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Veröffentlicht am 17.01.2020

Keine Verjährung

Menschenfischer
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Der Mord aus dem Jahr 1998 an dem 13jährigen Tobias Brüning wurde nie aufgeklärt. Der leitende Kommissar Rudi Ferres ist darüber in Rente gegen und nie hat ihn der Fall losgelassen. Immer wieder hat er ...

Der Mord aus dem Jahr 1998 an dem 13jährigen Tobias Brüning wurde nie aufgeklärt. Der leitende Kommissar Rudi Ferres ist darüber in Rente gegen und nie hat ihn der Fall losgelassen. Immer wieder hat er seine Notizen studiert und nun 15 Jahre später scheint es eine neue Spur zu geben. Er ruft seinen ehemaligen Kollegen Robert Marthaler aus Frankfurt nach Südfrankreich, um das, was er herausgefunden hat, weiterzugeben. Marthaler verspricht, sich den Fall nochmals vorzunehmen. Zurück in Frankfurt haben allerdings die Untersuchungen zu einem Anschlag auf ein bekanntes Lokal Vorrang. Dies ändert sich erst, als in der Umgebung zwei Kinder als vermisst gemeldet werden.

In seinem sechsten Fall hat Robert Marthaler sich zwar noch nicht mit der Trennung von seiner Langzeitfreundin Tereza abgefunden, doch irgendwie hat er sich arrangiert. Die Fahrt nach Frankreich kommt ihm gerade recht. Zwar kann Marthaler nicht so recht glauben, dass sich nach so langer Zeit etwas Neues ergeben kann, aber einen Versuch ist es alle Mal wert. Doch tatsächlich ergeben sich Ansätze, die nachgeprüft werden können. Hinzu kommt, dass Marthaler in Frankreich angegriffen wird. Handelt es einfach, um einen Überfall auf einen unbedarften Touristen oder hat da etwas jemand etwas dagegen, dass der alte Fall wieder aufgerollt wird.

Wie der Autor hier die verschiedenen Handlungsstränge verknüpft, ist schon eine Klasse für sich. Nichts ahnend befasst man sich mit einem alten Fall, bei dem man kaum noch auf Aufklärung hoffen kann und dann hat man auf einmal ein Konglomerat von Ansätzen, die den Mord damals in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Wie die Dimension der Sache nach und nach offengelegt wird, ist herausragend. Nur hin und wieder werden Zufälle bemüht, die ein wenig bemüht wirken. Doch diese Kleinigkeit hindert einen nicht, in diesem fesselnden Kriminalroman einzutauchen und sich nach der Lektüre noch weitere Gedanken über das brisante Thema zu machen, das der Autor mit seinem Buch behandelt. Im Übrigen fußt der Roman auf einer wahren Begebenheit, bei dieser konnte der Mord bis heute leider nicht aufgeklärt werden.

Veröffentlicht am 14.01.2020

Letzte Junitage

Der Attentäter
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Der österreichisch-ungarische Thronfolger soll im Juni 1914 in der Nähe von Sarajevo einem Manöver beiwohnen. Seine Frau Sophie begleitet ihn auf der Reise, denn es soll auch einen angenehmen Teil geben, ...

Der österreichisch-ungarische Thronfolger soll im Juni 1914 in der Nähe von Sarajevo einem Manöver beiwohnen. Seine Frau Sophie begleitet ihn auf der Reise, denn es soll auch einen angenehmen Teil geben, während dessen er nicht auf seine geliebte Gattin verzichten möchte. In Sarajevo kursieren Gerüchte, dass Mitglieder der „Schwarzen Hand“, einer geheimen serbischen Terrororganisation, einen Anschlag auf das Thronfolger-Paar planen. Major Markovic vom österreichisch-ungarischen Geheimdienst versucht zum einen herauszufinden, ob an den Gerüchten etwas dran und falls ja, das Attentat zu verhindern. Gleichzeitig sind jedoch wenige Polizisten und andere Sicherheitsleute vor Ort, so das keine lückenlose Absicherung des hohen Besuches gewährleistet ist.

Aus Sicht von Thronfolger Franz Ferdinand und seiner Frau Sophie, der Sicherheitsdienste und der Attentäter wird über die Woche vor dem Attentat und über das Attentat berichtet. Die Gruppe von Attentätern hat die Tat ausgiebig geplant und geübt. Der Geheimdienst erfährt von den Plänen und seine alle Kraft des Apparates in Bewegung, um das Attentat zu verhindern und die mutmaßlichen Täter zu verhaften. Die glücklich verheirateten Thronfolger freuen sich auf die Reise wie auf einen Urlaub. Besonders Franz Ferdinand mag nicht glauben, dass ihnen jemand nach dem Leben trachten könnte.

