwas eigenbrötlerischer Junggeselle mit leicht autistischen Zügen, ein brillanter Rechtsgelehrter mit einem scharfen Verstand und ein Mann, der seine Gewohnheiten liebt. ...

Kronanwalt Sir Gabriel Ward ist ein etwas eigenbrötlerischer Junggeselle mit leicht autistischen Zügen, ein brillanter Rechtsgelehrter mit einem scharfen Verstand und ein Mann, der seine Gewohnheiten liebt. Am wohlsten fühlt er sich in seiner Wohnung im Inner Temple - dem Londoner Bezirk der Anwälte und Richter - und mit seinen zahllosen Büchern.
Doch als er eines Morgens im Jahre 1901 die barfüßige Leiche des Lordoberrichters auf der Türschwelle seiner Kanzlei vorfindet, ist erst einmal Schluß mit dem geruhsamen Leben in den eingefahrenen Gleisen. Denn da im Temple-Bezirk die Polizei keine Befugnisse hat, wird Sir Gabriel dazu verdonnert, diesen Mord aufzuklären, wobei ihm ein Polizist, Constable Wright zur Seite gestellt wird. Man geht höheren Ortes davon aus, dass jemand von außerhalb diesen Mord begangen haben muss, denn von den im Temple ein- und ausgehenden Juristen, könne es ja niemand gewesen sein! In einem 2. Handlungsstrang geht es um einen Urheberrechtsstreit, darum, wer ein überaus erfolgreiches, erbaulich-moralisches Kinderbuch über eine Kirchenmaus verfasst hat.
Die Autorin - selbst eine Kronanwältin - schreibt sehr kenntnisreich und mit feinem britischen Humor über die Gepflogenheiten der juristischen Community. Ich bin schon im Temple gewesen, aber erst durch diesen unterhaltsamen historischen Krimi hat sich der Bezirk für mich mit Leben gefüllt. Ich fand die Geschichte sehr spannend, allerdings nicht im Sinne von Action, sondern eher in der Tradition von Ermittlern wie Hercule Poirot, Campion, Miss Marple, Lord Peter Wimsey etc.. Sir Gabriel muss gezwungenermaßen seinen Elfenbeinturm verlassen und entdeckt dadurch ganz und gar ungewohnte Eigenschaften und Fähigkeiten an sich selbst wie z.B. Empathie und Mitgefühl und auch Neugier und ein gewisses ermittlerisches Kribbeln. Ein typischer Cosy, sehr atmosphärisch, mit vielen Insider-Einblicken, gut gezeichneten Charakteren, Humor und Ironie, und einem sympathischen Ermittler samt Side-Kick. Für mich ein großes Lesevergnügen, dass ich uneingeschränkt empfehlen kann, speziell allen Liebhabern des traditionellen britischen Krimis. Ich hoffe sehr, dass ich Sir Gabriel noch öfter treffen werde!

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Veröffentlicht am 24.04.2025

Mystischer Mord in Neapel

Commissario Gaetano und der lügende Fisch
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Eigentlich ein tolles Setting: ein Mord an einem in Napoli lebenden Turiner am Tag der Heiligen Gennaro - und dann heißt der Tote auch noch Janus = Januarius = Gennaro!
Ein durchaus spannender Fall, dessen ...

Eigentlich ein tolles Setting: ein Mord an einem in Napoli lebenden Turiner am Tag der Heiligen Gennaro - und dann heißt der Tote auch noch Janus = Januarius = Gennaro!
Ein durchaus spannender Fall, dessen Aufklärung sich ziemlich in die Länge zieht, weil die Polizei unter Leitung von Commissario Gaetano lange die falschen Fährten verfolgt. Neapolitanisches Lokalkolorit finde ich gut, deshalb wollte ich diesen Krimi auch lesen, aber hier war mir die Napoli-Folklore irgendwann dann doch zu viel des Guten, alles so ein wenig verschwurbelt. Ich mag es auch, wenn das Privatleben des Kommissars eine Rolle spielt, aber auch das war mir hier too much.
Alles in allem eine interessante Geschichte mit sehr viel Lokalkolorit, der eine Straffung und Kürzung meines Erachtens sehr gut getan hätte. Ich fand den Krimi nicht schlecht, habe ihn ja auch zu Ende gelesen, aber ich konnte mit dem Kommissar nicht warm werden, ihn auch nicht immer verstehen und empfand die Lektüre teilweise als recht zäh. Schade!

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Veröffentlicht am 29.03.2025

Gewollt und nicht gekonnt

Die Kurve
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Mit diesem angeblichen Krimi konnte ich so gar nichts anfangen. Vielleicht auch besonders, weil ich vorher gerade mit Begeisterung SKIN CITY von Johannes Groschupf gelesen hatte. Der macht vor, wie es ...

Mit diesem angeblichen Krimi konnte ich so gar nichts anfangen. Vielleicht auch besonders, weil ich vorher gerade mit Begeisterung SKIN CITY von Johannes Groschupf gelesen hatte. Der macht vor, wie es richtig geht. Das Titelbild und die Leseprobe fand ich recht vielversprechend, die Dialoge erinnerten mich zunächst sogar an die Sprache von Groschupf. Irgendwie cool, lässig und schnoddrig. Doch das täuschte, die Dialoge wurden immer kryptischer, zwar flüssig zu lesen, aber irgendwie nichtssagend, geprägt von gewollter Coolness.
Carl, ehemals Sozialarbeiter und Leiter eines Jugendzentrums in Herne – der titelgebenden Kurve, einer umgewidmeten ehemaligen Tankstelle – hat irgendwann einen kriminellen Weg eingeschlagen: er leitet eine Agentur für kriminelle Dienstleistungen, seine Angestellten hat er aus dem Kreis seiner ehemaligen Schutzbefohlenen rekrutiert, die alle ihre besonderen Talente einbringen können. Abgesehen davon, dass alle Beteiligten moralisch eher „sehr elastisch“ sind, konnte ich in den vielen kurzen Kapiteln keine wirkliche Krimihandlung erkennen und konnte mir keinen Reim darauf machen, was der Autor uns damit sagen will. Es geht eigentlich mehr um die Geschichten der einzelnen Figuren aus Carls Dunstkreis, aber auch da werden nur zu wenige Informationen gegeben, um die Charaktere wirklich zu verstehen. Die Schreibweise ist zwar flott und gut und schnell lesbar, aber eine zusammenhängende Geschichte entsteht nicht aus den einzelnen Vignetten, auch wenn sie teilweise recht unterhaltsam sind.

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Veröffentlicht am 15.03.2025

Wieder ein "Berlin Noir" mit Sogwirkung

Skin City
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Wie immer bei den Berlin Noirs von Johann Groschupf (2 davon hatte ich schon gelesen), hat mich der Schreibstil sofort in seinen Bann gezogen und mitgerissen. Normale Thriller sind das nicht, die würde ...

Wie immer bei den Berlin Noirs von Johann Groschupf (2 davon hatte ich schon gelesen), hat mich der Schreibstil sofort in seinen Bann gezogen und mitgerissen. Normale Thriller sind das nicht, die würde ich auch gar nicht lesen wollen. Die Sprache ist hart und schnörkellos, die Figuren sind vielschichtig und interessant. Der Autor führt uns in die unterschiedlichsten Milieus, wir lernen die 3 Hauptfiguren, ihr Umfeld und ihre Geschichten kennen und die Verbindung zwischen diesen Handlungssträngen, die sich erst allmählich erschließt. Koba ist ein junger Georgier mit geschickten Händen, der mit 2 Kollegen zusammen für eine organisierte Einbrecherbande Einfamilienhäuser und Villen am Stadtrand ausräumt; Jacques „Jacke“ Lippold, gerade aus dem Knast gekommen, ist eher ein „Edelbetrüger“, der sich an die Berliner Kunstszene heranwanzt; Romina Winter, Kriminalbeamtin aus einer Roma-Familie, die sich hochgekämpft hat, aber doch sehr geprägt ist von ihrer Herkunft. Bei ihrer Figur hat der Autor für meinen Geschmack allerdings etwas zu sehr in die Klischee-Kiste gegriffen!
Die Handlung entwickelt sich rasant und spannend, aber folgt dabei nicht den Handlungsmustern eines üblichen Thrillers, Groschupf schreibt sehr viel literarischer, bleibt dabei jedoch immer „unputdownable“. Viel Berliner Lokalkolorit, viel Atmosphäre, unerwartete Wendungen und ein Schluss, der haarscharf am Kitsch vorbeischrammt. Trotz kleinerer Kritikpunkte (Klischeehaftigkeit von Rominas Figur) hat mich dieser ungewöhnliche Krimi wieder vollkommen begeistert und ich empfehle ihn allen, die einen intelligenten Krimi mit Tiefgang zu schätzen wissen.

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