Man glaubt gar nicht, dass ein historisch verbürgtes Ereignis zu einem so spannenden Roman führen kann. Von dem Attentat auf den Thronfolger weiß man aus dem Geschichtsunterricht und man erinnert sich, dass es als Auslöser für den ersten Weltkrieg genommen wurde. Dass mit Franz Ferdinand einer getötet wurde, der eher gegen einen Krieg war, ist schon eine bitterböse Ironie. In diesem historischen Roman wird das Thronfolger-Paar sehr menschlich und auch sympathisch dargestellt, nicht so herrschaftlich von oben herab, wie man sich es vielleicht vorstellt. Doch auch die Attentäter werden nicht als dumme Mörder beschrieben, sondern eher wie junge Menschen, denen eine schwere Krankheit, die Tuberkulose, die Zukunft genommen hat. Da sie eh nichts mehr zu verlieren hatten, haben sie sich der „Schwarzen Hand“ angeschlossen. Ein besonderes Spannungsmoment besteht darin, dass der Geheimdienst immer wieder knapp davor ist, das Attentat zu verhindern. Und so läuft die packende Handlung auf ihr bedauerlicherweise unausweichliches Finale hin. Ein toller Roman über ein geschichtliches Ereignis, das dem Leser so ungemein nahe gebracht wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.01.2020

So Eine

Das kalte Echo
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DI Meg Dalton hat sich nach einer Auszeit an ihrem Heimatort im Peak District versetzen lassen. Zum eine will sie neu durchstarten, zum anderen möchte sie näher bei ihrer Mutter sein und diese bei der ...

DI Meg Dalton hat sich nach einer Auszeit an ihrem Heimatort im Peak District versetzen lassen. Zum eine will sie neu durchstarten, zum anderen möchte sie näher bei ihrer Mutter sein und diese bei der Pflege der Großmutter unterstützen. Gleich gibt es einen ersten Todesfall zu vermelden. Ein Anwalt wurde in einer ehemals bewohnten Höhle tot aufgefunden. Noch ist nicht entschieden, ob es sich um Mord oder Selbstmord handelt. Fest steht aber, dass er vergifteten Kuchen zu sich genommen hat. Meg und ihr Kollege Jai nehmen die Ermittlungen auf, wobei sie zunächst mit den Befragungen beginnen.

Meg Dalton muss sich in ihrem neuen Team einfügen. Das ist nicht so einfach, denn sie gilt als Überfliegerin allerdings mit einer Macke. Und so gibt es Kollegen, die das ausnutzen wollen, und solche, die sich davon nicht beirren lassen. Da muss also erstmal sortiert werden. Gleichzeit soll aber die Lösung des Falles her. Das Opfer hatte sich vor seinem Tod verändert, was aber sein Umfeld nicht so richtig wahrhaben wollte. Dazu hört man von einem Gerücht über ein verfluchtes Haus, von dessen Bewohnern über die Jahrzehnte schon mehrere unter seltsamen Umständen starben. Auch privat wird Meg von Sorgen geplagt, ihrer Mutter scheint es immer schwerer zu fallen, die Pflege der Großmutter zu bewältigen.

Diese neue Ermittlerin muss man sich merken. Zwar braucht man ein Weilchen, um sich an ihre Eigenheiten zu gewöhnen, doch schon bald hat sie die Sympathie gewonnen. Trotz schwerer Erlebnisse in ihrer Vergangenheit verliert sie nicht den Mut, im Gegenteil, sie geht die Probleme an und lässt sich auch von Rückschlägen nicht stoppen. Ihr erster Fall führt sie zu einer vom Schicksal gebeutelten Familie, die nur schwer ertragen kann, dass sie es nun auch noch mit einem unnatürlichen Todesfall zu tun bekommt. Meg und ihre Kollegen wühlen sich durch ein beinahe undurchdringliches Geflecht von Hinweisen. Ein Buch, bei dem man die ersten hundert Seiten überstehen will, um die nächsten vierhundert zu verschlingen.

Veröffentlicht am 12.01.2020

Fast tot

Die letzten Meter bis zum Friedhof
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Seit einiger Zeit fühlt Jaako sich nicht wohl. Endlich geht er zum Arzt, der ihm mitteilt, dass die Untersuchungen Hinweise auf eine Vergiftung ergeben haben. Diese sei schon so weit fortgeschritten, dass ...

Seit einiger Zeit fühlt Jaako sich nicht wohl. Endlich geht er zum Arzt, der ihm mitteilt, dass die Untersuchungen Hinweise auf eine Vergiftung ergeben haben. Diese sei schon so weit fortgeschritten, dass nichts mehr zu machen sei. Schockiert überlegt Jaako, wer einen Grund haben könnte, ihn zu töten. Tja, wer? Jemand aus seinem Umfeld? Er muss unbedingt mit seiner Frau sprechen. Daheim angekommen ist das erste was er sieht, seine Herzensdame, die sich mit einem Angestellten vergnügt. Ist da das Motiv? Oder liegt es doch eher in seiner Firma, die Pilze nach Japan liefert und die plötzlich Konkurrenz bekommen hat.

Schon seltsam, man geht zum Arzt und erfährt, dass man eigentlich schon so gut wie tot ist. Damit muss man erstmal zurecht kommen und auch mit dem Gedanken, dass einem offensichtlich einer ans Leder will. Fraglich, wem man noch vertrauen kann. Der eigenen Frau offenbar nicht. Und die Konkurrenz beginnt, Mitarbeitern in seiner Firma Arbeitsplätze anzubieten. Haben sie alle Jaako etwa schon abgeschrieben? Das lässt Jaako nicht mit sich machen. Er will unbedingt herausfinden, was wer vorhat. Und wenn es das Letzte ist, war er tut.

Richtig schön schräg ist dieser Kriminalroman um skurrile Typen aus Finnland. Natürlich ist es eine Ausgangslage, in der man nicht stecken möchte. Da ist man doch lieber gesund. Aber nichtsdestotrotz Jaako packt es an. Er gibt nicht einfach auf und damit ergibt sich eine spannende Gemengelage, die es aufzulösen gilt. Wahrscheinlich nicht perfekt und manchmal vielleicht auch etwas weit hergeholt, aber so witzig oder gar irrwitzig wie sich die Handlung entwickelt, da kann man einfach nur weiterlesen. Leicht und vergnüglich, aber auch fesselnd besticht dieser Roman mit seinem Helden quasi auf Krücken. Gerade das Richtige für einen entspannten Sonntagnachmittag.

Veröffentlicht am 11.01.2020

Oh mein Gott

GRM
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Aus verschiedenen Gründen gehören sie zu den Abgehängten und Abgeschobenen. Wenn die Sozialwohngebiete Londons oder Manchesters urbanisiert werden, gibt es nur noch die Elendssiedlungen in Rochdale. Dort ...

Aus verschiedenen Gründen gehören sie zu den Abgehängten und Abgeschobenen. Wenn die Sozialwohngebiete Londons oder Manchesters urbanisiert werden, gibt es nur noch die Elendssiedlungen in Rochdale. Dort landen die vier Kinder oder Jugendlichen Karen, Hanna, Peter und Don(atella). Im Grunde sind sie es, die die Familien oder Restfamilien durchbringen, da die Erwachsenen sich als unfähig erweisen. Nicht immer einfach ist diese Aufgabe und erschwert wird es noch, durch das unsägliche Verhalten anderer sogenannter Erwachsener, die allem Anschein nach nichts Besseres zu tun haben, als ihre vermeintliche Machtposition gegenüber den Schwächeren auszunutzen.

In solch einer Welt möchte man wirklich nicht leben, man fragt sich allerdings, ob sie nicht schon da ist. Es herrscht eine Art Device-Gläubigkeit. Die Gefühle verrohen oder sind nicht mehr vorhanden. Die Regierung manipuliert in das Leben seines Volkes hinein. Die Hoffnungen nach dem Brexit sind enttäuscht. Es gab keine schöne neue Welt mit englischen Engländern in einem englischen Land. Die meisten Ausländer haben eh einen britischen Paß oder sind aus anderen Gründen noch da. Die Trennung zwischen Arm und Reich wird immer strenger. Die Armen werden immer weiter von Leistungen des Staates ausgegrenzt. Und nur wenige unter anderem unsere Vier versuchen, sich dem System entgegen zu stellen.

Puh, was für eine Tour de Force ist die Lektüre dieses Buches. Und man kann sich nicht damit herausreden, dass die Handlung in England angesiedelt ist. Die Schreihälse gewinnen nicht nur dort gegen alle Vernunft, auch hier bestehen die Tendenzen. Die Netzgesteuerten verschaffen die Macht und die, die aufgegeben haben fügen sich einfach in die Situation. Die Mächtigen entblöden sich nicht, nur nach ihrem eigenen Vorteil zu schielen. Nur mit Zähneknirschen ist das zu ertragen. Wo sind denn die halbwegs normalen Menschen, die zwar der Technik gegenüber nicht verschlossen, aber doch ihren Mitmenschen Empathie entgegen bringen. Mit einigen ausgesprochen geschickten Kniffen schafft es die Autorin, ihre Utopie rund zu machen. Dieser Roman verlangt einem einiges ab, ist aber jede Zeile wert.